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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 27.11.2003
Aktenzeichen: 8 AR 16/03
Rechtsgebiete: InsO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 3
ZPO § 36
ZPO § 281
Im Falle eines Eigenantrags einer GmbH auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der mit einem Verweisungsantrag wegen Verlegung der Abwicklungstätigkeit an einen vom Sitz der GmbH abweichenden Ort verknüpft ist, hat das Insolvenzgericht eingehende Ermittlungen anzustellen, ob nicht die Verweisung auf eine rechtsmissbräuchliche Zuständigkeitserschleichung hinausläuft.
Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 8 AR 16/03

vom 27. November 2003

In der Insolvenzantragssache

wegen Eigenantrag auf Insolvenzeröffnung

hier: Bestimmung des zuständigen Insolvenzgerichts

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart gemäß § 36 Abs. 2 ZPO iVm § 122 GVG unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Bräuning, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Müller-Gugenberger und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Zeller-Lorenz

beschlossen:

Tenor:

Das Amtsgericht Rottweil wird zum zuständigen Insolvenzgericht bestimmt.

Gründe:

I.

Nach Übernahme aller Geschäftsanteile der Antragstellerin am 10.4.2003 hat sich der neue Alleingesellschafter - nach eigenem Vortrag - auf einer sofort einberufenen Gesellschafterversammlung zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Antragstellerin bestellt, deren Firma und den Unternehmensgegenstand geändert, den Betrieb am bisherigen Standort "völlig eingestellt" und gewerberechtlich abgemeldet, die dortigen Betriebsräume aufgegeben sowie den Mitarbeitern fristgerecht gekündigt; die Geschäftsunterlagen hat er nach Berlin verbracht, wo er unter der im Rubrum angegebenen Anschrift ein Büro angemietet hat, von dem aus die weitere Abwicklungstätigkeit unter Mitwirkung einer Wirtschaftsberatungsgesellschaft durchgeführt werden soll. Eine Verlegung des Sitzes der Antragstellerin hat nicht stattgefunden.

Unter dem 6.5.2003 hat der (neue) Geschäftsführer "zwecks Fristwahrung" beim Amtsgericht Rottweil Insolvenzantrag über das Vermögen der Antragstellerin gestellt "mit dem gleichzeitigen Ersuchen, durch Beschluss eine Verweisung an das Amtsgericht Charlottenburg - Insolvenzgericht - vorzunehmen". Nähere Angaben zum Eröffnungsgrund enthält der Antrag nicht. Der Verweisungsantrag ist damit begründet, nicht nur er - der Geschäftsführer - habe seinen Wohnsitz in Berlin, sondern auch die Wirtschaftsberatungsgesellschaft S. GmbH, die mit der Prüfung von Sanierungsmöglichkeiten beauftragt sei, habe dort ihren Sitz; die nunmehr erforderliche Abwicklung, bestehend aus diversen aufgezählten Maßnahmen, erfolge ausschließlich von Berlin aus.

Das Insolvenzgericht Rottweil hat nach Erhebung von Handelsregisterauszug und Gesellschafterliste sowie der gewerberechtlichen Abmeldung am bisherigen Geschäftsort - auf Drängen der Antragstellerin (Schriftsatz vom 17.6.2003 Bl. 21 d.A.) - das Verfahren durch Beschluss vom 11.8.2003 (Bl. 24 d.A.) "auf Antrag der Schuldnerin an das gemäß § 3 InsO zuständige Amtsgericht - Insolvenzgericht - Charlottenburg verwiesen, da es sich bei der Geschäftsadresse in Berlin um den Ort der Abwicklungstätigkeit handeln soll".

Durch Beschluss vom 15.9.2003 (Bl. 27-31) hat sich das Amtsgericht (Berlin-) Charlottenburg für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO iVm § 4 InsO zur Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit dem Oberlandesgericht Stuttgart vorgelegt. Zur Begründung ist näher ausgeführt, dass nach den dort getroffenen Feststellungen in anderen Verfahren die angegebene Geschäftsadresse eine "Briefkastenanschrift" sei und dass es sich um einen Fall der sogenannten "gewerbsmäßigen Firmenbestattung" handle; die an sich gegebene Bindungswirkung der Verweisung nach § 281 ZPO greife hier - unabhängig von der Frage der Willkürlichkeit der Verweisung - schon deshalb nicht ein, weil die Antragstellerin den Normzweck des § 3 InsO verfehle; der Verweisungsantrag der Antragstellerin sei rechtsmissbräuchlich.

