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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 13.04.2006
Aktenzeichen: 7 U 243/05
Rechtsgebiete: VAPS, GG, AGBG, BGB


Vorschriften:

VAPS § 39 Abs. 2
GG Art. 3 Abs. 1
AGBG § 9
BGB § 307
Die Anwendung des in § 39 Abs. 2 der Satzung der Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost vorgesehenen Halbanrechnungsgrundsatzes bei der Berechnung der Zusatzversorgungsrente verstößt jedenfalls für Versicherte, die bis zum 31.12.2000 versorgungsberechtigt geworden sind, auch nach diesem Stichtag nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, §§ 9 AGBG, 307 BGB (im Anschluss an BGH VersR 2004, 183 zur vergleichbaren Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder).
Oberlandesgericht Stuttgart 7. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 7 U 243/05

Verkündet am 13. April 2006

In dem Rechtsstreit

wegen Versorgungsrente

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2006 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Gramlich Richter am Oberlandesgericht Taxis Richter am Landgericht Schindler

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 25. Zivilkammer vom 22. November 2005 - 25 O 71/05 - wird zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert der Berufung: 14.722.- €

(die Streitwertbemessung erfolgte nach § 9 ZPO (3 1/2 - facher Wert des einjährigen Bezugs der Rente zuzüglich der rückständigen Renten unter Berücksichtigung eines Abschlags für die Feststellungsklage von 20%)

Gründe:

A.

Der Kläger ist Versorgungsrentner bei der Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost (VAP) und begehrt von den Beklagten die Feststellung, dass die ihm gewährte Versorgungsrente rückwirkend zum 01.02.2003 unter Berücksichtigung eines Nettoversorgungssatzes von 91,75 % festzusetzen ist.

Der Kläger war in der Zeit von 01.02.1981 bis 31.03.1997 Pflichtversicherter bei der VAP. Aufgrund der postbetriebsärztlichen Feststellung der Dienstunfähigkeit im Sinne von § 42 BBG wurde ihm auf seinen Antrag ab 01.04.1997 eine nach § 37 Abs. 5 der VAP-Satzung (nachfolgend: VAPS) in Höhe der Gesamtversorgung berechnete Versorgungsrente zuerkannt. Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die Halbanrechnung von Vordienstzeiten in § 39 Abs. 2 VAPS rechtwirksam ist.

Wegen der weiteren Enzelheiten wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Vor dem Landgericht hat der Kläger zuletzt beantragt,

die Beklagte Ziff. 2 zu verurteilen, dem Kläger Leistungen unter Berücksichtigung eines Nettoversorgungssatzes von 91,75 % zu zahlen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, dem Kläger Leistungen unter Berücksichtigung eines gegenüber dem aktuellen Nettoversorgungssatz von 75,44 % erhöhten Nettoversorgungssatzes von 91,75 % zu bezahlen. Die seitens der Beklagten formell korrekt angewandten Vorschriften der §§ 95 h, 39 Abs. 2 VAPS, aufgrund derer die außerhalb der Umlagemonate liegenden Zeiten des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung (221 Monate) - bei gleichzeitiger voller Anrechnung der auf die Vordienstzeiten entfallenden Rente - lediglich zur Hälfte angerechnet wurden, benachteiligten den Kläger weder unangemessen im Sinne von § 9 AGBG a.F. bzw. § 307 BGB noch werde der Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2000, 3341) zur vergleichbaren Halbanrechnung von Zeiten vor Aufnahme der Tätigkeit im Öffentlichen Dienst in der VBL-Satzung sei zu entnehmen, dass für Versorgungsberechtigte, denen bis zum Ablauf des Jahres 2000 gewährt worden sei, eine Ungleichbehandlung noch hinnehmbar sei. Die Regelung stelle eine noch zulässige Typisierung und Generalisierung dar. Im Gegensatz zur älteren sei jedoch in der jüngeren Versichertengeneration ein bruchloser Verlauf einer Erwerbsbiographie im Öffentlichen Dienst nicht mehr in hinreichender Weise typisch, sodass künftig die durch die volle Anrechnung der in Vordienstzeiten erworbenen Rentenansprüche bei hälftiger Berücksichtigung dieses Teils bei der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Dienstzeit nicht mehr hingenommen werden könne. Bei seiner Bewertung lege das Bundesverfassungsgericht ersichtlich ein dynamisches System zugrunde, bei welchem die Zahl der mobilen Beschäftigten, welche ggf. durch die Anwendung des Halbanrechnungsgrundsatzes benachteiligt würden, ständig wachse. Dies treffe auf die VBL, nicht jedoch auf die Beklagte Ziff. 2 zu. Bei dieser handele es sich um ein zwischenzeitlich "geschlossenes System". Denn die bei der Beklagten versicherten Arbeitgeber haben ab Juni 1997 die der Pflichtversicherung zu Grunde liegenden Versorgungstarifverträge gekündigt. Im System der Beklagten Ziff. 2 gebe es lediglich 53 Anwärter auf eine Versorgungsrente (Stand: September 2005). Die Rentenberechtigten hätten ihre Ansprüche auf eine Versorgungsleistung bis auf wenige Ausnahmen alle vor dem 01.01.2001 erworben. Die "Deckelung" des Versorgungssystems zum Ende des Jahres 2000 bleibe den Tarifvertragsparteien unter Berücksichtigung von Art. 9 Abs. 3 GG unbenommen. Dass sie sich dabei von sachfremden Erwägungen hätten leiten lassen, sei nicht ersichtlich.

