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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: 8 W 353/07
Rechtsgebiete: BGB, GBO


Vorschriften:

BGB § 894 Abs. 1
GBO § 19
GBO § 28
GBO § 29
Aufgrund Auslegung enthält die sachlich-rechtliche Einigung über einen Grundstückserwerb in der Regel auch die verfahrensrechtliche Eintragungsbewilligung. Handelt es sich nach dem Wortlaut der - hier gem. § 894 Abs. 1 BGB fingierten - Auflassungserklärung bei dem zu übertragenden Grundstück um eine noch wegzumessende Teilfläche, die nicht übereinstimmend mit dem Grundbuch oder durch Hinweis auf das Grundbuchblatt bezeichnet wurde (§ 28 GBO), dann verbietet sich eine solche Auslegung, selbst wenn ein vom Schuldner genehmigter Veränderungsnachweis des Staatlichen Vermessungsamts existiert. Eine Auslegung dahin, dass die Auflassungserklärung auch die Eintragungsbewilligung enthält, erfordert die ausdrückliche Bezugnahme auf den Veränderungsnachweis in der Auflassungserklärung, um dem Zweck des § 28 GBO, die Eintragung bei dem richtigen Grundstück zu sichern, zu genügen.
Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 353/07

11. Oktober 2007

In der Grundbuchsache

wegen Eintragung einer Eigentumsänderung im Grundbuch

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Tolk Richterin am Oberlandesgericht Dr. Zeller-Lorenz Richterin am Oberlandesgericht Tschersich

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ulm vom 10. Juli 2007, Az. 2 T 12/07, aufgehoben.

2. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Zurückweisungsbeschluss des Notariats Eislingen/Fils - Grundbuchamt - vom 11. März 2007, Az. II GRG 974/06, wird zurückgewiesen.

3. Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Geschäftswert im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren: 25.000 €

Gründe:

1. Mit notariellem Vertrag vom 21. August 2003 (Urkundenrolle Nr. ... des Notars ...) kaufte der Antragsteller vom Antragsgegner eine noch wegzumessende Teilfläche des Grundstücks Flurstück Nr. ..., ..., Gebäude- und Freifläche, 1430 qm, eingetragen im Grundbuch von Eislingen/Fils, Blatt ... . Durch Veränderungsnachweis des Staatlichen Vermessungsamts für Eislingen 1999 Nr. 19 (richtig: Nr. 18) wurde das Grundstück zerlegt in Flurstück ... mit 1281 qm und Flurstück ... mit 149 qm. Die Vermessung sollte geändert werden entsprechend der Beschreibung in der notariellen Urkunde und dem beigefügten Lageplan. In einer weiteren notariellen Urkunde vom 15. September 2003 (Urkundenrolle Nr. ... des Notars ...) wurde festgestellt, dass das Vertragsgrundstück nunmehr durch den Veränderungsnachweis Nr. ... vom 5. September 2003 neu gebildet worden sei als Flurstück ... mit 1209 qm. Auf den Inhalt der genannten Urkunden wird im Einzelnen verwiesen. Der Veränderungsnachweis Nr. ... wurde später auf Veranlassung des Antragsgegners aufgehoben, worauf der erforderliche neue Veränderungsnachweis erst wieder am 20. Juni 2005 ausgestellt wurde. Danach wurde die Identitätserklärung vom 15. September 2003 durch die in der Urkunde des Notars .... vom 5. September 2005 ersetzt.

Der Antragsteller erwirkte am 25. November 2004 gegen den Antragsgegner ein rechtskräftig gewordenes Urteil des Landgerichts Augsburg, Az. 9 O 1768/04, mit folgendem Tenor:

"Der Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Zahlung von 415.000 € an den Kläger folgendes Grundstück aufzulassen:

Von dem im Grundbuch von Eislingen/Fils, Gemarkung Eislingen/Fils, Blatt ..., BV Nr. .., eingetragenen Grundstück Flurstück ..., ..., eine noch wegzumessende Teilfläche dieses Grundstücks, dessen nördliche, südliche und östliche Grenzen mit dem Flurstück ... übereinstimmen und dessen westliche Grenze in dem als Anlage beigefügten Lageplan - Anlage zum Kaufvertrag des Notars ..., ..., Urk. Nr. ... vom 21. August 2003 - durch die Buchstaben A, B, C und D gekennzeichnet ist."

Weiterhin ist in dem Urteil festgestellt, dass sich der Beklagte wegen der Kaufpreiszahlung im Annahmeverzug befindet. Die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils wurde am 5. August 2005 erteilt.

Mit notarieller Urkunde vom 8. Dezember 2006 nahm der Antragsteller die sich aus dem Urteil des Landgerichts Augsburg vom 25. November 2004 in Verbindung mit der Feststellung und dem Nachtrag zum Teilflächenverkauf vom 5. September 2005 ergebende Auflassung an und beantragte, ihn als Eigentümer des genannten Grundstücks einzutragen.

