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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 15.04.2002
Aktenzeichen: 8 W 492/00
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 2
WEG § 15 Abs. 1
ZPO § 857
Das in der Teilungserklärung begründete Recht der teilenden Eigentümerin, Sondernutzungsrechte an KfZ-Stellplätzen durch Zuweisung an einzelne Miteigentümer zu begründen, unterliegt nicht der Pfändung.
Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 492/00

vom 15. April 2002

In dem Zwangsvollstreckungsverfahren

wegen Pfändung eines bedingten Sondernutzungsrechts

Gründe:

I.

Die Parteien streiten darüber, ob das in der Teilungserklärung bzw. Teilungsvereinbarung verbriefte Recht der Schuldnerin, als Bauträgerin und teilende Eigentümerin Sondernutzungsrechte an Kfz-Stellplätzen durch Zuweisung an einzelne Miteigentümer zu begründen, dem Vollstreckungszugriff unterliegt.

a) Die Schuldnerin hat auf einem rechtlich aus drei Grundstücken bestehenden Areal zwei Bürogebäude mit 6 bzw. 9 Teileigentumseinheiten sowie ein Wohngebäude mit 24 Wohneinheiten errichtet; unter den drei Gebäuden befindet sich eine gemeinschaftliche Tiefgarage. Die rechtlichen Verhältnisse der 3 Eigentümergemeinschaften bestimmen sich durch 2 von der Schuldnerin errichtete Teilungserklärungen nach § 8 WEG und eine Teilungsvereinbarung nach § 3 WEG vom Herbst 1995 / Frühjahr 1996.

Die für das erstgenannte Bürogebäude maßgebliche Teilungsvereinbarung legt fest, dass auf diesem Grundstück 5 Kfz-Stellplätze im Hofraum und 17 weitere Kfz-Stellplätze, teilweise in Doppelparkern, in der Tiefgarage errichtet werden, die jeweils mit einer Nummer näher bezeichnet sind. Weiter besagt die Teilungserklärung unter § 1.5 u.a:

"Vom Nutzen und Gebrauch dieser offenen, teilweise in der Tiefgarage befindlichen (in § 1.5 bezeichneten) Kfz-Stellplätze sind alle Sondereigentümer ausgeschlossen, mit Ausnahme der Firma ... (= Schuldnerin), solange diese noch Eigentümerin mindestens eines Wohnungs- oder Teileigentumsrechts der obenstehenden Wohnanlage ist.

Die Firma ... (- Schuldnerin) ist berechtigt, an den bezeichneten Kfz-Stellplätzen / Tiefgaragenstellplätzen Sondernutzungsrechte zu Gunsten einzelner Sondereigentümer zu begründen, auf diese zu übertragen und die getroffene Regelung zu gegebener Zeit als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eintragen zu lassen. Soweit erforderlich, wird der Firma ... hierzu ausdrücklich von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Vollmacht erteilt. Die Begründung des Sondernutzungsrechts hat in notariell beurkundeter oder in öffentlich beglaubigter Form zu erfolgen. Derjenige Sondereigentümer, dem auf diesem Wege das Sondernutzungsrecht an einem dieser Kfz-Stellplätze eingeräumt wird, hat das Recht, den betreffenden Kfz-Stellplatz unter Ausschluss aller übrigen Sondereigentümer allein zu nutzen und zu benutzen.

Soweit die vorstehende Zuweisung des Kfz-Stellplätze/Tiefgaragenstellplätze in öffentlich beglaubigter oder notariell beurkundeter Form vor dem Übergang des Eigentums aller Wohnungs- und Teileigentumsrechte auf Dritte nicht erfolgt ist, erlischt das Sondernutzungs- und Zuweisungsrecht des bisherigen Grundstückseigentümers. Die zu diesem Zeitpunkt nicht zugeteilten Kfz-Stellplätze verbleiben vorbehaltslos im Gemeinschaftseigentum."

