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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 16.08.2001
Aktenzeichen: 7 U 37/2001
Rechtsgebiete: GVB 94, AGBG, ZPO
Vorschriften:
GVB 94 § 7 (3) | |
GVB 94 § 3 (1) b | |
GVB 94 § 5 (1) a | |
GVB 94 § 3 | |
GVB 94 § 7 (3) a | |
GVB 94 § 2 (1) a - c | |
GVB 94 § 2 (1) | |
AGBG § 5 | |
AGBG § 9 | |
ZPO § 92 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 |
Der Haftungsausschluss von § 7 (3) GVB 94 erfasst nur erhebliche Mängel des Gebäudes oder einzelner Gebäudeteile, die dazu führen, dass das Schadensereignis bei natürlicher Betrachtungsweise sich weit weniger als eigentlicher Elementarschaden darstellt, sondern überwiegend als die Verwirklichung eines im Gebäude selbst angelegten Risikos, wobei der Elementargewalt eher die Funktion eines letzten Auslösers zukommt.
Oberlandesgericht Stuttgart 7. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 7 U 37/2001
Verkündet am: 16. August 2001
In der Rechtssache
wegen Forderung
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Grämlich, des Richters am Oberlandesgericht Uebe und des Richters am Landgericht Wetzel
auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2001
für Recht erkannt:
Tenor:
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 12.1.2001 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Wohnungseigentümergemeinschaft F str. 61-65 in G-J zu Händen der Klägerin 124.232,78 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 27.12.1999 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Fa. G eG, Genossenschaft zur Förderung des Wohnbaus, W str. 3, N, weitere 70.970,92 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 27.12.1999 zu bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III.
Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin 11 % und die Beklagte 89 %.
IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 240.000,-- DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitwert der Berufung: 220.529,40 DM.
Wert der Beschwer für die Beklagte: über 60.000,-- DM,
Wert der Beschwer für die Klägerin: nicht über 60.000,-- DM.
Tatbestand:
Die Klägerin verwaltet für die Eigentümergemeinschaft nach dem WEG das Anwesen F str. 63 in G-J. Für das neu errichtete Mehrfamilienwohnhaus wurde bei der Gebäudeversicherung Baden-Württemberg AG eine Elementarschadensversicherung mit Wirkung ab 12.3.1999 abgeschlossen (Vers.-Schein v. 20.10.1999, Anl. K 4 zur Klageschrift). Dem Vertrag liegen die allgemeinen Bedingungen für die verbundene Wohngebäudeversicherung (GVB 94-Wohn-gebäude) zugrunde (Anl. K 5 zur Klageschrift).
Nach § 3 (1) b dieser Bedingungen leistet der Versicherer Entschädigung für versicherte Sachen, die durch die Elementarereignisse Sturm ... zerstört oder beschädigt werden ...
Nach § 5 (1) a ist Sturm eine atmosphärisch bedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 nach Beaufort (Bft).
Nach § 7 (3) a erstreckt sich in der Elementarschadensversicherung der Versicherungsschutz ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen nicht auf Gebäudeschäden oder Mängel, die bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls vorhanden waren.
Die Gebäudeversicherung Baden-Württemberg AG firmiert seit 1.1.2000 unter der Bezeichnung der Beklagten.
Am 26.12.1999 wurde das Dach des versicherten Gebäudes vom Wind abgehoben, es ging in nicht unerheblicher Entfernung vom Haus in einer Wiese nieder. Die Dämmschicht aus Mineralfasern wurde auf eine knapp 1 km² große Fläche verteilt. Durch das Eindringen von Wasser in das Gebäude kam es darüber hinaus zu weiteren Schäden.
Die Klägerin wurde durch Beschluss der Wohnungseigentümer vom 11.5.2000 sowie durch den Eigentümer von zwei Wohnungen im obersten Geschoss des betreffenden Gebäudes, die G eG mit Sitz in Heilbronn, ermächtigt, entsprechende Forderungen im eigenen Namen geltend zu machen.
