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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 05.07.1999
Aktenzeichen: 8 W 352/98
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 27 Abs. 1
ZPO 91 Abs. 1
Aus der Neuregelung des § 27 Abs. 1 BRAGO ergibt sich, daß Abschriften und Ablichtungen nur noch dann gesondert zu vergüten - und demgemäß auch zu erstatten - sind, wenn mehr als drei Gegner (oder Beteiligte) zu unterrichten sind. In einem Rechtsstreit mit bis zu drei Gegnern gehören die Kopiekosten zum allgemeinen Geschäftsaufwand des Rechtsanwalts (Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung).
Geschäftsnummer: 8 W 352/98 7 KfH O 187197 LG Stgt.

Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat -

Beschluß

vom 5. Juli 1999

In Sachen

Gründe:

Die Beklagte rügt (unter anderem)... zu Recht, daß die Kosten der von den Bevollmächtigten der Klägerin gefertigten und im Rechtsstreit als Anlagen zu Schriftsätzen vorgelegten 21 Fotokopien, entsprechend DM 21,-, neben der festgesetzten Prozeßgebühr der Klägervertreter zu erstatten sind. Da die Klägerin diese Kosten hier gem. § 27 I 2 BRAGO nicht gesondert an ihre Bevollmächtigten zahlen muß, kann sie diese Kosten auch unabhängig davon, ob die Vorlage der Fotokopien gem. § 91 ZPO notwendig war, von der Beklagten nicht erstattet verlangen.

a) Der Senat hat zwar auf Grund der früheren, bis 30.6.1994 geltenden Fassung von § 27 I BRAGO in ständiger Rechtsprechung und in Übereinstimmung mit der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung sowohl eine gesonderte Vergütungspflicht des Auftraggebers gegenüber seinem Rechtsanwalt bejaht als auch - bei Notwendigkeit der Vorlage dieser Fotokopien als Anlagen zu Schriftsätzen - deren Erstattungsfähigkeit (Senat, Justiz 88,147=JurBüro 1988, 867 = AnwBl 88, 414 = MDR 88, 500; 1983, 577; weitere Nachweise zur h. M. und zur Gegenmeinung nach früherem Recht bei Gerold/Schmidt/von Eicken, 14. Aufl., Rdn. 13 zu § 27 BRAGO). An dieser Auffassung hält der Senat im Hinblick auf die Neufassung des § 271 BRAGO nicht länger fest.

b) Die Neuregelung in § 27 Abs. 1 Nr. 2 und 3 - Nr. 1 nimmt den früheren S. 2 auf - BRAGO besagt, daß jedenfalls solche Abschriften und Ablichtungen nicht mehr als "zusätzlich" und deshalb als gesondert zu entgelten anzuerkennen sind, die zur Unterrichtung von nicht mehr als drei Gegnern oder Beteiligten dienen. Fotokopiekosten für Schriftsätze und für Schriftsatzanlagen sollen über die pauschale Aufwandsvergütung durch die Prozeßgebühr gem. § 25 BRAGO hinaus nur noch bei einem vom Gesetzgeber als überdurchschnittlich angesehenen Aufwand gesondert vergütet werden. Zum Zwecke der Vereinfachung wird hierbei nicht auf die Zahl der insgesamt gefertigten Fotokopien abgestellt, sondern auf die Zahl der Gegner oder sonstigen Beteiligten (von Eicken, aaO, Rdn. 5 zu § 27). Die Unterrichtung von bis zu drei Gegnern bzw. Beteiligten gehört zu dem durch die Gebühren abgegoltenen Mindestaufwand.

Dieses Abstellen auf die Personenzahl entspricht im Ansatz der Neuregelung in § 6 II BRAGO. Dort ist eine gesonderte Vergütung erst zu leisten bei mehr als 10 Auftraggebern; dies erklärt sich dadurch, daß durch die Mehrvertretungsgebühr gem. § 6 I 2 BRAGO auf Auftraggeberseite bereits eine pauschale Erhöhung der Prozeßgebühr bei bis zu sieben Auftraggebern gesetzlich bestimmt ist.

