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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 16.03.2004
Aktenzeichen: 8 W 155/03
Rechtsgebiete: KostO, Richtlinie 69/335/EWG


Vorschriften:

KostO § 107
Richtlinie 69/335/EWG
1. Die nach dem Nachlasswert angesetzte Gebühr einen Erbschein verstößt auch dann nicht gegen die europäische Gesellschaftssteuer-Richtlinie, wenn der Erbschein nur für die Anmeldung des erbfolgebedingten Gesellschafterwechsels benötigt wird (Anschluss an BayObLG und OLG Köln).

2. Eine Erstreckung der Gebührenprivilegierungen des § 107 Abs. 3, 4 KostO auf einen nur für das Handelsregister benötigten Erbschein ist Sache des Gesetzgebers.


Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 155/03

vom 16. März 2004

In der Notarkostensache

wegen Kostenansatz des Nachlassgerichts für Erbschein

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Bräuning, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Müller-Gugenberger und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Zeller-Lorenz

beschlossen:

Tenor:

1. Die weitere Beschwerde der Kostenschuldnerinnen gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 11.3.2003 wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Kostenschuldnerinnen erstreben im Verfahren nach § 14 KostO die Herabsetzung der vom Nachlassgericht für die Erteilung eines Erbscheins in Ansatz gebrachten Gebühr von 1452 € auf (ca.) 60 €. 1. Die Kostenschuldnerinnen haben als Erben eines Nachlasses mit einem Wert von ca. 1,8 Mio DM (= ca. 920.000,-- €) mit notarieller Urkunde des jetzigen Verfahrensbevollmächtigten vom 15.3.2002 beim Nachlassgericht, dem Notariat Ludwigsburg 5, die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt mit der Versicherung, der beantragte Erbschein werde ausschließlich zum Nachweis der Rechtsnachfolge hinsichtlich der Kommanditanteile des zum Nachlass gehörenden Handelsgeschäfts P... GmbH & Co für die Umschreibung im Handelsregister benötigt.

Zugleich hat der den Erbscheinsantrag beurkundende Notar unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung der Richtlinie 69/335/EWG beantragt, die Gerichtsgebühren für den Erbschein in entsprechender Anwendung des § 107 Abs. 3, 4 KostO nur nach dem Geschäftswert des Kommanditanteils in Höhe von 25 000 DM (= 12 782,30 €) in Ansatz zu bringen; in seiner Kostenrechnung für den Erbscheinsantrag hat er ebenfalls nur eine 10/10 Gebühr aus dem Nennwert des Gesellschaftsanteils in Höhe von 60.- € angesetzt, mit Nebenkosten insgesamt 74,82 €. Dem Antrag war beigefügt eine Kopie des Beschlusses des Landgerichts Stuttgart (4 KfH T 19/99) vom 11.4.2000, in dem das Verlangen eines Erbscheins seitens des Registergerichts (gem. § 12 Abs. 2 HGB) für rechtmäßig beurteilt worden war; darin hatte das Gericht auf eine entsprechende Anwendung des § 107 Abs. 3, 4 KostO hingewiesen. Die dagegen gerichtete weitere Beschwerde der Kostenschuldnerinnen hatte der Senat (8 W 298/2000) durch Beschluss vom 19.3.2002 als unbegründet zurückgewiesen und dabei die Frage einer Gebührenermäßigung ausdrücklich offengelassen.

Nach Zwischenverfügung des Bezirksnotars vom 25.3.2002 unter Hinweis auf seine Rechtsansicht - auch hinsichtlich der Kosten - hat der Urkundsnotar eine entsprechende Nachtragsurkunde vom 28.3.2002 eingereicht. Daraufhin hat das Notariat als Nachlassgericht mit Beschluss vom 3.4.2002 den beantragten Erbschein mit Testamentsvollstreckervermerk erteilt und für den gleichzeitigen Kostenansatz den gesamten Nachlasswert zu Grunde gelegt. Daraus ergibt sich eine Gebühr gemäß § 107 Abs. 1 KostO in Höhe von 1.452,00 €.

2. Gegen diesen Kostenansatz haben die Kostenschuldnerinnen beim Nachlassgericht unter dem 10.4.2002 Erinnerung eingelegt und ihren Antrag auf Ansatz eines Geschäftswerts in Höhe des Nennwerts des Kommanditanteils weiterverfolgt.

