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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 12.06.2002
Aktenzeichen: 8 W 279/2000
Rechtsgebiete: KostO, GmbHG


Vorschriften:

KostO § 47
KostO § 147 Abs. 2
GmbHG § 54 Abs. 1 S. 2
Der Notar, der einen Satzungsänderungsbeschluss einer GmbH beurkundet hat, erhält für die Zusammenstellung und Prüfung des dem Handelsregister einzureichenden aktuellen Satzungstextes keine "Betreuungsgebühr" nach § 147 Abs. 2 KostO; es handelt sich um ein kostenfreies Nebengeschäft nach § 25 KostO.
Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 279/2000

vom 12. Juni 2002

In dem Notarkostenverfahren

wegen Beanstandung von Notarkosten

Gründe:

I.

Gegenstand dieses auf Anweisung des Landgerichtspräsidenten eingeleiteten Notarkostenverfahrens ist die Frage, ob die Zusammenstellung des aktuellen Wortlauts der Satzung (bzw. des Gesellschaftsvertrags) einer Kapitalgesellschaft ebenso ein kostenfreies Nebengeschäft nach §§ 47 S. 1 HS. 2, 35 KostO ist wie die Erteilung der Satzungsbescheinigung nach § 54 Abs. 1 S. 2 GmbHG oder ob dies die Erhebung einer (sog. Betreuungsgebühr) nach § 147 Abs. 2 KostO rechtfertigt.

1. Der beschwerdeführende Notar hat im Anschluss an die Beurkundung von Gesellschaftsvertragsänderungen von 3 Gesellschaften mit beschränkter Haftung - im Schwerpunkt Umstellung der Kapitalangaben auf Euro - jeweils die nach § 54 Abs. 1 S. 2 GmbHG erforderliche Bescheinigung über den vollständigen Wortlaut des Gesellschaftsvertrags (Satzung) für die Einreichung beim Handelsregister erteilt und zugleich eine aktuelle Fassung des jeweiligen Gesellschaftsvertrages erstellt und dem Registergericht eingereicht. Dafür hat er jeweils eine Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO (sog. Betreuungsgebühr) aus Teil-Geschäftswerten von bis 35 000 bzw. bis 65 000 DM in Höhe von 65.- DM bzw. 95.- DM zzgl. MWSt (und Schreibauslagen) in Rechnung gestellt.

2. Im Rahmen einer Geschäftsprüfung hat der Bezirksrevisor diese Gebührenansätze beanstandet. Auf Weisung des Landgerichtspräsidenten nach § 156 Abs. 5 KostO (aF) hat der Notar, der seine Kostenansätze unter Berufung auf eine im Schrifttum stark vertretene Meinung für berechtigt hält, die Entscheidung des Landgerichts beantragt. Das Landgericht hat die Rechtsansicht des Bezirksrevisors und der vorgesetzten Dienstbehörde bestätigt und zugleich die weitere Beschwerde zugelassen. Der Notar erstrebt mit der weiteren Beschwerde - mit dem Ziel einer obergerichtlichen Klärung - die Bestätigung seiner Kostenrechnungen.

II.

Die zugelassene und auch sonst in zulässiger Weise eingelegte weitere Beschwerde des Notars (§ 156 Abs. 2 KostO) hat in der Sache keinen Erfolg.

1. ... 2. In der Sache erweist sich die Entscheidung des Landgerichts als rechtsfehlerfrei. Der Senat teilt die - gut begründete - Rechtsansicht des Landgerichts, dass der Notar für die Zusammenstellung des maßgeblichen Satzungstextes für das Handelsregister gemäß § 54 Abs. 1 S. 2 HS. 2 GmbHG keine Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO in Rechnung stellen darf, weil sich aus § 47 S. 1 HS. 2 KostO ergibt, dass es sich um ein kostenfreies Nebengeschäft gem. § 35 KostO handelt.

a) Die erste europäische Richtlinie zum Gesellschaftsrecht (Rats-RiLi 68/151/EWG v. 9. 3. 1968; sog. Publizitätsrichtlinie) hat u.a. die Verpflichtung begründet, dass beim Handelsregister immer eine aktuelle, alle Änderungen berücksichtigende Fassung des Gesellschaftsvertrags bzw. der Satzung von Kapitalgesellschaften zur Einsicht für jedermann zur Verfügung stehen muss. Das deutsche Umsetzungsgesetz vom 15. 8. 1969 (BGBl. I, 1146) sichert diese Verpflichtung durch eine notarielle Bescheinigung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der geänderten Satzung (§ 54 GmbHG bzw. § 181 AktG). Diese Bescheinigung ist nach der in diesem Zusammenhang eingeführten Bestimmung des § 47 S. 1 HS. 2 KostO kostenfrei zu erstellen, wenn der Notar den Satzungsänderungsbeschluss nach § 53 Abs. 2 GmbHG, § 47 S. 1 KostO beurkundet hat. Ziel dieser ausdrücklichen Kostenfreistellung war es, die Kosten der neuen Publizitätsverpflichtung für die Unternehmen zu möglichst gering zu halten (vgl. BT-Drs. V/4406).

