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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 08.11.2002
Aktenzeichen: 8 W 427/02
Rechtsgebiete: FGG
Vorschriften:
FGG § 19 | |
FGG § 68 | |
FGG § 68 b |
Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat - Beschluss
vom 8. November 2002
Geschäftsnummer: 8 W 427/02 8 W 428/02
In dem Betreuungsanordnungsverfahren
wegen 1. Richterablehnung
2. Einleitung eines Betreuungsverfahrens
Gründe:
... II 2 b) Die (unbefristete) weitere Beschwerde gegen die landgerichtlichen Beschwerdeentscheidung betreffend die Einleitung eines Betreuungsverfahrens ist unabhängig von der Statthaftigkeit der Erstbeschwerde als Rechtsbeschwerde nach § 27 Abs. 1 FGG statthaft (Keidel / Kahl, aaO, Rn 7 ; Bumiller / Winkler, FG 7. Aufl., Rn 3, je zu § 27). Sie ist auch im übrigen zulässig, insbesondere formgerecht, nämlich zu Protokoll des Rechtspflegers, eingelegt.
c) Das Rechtsmittel der Beschwerdeführer ist jedoch unbegründet, denn das Landgericht hat die Erstbeschwerde gegen die (erneute) Einleitung eines Betreuungsanordnungsverfahren zu Recht als unzulässig verworfen. Weder die Einleitung eines Betreuungsverfahrens noch die in diesem Zusammenhang erfolgte Beauftragung eines Sachverständigen nach § 68 b FGG sind "Verfügungen" (= Entscheidungen) im Sinne des § 19 FGG und deshalb nicht gesondert anfechtbar.
aa) Dass die Einleitung eines Verfahrens in "Betreuungssachen" (§§ 65 - 69 o FGG), also die Einleitung der Prüfung, ob für eine bestimmte Person ein Betreuer zu bestellen ist, keine "Entscheidung" des Vormundschaftsgerichts ist, die als solche der Anfechtung durch Rechtsmittel unterliegt, sondern als interne verfahrensleitende Maßnahme einer Beschwerde entzogen ist, ist allgemeine Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum (BayObLG FGPrax 2001, 78 = FamRZ 2001, 707 = BtPrax 2001,123; BtPrax 1998, 148; KG RPfl 1971, 180; Keidel / Kahl, aaO § 19 Rn 5, 9, 14; Bassenge / Herbst, aaO, § 19 Rn 10).
Soweit nicht ein Antrag des / der Betroffenen Anlass zur Verfahrenseinleitung gibt, hat das Vormundschaftsgericht ein Betreuungsverfahren von Amts wegen einzuleiten, sobald es - auch durch Dritte - einen Hinweis erhält, eine Betreuerbestellung könnte erforderlich sein. Die daraufhin von Amts wegen zu führenden Ermittlungen (§ 12 FGG), für die die §§ 68 - 68b FGG weitere Regelungen enthalten, sollen dem Vormundschaftsrichter die erforderliche Klarheit darüber verschaffen, ob und gegebenenfalls welche Betreuerbestellung erforderlich ist oder ob der Anregung keine Folge zu geben ist. Die Einleitung eines Betreuungsanordnungsverfahrens durch das Vormundschaftsgericht ist ebenso ergebnisoffen wie die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft. Wäre bereits die Aufnahme dieses amtlichen Prüfungsverfahrens mit Rechtsmitteln anfechtbar, könnte das Verfahren durch Rechtsmittel blockiert werden, bevor es überhaupt angefangen hat. Auch der - vom Beschwerdeführer geltend gemachte - Schulz des / der Betroffenen vor Grundrechtsverletzungen durch das ermittelnde Gericht erfordert einen solchen anfänglichen Rechtsschutz nicht; vielmehr würde dies die Prüfung, ob gerichtliche Fürsorgemaßnahmen erforderlich sind oder nicht, in unvertretbarer Weise verzögern; insoweit ist auch der - letztlich auf Art. 2 GG beruhende - Anspruch des bzw. der Betroffenen auf staatliche Hilfe gem. § 1896 ff BGB zu berücksichtigen.