Sie macht Kosten für Aufräumarbeiten, die Entsorgung des Daches, die Noteindeckung, Sanitärarbeiten, Beseitigung von Wasserschäden, Wiedererrichtung des Daches, einer zerstörten Lichtkuppel und mehrerer Rollläden geltend, außerdem auch die Kosten der Organisation der Schadensbeseitigung, die ihr selbst entstanden sind und die sie den Wohnungseigentümern und der G eG in Rechnung gestellt hat. Die Reparaturkostenrechnungen hat die Klägerin zunächst selbst bezahlt.
Im Vertrag ist ein Selbstbehalt von 1 % der Versicherungssumme vereinbart, der sich auf 2.252,80 DM berechnet.
Die Klägerin berechnet den Schaden der Wohnungseigentümer auf 136.895,63 DM und den Schaden der G eG auf 83.633,77 DM. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der Klageschrift (Bl. 6-18) Bezug genommen.
Die Klägerin hat behauptet:
Es habe Sturm, also eine Windstärke von 8 Bft oder mehr geherrscht. Durch einen Zeitungsbericht sei belegt, dass bei der Klinik in G-E eine Windgeschwindigkeit von 120,6 km/h gemessen worden sei (Windstärke 12). Auch aus dem von der Klägerin eingeholten Gutachten des Deutschen Wetterdienstes vom 20.11.2000 (Anl. zu Bl. 42) ergebe sich die behauptete Windstärke. Die Ursache des Schadens am Gebäude liege in dem Sturm und in der unglücklichen Lage des Gebäudes zur Windrichtung. Bei weniger als Windstärke 8 würde sich das Dach nie und nimmer selbständig gemacht haben.
Der Mitarbeiter M der Beklagten habe deren Einstandspflicht mündlich zugesichert.
Die Klägerin hat beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Wohnungseigentümergemeinschaft F str. 61-65 in G-J zu Händen der Klägerin 136.895,63 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 27.12.1999 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Fa. G eG, Genossenschaft zur Förderung des Wohnbaus, W str. 3, N, weitere 83.633,77 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 27.12.1999 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet:
Es sei nicht richtig, dass über dem Gebäude eine Windstärke "über" 8 geherrscht habe. Der Sturm sei allenfalls Auslöser des Schadens gewesen. Der Dachausbau sei nicht ordnungsgemäß nach den anerkannten Regeln der Bautechnik ausgeführt und verankert gewesen. Die zur Verankerung des Daches verwendeten glattschaftigen Nägel, in viel zu weiten Abständen plaziert, seien nicht geeignet, der gem. DIN 1055 vorgeschriebenen Normwindbelastung Stand zu halten. Der Windstaudruck habe sogar nur % des Staudrucks des Normwindes betragen.
Die Beklagte bezieht sich auf ein von ihr eingeholtes und vorgelegtes Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für konstruktiven Ingenieurbau Dr.-Ing. Rolf B (Anl. zum Schritts, v. 8.11.2000, Bl. 28-32).
Es sei nicht richtig, dass ihr Mitarbeiter M den Ersatz des Schadens zugesichert habe.
Es bestehe jedenfalls keine Eintrittspflicht für die Kosten der Klägerin, da es sich vorliegend um eine Sachversicherung handele, die für allgemeine Vermögensschäden nicht einzutreten habe.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 12.1.2001 (Bl. 49-62) die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hat ausgeführt, es sei überzeugt, dass über dem fraglichen Grundstück ein Sturm mit mindestens 8 Bft geherrscht habe. Es sei auch davon auszugehen, dass die Schäden durch den Sturm i. S. von § 3 GVB 94 entstanden seien und nicht durch eklatante Bauschäden. § 7 (3) a GVB 94 enthalte für den vorliegenden Fall keinen Haftungsausschluss. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 17.1.2001 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 16.2.2001 eingegangenen Berufung. Die Berufungsbegründungsfrist wurde auf den Antrag vom 16.3.2001 bis zum 17.4.2001 verlängert. An diesem Tage ging die Berufungsbegründung ein.
Die Beklagte greift das Urteil im Wesentlichen mit ihren bereits im 1. Rechtszug vorgebrachten Behauptungen und Argumenten an und macht darüber hinaus geltend, sie sei auch nicht zur Erstattung der Mehrwertsteuer verpflichtet, weil die Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt sei.
