Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 14.09.2006
Aktenzeichen: 8 W 193/06
Rechtsgebiete: BGB, GBO


Vorschriften:

BGB § 2113
GBO § 22
GBO § 51
Gehört zu einem Nachlass ein gesamthänderischer Anteil an einem Grundstück und hat der Erblasser Vor- und Nacherbschaft angeordnet, wird der gesamthänderische Grundstücksanteil nicht von der Verfügungsbeschränkung des § 2113 BGB erfasst und es wird kein Nacherbenvermerk im Grundbuch (§ 51 GBO) eingetragen. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Vorerben bereits der oder die anderen Anteil(e) an dem selben Grundstück gehört/gehören oder ob der oder die weiteren Grundstücksanteil(e) in dirtter Hand ist/sind (Abweichung von OLG Hamm Rpfleger19985, 21).
Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 193/06

14.9.2006

In der Grundbuchsache

wegen Grundbuchberichtigung

hier: Löschung eines Nacherbenvermerks

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Bräuning Richterin am Oberlandesgericht Dr. Zeller-Lorenz Richterin am Oberlandesgericht Tschersich

beschlossen:

Tenor:

Die Sache wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über die weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ulm vom 24.4.2006 vorgelegt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller sind Miteigentümer des Grundstücks ...., Flurstück ..., Gemarkung ... Als weitere Miteigentümerin (in Erbengemeinschaft mit den Antragstellern) war eingetragen P... S..., die am 7. September 1987 verstorben ist und auf Grund Erbvertrags vom 21. April 1986 von ihrem Ehemann K... S... als alleinigem Vorerben beerbt wurde. Als alleinige Nacherbin wurde die Tochter der Ehefrau, K... E..., eingesetzt. K... S... beantragte am 28. Juni 2005 Grundbuchberichtigung, worauf das Grundbuchamt am 18. Juli 2005 die Eintragung eines Nacherbenvermerks vornahm, gegen den sich die Antragsteller wenden.

Mit Beschluss vom 8. Februar 2006 lehnte das Grundbuchamt Ehingen (Donau) die Löschung des Nacherbenvermerks ab, half der Beschwerde nicht ab und legte sie dem Landgericht zur Entscheidung vor. Das Landgericht Ulm wies durch Beschluss vom 24. April 2006 die Beschwerde der Antragsteller zurück. Die Entscheidung wurde der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller am 28. April 2006 zugestellt. Sie hat hiergegen per Fax am 12. Mai 2006 namens und in Vollmacht der Antragsteller weitere Beschwerde eingelegt.

Die Nacherbin hat sich in allen Instanzen gegen die Löschung des Nacherbenvermerks gewandt. Der Vorerbe hat mit Schreiben vom 19.8.06 Stellung genommen.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird im übrigen Bezug genommen auf die Beschlüsse des Notariats Ehingen (Donau) und des Landgerichts Ulm/Donau sowie auf das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten nebst der von ihnen vorgelegten Anlagen.

II.

Der Senat hält die weitere Beschwerde für zulässig (§§ 78 ff GBO) und in der Sache auch für begründet. Er sieht sich jedoch an einer Entscheidung im Sinne des Rechtsmittels gehindert durch den Beschluss des OLG Hamm vom 28.4.1984, 15 W 186/84, veröffentlicht in Rpfleger 1985, 21. Deshalb legt der Senat die Sache dem Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2 FGG zur Entscheidung vor.

Der mit der weiteren Beschwerde angefochtene Beschluss des Landgerichts Ulm vom 24.4.2006 und auch der vorangegangene Beschluss des Notariats Ehingen (Donau) vom 8.2.2006 halten nach der Auffassung des Senats der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Der Eintrag des Nacherbenvermerks durch das Notariat Ehingen hat nach Ansicht beider Vorinstanzen seine Rechtsgrundlage in (analoger) Anwendung von § 2113 BGB und § 51 GBO. Beide Vorschriften dienen dem Schutz des Nacherben vor ihn schädigenden Verfügungen des Vorerben über Grundstücke, die dem der Vor- und Nacherbschaft unterliegenden Nachlass zugehören. Während § 2113 BGB bestimmt, dass solche Verfügungen des Vorerben unwirksam sind, wenn sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen, schützt § 51 GBO den Nacherben zusätzlich vor gutgläubigem Erwerb Dritter: Beim Eintrag des Vorerben als Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch ist zu vermerken, dass Nacherbschaft besteht.

2. Auf diese Rechtsgrundlage lässt sich der strittige Eintrag in vorliegendem Fall nicht stützen:

a. Gegenstand des Nacherbenvermerks ist in vorliegendem Fall nicht ein Grundstück, sondern nur ein zum Nachlass gehörender Anteil an einem Grundstück, das im Gesamthandseigentum mehrerer Erben steht, deren einer der die Vor- und Nacherbschaft anordnende Erblasser war. Für Fälle eines zum Nachlass gehörenden nur gesamthänderischen Anteils an einem Grundstück aber ist in der Rechtsprechung geklärt, dass eine unmittelbare Anwendung des § 2113 BGB und damit auch des § 51 GBO ausscheidet (BGH WM 1976, 478; BGH NJW 1978, 698).

b. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen lässt sich der strittige Nacherbenvermerk aber auch nicht auf eine analoge Anwendung des § 2113 BGB und des § 51 GBO stützen. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 10.3.76 (WM 1976, 478) dargelegt, dass dann, wenn ein Ehepartner einer in Gütergemeinschaft geführten Ehe Vorerbe des verstorbenen anderen Ehepartners geworden ist, der ihm als Erbe angefallene Gesamthandsanteil nicht von § 2113 BGB - und damit auch von § 51 GBO - erfasst wird. Mit seiner Entscheidung vom 16.12.1977 (NJW 1978, 698) hat er dasselbe auch für den Fall gesagt, dass zwei Personen zusammen Erben eines Grundstücks sind, einer den anderen zum Vorerben einsetzt und dann stirbt. Auch in diesem Fall kann der Überlebende über das ihm - dank der Erbschaft - nun allein gehörende Grundstück ohne die Beschränkungen des § 2113 BGB verfügen. Der BGH hat seine Entscheidungen damit begründet, dass in den von ihm entschiedenen Fällen eine entsprechende Anwendung des § 2113 BGB dazu führen würde, dass nicht nur der der Vorerbschaft unterliegende Gesamtgutanteil an einem Grundstück den Verfügungsbeschränkungen des § 2113 BGB unterliegen würde, sondern auch der andere Gesamtgutanteil betroffen wäre und damit der zum Gesamtgut gehörende Gegenstand insgesamt. Ein solches Ergebnis lasse aber völlig außer Acht, dass der nicht von der Vor- und Nacherbschaft betroffene Anteil am Gesamtgut von solchen Belastungen frei sei. In dieser Konfliktlage sei dem Gesichtspunkt der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit der Vorzug vor einem (erweiterten) Schutz des Nacherben zu geben. In vorliegenem Fall gilt nichts anderes: Wiederum unterliegt nicht das ganze Grundstück der Vor- und Nacherbschaft, sondern nur ein neben Anteilen anderer Miterben gehaltener Gesamthandanteil. Wie in den zuvor dargestellten BGH-Fällen würde ein auf den Anteil des Vorerben bezogener Schutz des § 2113 BGB und des § 51 GBO dazu führen, dass die anderen Miterben des betroffenen Grundstücks von den Auswirkungen des nur einen Drittanteil betreffenden Nacherbenschutzes des § 2113 BGB miterfasst und in ihren Verfügungsmöglichkeiten beschränkt wären, ohne dass hierfür eine Rechtsgrundlage bestünde. Einen sachlichen Unterschied zu den vom BGH entschiedenen Fällen sieht der Senat nicht. Zwar gehörte das betroffene Grundstück in beiden BGH-Fällen nur zwei Personen und es führte der Tod des einen Anteilseigners dazu, dass der andere Anteilseigner nun Eigentümer des gesamten Grundstücks wurde - allerdings belastet mit dem Nacherbenschutz auf einem der beiden (gedanklichen) Anteile. Hier dagegen gab es drei durch gemeinsame Erbschaft gesamthänderisch gebundene Miterben eines Grundstücks; die "Weitergabe" eines Anteils durch Tod eines der Miterben belastet mit einer Vor- und Nacherbschaft führte nicht zu einer Vereinigung aller Anteile in einer Hand. Wenn jedoch der BGH in wertender Sicht es nicht als gerechtfertigt angesehen hat, den nicht mit einer Vor- und Nacherbschaft belasteten Anteil eines durch die Erbschaft in einer Hand vereinigten Gesamtgrundstücks den Beschränkungen des § 2113 BGB zu unterwerfen mit der Folge, dass das gesamte Grundstück von diesen Beschränkungen befreit bleibt, so führt dieser tragende Gesichtspunkt des BGH hier zum gleichen Ergebnis. Es geht bei einer solchen wertenden Entscheidung um das Freihalten eines ursprünglich unbelasteten Grundstücksanteils von Verfügungsbeschränkungen, denen nur ein anderer Anteil unterworfen ist. Es geht dagegen nicht darum, ob der oder die von den Verfügungsbeschränkungen nicht betroffenen Anteile Dritten gehören oder sich durch einen weiteren Erbgang mit dem belasteten Anteil in einer Hand verbinden. Der Senat ist zudem der Auffassung, dass dann, wenn schon der ursprünglich freie mit den durch angeordnete Vor- und Nacherbschaft in einer Hand vereinte Anteil seine Freiheit vor den Verfügungsbeschränkungen des § 2113 BGB bewahren kann, dies umso mehr für Anteile gelten muss, die Dritten gehören und keinerlei Bezug zu der einen anderen Anteil betreffenden Verfügungsbeschränkung haben.

Der gegenteiligen Auffassung des OLG Hamm in einem vergleichbaren Fall (Rpfleger 1985, 21) vermag der Senat aus den dargelegten Gründen nicht zu folgen. Der Senat sieht die Vorlage als zulässig an, obgleich der Senat zwei oben angesprochenen Entscheidungen des BGH folgen will. Die Vorlage dient der Klärung, ob die vom BGH vertretene Rechtsauffassung auch auf den hier vorliegenden Sachverhalt anzuwenden ist (so der Senat) oder nicht (so ausdrücklich das OLG Hamm).

Ende der Entscheidung

Zurück