Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 10.05.2001
Aktenzeichen: 8 W 364/00
Rechtsgebiete: GKG, BGB


Vorschriften:

GKG § 10
GKG § 58 Abs. 2 S. 1
BGB §§ 198 ff
- Verjährung gegenüber Zweitschuldner -

Der Beginn der Verjährungsfrist hinsichtlich der Gerichtskostenschuld des Zweitschuldners (Haftschuldners) kann nicht dadurch verhindert oder erheblich verzögert werden, dass nur gegen einen von mehreren Erstschuldnern (Entscheidungsschuldnern) Vollstreckungsversuche unternommen werden.


Geschäftsnummer: 8 W 364/00 21 O 690/91 LG Stuttgart

Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat - Beschluss

vom 10. Mai 2001

In dem Rechtsstreit

wegen Rückabwicklung eines Kaufvertrags

hier: Gerichtskosten/Zweitschuldnerhaftung

Gründe:

1. Der Kläger, der im zu Grunde liegenden Rechtsstreit bezüglich des gescheiterten Kaufs einer Eigentumswohnung seitens der beiden -- miteinander verheirateten -- Beklagten mittels Versäumnisurteil, rechtskräftig seit 6.4.1992, voll obsiegt hat, wendet sich dagegen, dass er von der Gerichtskasse für noch offenstehende Gerichtskosten in Höhe von 3.018,00 DM als Haftschuldner Anfang 2000 in Anspruch genommen wird. Er macht Verjährung geltend.

Gegen die Zurückweisung der Erinnerung durch das Landgericht wendet sich der Kläger mit der Beschwerde; zugleich hat er Antrag auf Niederschlagung dieser Kosten nach § 8 GKG beantragt, weil die Gerichtskasse ihre Kostenforderung nicht zügig gegen die Entscheidungsschuldner durchgesetzt habe. Der Beschwerdeführer hat die Kosten unter Vorbehalt bezahlt. Ein Erlass wurde abgelehnt.

2. Die nach § 5 Abs. 2 GKG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachte Einrede der Verjährung greift durch. ... Eines Rückgriffs auf § 8 GKG bedarf es nicht.

a) Die Haftung des Klägers als Antragsteller des Klagverfahrens (§ 49 GKG -- Haftschuldner/Zweitschuldner) tritt hinter der Kostenschuldnerschaft der beiden Beklagten als Entscheidungsschuldner (§ 54 Nr. 1 GKG) so lange zurück, bis "eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen ... erfolglos ist oder aussichtslos erscheint" (§ 58 Abs. 2 S. 1 GKG). Da diese Sollvorschrift für den Kostenbeamten bindend ist (Hartmann, Kostengesetze, 30. Aufl., § 58 GKG Rn 8), stellt sich die Erfolg- oder Aussichtslosigkeit der Inanspruchnahme des (oder der) Erstschuldner(s) als aufschiebende Bedingung der Inanspruchnahme des Zweitschuldners dar. Ob der Lauf der Verjährung der Gerichtskostenschuld im Verhältnis zum Haftschuldner erst mit Eintritt dieser Bedingung beginnt (§ 198 S. 1 BGB) oder bis zu diesem Zeitpunkt gehemmt ist (§ 202 Abs. 1 BGB), läuft hier auf dasselbe hinaus (vgl. BGH NJW 1981, 2343, 2344; NJW 1987, 2743, 2745).

b) Ohne Vollstreckungsversuch (oder eine entsprechende Unterbrechungshandlung) gegen den Beklagten Ziff. 1 als Erstschuldner wäre die Gerichtskostenforderung gemäß § 10 GKG Ende 1996 ihm gegenüber verjährt gewesen. Die ausweislich der beigezogenen Vollstreckungsakten erste erfolglose Pfändung in das Vermögen des Beklagten Ziff. 1 ist am 17.2.1994 erfolgt; damit ist die Verjährungsfrist nicht nur gegen den Erstschuldner unterbrochen worden, sondern zugleich diejenige gegen den Zweitschuldner in Lauf gesetzt worden (vgl. OLG Schleswig SchlHA 1984, 167 f; LG Berlin JurBüro 1982, 885; Senatsbeschluss 8 W 517 + 579/97 vom 12.5.1998; Hartmann, aaO, § 58 Rn 11; Markl/Meyer, GKG 4. Aufl., § 58 Rn 17). Mangels Unterbrechungshandlungen gegenüber dem Zweitschuldner ist die Verjährungsfrist ihm gegenüber am 31.12.1998 abgelaufen.