bb) Ebenso stellt das - durch Formularschreiben erfolgte - Ersuchen des Vormundschaftsgerichts an das Gesundheitsamt zur Erstellung eines Sachverständigen-Gutachtens gemäß § 68 b FGG keine anfechtbare "Verfügung" im Sinne des § 19 FGG dar. Es handelt sich insbesondere nicht um eine Zwischenentscheidung, die ausnahmsweise deshalb anfechtbar ist, weil sie in Rechtspositionen des / der Betroffenen eingreift. Im Betreuungsverfahren gehört - von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen - die Einschaltung eines Sachverständigen zur Prüfung der medizinischen Notwendigkeit einer Betreuerbestellung zum unverzichtbaren Standard (§ 68b Abs. 1 S. 1 FGG) und ist somit gesetzliche Voraussetzung für die Bestellung eines (nicht nur vorläufigen) Betreuers. Es wäre widersinnig, die Durchführung dieser dem Schutz des Betroffenen dienenden Verfahrensvorschrift zugleich als schwerwiegenden - und deshalb gesondert anfechtbaren - Eingriff in die Rechte des Betroffenen zu qualifizieren.
Deshalb teilt der Senat die weit überwiegende Meinung, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 68 b FGG keine anfechtbare (Zwischen-) Entscheidung ist, und nimmt insbesondere auf den Beschluss des 3. Zivilsenats des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 31.1.2001 (FamRZ 2001, 707 = FGPrax 2001, 78 = BtPrax 2001,123 mNw zur bisherigen Rspr;) Bezug (ebenso BayObLG (29.2.2002) BtPrax 2002, 215; OLG Brandenburg FamRZ 1997,1019; vgl. auch OLG Hamm FamRZ 1997, 440; BayVerfGH BtPrax 1995, 179).
Der vom 1. Senat des Kammergerichts in 2 jüngeren Entscheidungen (v. 12.9.2000 - FGPrax 2000, 239 - und v. 11.9.2001 - KGRep 2002, 39 = FGPrax 2002, 63 = FamRZ 2002, 970 = NJW-RR 2002, 944) vertretenen gegenteiligen Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Soweit sich das Kammergericht zur Begründung seiner Auffassung auf die Entscheidung des Senats vom 3. 12. 1974 (OLGZ 1975, 132) beruft, ist dies verfehlt: Gegenstand der damaligen Entscheidung war in einem Sorgerechtsentziehungsverfahren nach § 1666 BGB eine richterliche Beweisanordnung, die die Mutter - ohne (spezielle) gesetzliche Grundlage - zu einer psychiatrischen Untersuchung durch das Gesundheitsamt verpflichtet hatte. Jene Konstellation ist mit der Rechtslage im Betreuungsverfahren, also der vom Gesetz zwingend vorgeschriebenen Untersuchung durch einen Sachverständigen, nicht vergleichbar.
Obwohl der Senat der Rechtsauffassung des KG ausdrücklich entgegentritt, kommt eine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 28 Abs. 2 FGG nicht in Betracht: die erstgenannte Entscheidung des KG ist nicht auf weitere Beschwerde ergangen (vgl. auch BayObLG v. 31.1.2001 aaO) und die zweite Entscheidung beruht nicht auf der abweichenden Rechtsansicht, wie das KG selbst ausgeführt hat.
Im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers sei noch ergänzend darauf hingewiesen, dass dem Gesetzgeber des Betreuungsgesetzes die Problematik der Anfechtbarkeit von Ermittlungsmaßnahmen im Vorfeld einer Betreuerbestellung sehr wohl bewusst war; er hat deshalb in § 68b Abs. 3 FGG die vormundschaftsgerichtliche Anordnung zur Untersuchung zwecks Vorbereitung des Gutachtens nach Abs. 1 und zur zwangsweisen Vorführung zur Untersuchung ausdrücklich für nicht anfechtbar erklärt; allein die Anordnung einer vorläufigen Unterbringung zur Vorbereitung eines solchen Gutachtens (§ 68b Abs. 4 FGG) unterliegt wegen der Schwere des Eingriffs der gesonderten Anfechtbarkeit (BayObLG FamRZ 1994, 1190).
Ende der Entscheidung
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