Dagegen wendet sich der Kläger mit dem Rechtsmittel der Berufung. Beide Beklagten seien gesamtschuldnerisch verpflichtet, ihm eine Versorgungsleistung nach einem Nettoversorgungssatz von 91,75 % rückwirkend für die Zeit ab 01.02.2003 zu zahlen. Er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag, wonach die weitere Anwendung des Halbanrechnungsgrundsatzes durch die Beklagten gegen Art. 3 GG verstoße. Die Beklagten hätten es unterlassen, die verfassungswidrige Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Zeit nach § 39 Abs. 2 VAPS entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu korrigieren. Entgegen der Behauptung der Beklagten Ziff. 2 sei die rechtswidrige Bestimmung des § 39 VAPS für die ganz überwiegende Zahl der Versorgungsberechtigten auch weiterhin von Bedeutung. Mit der vom Landgericht behaupteten zulässigen Generalisierung, weil nur wenige Betroffene noch vorhanden seien, lasse sich die erkannte Rechtswidrigkeit des Handelns der Beklagten nicht kompensieren. Des Weiteren greift der Kläger die Kostenentscheidung des Landgerichts im Hinblick auf die für erledigt erklärten Anträge erster Instanz an.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger eine Versorgungsleistung, berechnet nach einem Nettoversorgungssatz von 91,75 % rückwirkend für die Zeit ab 01.02.2003 zu zahlen; hilfsweise festzustellen, dass § 39 Abs. 2 VAPS rechtswidrig ist.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Ergänzend führen sie aus, die Satzung der Beklagten Ziff. 2 sei auch Grundlage der von der Beklagten Ziff. 1 übernommenen Parallelverpflichtung zur Übernahme der Zahlungsverpflichtung der VAP-Versorgungs-rente mit Wirkung ab 01.07.2000 (§§ 77, 33 Abs. 2 VAPS). Da das Versorgungssystem der Beklagten Ziff. 2 im Gegensatz zur VBL zwischenzeitlich geschlossen sei, sei eine Änderung der Satzung nicht mehr notwendig. Unabhängig davon gehöre der Kläger noch der Rentnergeneration an, für die die Halbanrechnung unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes noch Bestand habe. Auch der Bundesgerichtshof (Urteil vom 26.11.2003, IV ZR 186/02 = VersR 2004, 183) habe ausgeführt, dass bei einem Altrentner, bei dem der Versicherungsfall und damit sein Anspruch auf eine Versorgungsrentenleistung vor dem 01.01.2001 eingetreten sei, die Halbanrechnung weiterhin zulässig sei. In diesen Fällen gelte noch die Grundannahme einer bruchlosen Erwerbsbiographie. Selbst wenn dem Kläger darin zu folgen wäre, dass § 39 Abs. 2 VAPS rechtswidrig wäre, würde sich daraus noch kein Anspruch des Klägers auf einen höheren Nettoversorgungssatz ergeben. Vielmehr müsste zunächst der Satzungsgeber eine verfassungskonforme Regelung schaffen, welche dann zur Grundlage einer neuen Rentenberechnung gemacht werden könnte. Dabei bliebe dem Satzungsgeber nicht nur die Möglichkeit, die Halbanrechnung zu Gunsten einer Vollanrechnung von Vordienstzeiten aufzugeben. Wie die Entscheidung des Satzungsgebers der VBL zeige, sei auch eine Nichtanrechnung von Vordienstzeiten denkbar.

Auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien nebst Anlagen wird Bezug genommen.

B

Die gegen beide Beklagte zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

1.

Nachdem der vom Landgericht beschiedene Feststellungsantrag in erster Instanz lediglich gegen die Beklagte Ziff. 2 gerichtet war, ist in der im Berufungsverfahren beantragten gesamtschuldnerischen Verpflichtung beider Beklagten, die Versorgungsleistung nach einem Nettoversorgungssatz von 91,75 % zu berechnen, eine Parteierweiterung zu sehen. Eine Parteierweiterung in zweiter Instanz ist wie eine Klageänderung zu behandeln. Die Einbeziehung eines weiteren Beklagten erst in der Berufungsinstanz ist grundsätzlich nur mit der Zustimmung aller Beteiligten zulässig, sofern dieselbe nicht rechtsmissbräuchlich verweigert wird (vgl. Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 525 Rn. 6 m.w.N.). Die Zustimmung der Beklagten Ziff. 1 und 2 liegt vor.

2.

Ein Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Feststellung besteht gegenüber beiden Beklagten.

Im Rahmen der Neuordnung der betrieblichen Altersversorgung hat die Beklagte Ziff. 1 von der in § 77 VAPS vorgesehenen Möglichkeit, die Zahlungsverpflichtung der Beklagten Ziff. 2 im Wege einer Parallelverpflichtung zu übernehmen, mit Wirkung vom 01. Juli 2000 Gebrauch gemacht. Bei der Parallelverpflichtung handelt es sich um eine weitere, identische Zusage auf die Leistung einer betrieblichen Altersversorgung nach Maßgabe der Satzung der Beklagten Ziff. 2. Der Versorgungsberechtigte hat nach Ausspruch der Parallelverpflichtung zwei parallele Ansprüche auf dieselbe Leistung (Fuhrig in: Hofbauer/Dembski, Kommentar zur VAP-Satzung, Stand Juni 2005, § 77 Rn. 31; Senat Urteil vom 13.12.2001 - 7 U 156/01). Dies führt jedoch nicht zu einer gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten. Vielmehr ruht die Verpflichtung der Beklagten Ziff. 2 zur Gewährung von Leistungen insoweit, als von der Beklagten Ziff. 1 die deckungsgleiche Verpflichtung erfüllt wird. Da der ursprüngliche Anspruch gegenüber der Beklagten Ziff. 2 nur ruht, liegt keine Schuldübernahme im Sinne der §§ 414, 415 BGB vor. Der Zahlungsanspruch besteht jedoch primär gegen die Beklagte Ziff. 1. Da die Frage des der Versorgungsleistung zu Grunde zu legenden Nettoversorgungssatzes jedoch das Rechtsverhältnis zu beiden Beklagten betrifft, besteht auch gegenüber beiden Beklagten ein Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Feststellung.

II.