Die Schuldnerin ist bislang noch Eigentümerin mindestens einer Teileigentumseinheit. Die Gläubigerin ist nicht Mitglied der Eigentümergemeinschaft.

b) Auf Antrag der Gläubigerin, die aus einem rechtskräftigen Urteil gegen die Schuldnerin die Vollstreckung wegen eines Teilbetrags von 150 000 DM betreibt, hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts durch Beschluss vom 9.12.1999 die Pfändung des Rechts der Schuldnerin auf Zuweisung von 13 noch nicht zugewiesenen Stellplätzen in der Tiefgarage für die Gläubigerin (mit ausdrücklichem Verfügungsverbots gegenüber der Schuldnerin) ausgesprochen, eine Überweisung nach § 835 ZPO an die Gläubigerin jedoch abgelehnt.

Das Grundbuchamt hat den Antrag der Gläubigerin, die von ihr daraufhin vorgenommene "Zuweisung" der Stellplätze an 2 andere Sondereigentümer in das Grundbuch einzutragen, durch Beschluss vom 4.2.2000 zurückgewiesen mit der Begründung, das Zuweisungsrecht von Sondernutzungsrechten nach dem Wohnungseigentumsgesetz sei nicht pfändbar.

Die gegen den Pfändungsbeschluss gerichtete Erinnerung der Schuldnerin hat die Amtsrichterin zurückgewiesen und ausgeführt, das Sondernutzungs-Zuweisungsrecht sei ein nach § 857 Abs. 1 ZPO pfändbares Vermögensrecht.

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht den Pfändungsbeschluss aufgehoben, die Wirksamkeit dieser Entscheidung aber vom Eintritt der Rechtskraft abhängig gemacht. Die Beschwerdekammer hat ihre vom Amtsgericht abweichende Rechtsansicht im wesentlichen damit begründet, das Zuweisungsrecht des Bauträgers sei ein unselbständiges Gestaltungsrecht des Bauträgers, das als solches nicht der Pfändung nach § 857 ZPO unterliege.

Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Gläubigerin, die insbesondere geltend macht, das Zuweisungsrecht der Schuldnerin sei ein selbständiger Vermögensgegenstand, der von der Schuldnerin auch als eigenständiger Wert in die Finanzierungsabwicklung eingestellt werde; ein Tiefgaragenstellplatz könne für 25.000,-- DM veräußert werden. Ein solches Vermögensrecht - das anders als die Miteigentumseinheit der Schuldnerin belastungsfrei sei - müsse nach § 857 ZPO der Pfändung unterliegen. Die Schuldnerin ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

II.

1. Die - rechtzeitig eingelegte - sofortige weitere Beschwerde der Gläubigerin ist nach §§ 793 Abs. 2, 568 Abs. 2 Satz 1 ZPO a.F. statthaft und auch nach § 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. zulässig, weil in der vom Amtsgericht abweichenden Sachentscheidung des Landgerichts ein neuer selbständiger Beschwerdegrund liegt.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel der Gläubigerin jedoch keinen Erfolg. Der Senat tritt im Ergebnis der Rechtsansicht des Landgerichts bei.

Entgegen der Auffassung der Gläubigerin ist nicht entscheidend die Frage, ob das "Zuweisungsrecht" der Schuldnerin einen Vermögenswert hat; auch wenn man diese Frage zumindest für die Person der Schuldnerin bejaht, kommt es für die Pfändbarkeit nach Ansicht des Senats entscheidend darauf an, ob diese Zuweisungsbefugnis ein rechtlich so verselbständigter Vermögensgegenstand im Sinne des § 857 ZPO ist, dass sie durch den Pfändungsgläubiger einer Verwertung zugeführt werden kann. Diese Frage verneint der Senat in Abweichung vom Landgericht Stuttgart, das sich in der - soweit ersichtlich - bisher einzigen veröffentlichten Entscheidung für die Pfändbarkeit des Zuweisungsrechts jedenfalls durch einen Miteigentümer ausgesprochen hatte (Beschl. vom 20. 12. 1988 - Die Justiz (nicht: JurBüro) 1989,158 = WE 1989, 72; ablehnend Zöller/Stöber, ZPO 23. Aufl., § 857 Rn 12 aE; Stöber, Forderungspfändung 12. Auf., Rn 1792, Fn 3).