Die weiteren Vollstreckungsversuche der Gerichtskasse gegenüber dem Beklagten Ziff. 1 in den Jahren 1995 bis 1998 waren zwar geeignet, im Verhältnis zum Erstschuldner die Verjährung jeweils erneut zu unterbrechen, nicht aber im Verhältnis zum Zweitschuldner; ebensowenig konnten diese Vollstreckungsbemühungen gegenüber dem Beklagten Ziff. 1 eine weitere Hemmung im Verhältnis zum Kläger bewirken, denn dann wäre die Zweitschuldnerhaftung praktisch unverjährbar.

c) Im Verhältnis zur Beklagten Ziff. 2 -- als gleichrangige Erstschuldnerin neben dem Beklagten Ziff. 1 -- hat die Gerichtskasse weder bis Ende 1996 noch bis heute einen die Hemmung beendenden Vollstreckungsversuch unternommen. Der Bezirksrevisor hat allerdings Anfang 2000 festgehalten, dass im Hinblick auf mehrere vorliegende Anträge zur Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung eine Vollstreckung gegen die zweite Entscheidungsschuldnerin aussichtslos erscheint.

Es ist anerkannt, dass die Gerichtskasse gehalten ist, bei mehreren Erstschuldnern zunächst diese alle in Anspruch zu nehmen, und dass der Zweitschuldner im Wege der Erinnerung einwenden kann, die Staatskasse habe es unterlassen, einen weiteren Erstschuldner in Anspruch zu nehmen (vgl. Markt/Meyer, § 58 Rn. 16; Hartmann, aaO Rn 12).

Daraus lässt sich indessen nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass insoweit die Hemmung der Verjährungsfrist immer noch andauere -- wie offenbar der Bezirksrevisor meint. Denn dann würde § 10 GKG in seiner Funktion, in überschaubaren Zeiträumen Rechtsfrieden zu gewährleisten, erheblich beeinträchtigt: durch bloßes Nichtstun könnte die Gerichtskasse einen Verjährungseintritt praktisch dauerhaft verhindern. Zwar wirkt grundsätzlich unter Gesamtschuldnern eine Tatsache wie die Verjährung und deren Hemmung und Unterbrechung nur gegenüber demjenigen, in dessen Person sie eingetreten ist (§ 425 Abs. 2 BGB). Jedoch begründet der erste erfolglose Vollstreckungsversuch gegen einen Erstschuldner für die Gerichtskasse die Pflicht, nunmehr unverzüglich gegen den zweiten (oder ggf gegen die weiteren) gesamtschuldnerisch haftenden Erstschuldner vorzugehen, um den Lauf der Verjährungsfrist gegenüber dem Zweitschuldner in Gang zu setzen bzw. die Hemmung auch insoweit zu beenden. Es ist mit der Zielsetzung des § 10 GKG unvereinbar, durch Nichtstun gegenüber dem zweiten Erstschuldner (oder weiteren Erstschuldnern) sich gleichsam eine "Schuldner-Reserve" vorzuhalten, die es ermöglicht, den Verjährungsbeginn bzw. das Ende der Hemmung gegenüber dem Haftschuldner im Ergebnis auf nahezu beliebige Zeit hinauszuschieben. Deshalb kann der Senat der Ansicht, dass im Verhältnis zur Beklagten Ziff. 2 als Gesamtschuldnerin mit dem Beklagten Ziff. 1 der Beginn des Laufs der Verjährungsfrist immer noch gehemmt sei oder jedenfalls bis zur Feststellung der Aussichtslosigkeit der Vollstreckung im Januar 2000 gehemmt war, nicht beitreten. Selbst wenn der Gerichtskasse nach dem ergebnislosen Vollstreckungsversuch gegen den Beklagten Ziff. 1 im Februar 1994 großzügigerweise noch ein weiteres Jahr als anmessene Frist zur Einleitung der Zwangsvollstreckung gegen die Beklagte Ziff. 2 eingeräumt würde, wäre spätestens Ende 1999 Verjährung der Zweitschuldnerhaftung eingetreten.

d) Somit ist die Gerichtskostenforderung gegenüber dem Kläger als Zweitschuldner zum Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung im Januar 2000 jedenfalls verjährt gewesen. Da der Kläger ausdrücklich "unter Vorbehalt" zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlt hat, ist ihm der Betrag zurückzuzahlen (vgl. BGH BB 1969, 739).

Ende der Entscheidung

Zurück