Die Antragstellerin hat im Rahmen des gewährten rechtlichen Gehörs mit Schriftsatz vom 21./22.10.2003 die vom AG Charlottenburg vertretene Ansicht als tatsächlich unzutreffend und rechtlich verfehlt angegriffen. Vielmehr sei in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die tatsächliche Verwaltung der Antragstellerin - und damit der Mittelpunkt ihrer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit - zwecks Prüfung einer eventuellen Sanierung und Durchführung der Abwicklungstätigkeit nach Berlin verlegt worden. Dort habe die Antragstellerin nicht nur einen Briefkasten, sondern auch ein Büro mit Telefonanschluss, ein entsprechendes Firmenschild und sachkundiges Personal; dadurch sei sichergestellt, dass Anfragen von Gläubigern, Gerichten u.a. ordnungsgemäß beantwortet und die noch erforderlichen Abwicklungsarbeiten unter Mitwirkung der genannten Wirtschaftsberatungsgesellschaft ordentlich durchgeführt würden; die sonstigen Geschäftsunterlagen stünden allen Interessenten an einem anderen Aufbewahrungsort - einer Spedition - in Berlin zur Einsichtnahme zur Verfügung. Eine solche Abwicklungstätigkeit sei nach verbreiteter und richtiger Ansicht eine "selbständige wirtschaftliche Tätigkeit" iSv § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO; jedenfalls sei aber die Verweisung des AG Rottweil nach § 281 ZPO bindend, wie bereits in der vorliegenden Fallkonstellation von anderen Oberlandesgerichten entschieden worden sei. Hilfsweise wird die Vorlage an den Bundesgerichtshof beantragt.

II.

1. Die Vorlage des Amtsgerichts Charlottenburg ist zulässig. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung durch den Senat nach § 36 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 6 ZPO iVm § 4 InsO sind erfüllt, weil der Bundesgerichtshof das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der beteiligten Insolvenzgerichte ist und das AG Rottweil zunächst mit der Sache befasst war. Die auf den nach § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO unanfechtbaren Verweisungsbeschluss des AG Rottweil erfolgte Ablehnung der Übernahme durch das AG Charlottenburg genügt den Anforderungen an eine rechtskräftige Unzuständigkeitserklärung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (BGHZ 102,338; BGH NJW 2002,3634; Uhlenbruck, InsO 12.Aufl. (2003), § 3 Rn 7).

2. Als zuständiges Insolvenzgericht war das Amtsgericht Rottweil zu bestimmen, weil dessen Verweisungsbeschluss entgegen § 281 Abs.2 S.4 ZPO (iVm § 4 InsO) ausnahmsweise nicht bindend ist. Der Amtsrichter hat den ihm obliegenden Ermittlungspflichten nach § 5 InsO, die sich auch auf die stets von Amts wegen zu prüfenden Voraussetzungen der Zuständigkeit beziehen, nicht im hier gebotenen Umfange entsprochen und außerdem seine Entscheidung über die eigene Unzuständigkeit nicht ausreichend begründet.

a) Seit langem ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein - grundsätzlich bindender und unanfechtbarer - Verweisungsbeschluss nach § 281 ZPO ausnahmsweise dann nicht verbindlich ist, wenn sich die Verweisung so weit von der gesetzlichen Grundlage entfernt, dass sie im Hinblick auf das Gebot des gesetzlichen Richters und auf das Willkürverbot des Grundgesetzes nicht mehr hingenommen werden kann (so BayObLG in Beschlüssen vom 25.7.2003 -1Z AR 72/03 -, vom 13.8.2003 -1Z AR 84/03 - und vom 19.9.2003 -1Z AR 102/03 - in ebenfalls die S. GmbH betreffenden Parallelfällen; BGH NJW 1993, 1273 ("ständige Rechtsprechung"); BayObLGZ 1993, 317; KGRep 2002,296; Zöller / Greger, ZPO 24. Aufl., § 281 Rn 17 mwNw). Dabei sind die Voraussetzungen der Unverbindlichkeit niedriger angesetzt als im Falle der Rechtswegverweisung nach § 17a GVG, weil letztere gesondert anfechtbar ist (vgl. BGH - X ARZ 138/03 - v. 8.7.2003; BGHZ 144, 21).