Das Notariat hat der Erinnerung der Kostenschuldnerinnen nicht abgeholfen und die Sache unter dem 11.4.2002 gem. § 142 KostO dem Amtsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat durch Beschluss vom 23.5.2002 die Erinnerung zurückgewiesen; eine analoge Anwendung des § 107 Abs. 3 , 4 KostO komme auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Gesellschaftssteuer-Richtlinie nicht in Betracht.

Dagegen haben sich die Kostenschuldnerinnen, vertreten durch den Urkundsnotar, mit der Beschwerde vom 28.6./2.7.2002 gewandt und erneut auf die Rechtsprechung des EuGH verwiesen. Das Landgericht Stuttgart (19 T 248/02) hat nach Einholung einer Stellungnahme des Bezirksrevisors die Beschwerde durch Beschluss vom 11.3.2003 zurückgewiesen und zugleich die weitere Beschwerde zugelassen.

3. Mit der weiteren Beschwerde vom 4.4.2003 verfolgen die Kostenschuldnerinnen ihr Anliegen auf Herabsetzung des Kostenansatzes weiter und rügen, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft die Analogiefähigkeit der Ausnahmebestimmungen des § 107 Abs. 3, 4 KostO verneint; außerdem habe es rechtsfehlerhaft die Tragweite der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verkannt.

Der Bezirksrevisor ist dem Rechtsmittel unter Hinweis auf die Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte entgegengetreten.

II.

Die vom Landgericht nach § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO zugelassene weitere Beschwerde ist auch im übrigen zulässig.

Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, weil die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Überprüfung standhält.

1. Ein unmittelbarer Verstoß gegen europäisches Recht in Gestalt der Richtlinie 69/335/EWG (sog. Gesellschaftssteuer-Richtlinie) und deren Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof liegt nicht vor, weil der strittige Kostenansatz nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt.

a) Die Richtlinie des Rates 69/335/EWG vom 17.7.1969 (ABl. Nr. L 249 S. 25) in der Fassung der Richtlinie des Rates 85/303/EWG vom 10.6.1985 (ABl. Nr. L 156 S. 23) betrifft die Regelung von einzelstaatlichen Steuern auf die Ansammlung von Kapital und zielt auf die Förderung des freien Kapitalverkehrs in Europa und primär auf die Begrenzung der sog. Gesellschaftssteuer, wie sie in mehreren Mitgliedstaaten bekannt war. Der deutsche Gesetzgeber hatte weder innerhalb der Umsetzungsfrist bis zum 31.12.1971 noch in den folgenden Jahren hinreichenden Anlass für eine Umsetzung dieser Richtlinie gesehen. Erst das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 2.12.1997 ("Fantask", ZIP 1998, 206 = EuZW 1998,172) hat der Richtlinie eine unerwartete Reichweite verliehen, indem die in Art. 12 Abs.1 lit. e) der Richtlinie vorgesehenen Ausnahme für "Abgaben mit Gebührencharakter" auf aufwandsbezogene Gebühren beschränkt und die als Wertgebühren berechneten Gebühren für die Eintragung in das Handelsregistergebühren einer Steuer im Sinne der Richtlinie gleichgestellt wurden. In weiteren Entscheidungen hat der EuGH diese Auslegung der Richtlinie weiterentwickelt und präzisiert (Urteil vom 26.9.2000 - "IGI" - ZIP 2000,1891 = RIW 2000,960 und vom 21.6.2001 - "Sonae" - ZIP 2001,1145 = EuZW 2001,500 = RIW 2001,796 bezüglich portugiesischer Handelsregistergebühren sowie EuGH vom 29.9.1999 - "Modelo" - ZIP 1999,1681 = EuZW 1999,724 = NJW 2000,939 bzgl portugiesicher Amtsnotare; vom 21.3.2002 - "Gründerzentrum" - ZIP 2002,663 = EuZW 2002,368 = RIW 2002,482 bzgl. der Amtsnotare in Baden). Damit ist das herkömmliche Gebührensystem der deutschen Kostenordnung partiell als europarechtswidrig eingestuft worden.

Diese Rechtsprechung des EuGH haben die deutschen Gerichte alsbald aufgegriffen und die Bestimmungen der Kostenordnung über die Handelsregistergebühren, insbesondere § 26, einhellig für nicht mehr anwendbar erklärt bzw. die Gebühren entsprechend den europarechtlichen Vorgaben herabgesetzt (zB BayObLGZ 1998,303 = NJW 1999,652; ZIP 1999,363; BayObLGZ 2000,256 = JurBüro 2001,104; OLG Hamm OLGRep 1999,294 = NJW-RR 1999,1229; OLG Zweibrücken OLGRep 1999,383 = NJW-RR 2000,1377; OLG Köln BB 2000,370 = NJW-RR 2000,1527; OLG Bremen OLGRep 2000,209 = NJW-RR 2000,1743; OLG Frankfurt NJW-RR 2001,1579; OLG Karlsruhe OLGRep 2001,121 = JurBüro 2001,261; KG JurBüro 2003,31 = KGRep 2003,28 = RPfl 2003,149 = FGPrax 2003,89).

