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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 29.01.2003
Aktenzeichen: 8 W 27/03
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 50
FGG § 56g
Die Begleitung des Umgangs des Vaters mit seinem Kind liegt außerhalb des gesetzlichen Aufgabenbereichs eines "Verfahrenspflegers für das Kind". Erteilt das Gericht dem Verfahrenspfleger gleichwohl einen solchen Auftrag, ist der dadurch entstandene Zeitaufwand nur vergütungsfähig, soweit der Verfahrenspfleger auf die Rechtmäßigkeit der Anordnung vertrauen durfte (Ergänzung zu den Senatsbeschlüssen vom 6.11.2000 (Die Justiz 2002,411 = OLGRep 2002,269) und 29.10.2002 (Die Justiz 2003,85 = OLGRep 2003, 165).
Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 27/03 8 W 28/03 8 W 29/03

vom 29.01.2003

In der Familiensache

Tenor:

1. Die sofortigen Beschwerden der Bezirksrevisorin beim Landgericht Tübingen gegen die Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse des Rechtspflegers beim Amtsgericht Nagold vom 06.07.2001, 26.07.2001 und 08.01.2002 werden zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

1. Gegenstand dieser Entscheidung sind von der Verfahrenspflegerin geltend gemachte Vergütungsansprüche.

Der Vater des Kindes hatte während des bereits laufenden Scheidungsverfahrens einen Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung über ein Umgangsrecht mit seinem Kind gestellt, weil die Mutter den Umgang verweigert hatte. Als auch ein vom Gericht vermittelter Umgang unter Betreuung durch den Kinderschutzbund an der erforderlichen Mitwirkung der Mutter scheiterte, bestellte das Amtsgericht - wie für den Fall des Scheiterns des vereinbarten Umgangs angekündigt - am 2.4.2001 die Verfahrenspflegerin für das Kind und stellte fest, dass diese ihre Tätigkeit berufsmäßig ausübe.

Die Verfahrenspflegerin nahm daraufhin Kontakt mit den Eltern auf, machte den damals etwa einjährigen Sohn bei fünf Besuchsterminen mit sich vertraut und führte anschließend in Abstimmung mit der Mutter fünf begleitete Umgangstermine zwischen Vater und Sohn durch. Nachdem die Mutter die von der Verfahrenspflegerin daraufhin befürworteten unbegleiteten Umgangstermine ablehnte, wandte sich die Verfahrenspflegerin an das Amtsgericht.

In dem daraufhin vom Amtsgericht auf 05.07.2000 anberaumten Anhörungstermin, in dem die Verfahrenspflegerin ebenfalls unbegleitete Umgangstermine befürwortete, erging ein Beschluss des Amtsgerichts, wonach ein von der Verfahrenspflegerin begleiteter Umgangstermin am 10.07.2001, ein von ihr noch teilweise begleiteter Umgangstermin am 13.07.2001 und zwei unbegleitete Umgangstermine ab 20.07.2001 bestimmt wurden.

Nachdem die Mutter schon den Umgangstermin am 10.07.2001 vor Beginn abbrach und die Einlegung einer (später wieder zurückgenommenen) Beschwerde gegen die angeordneten Umgangstermine ankündigte, verfasste die Verfahrenspflegerin einen sechsseitigen Bericht über ihre bisherige Tätigkeit.

Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 05.09.2001 wurden zwei weitere, von der Verfahrenspflegerin begleitete Umgangstermine zwischen Vater und Sohn bestimmt und drei weitere Umgangstermine, bei denen die Verfahrenspflegerin über den Umfang der Begleitung entscheiden sollte.

Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 26.09.2001 wurde der Verfahrenspflegerin wegen zwischenzeitlicher Schwierigkeiten im Kontakt mit der Mutter gestattet, für die begleiteten Umgangstermine selbst eine dritte Person zwischen zuschalten.

Als weitere Umgangstermine wegen fehlender Mitwirkungsbereitschaft der Mutter nicht mehr vereinbart werden konnten, verhängte das Gericht mit Beschluss vom 15.10.2001 gegen die Mutter ein Zwangsgeld in Höhe von 400,00 DM. Deren hiergegen eingelegte Beschwerde wies der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts mit Beschluss vom 13.12.2001 auf Kosten der Mutter zurück.