Als solche Fälle objektiver Willkür werden nicht nur die Fälle der Gehörsverletzung - die hier angesichts des Verweisungsantrags der Antragstellerin und mangels weiterer Verfahrensbeteiligter nicht vorliegt - und Fälle völliger Gesetzlosigkeit angesehen, sondern auch Fälle, in denen mangels Begründung nicht nachvollziehbar ist, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Verweisung erfolgt ist. Dazu gehört nicht nur die formelhafte Benennung einer gesetzlichen Vorschrift, sondern auch die Ermittlung und Darlegung der Umstände, aus denen sich die Unzuständigkeit des verweisenden Gerichts ergeben soll; soweit die Zuständigkeitsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beantwortet wird, erfordert dies auch eine nachvollziehbare Auseinandersetzung, warum das Gericht der eine Verweisung befürwortenden Meinung folgt. Ist eine solche Prüfung und Begründung allerdings erfolgt, tritt Verbindlichkeit der Verweisung ein, und zwar auch dann, wenn sie vom "angewiesenen" Gericht für unzutreffend erachtet wird.

Diese Anforderungen an die Ermittlungs- und Begründungspflicht gelten insbesondere im Insolvenzverfahren, das - im Gegensatz zum Zivilprozess - vom Amtsermittlungsprinzip (§ 5 InsO) bestimmt ist. An die Ermittlungen der die Zuständigkeit begründenden Umstände sind vor allem dann höhere Ansprüche zu stellen, wenn Anhaltspunkte erkennbar sind, dass über die Bindungswirkung des § 281 ZPO möglicherweise ein Gerichtsstand bei einem an sich unzuständigen Gericht erreicht werden soll.

b) Das Amtsgericht Rottweil hat mit der Verweisung zwar gezögert, aber letztlich seine Ermittlungs- und Begründungspflichten nicht so erfüllt, wie es rechtlich geboten war. Deshalb ist auch hier - wie im Parallelfall 8 W 19/03 - die Unverbindlichkeit der Verweisung wegen objektiver Willkür zu bejahen.

aa) Bereits vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung haben unter Geltung des § 36 ZPO aF derartige negative Kompetenzkonflikte die Rechtsprechung beschäftigt. Der Beschluss des Bundesgerichthofs vom 20.3.1996 (X ARZ 90/96 - BGHZ 132, 195 = ZIP 1996,847 = MDR 1996,1064 ua zu § 71 KO) hat in einer ähnlichen Fallkonstellation zwar grundsätzlich die Unverbindlichkeit eines Verweisungsbeschlusses im Falle einer rechtsmissbräuchlichen Zuständigkeitserschleichung anerkannt, sie im konkreten Fall jedoch verneint; diese Entscheidung hat im Schrifttum erhebliche Kritik erfahren (vgl. Uhlenbruck aaO § 3 Rn 11/12 mwNw).

In § 3 InsO ist die örtliche Zuständigkeit unter Anlehnung an § 71 KO neu formuliert worden. Dadurch hat sich schärfer als früher die Streitfrage gestellt, ob nach Beendigung der aktiven gewerblichen Tätigkeit noch eine Zuständigkeitsveränderung nach § 3 Abs. 1 S. 2 InsO dadurch herbeigeführt werden kann, dass die verbliebenen Geschäftsunterlagen vom Sitz der Schuldnerin als allgemeinem Gerichtsstand (§ 17 ZPO) an einen Ort außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Insolvenzgerichts verbracht werden. Dabei hat sich das Zuständigkeitsproblem auf die Frage zugespitzt, ob "reine Abwicklungstätigkeit" noch als "selbständige wirtschaftliche Tätigkeit" iSv § 3 Abs. 1 S.2 InsO angesehen werden kann, die eine Verlagerung der Zuständigkeit rechtfertigt.

bb) Die überwiegende Meinung hat sich auf den Rechtsstandpunkt gestellt, dass nach Einstellung der aktiven Betriebstätigkeit bzw. Eintritt der Insolvenzreife eine wirksame Verlegung des Mittelpunkts der wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeschlossen ist mit der Folge, dass allein zuständiges Insolvenzgericht das Gericht am Satzungssitz (§ 3 Abs. 1 S.1 InsO) ist (BayObLG ZIP 1999,1714 = NJW-RR 2000,349; ZinsO 2001,517; ZIP 2003,676; OLG Düsseldorf NZI 2000,601; OLG Köln ZIP 2000,672; OLG Celle OLGRep 2000, 205; OLG Hamm ZinsO 1999,533; NZI 2000,220; OLG Braunschweig OLGRep 2000,105; NZI 2000,266; OLG Naumburg InVo 2000,12; ZIP 2001,753; OLG Zweibrücken, InVo 2002,367).