Das Grundbuchamt Eislingen/Fils hat mit Beschluss vom 11. März 2007 den Eintragungsantrag zurückgewiesen, weil eine wirksame Eintragungsbewilligung des Antragsgegners fehle.

Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht Ulm am 10. Juli 2007 den Zurückweisungsbeschluss des Grundbuchamtes aufgehoben und dieses angewiesen, die Umschreibung des Eigentums an dem Grundstück der Gemarkung Eislingen/Fils, Flur ..., Flurstück Nr. ..., ..., Gebäude- und Freifläche, 12 ar 9 qm, auf den Antragsteller vorzunehmen. Es vertritt die Auffassung, dass die Verurteilung zur Auflassungserklärung gleichzeitig die Eintragungsbewilligung beinhalte. Hierüber wird zwischen den Beteiligten gestritten.

Der Antragsgegner hat gegen den Beschluss des Landgerichts Ulm vom 10. Juli 2007 am 13. August 2007 weitere Beschwerde eingelegt, die das Landgericht dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.

2. Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 80 Abs. 1 GBO i. V. m. § 80 Abs. 3, 73, 18 GBO) und in der Sache auch begründet.

Das Rechtsmittel ist als Rechtsbeschwerde ausgestaltet (§ 78 GBO). Dabei ist das Recht entsprechend § 546 ZPO verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewandt worden ist.

Die Auslegung von Urkunden ist darauf zu überprüfen, ob gegen den klaren Sinn der Urkunde, gegen gesetzliche Auslegungsregeln und allgemein anerkannte Erfahrungssätze (z. B. den allgemeinen Sprachgebrauch) oder gegen Denkgesetze verstoßen wurde und ob alle für die Auslegung in Betracht kommenden Gesichtspunkte gewürdigt wurden. Es genügt, dass die Auslegung möglich ist. Zwingend braucht sie nicht zu sein (Demharter, GBO, 25. Aufl. 2005, § 78 Rdnr. 13 m. w. N.).

Die Entscheidung des Landgerichts hält insoweit der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Das Beschwerdegericht hat die durch das Landgericht Augsburg in seinem Urteil vom 25. November 2004 fingierte Auflassungserklärung des Antragsgegners (§ 894 Abs. 1 BGB) dahin ausgelegt, dass diese zugleich auch dessen Eintragungsbewilligung (§§ 19, 28, 29 GBO) beinhaltet.

Zwar wird in aller Regel die Auslegung ergeben, dass die sachlich-rechtliche Einigung auch die verfahrensrechtliche Eintragungsbewilligung enthält (Demharter, a. a. O., § 20 Rdnr. 2; Stöber in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 894 Rdnr. 7; Kanzleiter in Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2004, § 925 Rdnr. 47; je m. w. N.).

Hier besteht die Besonderheit aber darin, dass es sich entsprechend dem Wortlaut der fingierten Auflassungserklärung bei dem zu übertragenden Grundstück um eine noch wegzumessende Teilfläche handelt, die nicht übereinstimmend mit dem Grundbuch oder durch Hinweis auf das Grundbuchblatt bezeichnet wurde (§ 28 GBO).

Der BGH hat teilweise in Abweichung von seiner früheren Rechtsprechung (BGH NJW 1962, 1715; NJW 1982, 441) in der Entscheidung vom 16. März 1984 (NJW 1984, 1959) dargelegt, dass die Verurteilung des Veräußerers einer Grundstücksteilfläche zur Auflassung und Eintragungsbewilligung vor grundbuchlich vollzogener Teilung jedenfalls dann möglich ist, wenn bereits ein Veränderungsnachweis vorliegt, auf den im Urteil Bezug genommen werden kann. Er hat diese Rechtsprechung bestätigt durch seine Urteile vom 21. Februar 1986 (NJW 1986, 1867) und vom 24. April 1987 (NJW 1988, 415).

In seiner zuletzt genannten Entscheidung hat der BGH bezüglich der Auflassung - zu der der Antragsgegner hier in dem Urteil des Landgerichts Augsburg verurteilt wurde - die Auffassung vertreten, dass eine noch nicht abgeschriebene Teilfläche rechtsgeschäftlich wirksam aufgelassen werden könne, wenn sie dabei hinreichend bestimmt werde. Unter der Voraussetzung, dass die Teilfläche zweifelsfrei bestimmt und festgelegt sei, hält er auch eine Verurteilung zur Auflassung für möglich.

Etwas anderes gilt aber bei dem Anspruch auf Eintragungsbewilligung.

Ist eine Bezeichnung nach Maßgabe des § 28 GBO nicht möglich, so ist eine Klage auf Abgabe einer Eintragungsbewilligung mangels Rechtsschutzinteresses grundsätzlich unzulässig, solange nicht wenigstens ein vom Schuldner genehmigter Veränderungsnachweis vorliegt, auf den Bezug genommen werden kann. Denn das Grundbuchamt darf sonst den jeweiligen Kläger trotz obsiegenden Urteils nicht als Eigentümer eintragen. Der Veränderungsnachweis hingegen bildet die Grundlage der Grundstücksabschreibung (§ 2 Abs. 3 GBO) und ermöglicht es, durch entsprechende Bezugnahme, das noch nicht abgeschriebene Grundstück übereinstimmend mit dem (künftigen) Inhalt des Grundbuchs festzulegen, weil das Grundbuchamt bei der Abschreibung die Angaben im Veränderungsnachweis übernimmt. Auch in solchen Fällen wird daher dem Zweck des § 28 GBO genügt, die Eintragung bei dem richtigen Grundstück zu sichern.