Die Beklagte beantragt:
Das am 12.1.2001 verkündete Urteil des Landgerichts Heilbronn wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil, das sie für richtig hält.
Der Senat hat das Gutachten des Deutschen Wetterdienstes vom 31.5.2001 eingeholt, auf dessen Inhalt (Bl. 114-116) verwiesen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteivertreter und die von ihnen beigefügten Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat in der Sache nur teilweise Erfolg.
I.
Das Landgericht ist zu Recht und mit ausführlicher und zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass die Beklagte für den Schaden, den der Orkan "Lothar" am 26.12.1999 am Hause F str. 63 in G-J angerichtet hat, eintrittspflichtig ist. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an.
Die Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren führen zu keiner anderen Beurteilung.
1. Ohne Erfolg bestreitet die Beklagte nach wie vor, dass am Schadensort Sturm mit mehr als 8 Beaufort (Bft) geherrscht habe und bringt hierzu vor, in den Medien sei nicht berichtet worden, an welchen Orten welche Windstärken geherrscht hätten. Tatsächlich sei es so gewesen, dass in den einzelnen Teilen des Landes je nach geographischer Lage und den individuellen wetterbedingten Verhältnissen höchst unterschiedliche Sturmstärken geherrscht hätten. Das von der Klägerin vorgelegte Privatgutachten des Deutschen Wetterdienstes habe nicht herangezogen werden können, da es sich auf die Region des Stuttgarter Flughafens beziehe, die über 30 km vom Schadensgrundstück entfernt sei und da dort ganz andere geographische Gegebenheiten herrschten als auf dem Schadensgrundstück.
Trotz dieser Ausführungen bestehen keine Zweifel daran, dass am Schadenstag im Bereich des streitgegenständlichen Daches Sturm i. S. von § 5 (1) a GVB 94 herrschte. Voraussetzung dafür ist, dass am Schadensort eine atmosphärisch bedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 nach Bft vorlag.
Hieran besteht nach dem Ergebnis des vom Senat eingeholten Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes vom 31.5.2001 kein Zweifel. Es stützt sich auf die Messungen bei der Flugwetterwarte Stuttgart am Flughafen Stuttgart, die 30 km vom Schadensort entfernt ist. Mit einer Höhe von 370 m über NN. liegt sie etwa gleich hoch wie der Schadensort. Der Senat folgt den Ausführungen des Deutschen Wetterdienstes, dass bei der herrschenden Wetterlage (große Ausdehnung des Windfeldes des Orkans über Süddeutschland von Heilbronn bis südlich von Ulm) die Windmessdaten der Flugwetterwarte Stuttgart daher auf den Schadensort übertragen werden können.
Nach den Ausführungen des Deutschen Wetterdienstes war das Stundenmittel der Windstärke von 12.00 Uhr bis 13.00 Uhr sogar 9 Bft. Am Flughafen Stuttgart wurde die Windstärke 12 ("Orkan") zwischen 12.20 Uhr und 13.10 Uhr 9 mal überschritten.
Windstärke 11 Bft wurde zwischen 12.00 Uhr und 15.00 Uhr etwa 30 mal und Windstärke 10 ständig im Abstand von wenigen Minuten überschritten.
Das Gutachten berücksichtigt auch die örtlichen Gegebenheiten. Danach war das Dach des Gebäudes der Windeinwirkung des Orkans "Lothar", die aus Südwest bis West kam, voll ausgesetzt.
Die Beklagte macht ohne Erfolg geltend, es sei zu beanstanden, dass der Gutachter nicht die näher am Schadensgrundstück gelegene Windmessstation Bad Boll miteinbeziehe. Diese Station ist nach Seite 21 des Gutachtens von Dr. B etwa 10 km südsüdwestlich der Schadensstelle, ihre Höhe über NN. ist ca. 410 m. Da die Station höher liegt als die Flugwetterwarte Stuttgart und der Schadensort, ist nicht zu beanstanden, dass der Deutsche Wetterdienst die Messdaten von Bad Boll im vorliegenden Fall nicht auf den Schadensort übertragen hat.
