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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 19.09.2002
Aktenzeichen: 8 W 220/02
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 52
ZPO § 91 Abs. 2 S. 3
Nach Wegfall der Postulationsbeschränkungen sind die Mehrkosten eines deutschen Verkehrsanwalts einer ausländischen Partei nur noch insoweit erstattungsfähig, als sie die Anwaltsreisekosten zum Gericht nicht übersteigen (Abweichung von der ständigen Senatsrechtsprechung).
Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 220/02

vom 19. September 2002

In dem Rechtsstreit

Gründe:

1. Die Beklagten sind dem in Israel ansässigen Kläger in vollem Umfang als Gesamtschuldner kostenerstattungspflichtig. Die Rechtspflegerin hat unter Bezugnahme auf die bisherige Senatsrechtsprechung neben den Kosten eines Hauptbevollmächtigten in Stuttgart die Mehrkosten eines Verkehrsanwalts in Köln als erstattungsfähig festgesetzt.

Mit der Beschwerde machen die Beklagten geltend, die Mehrkosten eines zweiten Rechtsanwalts seien jedenfalls nach Änderung des § 78 ZPO nicht erstattungsfähig, woran auch die Tatsache nichts ändern könne, dass der Kläger seinen Wohnsitz im Ausland habe.

2. Die zulässige Kostenbeschwerde der Beklagten hat teilweise Erfolg.

a) Nach bisheriger gefestigter Senatsrechtsprechung war es regelmäßig als "notwendig" im Sinne einer zweckmäßigen Rechtsverfolgung oder -verteidigung gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO anzusehen, wenn eine ausländische Partei, die vor einem deutschen Gericht einen Rechtsstreit führt, einen Korrespondenzanwalt einschaltet; dabei hatte die ausländische Partei in der Regel die Wahl, ob sie einen Anwalt an ihrem ausländischen Wohnsitz oder einen Anwalt an einem beliebigen Ort in Deutschland zum Korrespondenzanwalt bestellen will (Senatsbeschluss vom 22.4.1981, JurBüro 1981, 870 = Die Justiz 1981, 316 (LS); Beschluss vom 2.12.1983, Die Justiz 1984, 99 = JurBüro 1984, 593). Diese Rechtsprechung steht - ungeachtet gewisser Einschränkungstendenzen im Einzelfall auf Grund zunehmender Internationalisierung (vgl. zB OLG Karlsruhe OLGRep 2001, 445) - im Einklang mit der wohl überwiegenden Ansicht der Oberlandesgerichte (aus jüngerer Zeit zB OLG Hamburg MDR 2000, 664; OLG Dresden JurBüro 1998,144; OLG Jena JurBüro 1998, 596; vgl. Zöller/ Herget, ZPO 23. Aufl., § 91 Rn 13 "Ausländer). Sie beruht auf der damaligen Rechtslage, nach der der zunächst beauftragte deutsche Rechtsanwalt "am dritten Ort" am Gericht des Prozessorts nicht zugelassen war, weshalb ein Fall des notwendigen Anwaltswechsels anzunehmen war.

b) Mit Wegfall der Postulationsbeschränkungen auswärtiger Anwälte zum 1.1.2000 stellt sich das Problem der Erstattungsfähigkeit der Kosten mehrerer Anwälte auch bei ausländischen Prozessparteien in neuem Licht. Der Grundsatz des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO, wonach die Mehrkosten eines zweiten Anwalts nur bei Notwendigkeit eines Anwaltswechsels zu erstatten sind, hat - ähnlich wie beim Mahnanwalt (vgl. Senatsbeschluss vom 22.5.2001, Die Justiz 2001, 445 = RPfl 2001, 516) - die Konsequenz, dass grundsätzlich der von der ausländischen Partei zunächst beauftragte deutsche Rechtsanwalt den Rechtsstreit an jedem Gericht in Deutschland selbst führen kann, so dass ein Anwaltswechsel nicht mehr notwendig ist.

Dem gemäß sind die vom Kläger angemeldeten Kosten für einen zweiten Rechtsanwalt in Stuttgart nur insoweit erstattungsfähig, als sie angefallen wären, wenn der Klägervertreter aus Köln nach Stuttgart zur Terminswahrnehmung angereist wäre. Darüber hinausgehende Kosten für einen zweiten deutschen Rechtsanwalt sind nach der neuen Rechtslage nicht mehr erstattungsfähig. Die Festsetzung der Rechtspflegerin konnte somit keinen Bestand haben. Die Erstattung von eventuellen Mehrkosten eines Anwalts in Israel ist nicht Gegenstand des Verfahrens.

c) Die weitergehende Ansicht der Beklagten, der Kläger wäre von vornherein kostenrechtlich verpflichtet gewesen, einen Anwalt in Stuttgart zu beauftragen, damit nicht auch die Reisekosten eines auswärtigen Anwalts anfallen, geht jedoch zu weit und wird der Situation der ausländischen Partei, die mit den Rechtsverhältnissen in Deutschland nicht vertraut ist, nicht hinreichend gerecht. Der Senat hält vielmehr an seiner bisherigen Ansicht insoweit fest, dass die ausländische Partei regelmäßig einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens an jedem beliebigen deutschen Ort mit der Vertretung ihrer Interessen beauftragen kann - wie dies bisher für den Verkehrsanwalt gegolten hat. Für den Regelfall erscheint es einer ausländischen Partei unzumutbar, gleich einen Anwalt am Ort des Prozessgerichts zu ermitteln und zu beauftragen. Hinsichtlich der Anwaltsreisekosten Köln - Stuttgart war somit die Beschwerde der Beklagten zurückzuweisen.

d) Diese Erwägungen führen im vorliegenden Fall betragsmäßig zu folgendem Ergebnis: Erstattungsfähig sind nur die Anwaltsreisekosten in Höhe von 186,64 €, nicht aber eine 10/10-Verkehrsgebühr. ...

...

f) Einen Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sieht der Senat nicht. Zwar wäre unter Zugrundelegung des bis Ende 1999 geltenden Anwaltsrechts angesichts der unterschiedlichen Rechtspositionen der Oberlandesgerichte eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO n. F. möglicherweise angezeigt gewesen. Unter Geltung des neuen Rechts sind jedoch bis jetzt keine derart unterschiedlichen Positionen erkennbar, da die veröffentlichten Entscheidungen auch der letzten Zeit offenbar Rechtsstreitigkeiten betreffen, die vor 2000 begonnen haben.

Ende der Entscheidung

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