Vorliegend existierte zwar ein Veränderungsnachweis, auf diesen nimmt aber das Urteil des Landgerichts Augsburg nicht Bezug, sondern auf den Kaufvertrag vom 21. August 2003 sowie den beigefügten Lageplan und bezeichnet das Erwerbsgrundstück in der fingierten Auflassungserklärung als eine noch wegzumessende Teilfläche des Grundstücks des Antragsgegners.

Zwar mag diese Bestimmung des zu übertragenden Teilgrundstücks nach der zuvor zitierten Rechtsprechung des BGH ausreichend sein für die Auflassung, nicht aber für die Eintragungsbewilligung (BGH NJW 1986, 1867), die wenigstens die Bezugnahme auf den Veränderungsnachweis erfordert hätte.

Wenn in den Entscheidungen des BGH vom 16. März 1984 (NJW 1984, 1959) und vom 24. April 1987 (NJW 1988, 415) festgestellt wird, dass die Klage auf Bewilligung der Eintragung vor grundbuchlich vollzogener Teilung jedenfalls dann möglich ist, wenn bereits ein Veränderungsnachweis vorliegt, "auf den im Urteil Bezug genommen werden kann", so bedeutet dies nicht, dass die Bezugnahme entbehrlich ist, soweit nur ein Veränderungsnachweis existiert. Diese Urteile stellen klar, dass eine Klage auf Bewilligung der Eintragung der Auflassung trotz fehlender grundbuchlich vollzogener Teilung dann zulässig ist, wenn ein Veränderungsnachweis vorliegt, der das Erwerbsgrundstück im Sinne des § 28 GBO hinreichend identifiziert und dem entscheidenden Richter diese Identifikation durch Bezugnahme ermöglicht.

Hiervon hat aber das Landgericht Augsburg keinen Gebrauch gemacht, sondern den Inhalt der Auflassungserklärung dem Kaufvertrag vom 23. August 2003 entnommen, der gerade keine hinreichende Bestimmung des Erwerbsgrundstücks im Sinne des § 28 GBO enthält (BGH NJW 1986, 1867).

Das Grundbuchamt muss aber bei der Überprüfung der Eintragungsvoraussetzungen vom Wortlaut der Auflassungserklärung entsprechend dem Urteil vom 25. November 2004 ausgehen, der vielleicht noch für eine wirksam erklärte Auflassung ausreicht, nicht aber für den Inhalt einer Eintragungsbewilligung.

Eine Auslegung der fingierten Auflassungserklärung dahin, das sie sich tatsächlich auf den Veränderungsnachweis Nr. ... beziehe und damit ausreichend sei, um auch die Eintragungsbewilligung zu beinhalten, ist nicht möglich, da sie dem ausdrücklichen Wortlaut der Auflassungsfiktion widersprechen und auch ihren rechtskräftig festgestellten Inhalt verändern würde. Denn sie bezieht sich lediglich auf eine noch wegzumessende Teilfläche, während die spätere Vermessung festgestellt wurde durch den Veränderungsnachweis Nr. ... vom 5. September 2003, und zwar den Anforderungen für eine Erfassung im Grundbuch entsprechend.

Demgemäß befasst sich das Urteil des Landgerichts Augsburg auch nicht mit der Eintragungsbewilligung. Soweit diese mit dem im Tatbestand wiedergegebenen Klageantrag beansprucht wurde, wurde dem Antrag in diesem Umfang durch die Klageabweisung im übrigen gerade nicht stattgegeben.

Die Entscheidung des Landgerichts beruht deshalb auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung der fingierten Auflassungserklärung im Urteil vom 25. November 2004, so dass die Beschwerdeentscheidung vom 10. Juli 2007 aufzuheben und das Rechtsmittel des Antragstellers gegen den Beschluss des Grundbuchamts vom 11. März 2007 zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KostO. Danach hat der Antragsteller die Gerichtsgebühr in dem Verfahren vor dem Landgericht in Folge der Zurückweisung seiner Beschwerde zu tragen.

Nachdem der Antragsgegner in der Rechtsbeschwerdeinstanz mit seiner weiteren Beschwerde erfolgreich ist, ist die Entscheidung des Senats gebührenfrei (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO).

Ein Ausspruch über eine Kostenerstattungspflicht gem. § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG entspricht unter Berücksichtigung der verschiedenen Rechtsauffassungen der Instanzen nicht der Billigkeit.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO. Hierbei wurden mit dem Landgericht 25.000 € zugrundegelegt.

Ende der Entscheidung

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