2. Für ihre in diesem Zusammenhang geleistete Tätigkeit in der Zeit vom 10.4.01 bis 18.10.01 stellte die Verfahrenspflegerin drei Vergütungsfestsetzungsanträge über 2.539,97 DM, 1.047,84 DM und 1.165,32 DM.

Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat diesen Anträgen bis auf die geltend gemachten Kosten für die Inanspruchnahme einer kollegialen Beratung entsprochen und mit Beschlüssen vom 06.07.2001, 26.07.2001 und 08.01.2002 die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung der Verfahrenspflegerin mit 2.270,10 DM, 1.047,84 DM und 1.165,32 DM für die geltend gemachten Zeiträume festgesetzt.

3. Gegen diese Beschlüsse richtet sich die sofortige Beschwerde der Bezirksrevisorin beim Landgericht. Sie beantragt, die Vergütung auf die Beträge von 1.688,84 DM, 403,12 DM und 695,52 DM zu ermäßigen.

Sie macht geltend, gesetzliche Aufgabe des Verfahrenspflegers als im Verfahren bestellter Vertreter des Kindes sei es im Hinblick auf den Interessenkonflikt der Eltern nur, die Interessen des Kindes zu erkennen und zu formulieren. Weitere Ermittlungen und eine Vermittlung zwischen den Beteiligten habe er dagegen nicht vorzunehmen. Dies sei vielmehr die Aufgabe des Gerichts selbst. Der Verfahrenspfleger müsse danach nur die Akten erhalten und Gerichtstermine wahrnehmen. Weiter genüge es im Normalfall, wenn er Kontakt mit dem Kind selbst aufnehme. Je nach Alter des Kindes könne es auch erforderlich sein, dass er weitere Erkundigungen über die Beziehungen des Kindes zu seiner Umwelt einschließlich seinen Eltern einziehe. Der Verfahrenspfleger sei jedoch weder Umgangspfleger für das Kind noch Ergänzungspfleger im Rahmen der wiederstreitenden Interessen der Eltern.

Daher seien die im vorliegenden Fall geführten sehr zahlreichen Gespräche mit den Eltern hier nicht erstattungsfähig. Der berechtigte Aufwand für die Aktenanalyse, Anschreiben an die Eltern und einen ersten Kontakt mit diesen und Kontakte mit dem Gericht einschließlich Anhörungstermine könne nur mit dem o.g. Beträgen anerkannt werden, deren Festsetzung mit der Beschwerde nicht beanstandet werde. Ein Verfahrenspfleger müsse im Rahmen der selbständigen Gestaltung seiner Tätigkeit auch darauf achten, dass ein unverhältnismäßiger Zeitaufwand vermieden werde. Unter diesem Gesichtspunkt sei es vorliegend auch nicht erforderlich gewesen, am 13.07.2001 eine ausführliche sozialpädagogische Stellungnahme zu fertigen. Die dargelegten Grundsätze entsprächen auch dem Stand der obergerichtlichen Rechtsprechung.

Die Verfahrenspflegerin ist dem Rechtsmittel der Bezirksrevisorin entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die Wahrnehmung der Verfahrenspflegschaft sei im Hinblick auf das Verhalten der Mutter hier sehr kompliziert gewesen. Für die gewünschten Umgangstermine seien sehr viele Absprachen erforderlich gewesen, die immer wieder nicht eingehalten worden seien. Die erfolgten Stellungnahmen seien notwendig und vom Gericht auch erwartet gewesen.

Der Rechtspfleger hat das Rechtsmittel der Bezirksrevisorin unter Nichtabhilfe mit Verfügung vom 17.04.2002 dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Entscheidung über einen weiteren, von der Verfahrenspflegerin zwischenzeitlich eingereichten Vergütungsantrag hat er im Hinblick auf einen etwaigen Rückforderungsanspruch der Staatskasse im Zusammenhang mit der anstehenden Beschwerdeentscheidung zurückgestellt.

Das Hauptsacheverfahren wurde in der Zwischenzeit in der Rechtsmittelinstanz abgeschlossen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Bezirksrevisorin ist statthaft und auch sonst zulässig (§§ 56 g V, 22 I FGG). Mangels förmlicher Zustellung der angefochtenen Festsetzungsentscheidungen wurde die zweiwöchige Rechtsmittelfrist für das gesetzlich an sich befristete Rechtsmittel nicht in Lauf gesetzt.