Im Übrigen würde auch die Übertragung dieser Daten auf den Schadensort zu keiner anderen Beurteilung führen, wie das Gutachten von Dr. B zeigt. Nach dessen Ausführungen wurde in Bad Boll eine Windgeschwindigkeit von 31,2 m/Sek. aus West gemessen, was nach den Ausführungen auf Seite 21-23 des Gutachtens Dr. B einer Windstärke von 11 Bft. entspricht. Der Gutachter Dr. B hat in Anlage 7 zu seinem Gutachten eine Auskunft des Deutschen Wetterdienstes vorgelegt mit Messungen über Windgeschwindigkeiten an verschiedenen Stationen. Überall wurden mindestens 10 Windstärken, großenteils 11 und sogar 12 Windstärken erreicht.
Insgesamt bestehen nicht die geringsten Zweifel daran, dass am Schadensort eine Windstärke von 8 Bft. erreicht wurde. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit traten auch Windstärken von 9 und 10 Bft. auf, sehr wahrscheinlich kamen auch Windstärken von 11 und 12 Bft. am Schadensort vor.
2. Ohne Erfolg vertritt die Beklagte die Auffassung, sie sei auf Grund des in § 7 (3) a GVB 94 enthaltenen Haftungsausschlusses leistungsfrei. Sie meint, mit dieser Vorschritt werde zum Ausdruck gebracht, dass der Versicherer trotz eines an sich vorliegenden Elementarereignisses nicht hafte, wenn der Schaden auf einem Gebäudeschaden oder auf einem Mangel beruhe, der bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls vorhanden gewesen sei. Das sei hier der Fall, weil nach dem von der Beklagten vorgelegten Gutachten Dr. B das Dach mangelhaft verankert gewesen sei, so dass es nicht einmal der sogenannten Normwindbelastung habe Stand halten können.
Nach den Ausführungen des von der Beklagten beauftragten Sachverständigien Dr. B beträgt die Normwindbelastung 80 kp/qm und entsteht für Höhen über Grund von 8-20 m im Bereich von 12 Windstärken (66,6 - 85,1 kp/qm). Wenn der Sachverständige Dr. B ausführt, das Dach sei bereits bei einem Staudruck weggetragen worden, der nur 75 % des Normwindstaudrucks entspreche, so handelt es sich hierbei um einen Staudruck, der bei Windstärke 11 entsteht (50,6 - 66,5 kp/qm).
Im Ergebnis ist die Beklagte also der Auffassung, sie sei nach § 7 (3) a GVB 94 leistungsfrei, weil das Dach nicht in der Lage gewesen sei, einem Sturm mit 11 oder 12 Windstärken zu widerstehen.
Dieser Auslegung von § 7 (3) a GVB 94 folgt der Senat nicht.
Es ist anerkannt, dass die Auslegung von allgemeinen Versicherungsbedingungen zu erfolgen hat nach der Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse, der die AVB aufmerksam liest und verständig würdigt (BGH, VersR 1996, 622; Prölss/Martin, 26. Aufl., Vorbem. III, Rdn. 2 m. w. N.). Es ist auch mit Recht anerkannt, dass Klauseln, die die übernommene Gefahr beschränken, nicht weiter ausgelegt werden dürfen, als ihr Zweck es erfordert (Prölss/Martin, a. a. O., Rdn. 13).
Die Anwendung dieser Grundsätze führt nicht zu der von der Beklagten gewünschten Auslegung. Für einen verständigen Versicherungsnehmer ergibt sich aus §§ 3 (1) b und 5 (1) a GVB 94 eindeutig, dass der Versicherer eintrittspflichtig ist, wenn das Dach durch einen Wind von 8 Bft. oder mehr beschädigt wird. Der Versicherungsnehmer kann angesichts dieser Bestimmungen die weitere Bestimmung von § 7 (3) a GVB 94 nicht so verstehen, dass der Versicherer trotzdem nicht haften soll, wenn die versicherte Sache nicht in der Lage war, einem Sturm der Stärke 11 oder 12 Bft zu widerstehen. Denn bei einer solchen Auslegung würde der grundsätzlich versprochene Versicherungsschutz in weitem Umfang zurückgenommen und praktisch entwertet. Weder der Wortlaut noch der Sinn von § 7 (3) a GVB 94 rechtfertigen eine so weitgehende Einschränkung des Versicherungsschutzes.
