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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 19.10.2004
Aktenzeichen: 8 W 156/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 96
ZPO § 485
ZPO § 493 Abs. 1
1. Wenn bei gleichen Parteien die Hauptsacheklage hinter dem Verfahrensgegenstand des selbständigen Beweisverfahrens zurückbleibt, sind dennoch die gesamten Kosten des selbständigen Beweisverfahrens notwendige Kosten i.S.d. § 91 Abs. 1 ZPO und nach der Kostenregelung des Hauptsacheverfahrens aufzuteilen, außer es wurde im Hauptsacheverfahren von § 96 ZPO Gebrauch gemacht (Anschluß an BGH BauR 2004, 1485; 2004, 1487; NJW 2003, 1322; NJW 1996, 1749, 1751; Aufgabe der bisherigen Rspr. des Senats)

2. Verfahrensidentität zwischen dem selbständigen Beweisverfahren und dem Hauptsacheverfahren liegt auch vor, wenn der Gegenstand des Beweisverfahrens eine Anspruchvoraussetzung (hier: Abnahmefähigkeit) für die Klage des Gegners des selbständigen Beweisverfahrens betrifft und erst nach schlüssiger Klage und erheblichem Bestreiten das Beweisergebnis im Hauptsacheprozess zu verwerten ist.


Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 156/04

vom 19. Oktober 2004

In Sachen

wegen Forderung

hier: Kostenfestsetzung

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bräuning, Richterin am Oberlandesgericht Dr. Zeller-Lorenz und Richter am Landgericht Rast beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Heilbronn vom 2.4.2004 für die erste Instanz wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 2.583,24 €

Gründe:

I.

Die Beklagten, die die Klägerin mit der Herstellung eines schlüsselfertigen Reiheneckhauses beauftragt hatten, führten gegen die Klägerin vor dem Landgericht Heilbronn unter dem Aktenzeichen 6 OH 224/99 Ha ein selbständiges Beweisverfahren durch. Hintergrund waren die Auseinandersetzungen der Parteien über die Abnahmefähigkeit des Werks der Klägerin und die Absicht der Beklagten, auf Kosten der Klägerin eine Ersatzvornahme zu veranlassen.

Noch während des laufenden selbständigen Beweisverfahrens verlangte die Klägerin nach der Durchführung des Mahnverfahrens von den Beklagten die Zahlung restlichen Werklohns mit der Behauptung, die von den Beklagten gerügten Mängeln stünden einer Abnahme nicht entgegen; Abnahmereife sei eingetreten. Mit Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 5. August 2003 wurde die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen und es wurden der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, weil ausweislich der Begutachtung im selbständigen Beweisverfahren die Klägerin nicht beweisen konnte, sie habe den erforderlichen und geschuldeten Schallschutz eingehalten. Zu den Kosten des selbständigen Beweisverfahrens wurde im Urteil darauf hingewiesen, dass die Erstattungsfähigkeit im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen sei. Die dagegen eingelegte Berufung wurde zurückgenommen.

Auf Antrag der Beklagten setzte die Rechtspflegerin beim Landgericht Heilbronn mit Beschluss vom 2.4.2004 die für die erste Instanz zu erstattenden Kosten mit 14.583,24 € fest, wobei im festgesetzten Betrag Gerichtskosten aus dem beigezogenen selbständigen Beweisverfahren, AZ: 6 OH 224/99 Ha, in Höhe von 11.513,65 € enthalten sind. Die Erstattung betrifft die den Beklagten von der Klägerin zu erstattenden Kosten. Gegen diesen der Klägerin am 13.4.2004 zugestellten Beschluss hat sie am 21.4.2004 sofortige Beschwerde eingelegt. Die Klägerin ist der Ansicht, angesichts der gerügten, zu einem erheblichen Teil im selbständigen Beweisverfahren nicht bestätigten Mängel dürften die im selbständigen Beweisverfahren angefallenen Kosten nur zum Teil berücksichtigt werden. Ein nicht unerheblicher Teil der durch den Sachverständigen verursachten Gerichtskosten sei nicht notwendig gewesen. Deshalb dürfe von diesen Kosten jedenfalls ein Betrag in Höhe von 2.583,24 € nebst Zinsen nicht als zu erstattender Betrag festgesetzt werden. Die Rechtspflegerin beim Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem OLG mit Verfügung vom 6.10.2004 vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber in der Sache unbegründet.

1.

Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens gehören zu den Kosten des anschließenden Hauptsacheverfahrens. Sie werden von der darin zu treffenden Kostenentscheidung mit umfasst (BGH BauR 2004, 1485; 2004, 1487; NJW 2003, 1322; NJW 1996, 1749, 1751). Dies gilt auch dann, wenn die Hauptsacheklage hinter dem Verfahrensgegenstand des selbständigen Beweisverfahrens zurückbleibt. In diesem Fall können im Hauptsacheverfahren dem Antragsteller in entsprechender Anwendung von § 96 ZPO die durch den überschießenden Teil des selbständigen Beweisverfahrens entstandenen Kosten auferlegt werden (BGH BauR 2004, 1485; NJW 2003, 1322; BauR 2004, 1487).