Dies hat den deutschen Bundesgesetzgeber veranlasst, ein "Handelsregistergebühren-Neuordnungsgesetz" (HRegGebNeuOG) mit der dazugehörigen "Handelsregistergebührenverordnung" (HRegGebVO), durch das die Rechtslage in Deutschland den Anforderungen der europäischen Richtlinie in der Auslegung des EuGH angepasst werden soll, auf den Weg zubringen (BR-Drs 622/03; BT-Drs 15/2251 v. 17.12.2003). Entgegen mancher Erwartung (vgl. Hartmann, KostenG 33. Aufl., Einl I Rn 2 sowie zu §§ 79, 79a KostO) ist dieses Gesetz noch nicht in Kraft getreten, sondern befindet sich noch im Gesetzgebungsverfahren.

b) Die mangels fristgerechter Umsetzung unmittelbar geltende europäische Richtlinie erfasst indes keineswegs das gesamte an Wertgebühren ausgerichtete Normengefüge der Kostenordnung, das im wesentlichen auch die anderen deutschen Kostengesetze wie das Gerichtskostengesetz oder die BRAGO prägt. Der EuGH hat bislang keinen allgemeinen Grundsatz aufgestellt, dass die Mitgliedstaaten generell keine Gebühren für staatliche Leistungen erheben dürfen, die den Aufwand für die jeweilige Leistung übersteigen (so zutreffend BayObLGZ 2000,350 = MDR 2001,352 = NJW-RR 2001,880; OLG Hamm NJW-RR 2001, 379). Vielmehr beschränkt sich die Reichweite der EuGH-Rechtsprechung auf die Auslegung der Gesellschaftssteuer-Richtlinie und die von dieser erfassten Sachverhalte.

Deshalb ist eine Erstreckung der EuGH-Rechtsprechung auf andere Bereiche des Kostenrechts bislang einhellig abgelehnt worden, etwa auf die Wertgebühren für eine Eintragung im Grundbuch (BayObLGZ 2000,350; unveröff. Senatsbeschluss 8 W 481/99 v. 7.5.2002) - auch wenn es sich um eine Einlage in eine Gesellschaft handelt (OLG Hamm NJW-RR 2001,379; BayObLGZ 2001,275 = ZIP 2002,302 = NJW-RR 2002,305; vgl. auch LG Freiburg BWNotZ 2003,91) - oder für eine Eintragung in das Schiffsregister (OLG Oldenburg OLGRep 2000,334 = RPfl 2000,568). Ebenso wenig erfasst die Gesellschaftssteuer-Richtlinie die Wertgebühr für ein Verfahren auf gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern (BayObLGZ 2000,87 = ZIP 2000,883) oder für eine Testamentseröffnung, selbst wenn der Nachlass überwiegend aus einer Beteiligung an einer KG besteht (BayObLG ZIP 2000,186 = NJW-RR 2000,736). c) Der vorliegende Sachverhalt - Erteilung eines Erbscheins - fällt nicht unter den Anwendungsbereich der Gesellschaftssteuer-Richtlinie, auch wenn der Erbschein primär zum Nachweis der Rechtsnachfolge in einer (Kommandit-)Gesellschaft benötigt wird. Auch dies ist inzwischen wiederholt entschieden worden (BayObLG, Beschl. v. 26.10.2001 - BayObLGZ 2001,315 = DB 2002,201 = FGPrax 2002,42 = RPfl 2002,173 = JurBüro 2002,205; OLG Köln, Beschl. v. 26.5.2003 - RPfl 2003,540 (LS); vgl. auch Rohs / Wedewer, KostO § 26 Rn 2c/e). Der Senat teilt diese Rechtsansicht in Übereinstimmung mit dem Landgericht und nimmt insbesondere auf die Ausführungen des BayObLG Bezug.