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass die seitens der Beklagten formell korrekt angewandten Vorschriften der §§ 95 h, 39 Abs. 2 VAPS, aufgrund derer die außerhalb der Umlagemonate liegenden Zeiten des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung (221 Monate) - bei gleichzeitiger voller Anrechnung der auf die Vordienstzeiten entfallenden Rente - lediglich zur Hälfte angerechnet wurden, den Kläger nicht unangemessen im Sinne von § 9 AGBG a.F. bzw. § 307 BGB benachteiligen. Der Kläger wird dadurch auch nicht in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Die Beklagten sind deshalb nicht verpflichtet, an den Kläger Leistungen unter Berücksichtigung eines gegenüber dem aktuellen Nettoversorgungssatz von 75,44 % erhöhten Nettoversorgungssatzes von 91,75 % zu zahlen.

1.

Entgegen der Ansicht der Berufung stehen dem Kläger gegen beide Beklagten materiell deckungsgleiche Versorgungsansprüche zu, wobei der gegen die Beklagte Ziff. 2 gerichtete Versorgungsanspruch nach § 33 Abs. 2 VAPS ruht (vgl. Senat a.a.O.).

Nach dem für den Kläger maßgeblichen Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer der Deutschen Bundespost vom 16.10.1969, zuletzt geändert durch TV Nr. 424 vom 22.09.1992 (Anl. B 1 zur Berufungserwiderung Bl. 163 ff) war die Rechtsvorgängerin der Beklagten Ziff. 1 verpflichtet, ihre Arbeitnehmer so zu versichern (Pflichtversicherung), dass die Arbeitnehmer eine Anwartschaft auf eine dynamische Versorgungsrente für sich und ihre Hinterbliebenen im Rahmen einer Gesamtversorgung erwerben können. Die Gesamtversorgung muss nach der gesamtversorgungsfähigen Zeit und dem gesamtversorgungsfähigen Entgelt bemessen sein (§ 2 des Tarifvertrags). Dieser Verpflichtung ist die Beklagte Ziff. 1 durch Versicherung des Klägers bei der Beklagten Ziff. 2 nachgekommen (§ 3 des Tarifvertrags). Die Satzung der Beklagten Ziff. 2 wiederum räumt den Mitarbeitern der Unternehmen ihres Geschäftsbereichs nach Maßgabe ihrer Satzung einen Direktanspruch auf Versorgungsleistungen ein.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z.B. BGHZ 103, 370) unterliegt die Satzung der Beklagten Ziff. 2 in vollem Maß der richterlichen Inhaltskontrolle. Da die Beklagte Ziff. 2 eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, ist die Satzung auch unter dem Gesichtspunkt der im Grundgesetz verankerten Grundrechte zu überprüfen. Letzteres gilt auch für tarifvertragliche Regelungen, aus denen sich die Versorgungszusage des Klägers gegenüber der Beklagten Ziff. 1 ergibt. Der allgemeine Gleichheitssatz ist Teil der objektiven Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundlage für alle Bereiche des Rechts Geltung beansprucht. Er ist auch von den Tarifparteien zu beachten. Art. 9 Abs. 3 GG steht dem nicht entgegen (BAG, Urteil vom 07.03.1995 - 3 AZR 625/94). Nichts anderes ergibt sich aus der vom Kläger zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH NJW 2001, 3693 [Menau]). Nach Ansicht des EuGH ist Art. 119 EGV dahin auszulegen, dass Einrichtungen wie Pensionskassen deutschen Rechts, die damit betraut sind, Leistungen eines Betriebsrentensystems zu erbringen, den Gleichheitsgrundsatz zu beachten haben. Dies gilt nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, auch für die Satzung der Beklagten Ziff. 2.

Dass die dem Kläger nach der Satzung der Beklagten Ziff. 2 zugesagte Versorgung hinter der Versorgungszusage des oben genannten Tarifvertrags über die Versorgung der Arbeitnehmer der Deutschen Bundespost vom 16.10.1969 zurückbleibt, ist nicht ersichtlich.

2.

Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.03.2000 (NJW 2000, 3341), der die sog. Halbanrechnung der VBL-Satzung zum Gegenstand hat, folgt entgegen der Ansicht des Klägers keine Unwirksamkeit der vergleichbaren Regelung in § 39 Abs. 2 VAPS.

a) Das Bundesverfassungsgericht hat die vergleichbare Regelung in § 42 VBL-Satzung zwar beanstandet, eine Verletzung von Grundrechten der dortigen Beschwerdeführerin aber "(noch) nicht" festgestellt. Zwar würden Versicherte mit Vordienstzeiten schlechter gestellt als Arbeitnehmer, die vor dem Eintritt in den Öffentlichen Dienst überhaupt keine versicherungspflichtige Tätigkeiten ausgeübt haben. Diese Ungleichbehandlung halte sich derzeit jedoch noch im Rahmen einer zulässigen Generalisierung. Der Satzungsgeber sei wegen der hoch komplizierten Materie zu gewissen Vereinfachungen gezwungen. Dabei dürfe er Ungleichbehandlungen in Kauf nehmen, solange davon nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen sei. Erst für die jüngere Versichertengeneration sei ein bruchloser Verlauf der Erwerbsbiographie im Öffentlichen Dienst angesichts stark angestiegener Teilzeitarbeit und einer stärkeren Diskontinuität des Erwerbslebens nicht mehr in hinreichender Weise typisch. Angesichts dieser Entwicklung könne die Benachteiligung der Versorgungsempfänger durch volle Anrechnung der in Vordienstzeiten erworbenen Rentenansprüche bei nur hälftiger Berücksichtigung dieses Teils ihrer Lebensarbeitszeit im Rahmen der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Dienstzeit nicht mehr hingenommen werden.

b) Mithin ist das Bundesverfassungsgericht davon ausgegangen, dass alle Versicherten, die vor Ablauf des Jahres 2000 Versorgungsempfänger einer Einrichtung wie der Beklagten Ziff. 2 geworden sind, noch zu derjenigen Generation zählen, für die ein bruchloser Verlauf der (bei Rentenbeginn abgeschlossenen) Erwerbsbiographie als typisch angesehen werden kann (BGH VersR 2004, 183 und 2004, 499). Die durch die Halbanrechnung eintretende Ungleichbehandlung hat ein Versicherter, der bis zum Ablauf des Jahres 2000 Versorgungsempfänger geworden ist, nicht zuletzt auch im Interesse der Erhaltung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Versorgungsträgers hinzunehmen, selbst wenn für die Zukunft - so das Bundesverfassungsgericht im Fall der VBL - eine andere, die Ungleichbehandlung für zukünftige Rentenempfänger vermeidende Regelung zu treffen ist (BGH VersR 2005, 210). Die Unterscheidung, die das Bundesverfassungsgericht zwischen der Generation der Versorgungsempfänger bis zum Ablauf des Jahres 2000 einerseits und der jüngeren Versichertengeneration andererseits trifft, verlöre ihren Sinn, wenn auch Personen, die vor dem Stichtag schon Versorgungsempfänger bei der Beklagten Ziff. 2 waren, nach dem Stichtag als Angehörige der jüngeren Versicherungsgeneration hätten gelten sollen. Für die Angehörigen der älteren Versichertengeneration ist die Anwendung der Halbanrechnung nach § 39 Abs. 2 VAPS weiterhin zulässig (BGH a.a.O.).

c) Zu dieser "älteren Versichertengeneration" zählt auch der Kläger. Er bezieht bereits seit 01.04.1997 eine Versorgungsrente nach § 37 Abs. 5 VAPS. Für seine Rentnergeneration gilt noch die vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Typisierung und Generalisierung für zulässig erachtete Grundannahme einer bruchlosen Erwerbsbiographie. Diese Grundannahme gilt gleichermaßen für die Versorgungsempfänger der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder wie der Beklagten Ziff. 2. Anhaltspunkte für eine unterschiedliche Rentnerstruktur in beiden Versorgungseinrichtungen sind nicht ersichtlich. Deshalb bedarf es entgegen der Ansicht des Klägers keiner Feststellungen dazu, wie viele Versorgungsempfänger, die vor Ablauf des Jahres 2000 Versorgungsempfänger bei den Beklagten geworden sind, von der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Ungleichbehandlung tatsächlich betroffen sind.