Die für eine Erstbeschwerde erforderliche Beschwer von über 150,00 € liegt vor.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

1. Der Senat teilt die überwiegend in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, dass die vom Gesetzgeber normierte Aufgabe des Verfahrenspflegers darin besteht, im Streit der Eltern die Interessen des Kindes festzustellen und im Verfahren zur Geltung zu bringen. Dem vertretenen Kind soll so im Verfahren ein gesetzlicher Vertreter zur Durchsetzung seiner tatsächlich formulierten oder zu ermittelnden Interessen und Wünsche zur Seite stehen (vgl. BVerfG FamRZ 2000, 1280). Diese Aufgabe erfordert in je nach Alter des Kindes unterschiedlichem Umfang auch die Führung von Gesprächen mit den Eltern und/oder anderen Bezugs- oder Auskunftspersonen. Für deren Vergütungsfähigkeit genügt eine gerichtliche Plausibilitätskontrolle. Die Vergütung des Verfahrenspflegers richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitaufwand, der zur Erfüllung der so umschriebenen Aufgabe erforderlich war. Dabei kann auch eine pauschalierende Betrachtung des Zeitaufwands in Betracht kommen. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den beigefügten, zur Veröffentlichung bestimmten Senatsbeschluss vom 29.10.2002 (Az. 8 WF 20/2002) sowie auf den (den Beteiligten bekannten) Beschluss vom 10.9.2002 (8 WF 26/2002) Bezug genommen.

2. Anders liegt der Fall dann, wenn ein Verfahrenspfleger vom Gericht konkret mit Tätigkeiten beauftragt wird, die über den gesetzlich bestimmten Aufgabenbereich hinausgehen. In einem solchen Fall kann der bestellte Verfahrenspfleger, soweit er im Rahmen seiner Berufsausübung bestellt wird, darauf vertrauen, dass die ihm vom Gericht übertragene Tätigkeit auch vergütet wird. Seine Vergütung richtet sich dann nach dem erforderlichen Zeitaufwand für die Erfüllung der vom Gericht vorgegebenen Aufgabe. Dies hat der Senat bereits für den Fall entschieden, dass ein Verfahrenspfleger vom Gericht mit der Auswahl einer geeigneten Einrichtung für das Kind beauftragt wird (Beschl. v. 6.11.2000, Die Justiz 2002, 411 = OLGRep 2002,269; vgl. auch OLG Hamm FamRZ 2001, 1540).

Im vorliegenden Fall ist die Verfahrenspflegerin - wie sich aus den Akten ergibt - über den gesetzlichen Aufgabenbereich hinaus vom Amtsgericht mehrfach mit der Betreuung von Umgangskontakten zwischen Vater und Kind beauftragt worden. Bereits bei der ersten Anhörung bestand Einigkeit zwischen Eltern und Gericht, dass weitere betreute Umgangsversuche zwischen Vater und Sohn stattfinden sollten. Für den Fall, dass die Mutter die Umgangsbetreuung durch den bereits vorgerichtlich eingeschalteten Kinderschutzbund nicht länger zulassen wollte, hatte das Gericht die Zuziehung eines Verfahrenspflegers angekündigt (Anhörungsprotokoll vom 09.03.2001) und mit Beschluss vom 2.4.2001 angeordnet. Die gerichtliche Beauftragung der Verfahrenspflegerin mit der Betreuung des Umgangs von Vater und (Klein-)Kind erfolgte teils konkludent, teils ausdrücklich und hat das Verfahren konkret gefördert.