Selbst wenn die Eintragung eines Gesellschafterwechsels an sich noch dem Anwendungsbereich der Richtlinie zugeordnet wird (BayObLG aaO), gilt dies nicht mehr für den Nachweis von dessen Voraussetzungen. Dies ist - auch hinsichtlich der Kosten - Sache des einzelnen Gesellschafters und nicht Sache der Gesellschaft. "Schutzobjekt" der Gesellschaftssteuer-Richtlinie sind die näher bezeichneten (Erwerbs-) Gesellschaften, nicht aber deren Gesellschafter (oder auch Kapitalanleger). Da nicht die Gesellschaft verpflichtet ist, einen Erbschein vorzulegen, sondern der (oder die) einzelne(n) Rechtsnachfolger in den Kommanditanteil, und da auch die Gebühren für die Erbscheinserteilung nicht von der Gesellschaft, sondern von dem (oder den) betroffenen Gesellschafter(n) als Erben zu bezahlen sind, fällt der vorliegende Kostentatbestand zweifelsfrei aus dem Anwendungsbereich der Gesellschaftssteuer-Richtlinie heraus. Außerdem steht die von einer Ermessensentscheidung des Registergerichts abhängige Verpflichtung zur Erbscheinsvorlage in keinem Zusammenhang mit der Rechtsform des Unternehmens.

Mit dieser Sicht steht im Einklang, dass das in Vorbereitung befindliche, der Umsetzung der Richtlinie dienende Handelsregistergebühren-Neuordnungsgesetz eine Neuregelung für die Erbscheinsgebühren (bisher) nicht vorsieht, obwohl die Problematik den Gesetzgebungsorganen bekannt ist. Auch soweit das Beschwerdegericht (LG Stuttgart 19 T 288/02 - Beschl. v. 7.4.2003) dem EuGH zur Vorab- Entscheidung die Frage vorgelegt hat, ob die die badischen Amtsnotare betreffende EuGH-Entscheidung "Gründerzentrum" (aaO) auch für die württembergischen Bezirksnotare gelte, ist dies für die Entscheidung des vorliegenden Falles ohne Bedeutung, weil die Gebühren des Nachlassgerichts außerhalb des Anwendungsbereichs der Gesellschaftssteuerrichtlinie liegen.

Deshalb sieht der Senat - in Übereinstimmung mit BayObLG und OLG Köln - auch keinen Anlass, das vorliegende Verfahren dem EuGH gem. Art. 234 (früher: Art. 177) EWGV vorzulegen, obwohl der Weg zum BGH gesetzlich verschlossen ist (vgl. § 14 Abs. 3 S. 4, Abs. 5 S. 5 KostO).

2. Auch die entsprechende Anwendung von Absatz 3 und 4 des § 107 KostO hat das Landgericht im angegriffenen Beschluss rechtsfehlerfrei verneint. Insoweit kann in erster Linie ebenfalls auf die zuvor genannten Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des OLG Köln verwiesen werden.

a) Die Erteilung eines gegenständlich beschränkten Erbscheins, der nur die Rechtsnachfolge in den Kommanditanteil ausweist, ist rechtlich nicht möglich (vgl. als Ausnahme § 2369 BGB und § 181 BEG); auch eine Beschränkung des Verwendungszwecks des Erbscheins ist - entgegen dem zunächst gestellten Antrag der Kostenschuldnerinnen - nicht vorgesehen, so dass auch in den Fällen des § 107 Abs. 3, 4 KostO ein "Voll-Erbschein" zu erteilen ist (Korintenberg / Lappe, KostO 15. Aufl., § 107 Rn 55; Rohs / Wedewer / Waldner, KostO (LoseblSlg) § 107 Rn 40).

Vielmehr hat sich der Gesetzgeber für bestimmte Fälle auf die Einräumung einer Kostenprivilegierung beschränkt. So wie etwa im Grundbuchverfahren § 60 Abs. 2 - 5 KostO konkrete Ermäßigungstatbestände aufführt, enthalten auch die Abs. 3 und 4 des § 107 KostO genau bezeichnete Voraussetzungen, unter denen an Stelle der nach Abs. 2 berechneten, regelmäßig anfallenden vollen Gebühr (Abs. 1) aus dem Nachlass eine Gebühr aus einem weit geringeren Teilwert zu erheben ist. § 107a KostO enthält die ergänzende Regelung für den Fall, dass der erteilte Erbschein über den angegebenen Zweck hinaus verwendet wird.