d) Der Qualifikation als "Bestandsrentner" steht nicht entgegen, dass die dem Kläger ab 01.04.1997 gewährte Versorgungsrente als "vorläufige" bezeichnet wurde. Die Bezeichnung "vorläufig" zielt auf die Rentenhöhe nicht auf den Eintritt des Versorgungsfalls (Müller in: Hofbauer/Dembski a.a.O. § 61 Rn. 104). Der Versicherungsfall war vorliegend gemäß §§ 37 Abs. 2, 36 Abs. 1 lit. g, 36 Abs. 2 VAPS aufgrund der postbetriebsärztlichen Feststellung vom 26.01.1997 eingetreten. Die dort festgestellte Dienstunfähigkeit im Sinne von § 42 Abs. 1 BBG steht der Erwerbsunfähigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung gleich (Steinhilber in: Hofbauer/Dembski a.a.O. § 36 Rn. 135).

3.

Zuzustimmen ist dem Landgericht auch darin, dass das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) seiner Würdigung im Hinblick auf die VBL-Satzung ersichtlich ein dynamisches System zu Grunde gelegt hat, bei welchem die Zahl der Beschäftigten, die Vordienstzeiten bei Arbeitgebern außerhalb des öffentlichen Dienstes zurückgelegt haben und die deshalb durch die Anwendung des Halbanrechnungsgrundsatzes benachteiligt werden können, ständig wächst. Demgegenüber handelt es sich bei der Beklagten Ziff. 2 um ein zwischenzeitlich "geschlossenes System". Die bei der Beklagten Ziff. 2 versicherten Arbeitgeber - auch die Beklagte Ziff. 1 als frühere Arbeitgeberin des Klägers - haben ihre betriebliche Altersversorgung durch Kündigung der zu Grunde liegenden Versorgungstarifverträge ab Juni 1997 gekündigt (vgl. Knaus in: Hofbauer/Dembski a.a.O. § 20 Rn. 47; Auszug aus dem Geschäftsbericht der VAP für das Geschäftsjahr 1997 - vorgelegt als Anl. B 6 zur Berufungserwiderung). Für die vorhandenen Arbeitnehmer wurde die Zusage auf Pflichtversicherung bei der Beklagten Ziff. 2 durch ablösende Zusagen auf eine betriebliche Altersversorgung beendet. Neu eintretende Arbeitnehmer wurden nicht mehr der Pflicht zur Versicherung bei der Beklagten Ziff. 2 unterworfen. Konsequenz daraus ist, dass es im Geschäftsbereich der Beklagten Ziff. 2 zu dem vom Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) festgelegten Stichtag vom 31.12.2000 nahezu keine Anwärter auf eine Versorgungsrente mehr gab. Einzige Ausnahme war das wissenschaftliche Institut für Kommunikationsdienste GmbH in B. H., das erst zum 31.12.2001 aus dem Geschäftsbereich der Beklagten Ziff. 2 ausgeschieden ist, mit - nach dem Vortrag der Beklagten - 27 Pflichtversicherten (vgl. Auszug aus dem Geschäftsbericht der Beklagten Ziff. 2 über das Jahr 2002 - Anl. B 6 zur Berufungserwiderung). Vor diesem Hintergrund bedurfte es bei der Beklagten Ziff. 2 - anders als bei der VBL - keiner Satzungsänderung, um eine Ungleichbehandlung von Neurentnern ab dem Jahr 2001 mit gebrochener Erwerbsbiographie zu vermeiden.

Dass die "Deckelung" des Versorgungssystems der Beklagten Ziff. 2 vor dem Hintergrund von Art. 9 Abs. 3 GG rechtswidrig sein könnte, hat der Kläger nicht behauptet (so ausdrücklich Berufungsbegründung S. 4 oben = Bl. 153 d.A.).

4.