Ohne Beurkundung der Vertragsänderung fällt für den Notar - wohl unstreitig - eine (volle) "Bescheinungsgebühr" nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 KostO an (vgl. nur Hansens, JurBüro 1985, 821, 822f).

b) Zwar ist schon früh im Schrifttum die - vom Notar für richtig gehaltene -Ansicht vertreten worden, dass - wenn schon die Erteilung der notariellen Bescheinung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der geänderten Satzung ein kostenfreies Nebengeschäft sein soll - die Prüfung und Erstellung der aktuellen Fassung der Satzung eine Gebühr nach § 147 Abs. 2 (früher: Abs. 1) KostO "für sonst nicht bestimmte Geschäfte" auslösen müsse (Göttlich JurBüro 1970, 1015; Roll DNotZ 1970, 342; MittRhNotK 1970, 62; Korintenberg/Reimann, KostO 14. Aufl., § 47 Rn 17; Göttlich / Mümmler / Assenmacher / Mathias, KostO 14. Aufl., "Satzungen" Nr. 2.2.2. a).

Jedoch hat sich die Rechtsprechung - soweit ersichtlich - ganz einhellig auf den gegenteiligen Standpunkt gestellt und dem (den Satzungsänderungsbeschluss beurkundenden) Notar eine Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO für die Zusammenstellung und Prüfung des aktuellen Satzungstextes versagt (OLG Frankfurt RPfl 1980, 203 = JurBüro 1980, 754 = MittBayNot 1980, 123; OLG Celle RPfl 1991, 462 = JurBüro 1992, 342 m. zust. Anm. Mümmler; OLG Zweibrücken OLGRep 2001, 191 = JurBüro 2001, 105 = FGPrax 2001,36; ebenso LG Hannover NdsRpfl 1991, 93). Diese Rechtsprechung hat auch im Schrifttum (Rohs / Wedewer, aaO § 47 Rn 9; Hartmann, KostenG 31. Aufl., § 47 Rn 8; Hansens JurBüro 1985, 821, 826 ff; Mümmler, Anm. zu OLG Celle; Bay. Notarkasse (Hg), Streifzug durch die KostO, 5. Aufl. 2002, Nr. 859) - teilweise eingehend begründete - Zustimmung gefunden.

In Übereinstimmung mit dem Landgericht hält auch der Senat die Gründe dieser Rechtsprechung ohne Einschränkung für überzeugend, weshalb er davon absieht, die Argumente nochmals zu wiederholen und mit der Gegenansicht abzuwägen. Damit setzt sich der Senat auch nicht in Widerspruch zu seiner Entscheidung vom 31.1.1984 (DNotZ 1985, 121 = JurBüro 1984, 1078 m. ablehn. Anm. Mümmler), in der er für die Erstellung der Gesellschafterliste nach § 40 GmbHG anlässlich einer Anmeldung zum Handelsregister den Ansatz einer Betreuungsgebühr nach § 147 Abs. 2 KostO für gesetzmäßig gehalten hat Denn dabei geht es um eine andere Frage (zutreffend Hansens aaO); jedenfalls ist nicht die besondere Gebührenbefreiungsbestimmung des § 47 S. 1 HS 2 KostO einschlägig, weshalb es auch keiner Prüfung bedarf, ob an dieser Entscheidung festzuhalten ist

c) Für die Richtigkeit dieser Rechtsprechung - und der damaligen gesetzgeberischen Entscheidung für die Kostenfreiheit - spricht zudem die neuere (in ihrer Reichweite durchaus zweifelhafte) Rechtsprechung des EuGH zur europäischen Gesellschaftssteuer-Richtlinie (Rats-RiLi 69/335/EWG v. 17. 7. 1969 i.d.F. der Rats-RiLi 85/303/EWG v. 10. 6. 1985), wonach Notarkosten bei der Beurkundung von gesellschaftsrechtlichen Vorgängen unter bestimmten Bedingungen ähnlich wie die Handelsregistergebühren als verbotene Abgabe (Steuer) und damit als unzulässig eingestuft werden (zuletzt Beschl. v. 21. 3. 2002 - Rs C 264/00 - "Gründerzentrum-Betriebs-GmbH" -DB 2002, 834 m. Anm. Römermann = ZIP 2002, 663 m. Anm. Görk).

d) Da sich der Senat den Entscheidungen der anderen Oberlandesgerichte anschließt und eine gegenteilige oberlandesgerichtliche Entscheidung nicht ersichtlich ist, scheidet auch eine - seit Anfang 2002 mögliche - Vorlage an den Bundesgerichtshof aus; die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 FGG sind nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

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