Diese Kostenprivilegierungen sind - wie einige weitere Spezialregelungen in anderen Gesetzen (zB §§ 317 LAG, 64 SGB X) - auf ganz konkret benannte Sachverhalte beschränkt, so dass eine Erstreckung auf andere Sachverhalte sowohl gegen den Wortlaut als auch gegen den erkennbaren Sinn der Ausnahmeregelungen verstoßen würde. Dies ist bereits seit längerem die eindeutige Position der Rechtsprechung und gerade auch für die hier vorliegende Fallkonstellation entschieden worden (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 1988,892; MDR 1991,165 = RPfl 1991,60 = JurBüro 1991,252 (m. zust. Anm. Mümmler); Rohs / Wedewer / Waldner, aaO § 107 Rn 41; Hartmann, KostenG 33. Aufl., Rn 16 zu § 107 KostO; Göttlich / Mümmler / Assenmacher / Mathias, KostO 15. Aufl., S. 320f). Nur vereinzelt wird im Schrifttum die gesetzliche Regelung als "partiell willkürlich" kritisiert und die von den Kostenschuldnerinnen verfochtene analoge Anwendung befürwortet (so Lappe in Korintenberg aaO § 107 Rn 59). Der Senat schließt sich der herrschenden Meinung an.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts im eingangs erwähnten registerrechtlichen Beschwerdeverfahren "im übrigen darauf hingewiesen" hat, dass aus Kostengründen ein Erbschein "lediglich für Handelsregisterzwecke zu erteilen" sei. Dabei handelt es sich um eine für die dortige Entscheidung nicht tragende Erwägung. Der Senat hat in seiner diesbezüglichen Rechtsbeschwerdeentscheidung vom 19.3.2002 ausgeführt, dass diese Gebührenfrage für die Entscheidung des registerrechtlichen Verfahrens nicht relevant ist, sondern dem - hier vorliegenden - Gebührenstreit vorbehalten ist.

Zwar ist den Rechtsbeschwerdeführerinnen (und der Ansicht von Lappe) zuzugeben, dass ihre Interessenlage mit derjenigen, der in § 107 Abs. 3 und 4 KostO Rechnung getragen wird, starke Ähnlichkeiten aufweist und dass an der Richtigkeit des Handelsregisters ebenso ein öffentliches Interesse besteht wie beim Grundbuch oder Schiffsregister. Gleichwohl rechtfertigt dies nach Ansicht des Senats nicht, eine weitere Kostenprivilegierung im Wege der Analogie einzuführen. Auch wenn bei der Interpretation von Gebührentatbeständen Analogien nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein mögen, ist es jedoch aus Gründen der Rechtsklarheit geboten, diesen Weg nur unter größter Zurückhaltung zu beschreiten. Grundsätzlich ist es Aufgabe des Gesetzgebers, die Voraussetzungen der Erhebung von Gebühren und deren Höhe für die staatlichen Leistungen zu bestimmen; ein Fall eines unerträglichen - und deshalb von der Rechtsprechung behebbaren - Wertungswiderspruchs ist hier nicht anzunehmen.

bb) Auch die eingangs genannte Rechtsprechung des EuGH gibt keine ausreichende Rechtfertigung dafür ab, die in Abs. 3 und 4 des § 107 KostO geregelten Ausnahmen auf den vorliegenden Fall auszudehnen.

Zwar hat die europäische Rechtssprechung schwerwiegende Brüche im Gebührensystem der Kostenordnung hervorgerufen; jedoch kann es nicht Aufgabe der Gerichte sein, über den unmittelbaren Wirkungskreis des europäischen Rechts hinaus punktuell eine Anpassung der Gebührenregelungen zu versuchen. Ob und inwieweit die Veränderung der Gebühren im Bereich des Handelsregisters durch die Gesellschaftssteuer-Richtlinie und deren Auslegung durch den EuGH über das in Vorbereitung befindliche Handelsregistergebühren-Neuordnungsgesetz hinaus unter dem Gesichtspunkt einer widerspruchsfreien Gesamtregelung eine Reform der Kostenordnung gebietet, hat der Gesetzgeber im Rahmen seines Regelungsermessens zu entscheiden.

Aus den gleichen Gründen verneint der Senat - ebenfalls in Übereinstimmung mit dem BayObLG (aaO) - auch eine Verletzung des grundgesetzlichen Gleichbehandlungs- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

3. Somit war die landgerichtliche Beschwerdeentscheidung unter Zurückweisung der weiteren Beschwerde als rechtsfehlerfrei und damit die angegriffene Kostenrechnung des Nachlassgerichts als sachlich richtig zu bestätigen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 14 Abs. 5 KostO.

Ende der Entscheidung

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