Der Senat geht davon aus, dass der Haftungsausschluss von § 7 (3) a GVB 94 nur erhebliche Mängel des Gebäudes oder einzelner Gebäudeteile erfasst, die dazu führen, dass das Schadensereignis bei natürlicher Betrachtungsweise sich weit weniger als eigentlicher Elementarschaden darstellt, sondern überwiegend als die Verwirklichung eines im Gebäude selbst angelegten Risikos, wobei der Elementargewalt eher die Funktion eines letzten Auslösers zukommt. Damit folgt der Senat der Auslegung, die das OLG Karlsruhe einer vergleichbaren Ausschlussklausel (§ 6 Abs. 3 a FEVB) gegeben hat (VersR 1999, 1147 m. w. N.). Nur eine solche Auslegung entspricht auch hier der Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers.
Unstreitig hatte das Dach keinen Mangel oder Schaden in diesem Sinne. Es handelte sich um das Dach eines Neubaus, das keine äußerlich erkennbaren Mängel aufwies. Im Termin vor dem Senat war unstreitig, dass vor dem Sturm weder den Wohnungseigentümern noch der Beklagten irgendwelche Mängel des Daches bekannt waren.
3. Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass die Klausel von § 7 (3) a GVB 94, wenn man sie so interpretieren wollte, wie die Beklagte dies tut, mindestens missverständlich wäre. Da nach § 5 AGBG Unklarheiten zu Lasten des Verwenders gehen, wäre von der Regelung von § 5 (1) a GVB 94 auszugehen. Im Übrigen wäre eine so auszulegende Bestimmung nach § 9 AGBG unwirksam. Es wäre eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers, wenn sich der Versicherer im Ergebnis immer dann auf Leistungsfreiheit berufen könnte, wenn das versicherte Gebäude einem Wind von bis zu 12 Windstärken nicht standhalten konnte.
4. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, auch nur bei 7 Windstärken wäre das Dach zerstört worden und beruft sich dafür auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Hierauf kommt es nach den Versicherungsbedingungen nicht an. Entscheidend ist nur, ob das Dach tatsächlich durch eine Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 nach Beaufort zerstört wurde. Das ist hier der Fall, im Übrigen ist die Behauptung der Beklagten ersichtlich unsubstantiiert und ins Blaue hinein erfolgt. In dem Gutachten von Dr. B befinden sich für die Richtigkeit dieser Behauptung keine Hinweise.
II.
Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung an die Wohnungseigentümergemeinschaft ist in Höhe von 124.232,78 DM und der Anspruch auf Zahlung an die Fa. G eG ist in Höhe von 70.970,92 DM begründet. Wegen der Berechnung nimmt der Senat zunächst Bezug auf die Ausführungen des Landgerichts auf Seite 11-14 des angefochtenen Urteils, das sich seinerseits weitgehend auf die Ausführungen in der Klageschrift bezieht.
Die Einwendungen der Beklagten im Berufungsverfahren führen nur in einem Punkt zur - teilweisen - Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts. Im Einzelnen:
1. Die Mehrkosten der Klägerin, die dadurch entstanden sind, dass die Klägerin in ihrer Funktion als Verwalterin einen erhöhten Arbeitsaufwand und Fahrtkosten hatte, die sie den Wohnungseigentümern in Rechnung gestellt hat, sind entgegen der Auffassung des Landgerichts von der Beklagten nicht zu ersetzen. Es ist zwar richtig, dass die Wohnungseigentümer jedenfalls im Allgemeinen strukturell nicht genügend beweglich sind, um die anfallenden Aufgaben, insbesondere auch kurzfristig erforderliche Entscheidungen bewältigen zu können, so dass es schon deshalb angezeigt erschien, sich der Klägerin als Verwalterin zur Organisation und Abwicklung der Aufräum- und Reparaturarbeiten zu bedienen. Trotzdem ist die Beklagte nicht verpflichtet, diese Kosten zu ersetzen. Sie gehören nicht zu den in § 2 (1) a - c GVB 94 aufgeführten Kosten. Auch wenn nur ein einzelner Eigentümer geschädigt wird, kann er Ersatz für den Zeitaufwand und für Fahrtkosten durch die Organisation der Reparaturarbeiten von dem Versicherer nicht ersetzt verlangen.
Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass ein kleiner Teil dieser Kosten (s. die Anl. K 20, 23, 34 zur Klageschrift) der Minderung des vom Versicherer zu ersetzenden Schadens diente und von den Wohnungseigentümern den Umständen nach für geboten gehalten werden durfte, wofür die Beklagte nach § 2 (1) c GVB 94 eintrittspflichtig wäre. Hierzu hat die Klägerin jedoch keine substantiierten Angaben gemacht, obwohl der Senat in der mündlichen Verhandlung auf die Problematik hingewiesen hat, ob die geltend gemachten Kosten der Klägerin unter eine der drei Positionen von § 2 (1) GVB 94 fallen.
Auch eine Schätzung ist dem Senat mangels hinreichender Anhaltspunkte nicht möglich.
Damit sind die Ansprüche der Klägerin auf Zahlung an die Wohnungseigentümergemeinschaft und an die Fa. G eG gegen die Beklagte jeweils um 12.662,85 DM geringer als vom Landgericht angenommen. Das angefochtene Urteil ist entsprechend abzuändern.
2. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, sie sei für die Kosten der Mängelbeseitigung an sich in keinem Fall eintrittspflichtig. Sie ist der Auffassung, das Dach sei reparaturbedürftig gewesen. Durch die Reparatur wären Kosten für die Entfernung des Daches von mindestens 25.000,-- DM entstanden, außerdem für die Noteindeckung/Neueindeckung, für Gerüstkosten, für die Eindeckung des Daches mit Titanzinkblech und für die bautechnische Prüfung weitere 80.890,57 DM netto.
Ein solcher Abzug ist nicht begründet. Die Beklagte ist nach den Versicherungsbedingungen verpflichtet, Ersatz für Schäden zu leisten, die durch Wind von mindestens Windstärke 8 entstehen. Sie kann nach den Versicherungsbedingungen dabei nicht die Kosten in Abzug bringen, die entstehen würden, wenn die Versicherungsnehmer, wären sie durch den Sturm "Lothar" nicht geschädigt worden, das Dach in einen Zustand versetzen würden, dass es einem Sturm von 12 Windstärken standhalten könnte.
Dazu, dass Mehrkosten bei der Errichtung des neuen Daches entstanden seien gegenüber dem früheren Zustand, etwa durch eine Verankerung durch Schrauben statt durch Nägel, die von der Beklagten möglicherweise nicht zu tragen sein könnten, hat die Beklagte nichts Konkretes vorgetragen.
3. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die von der Klägerin geltend gemachte Mehrwertsteuer sei nicht entschädigungsfähig, da die Klägerin selbst vorsteuerabzugsberechtigt sei.
Hierzu hat die Klägerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung das Schreiben des Finanzamts Stuttgart-Körperschaften vom 24.7.2001 (Bl. 158-159) vorgelegt. Das Finanzamt vertritt die Rechtsauffassung, soweit die Klägerin nur verwaltend tätig geworden sei, sei sie bezüglich der genannten Handwerkerleistungen nicht Leistungsempfänger. Ihr stehe daher aus den an sie gerichteten Rechnungen kein Vorsteuerabzug zu. Leistungsempfänger der Reparaturen sei die Eigentümergemeinschaft. Die Weiterberechnung des der Klägerin entstehenden Aufwandes unterliege nicht der Umsatzbesteuerung. Die Aufwandsentschädigung sei gegenüber der Eigentümergemeinschaft in Höhe des Bruttobetrages geltend zu machen.
Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Die Beklagte ist daher auch zum Ersatz der von der Klägerin geltend gemachten Mehrwertsteuerbeträge verpflichtet.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Ende der Entscheidung
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