a) Es ist - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - in Rechtsprechung und Lehre anerkannt, dass die Miteigentümer eines dem Wohnungseigentumsgesetz unterliegenden Grundstücks (oder der nach § 8 WEG teilende Alleineigentümer) den Gebrauch des Gemeinschaftseigentums nach § 15 WEG durch Vereinbarung so regeln können, dass eine näher bestimmte Fläche in der Weise einem Sondereigentum zugeordnet wird, dass allein dessen Eigentümer diese gemeinschaftliche Fläche nutzen darf ("positive Komponente") und alle übrigen Miteigentümer von der Nutzung ausgeschlossen sind ("negative Komponente"). Eine solche als Sondernutzungsrecht bezeichnete Befugnis gilt auch gegenüber Sonderrechtsnachfolgern dann, wenn sie "als Inhalt des Sondereigentums" durch Eintragung im Grundbuch eine "Verdinglichung" erfahren hat (§§ 15 Abs. 1, 10 Abs. 2 WEG; vgl. BGHZ 73,145 = NJW 1979, 548; BGHZ 91, 343 = JZ 1984, 1113 m. Anm. Weitnauer; BayObLGZ 1990, 124; Weitnauer, WEG 8. Aufl., § 15 Rn 26ff, 31; Bärmann / Pick / Merle, 8. Aufl. § 15 Rn 17, 18; Staudinger / Kreuzer (12. Aufl) WEG § 15 Rn 74ff).

Ein solches Sondernutzungsrecht kann anerkanntermaßen auch durch zwei zeitlich getrennte Rechtsvorgänge in der Weise begründet werden, dass zunächst der Nutzungsausschluss der übrigen Eigentümer (negative Komponente) festgeschrieben wird und die Zuweisung des Alleinnutzungsrechts an einen der Miteigentümer (positive Komponente) als aufschiebende Bedingung (§ 158 BGB) durch spätere Zuweisungserklärung des Bauträgers erfolgt (vgl. BGHZ 91, 343; BayObLG RPfl 1980,111; BayObLGZ 1985, 378 = DNotZ 1986, 479 m. Anm. Ertl; OLG Düsseldorf RPfl. 1988, 63).

Diesem "Zuweisungsrecht", das der Schuldnerin bis zu dessen Ausübung bereits das alleinige Nutzungsrecht an den bezeichneten Flächen innerhalb der Eigentümergemeinschaft gewährt, können keine anderen und insbesondere keine weitergehenden Eigenschaften oder Wirkungen zuerkannt werden als einem unbedingten, bereits wirksam begründeten Sondernutzungsrecht.

b) Ein solches Sondernutzungsrecht an einer im Gemeinschaftseigentum stehenden Fläche ist kein eigenständiges "dingliches Recht" (vgl. BayObLG DNotZ 1990, 496 (keine gesonderte Belastbarkeit mit Dienstbarkeit); OLG Düsseldorf DNotZ 1996, 674 m. Anm. Lüke/Becker (keine Anwendbarkeit von § 875 BGB). Eine Gleichstellung mit einer Dienstbarkeit oder einem Wohnrecht - wie vom LG Stuttgart (aaO) angenommen - hat keine ausreichende gesetzliche Grundlage. Im Sachenrecht gilt der Grundsatz des gesetzlichen Typenzwangs, der es ausschließt, neue Arten dinglicher Rechte zu begründen.

Ein Sondernutzungsrecht beruht auf einer schuldrechtlichen Vereinbarung unter den Miteigentümern, deren "Verdinglichung" durch Eintragung im Grundbuch zwar deren Bestandskräftigkeit innerhalb der Gemeinschaft trotz Personenwechsels bewirkt, aber kein eigenes verkehrsfähiges Recht an einer Sache begründet. Nachdem § 10 Abs. 2 WEG ein solchermaßen vereinbartes Sondernutzungsrecht zum "Inhalt" des jeweiligen Sondereigentums erklärt, kann es noch weniger selbständig pfändbar sein wie Grundstückszubehör (vgl. §§ 93-96 und § 97 BGB); die gesonderte Pfändung von Zubehör ist jedoch nach § 865 Abs. 2 S. 1 ZPO gesetzlich ausgeschlossen.