Selbst wenn entgegen dem zuvor Ausgeführten davon auszugehen wäre, dass die Beklagte Ziff. 2 zur Herbeiführung einer Gleichbehandlung § 39 Abs. 2 VAPS auch für Versorgungsempfänger, die bereits vor dem 31.12.2000 eine Rente bezogen haben, anzupassen hätte, würde dies nicht zwangsläufig dazu führen, dass dem Kläger ein Nettoversorgungssatz von 91,75 % zuzubilligen wäre. Da eine verfassungskonforme Neuregelung ab dem Jahr 2001 nicht nur in der Weise herbeigeführt werden könnte, dass eine Vollanrechnung der Versicherungszeiten außerhalb des Öffentlichen Dienstes zu erfolgen hätte, wäre zunächst der Satzungsgeber aufgerufen, eine entsprechende Regelung zu treffen.

III.

Ohne Erfolg wendet sich der Kläger auch gegen die vom Landgericht nach § 91 a ZPO getroffene Kostenentscheidung hinsichtlich der von den Parteien übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärten Klageanträge im ersten Rechtszug.

1.

Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass die Klageanträge Ziff. 1 bis 3 aus der Klageschrift vom 24.01.2005 in dem parteierweiternden Schriftsatz vom 11.02.2005 bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses - der Entscheidung der Einspruchsstelle der Beklagten Ziff. 2 vom 23.09.2005 - unzulässig waren.

Gemäß § 70 Abs. 1 VAPS ist gegen Entscheidungen der Beklagten Ziff. 2 vor Erhebung der Klage ein Einspruchsverfahren durchzuführen. Erst gegen Entscheidungen der Einspruchsstelle der Beklagten Ziff. 2 ist gemäß § 73 VAPS eine Klage vor den ordentlichen Gerichten zulässig.

Die Notwendigkeit eines Einspruchsverfahrens gilt auch bezüglich der von der Beklagten Ziff. 1 übernommenen Parallelverpflichtung auf Zahlung der von der Beklagten Ziff. 2 zugesagten Versorgungsleistungen. Darauf wurde der Kläger in den Leistungsbescheiden der Beklagten Ziff. 1 hingewiesen (vgl. z.B. Mitteilung vom 27.05.2004, Bl. 41 der Beiakte 25 O 67/05).

2.

Zutreffend weist das Landgericht weiter darauf hin, dass der Bescheid vom 27.05.2004, obwohl der Einspruch lediglich teilweise für begründet erachtet wurde, durch die Entscheidung der Einspruchsstelle der Beklagten Ziff. 2 vom 27.05.2004 vollumfänglich aufgehoben wurde. Bei der hierauf ergangenen Mitteilung vom 21.03.2005 handelt es sich um eine neue Entscheidung im Sinne von § 70 Abs. 1 VAPS, hinsichtlich der ein eigenes Einspruchsverfahren durchzuführen war, das mit der Entscheidung vom 23.09.2005 endete.

Davon abgesehen war eine Neuberechnung der Versorgungsrente entsprechend dem Klagebegehren für die Beklagten erst dann möglich, als der Kläger einen Bescheid des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung vorgelegt hatte, aus dem hervorging, dass die Erhöhung der gesetzlichen Rente auf den Wegfall der Kürzung wegen des zuvor berücksichtigten Versorgungsausgleiches zurückzuführen war. Auf diesen in seiner Sphäre liegenden Umstand wurde der Kläger bereits in der ersten Entscheidung der Einspruchsstelle der Beklagten Ziff. 2 vom 21.03.2005 hingewiesen.

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob die Halbanrechnung von Vordienstzeiten für Versorgungsempfänger, die schon vor dem 31.12.2000 Versorgungsleistungen bezogen haben, weiterhin zulässig ist, ist durch die genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 26.11.2003, 11.02.2004 und 10.11.2004 (VersR 2004, 183; 2004, 499 und 2005, 210) bereits geklärt. Der Senat folgt dieser Rechtsprechung.

V.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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