cc) Andererseits ist die Ansicht, dass auch eine solche Abwicklungstätigkeit - ggf unter Fortführung der Geschäftsbücher - als "wirtschaftliche Tätigkeit" angesehen werden kann (vgl. BGHZ 132, 195 zum früheren Recht), zumindest als vertretbar qualifiziert worden, so dass eine Verweisung an das Insolvenzgericht am Abwicklungsort entgegen der überwiegend vertretenen Meinung als bindend erachtet wurde (zB OLG Köln ZIP 2000,672; OLG Celle OLGRep 2000,205; OLG Frankfurt NZI 2000,523; OLG Naumburg InVo 2000,12 sowie die - gleichfalls die Salida GmbH betreffenden - Beschlüsse des OLG Karlsruhe - 15 AR 35/03 - vom 16.10.2003, des OLG Brandenburg - 1 AR 60/03 - vom 8.8.2003 und des OLG Schleswig - 2 W 117/03 - vom 28.7.2003).

dd) Vielfach sind allerdings auch die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen an das abgebende Gericht im Hinblick auf die Gewährung des rechtlichen Gehörs, auf die Begründung des Abgabebeschlusses oder den Umfang der vorher erforderlichen Ermittlungen strenger geprüft worden mit der Folge, dass - jeweils als Einzelfallentscheidung - die Verbindlichkeit der Verweisung wegen objektiver Willkür verneint wurde (zB BayObLG ZinsO 2001,517; KG NZI 1999,499; OLG Hamm ZinsO 1999,533; NZI 2000, 220; OLG Braunschweig OLGRep 2000,105; OLG Rostock ZinsO 2001,1064; OLG Naumburg ZIP 2001,753; OLG Frankfurt ZIP 2002,1956 sowie die - ebenfalls die S. GmbH betreffenden - Beschlüsse des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 25.7.2003 (1Z AR 72/03), vom 13.8.2003 (1Z AR 84/03) und vom 19.9.2003 (1Z AR 102/03), des Oberlandesgerichts Hamm (1Sbd 71/03) vom 31.7.2003, des OLG Rostock (3 UH 10/03 und 3 UH 11/03) jeweils vom 11.8.2003 und des OLG Dresden (1 AR 69/03) vom 9.9.2003.

ee) Der vorliegende Fall - wie auch der Parallelfall - unterscheidet sich von den zuvor entschiedenen Fällen insbesondere dadurch, dass sich der neue GmbH-Eigner - als Reaktion auf die bisherige Rechtsprechung - auf "Abwicklungsaktivitäten" und die Mitwirkung einer Wirtschaftsberatungsgesellschaft beruft.