Beide Vorschriften unterscheiden nicht zwischen der Fertigung von Abschriften oder Fotokopien von eigenen Schriftsätzen des Rechtsanwalts und Fotokopien von Schriftsatzanlagen. Auch letztere werden durch § 27 I BRAGO erfaßt, zumal sonst überhaupt keine gesonderte Vergütung über § 25 BRAGO hinaus erfolgen könnte. § 27 I 2 BRAGO stellt nur darauf ab, ob Abschriften oder Fotokopien zur Unterrichtung von mehr als drei Gegnern erstellt wurden und erklärt sie unter der weiteren Voraussetzung als gesondert ersatzfähige Schreibauslagen, daß die Unterrichtung von mehr als drei Beteiligten auf Grund einer Rechtsvorschrift oder nach Aufforderung des Gerichts erfolgt. Hierunter fallen nach Auffassung des Senates beide Mehrfertigungen eines Schriftsatzes, die üblicherweise zur Unterrichtung von gegnerischem Anwalt und dessen Partei vorgelegt werden. Für diese Auslegung spricht auch der vom Bundesverfassungsgericht (NJW 1996, 382) hervorgehobene Umstand, daß für die Unterrichtung anderer Personen über den Inhalt von Urkunden die Möglichkeit besteht, entweder deren Inhalt in die zu erstellenden Schriftsätze einzuarbeiten oder diese Urkunden den Schriftsätzen unter Bezugnahme in Ablichtung beizufügen. Entscheidet sich der Rechtsanwalt für Letzteres, so erspart er sich dadurch eigenen zusätzlichen Zeitaufwand und zusätzlichen Aufwand für seine Schreibkräfte, welcher - nur - durch die Prozeßgebühr vergütet wird.

Auch die in § 27 I 3 BRAGO übernommene frühere Regelung in § 27 I 1 a. F. BRAGO, daß Schreibauslagen für die im Einverständnis mit dem Auftraggeber "zusätzlich" gefertigten Abschriften und Fotokopien gesondert zu vergüten sind, muß auf Grund des neuen Zusatzes "im übrigen nur" einschränkend dahin interpretiert werden, daß Fotokopien von Schriftsatzanlagen i. S. von § 27 I 2 BRAGO nicht "zusätzlich" gefertigt worden sind. Unter diesen Umständen kann die Ansicht (vgl. dazu die Nachw. bei von Eicken, aaO, Rdn 13 zu § 27) nicht aufrecht erhalten werden, daß ein Auftraggeber seinem Rechtsanwalt neben überlassenen Urkunden auch die notwendige Zahl von Fotokopien zur Unterrichtung Dritter überlassen muß und bei Anfertigung von Fotokopien der Urkunden durch den Rechtsanwalt diese Leistung deshalb gesondert vergüten muß.

c) Gegen diese Auslegung von § 27 I BRAGO n. F. spricht nicht der Umstand, daß der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung nur eine sprachliche Neuformulierung vornehmen wollte. Er hat sich damit vielmehr im Ergebnis auf den bereits zur früheren Gesetzesfassung von einem Teil der Obergerichte vertretenen Standpunkt gestellt, daß übliche Abschriften und Ablichtungen grundsätzlich pauschal mit der Prozeßgebühr angegolten sind. Auch von Eicken würdigt die Neuregelung in § 27 1 2 BRAGO als "Akzentverschiebung" (AaO Rdn. 1). Bei darüber hinaus gehender Vergütung von Schreibauslagen i. S. von § 27 I 3 BRAGO würde - zumal bei der von den Gerichten als stillschweigend erteilt unterstellten Zustimmung des Auftraggebers - die Regelung in § 27 Abs.1 Nr. Z BRAGO weitgehend leerlaufen.

d) Der Senat befindet sich mit der hier vertretenen Auffassung auch in Übereinstimmung mit der gängigen Kommentarliteratur zu § 27 BRAGO (von Eikken aaO, Rdn. 13; Riedel/Sußbauer/Fraunholz, 7. Aufl., Rdn. 6; Hansens, 8. Aufl., Rdn. 11). Soweit einige Oberlandesgerichte auch nach der Gesetzesneufassung weiterhin die Gegenmeinung vertreten haben (OLG Brandenburg, JurBüro 1996, 259; OLG Koblenz, OLGR 98, 304), überzeugt dies aus den dargelegten Gründen nicht. Die vom OLG Koblenz zur Erstattungsfähigkeit von Fotokopiekosten für Schriftsatzanlagen angeführten weiteren Gründe Information der Beteiligten zur Sicherung von deren rechtlichem Gehör und Verfahrensbeschleunigung - sprechen eher dafür; daß es sich bei der entsprechenden Tätigkeit des Rechtsanwalts um die Erfüllung seiner originären Aufgaben und damit um den Abgeltungsbereich der Prozeßgebühr handelt.

Ob eine "zusätzliche" Anfertigung von Anlagenkopien mit dem OLG Karlsruhe (AnwBl. 98, 541) dann zu bejahen ist, wenn die vom Auftraggeber stammenden Unterlagen zur Verdeutlichung und Untermauerung des Vortrags - etwa bei streitiger Bewertung einer optischen Gestaltung in einem Wettbewerbsprozeß - erforderlich sind, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

Ende der Entscheidung

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