An seiner abweichenden bisherigen Rechtsprechung (vgl. Beschlüsse vom 8.10.1981 und 15.12.1981, Die Justiz 1982, 127 und Die Justiz 1982, 157) hält der Senat nicht mehr fest.

Von der Möglichkeit, bei der Kostenentscheidung in entsprechender Anwendung des § 96 ZPO ganz oder teilweise gesondert über die Kosten des Verfahrens zu befinden, hat das Landgericht keinen Gebrauch gemacht. Eine Korrektur der Kostengrundentscheidung im Wege der Kostenfestsetzung scheidet aus (BGH BauR 2004, 1487). Die entstandenen gerichtlichen Kosten sind demnach gemäß dem Kostenausspruch des Urteils von der Klägerin zu tragen, ohne dass es darauf ankäme, ob das Beweisergebnis vollständig verwertet worden ist (vgl. BGH a.a.O.). Die Einbeziehung der gerichtlichen Kosten des selbständigen Beweisverfahren in den im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens der Hauptsache vorzunehmenden Kostenausgleich kann nicht mit der Begründung verneint werden, mangels Verwertung des Beweisergebnisses seien die Kosten nicht notwendig im Sinn des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Denn gerichtliche Kosten sind stets auch als notwendig zu erachten, wenn sie mit dem Kostenrecht übereinstimmen (BGH a.a.O.).

2.

Bei dem vorliegende Rechtsstreit vor dem Landgericht, AZ: 6 O 242/03 Ha, handelt es sich um das zum selbständigen Beweisverfahren gehörende Hauptsacheverfahren.

Die erforderliche Parteienidentität ist auch bei einem im Vergleich zum selbständigen Beweisverfahren umgekehrten Rubrum gewahrt (OLG Nürnberg JurBüro 1996, 35). Der Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren und im vorausgegangenen selbständigen Beweisverfahren ist identisch. Die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens ist sowohl dann zulässig, wenn es Grundlage für Ansprüche des Antragstellers ist, als auch dann, wenn damit Ansprüche des Antragsgegners abgewehrt werden sollen (OLG Nürnberg a.a.O. Thomas / Putzo ZPO 25. Aufl., § 485 RN 7 m.w.N.). Nur im ersten Fall kann eine Identität der Streitgegenstände gegeben sein. Im letzteren Fall kann jedoch das abgewehrte Gegenrecht im späteren Hauptsacheverfahren nur die Grundlage für ein substantiiertes Bestreiten, eine Einwendung oder Einrede bilden.

Voraussetzung für die vorliegende Klage auf Werklohn war gemäß § 641 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 16 Nr. 3, 12 Nr. 1 VOB/B eine Abnahme oder zumindest Eintritt der Abnahmereife. Die Abnahme durfte von den Beklagten beim Vorliegen wesentlicher Mängel verweigert werden. Weil das selbständige Beweisverfahren die Frage des Vorliegens von Mängeln beim streitgegenständlichen Bauvorhaben zum Gegenstand hatte und sich die Beklagten auf Tatsachen, nämlich Mängel, in diesem Prozess berufen hatten, über die selbständig Beweis erhoben worden ist, stand die selbständige Beweiserhebung einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich (§ 493 Abs. 1 ZPO). Das Gericht konnte deshalb dem Begehren der Klägerin nur dann entsprechen, wenn die von den Beklagten behaupteten Mängel ausweislich des im selbständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachtens nicht vorlagen. Das Landgericht hat sein klagabweisendes Urteil auch darauf gestützt, dass der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin im selbständigen Beweisverfahren der Beweis nicht gelungen ist, dass ihrem Werk wesentliche Mängel nicht mehr anhaften (Seite 10 des Urteils vom 5.8.2003). Damit lag zumindest teilweise Verfahrensidentität vor (vgl. BGH BauR 2003, 1255; a. A. wohl Zöller-Herget ZPO 24. Aufl., § 91 RN 13 "selbständiges Beweisverfahren" unter Hinweis auf BGH MDR 96, 893, wo diese Frage jedoch ausdrücklich offen gelassen wird). Auf die umstrittene Frage, inwieweit Verfahrensidentität bestehen kann, wenn das Ergebnis eines selbständigen Beweisverfahrens allein eine Einrede stützen soll, kommt es hier nicht an, weil die selbständige Beweiserhebung die Anspruchvoraussetzungen der Klagforderung betroffen hat.

3.

Die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels hat die Klägerin gemäß § 97 ZPO zu tragen.

Ende der Entscheidung

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