Ob und inwieweit der Richter befugt ist, einen Verfahrenspfleger über seinen gesetzlichen Aufgabenbereich hinaus auch für Tätigkeiten einzusetzen, die dem Wohl des Kindes und der Erreichung des Verfahrensziels dienlich sind und von den primär zuständigen Jugendämtern wegen zunehmender Personalknappheit praktisch nicht mehr wahrgenommen werden (können), bedarf hier weder einer vertieften Erörterung noch einer Entscheidung. Ebenso kann hier offen bleiben, ob die Kosten einer solchen richterlich erweiterten Verfahrenspflegschaft über §§ 2 ff, 137 Nr. 16 KostO den beteiligten Eltern als Kostenschuldnern in Rechnung gestellt werden können (was hier ohnehin nicht in Betracht kommt, da beiden Eltern Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt ist) oder aber nach § 16 KostO zumindest teilweise unerhoben bleiben müssen. Denn ein solches gerichtliches Vorgehen kann nicht zu Lasten der Verfahrenspflegerin gehen, die - jedenfalls für die Vergangenheit - der Rechtmäßigkeit der richterlichen Anordnungen vertrauen darf.

Für die Zukunft wird die Verfahrenspflegerin jedoch darauf zu achten haben, ob die ihr vom Gericht angetragene Tätigkeit noch im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereichs liegt und damit einen Anspruch auf die gesetzliche Vergütung begründen kann oder ob sie außerhalb dieses Bereichs liegt (vgl. zum Ganzen auch Bienwald, Verfahrenspflegschaft (2002) Rn 809ff; Keidel / Engelhardt, FG 15. Aufl. (2003), § 50 Rn 5ff, 15ff). Letzteres hätte zur Folge, dass ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse möglicherweise nicht besteht und jedenfalls die Eltern für solche Kosten nicht in Anspruch genommen werden können. Soweit die Tätigkeit der Verfahrenspfleger über ihren derzeitigen gesetzlichen Aufgabenbereich hinaus zum Wohl des Kindes für die familiengerichtliche Praxis inzwischen als unverzichtbar erscheint, bedarf es zur Vergütung einer entsprechenden rechtlichen Grundlage. § 50 FGG (iVm §§ 67 Abs. 3, 56g FGG) in seiner derzeitigen Fassung ist dafür nach Ansicht des Senats zu schmal.

3. Die von der Verfahrenspflegerin auf der Grundlage des gerichtlichen Auftrags in Rechnung gestellte Tätigkeit war danach hier nach Grund und Höhe nicht zu beanstanden, soweit der Rechtspfleger die Festsetzung vorgenommen hat.

Es war bei dem zu Beginn knapp einjährigen Kleinkind insbesondere auch zunächst erforderlich, dass die Verfahrenspflegerin das Kind mit sich selbst vertraut machte, bevor sie erste betreute Umgangstermine zwischen Vater und Kind zu organisieren begann. Die weitere Durchführung war aufgrund der dargelegten Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den von der Mutter geltend gemachten Befürchtungen in Bezug auf die Geeignetheit des Vaters äußerst zeitaufwendig. Es erfolgte eine Vielzahl von Rücksprachen insbesondere mit beiden Eltern und teilweise deren Anwälten. Auch musste schließlich wegen zunehmender Verhärtung des Verhältnisses zwischen Mutter und Verfahrenspflegerin, die schließlich auch zur Verhängung eines Zwangsgeldes durch das Amtsgericht gegenüber der Mutter führten, gemäß der ausdrücklichen gerichtlichen Erlaubnis von der Verfahrenspflegerin eine Mittelsperson für die Organisation etwaiger unmittelbarer betreuter Umgangsversuche eingeschaltet werden, was auch den Zeitaufwand für die Verfahrenspflegerin selbst noch erhöhte.

Einwendungen gegen die Erforderlichkeit des von der Verfahrenspflegerin insoweit nachvollziehbar in Rechnung gestellten Zeitaufwands hat die Bezirksrevisorin mit Ausnahme des Aufwands für eine sozialpädagogische Stellungnahme vom 13.07.2001 auch nicht im einzelnen erhoben. Ein wie geschehen detaillierter Bericht war zum damaligen Zeitpunkt aufgrund des Abbruchs weiterer Umgangstermine durch die Mutter aber veranlasst, da das Gericht eine hinreichende sachliche Grundlage für die Entscheidung über sein weiteres Vorgehen benötigte und den Bericht der Verfahrenspflegerin ausweislich der danach ergangenen Entscheidungen auch verwertet hat.

4. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht.

Das vorliegende Beschwerdeverfahren ist gem. § 11 KostO gerichtsgebührenfrei. Für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicheer Kosten besteht kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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