Jedenfalls in Fällen, in denen eine "professionelle Abwicklung" in der eingangs geschilderten Form als Dienstleistung Dritter geboten wird, liefe die Berufung auf § 3 Abs. 1 S.2 InsO auf eine Verfehlung des Normzwecks der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung hinaus. Im Falle der "gewerbsmäßigen Unternehmensbestattung" können entsprechende Abwicklungstätigkeiten nicht als "selbständige wirtschaftliche Tätigkeit" qualifiziert werden, weil sonst einer - in Rechtsprechung und Schrifttum einhellig abgelehnten - rechtsmissbräuchlichen Zuständigkeitserschleichung Vorschub geleistet würde. Der ausdrückliche Verzicht auf eine formelle Sitzverlegung darf nicht dazu führen, die zur missbräuchlichen Sitzverlegung entwickelten Kriterien zu unterlaufen (vgl. zum Ganzen MünchKomm-InsO / Ganter (2001) § 3 Rn 38ff; Uhlenbruck aaO Rn 11f; Kirchhof in HK-InsO § 3 Rn 7; Schmerbach in FrankfKomm-InsO, 3.Aufl., § 3 Rn 18 ff, 9ff (tw. abweichend)). c) Der durch Ermittlungen näher zu prüfende Verdacht einer rechtsmissbräuchlichen Zuständigkeitserschleichung musste sich hier dem Amtsrichter schon dadurch aufdrängen, dass die Antragstellerin einen Insolvenz-Eigenantrag an ein nach eigenem Vorbringen örtlich unzuständiges Gericht gerichtet und sofort Verweisungsantrag gestellt hat. Denn ein redlicher Antragsteller richtet seinen Antrag von vornherein an das von ihm für zuständig angesehene Gericht. Da ein auf Antrag des Schuldners eingeleitetes Insolvenzeröffnungsverfahren jedenfalls zunächst ein Verfahren ohne Gegner ist, gibt der damit verbundene Verweisungsantrag Grund zur Prüfung, ob der Antragsteller nicht die Bindungswirkung des § 281 ZPO zu verfahrensfremden Zwecken ausnutzen will. Zusätzlichen Anlass zu Misstrauen gibt die Tatsache, dass die Antragstellerin nicht nur einen neuen Anteilsinhaber und Allein-Geschäftsführer erhalten hat, sondern sofort die Firma geändert hat. Dies legt den Verdacht nahe, dass das Geschäftsmodell der nunmehr hinter der Antragstellerin stehenden Wirtschaftsberatungsgesellschaft darauf hinauslaufen soll, ein ordnungsgemäßes Insolvenz(eröffnungs)verfahren an dem Ort, der bisher der Satzungssitz und - regelmäßig - der wirtschaftliche Mittelpunkt des Unternehmens war, zu verhindern, die verantwortliche(n) Person(en) rechtstatsächlich möglichst weitgehend von den gesetzlichen Folgen einer Insolvenz freizustellen und die praktische Durchführung des Insolvenzverfahrens zu erschweren. Dies wird verbreitet (und nicht nur im Vorlagebeschluss des AG Charlottenburg) als "gewerbsmäßige Firmenbestattung" oder "Unternehmensbestattung" bezeichnet (zB BayObLG in den 3 Parallelverfahren oben dd); Uhlenbruck aaO § 3 Rn 12; MünchKomm-InsO / Ganter § 3 Rn 40). Der Normzweck des § 3 InsO, die Vermögensabwicklung im Wege des Insolvenzverfahrens dort durchzuführen, wo der Schuldner oder das Schuldnerunternehmen den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit entfaltet hat und wo die Gläubiger ihr Vertrauen gelassen haben (Uhlenbruck aaO § 3 Rn 2), wird damit planmäßig verfehlt.

d) Dem Hilfsantrag der Antragstellerin, den Zuständigkeitsstreit im Hinblick auf unterschiedliche OLG-Entscheidungen gemäß § 36 Abs. 3 ZPO dem Bundesgerichtshof vorzulegen, konnte der Senat nicht stattgeben. Wie bereits mehrfach entschieden (zB OLG Celle OLGRep 2000,205; OLG Köln ZIP 2000,672; OLG Schleswig NJW-RR 2000,349; BayObLG Beschl. v. 19.9.2003 - 1Z AR 102/03 - und OLG Dresden, Beschl. v. 9.9.2003 - 1 AR 69/03 - jeweils in Parallelverfahren), ist die Frage, ob ein Insolvenzgericht vor einer Verweisung die Sach- und Rechtslage ausreichend geprüft und seine Verweisungsentscheidung nachvollziehbar begründet hat, eine Frage des konkreten Einzelfalls, die keine Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung aufwerfen.

Zwar wird auch die Frage, welche Ermittlungsmaßnahmen das zuerst angegangene Insolvenzgericht nach § 5 InsO von Amts wegen anzustellen hat, um dem Vorwurf einer objektiv willkürlichen Verweisung zu entgehen, von den einzelnen Obergerichten unterschiedlich beurteilt. Es bleibt aber immer eine Frage des Einzelfalls; auch das OLG Karlruhe (Beschl. v.16.10.2003) hat keine allgemeine Rechtsfrage beantwortet, sondern nur das Vorgehen des dortigen Insolvenzgerichts als noch "vertretbar" angesehen und daraufhin die Verbindlichkeit der Verweisung bejaht. Die Vorlagepflicht des § 36 Abs. 3 ZPO erfasst nicht alle Fälle, in denen bei gleichartigem Sachverhalt unterschiedliche Entscheidungen über die Zuständigkeit ergehen, sondern nur solche, in den entscheidungserhebliche "Rechtsfragen" unterschiedlich beantwortet werden (vgl. BGH NJW 2000,80(81)). e) Da somit der Verweisungsbeschluss des AG Rottweil vom 11.8.2003 wegen objektiver Willkür keine Bindungswirkung zu entfalten vermag, war der Zuständigkeitsstreit zwischen den beiden Insolvenzgerichten dahin zu entscheiden, dass das Amtsgericht Rottweil zum zuständigen Insolvenzgericht bestimmt wird.

Ende der Entscheidung

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