Deshalb kann über ein Sondernutzungsrecht an einem Stellplatz - anders als an einem als eigenständiges Sondereigentum ausgestalteten Stellplatz (vgl. § 3 Abs. 2 S. 2 WEG) - nicht gesondert vom Wohn- bzw. Teileigentum verfügt werden. Die Beschlagnahme eines Sondereigentums (§ 20 ZVG) erfasst dem gemäß das zugeordnete Sondernutzungsrecht automatisch mit, auch dann, wenn die davon erfasste Fläche im Aufteilungsplan eine eigene Bezeichnung erhalten hat (vgl. BayObLG RPfl 1994, 294, 295). Dem gemäß hat der Senat durch Beschluss v. 16. 1. 2001 (8 W 630/2000) entschieden, dass sich der Zuschlag in der Zwangsversteigerung eines Wohnungseigentums zwingend auf das zugeordnete Sondernutzungsrecht an einem Stellplatz erstreckt, auch wenn in der Grundstücksbeschreibung im Zuschlagsbeschluss der Stellplatz nicht gesondert neben dem Wohnungseigentum aufgeführt ist.

Daraus folgt weiter, dass sich die dinglichen Belastungen eines Wohnungs- oder Teileigentums (Hypotheken, Grundschulden) von Rechts wegen auf ein derartiges Sondernutzungsrecht erstrecken. Die noch in der Hand der Schuldnerin liegenden "Zuweisungsrechte" sind also keineswegs belastungsfrei, wie die Gläubigerin meint, sondern dienen den Kreditgebern der Schuldnerin in gleicher Weise als Sicherheit wie das sonstige Sondereigentum der Schuldnerin.

An dieser rechtlichen Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, dass innerhalb der Gemeinschaft ein "verdinglichtes" Sondernutzungsrecht von einem Sondereigentümer auf einen anderen Sondereigentümer übertragen werden kann - und zwar ohne Mitwirkung aller Miteigentümer, weil sich am Ausschluss der übrigen Miteigentümer vom Nutzungsrecht (negative Komponente) dadurch nichts ändert, ihre Rechtssphäre also nicht betroffen wird (BGHZ 73, 145; BayObLGZ 1985, 124; OLG Düsseldorf RPfl 1993, 193). Der Grundschuld- oder Hypothekengläubiger eines Miteigentümers muss deshalb einer solchen Übertragung des Sondernutzungsrechts innerhalb der Gemeinschaft gem. § 876 BGB zustimmen, weil sich der "Inhalt" seines Sicherungsgegenstands vermindert (BGHZ 91, 343, 347).

c) Dass das "Zuweisungsrecht" der Schuldnerin hier zusätzlich noch mit einer auflösenden Bedingung verknüpft ist der Gestalt, dass die Veräußerung ihrer letzten Miteigentumseinheit ihre noch verbliebenen (nicht verdinglichten) Sondernutzungsrechte zum Erlöschen bringt mit der Folge, dass die Flächen in den Gemeingebrauch aller Miteigentümer "zurückfallen, führt zu keiner abweichenden Beurteilung, sondern gibt noch ein zusätzliches Argument gegen eine Pfändbarkeit ab. Durch diese Bestimmung in der Teilungsvereinbarung ist die Möglichkeit einer Übertragung des Zuweisungsrechts auf einen anderen Miteigentümer (wie sie etwa im Falle BayObLGZ 1985, 124 = RPfl. 1985, 292 bzgl. Waschmaschinen-Stellplätzen in der gemeinschaftlichen Waschküche vereinbart war) "mit dinglicher Wirkung" ausgeschlossen; eine Änderung bedürfte der Mitwirkung aller Miteigentümer.

d) Somit hat der Pfändungsbeschluss des Amtsgerichts ein Recht zum Gegenstand, das nicht zu den nach § 857 ZPO pfändbaren "anderen Vermögensrechten" gehört. Darüber hinaus scheidet eine Pfändung durch einen Nicht-Miteigentümer - wie die Gläubigerin - auf jeden Fall, also auch nach der Gegenansicht, aus. Das Landgericht hat deshalb den Pfändungsbeschluss des Amtsgerichts durch die angefochtene Entscheidung zu Recht aufgehoben.

Ende der Entscheidung

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