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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 28.03.2002
Aktenzeichen: 8 W 560/01
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 289 Abs. 2
InsO § 291
InsO § 309
Ein sog. Null-Plan steht der Gewährung einer Restschuldbefreiung nach §§ 286 ff. InsO nicht grundsätzlich entgegen.
Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 560/01

vom 28. März 2002

In dem Verbraucherinsolvenzverfahren

wegen Ankündigung der Restschuldbefreiung

Gründe:

I.

Der Schuldner - dessen Konkursantrag nach Zusammenbruch seines Bauunternehmens bereits 1997 mangels Masse abgewiesen worden war - stellte am 1. 3. 2000 beim Amtsgericht Antrag auf Eröffnung des Verbraucher-Insolvenzverfahrens in Verbindung mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung.

Nachdem der vorgelegte Schuldenbereinigungsplan nicht die nach § 309 Abs. 1 InsO vorausgesetzte Gläubigerzustimmung erreicht hatte und eine gerichtliche Ersetzung der Zustimmung nicht erfolgt war, eröffnete das Insolvenzgericht - nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe - durch Beschluss vom 24. 5. 2000 das vereinfachte Insolvenzverfahren (§ 311 InsO) und bestellte den weiteren Beteiligten Ziff. 1 zum Treuhänder (§ 313 InsO).

Aus dem Schlussbericht des Treuhänders ergibt sich, dass die Insolvenzmasse Null beträgt, während sich die Schuldenmasse auf ca. 700 000 DM beläuft; das Nettoeinkommen ergebe unter Berücksichtigung eines unterhaltsberechtigten Kindes keine pfändbaren Beträge, weshalb mangels Insolvenzmasse ein Schlussverteilungsvorschlag nicht unterbreitet werden könne. Durch Beschluss vom 19. 12. 2000 stimmte der Rechtspfleger dieser Schlussverteilung zu und ordnete die Durchführung des Schlusstermins im schriftlichen Verfahren an.

Trotz Einwendungen der beteiligten Gläubigerin, richtigerweise ergebe sich ein pfändbarer Betrag von monatlich 41,50 DM, kündigte der Richter des Insolvenzgerichts durch Beschluss vom 19. 6. 2001 dem Schuldner Restschuldbefreiung nach § 291 InsO unter den dort genannten Bedingungen an und bestimmte die Dauer der Abtretung des laufenden Arbeitseinkommens auf 5 Jahre.

Gegen diese Entscheidung wandte sich die beteiligte Gläubigerin mit der sofortigen Beschwerde. Zur Begründung machte sie geltend, dass nach § 289 Abs. 3 InsO eine Restschuldbefreiung nur dann zulässig sei, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Verteilung der Insolvenzmasse erfolgt und das Verfahren nach § 211 InsO eingestellt worden sei; hier sei bis jetzt weder eine Insolvenzmasse gebildet noch gar verteilt worden.

Das Landgericht wies das Rechtsmittel der Gläubigerin als unbegründet zurück; weder die Norm des § 289 Abs. 3 InsO noch die Tatsache eines "Fast-Nullplans" stehe der Gewährung der Restschuldbefreiung entgegen.

Dagegen wendet sich die Gläubigerin mit der sofortigen weiteren Beschwerde verbunden mit dem Antrag auf deren Zulassung. Der Gewährung der Restschuldbefreiung stehe hier die Tatsache entgegen, dass der Schuldner keine angemessene Gegenleistung erbringen könne, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Erhöhung der Pfändungsfreibeträge ab 1. 1. 2002; ein "Null-Plan" oder "Fast-Null-Plan" könne sowohl aus verfassungsrechtlichen Erwägungen als auch nach der Grundkonzeption der Insolvenzordnung keine Grundlage für eine Restschuldbefreiung sein.

II.

1. Das Rechtsmittel der Gläubigerin ist als Rechtsbeschwerde nach § 7 Abs. 1 InsO (in der bis 31. 12. 2001 geltenden Fassung) statthaft. Sie richtet sich gegen eine auf § 6 InsO beruhende Beschwerdeentscheidung des Landgerichts, die ihrerseits eine insolvenzgerichtliche Entscheidung in einer insolvenzspezifischen Frage zum Gegenstand hat.

2. Die Rechtsbeschwerde war antragsgemäß zuzulassen. Die sachlichen Voraussetzungen für eine Zulassung sind gegeben, weil die Gläubigerin eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landgericht unter Berufung auf zahlreiche gegenteilige Entscheidungen anderer Gerichte geltend macht. Der Senat hält die Nachprüfung der landgerichtlichen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung - auch im Hinblick auf die anderen beim Senat anhängigen Rechtsbeschwerden des Gläubigervertreters zum gleichen Problemkreis - für geboten, weil sich der Senat zur kontrovers diskutierten Frage des "Null-Plans" bisher noch nicht geäußert hat und eine nach neuem Verfahrensrecht ergangene Rechtsbeschwerdeentscheidung des Bundesgerichtshofs noch nicht bekannt geworden ist.

3. Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen, insbesondere fristgerechte Einlegung und Beschwerdebefugnis der Insolvenzgläubigerin (§ 289 Abs. 2 InsO), sind erfüllt.

III.

Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts erweist sich als rechtsfehlerfrei.

1. Der Auffassung der Gläubigerin, ein "Null-Plan" oder ein "Fast-Null-Plan" stehe grundsätzlich sowohl einer Restschuldbefreiung als auch schon ihrer Ankündigung entgegen, folgt der Senat nicht. Vielmehr schließt er sich der inzwischen wohl deutlich überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung an, neben der die von der Beschwerdeführerin zitierte Rechtsprechung der Instanzgerichte kein durchschlagendes Gewicht hat. Danach genügt sowohl für den Schuldenbereinigungsplan als auch für die gerichtliche Ersetzung der Gläubigerzustimmung nach § 309 InsO ein "Null-Plan" als Voraussetzung für eine Restschuldbefreiung (vgl. insbesondere BayObLGZ 1999, 310 = NJW 2000,220; OLG Celle ZinsO 2000, 601; OLG Frankfurt NZI 2000, 473; OLG Karlsruhe NZI 2000, 163; OLG Köln NJW 2000,223 = ZIP 1999, 1926 = InVo 2000, 16; vgl. auch LG Rottweil, Beschl. v. 16. 7. 2001 - 1 T 93/01 - sowie LG Heilbronn, Beschl. v. 11. 3. 2002 - 1b T 1/02 St (wobei die dort vorgenommenen Einschränkungen hier nicht relevant sind).

Auch der Bundesgerichtshof hat - im Anschluss an die Feststellung, dass nach deutschem Recht "eine bestimmte Mindestquote als Ergebnis einer konkursmäßigen Befriedigung" nicht vorausgesetzt sei (unter Berufung auf BGHZ 134, 71, 91f) - im Beschluss vom 18. 9. 2001 (NJW 2002, 960, 961 bzgl. Anerkennung einer ausländischen Restschuldbefreiung) festgestellt, die Ansicht über die Zulässigkeit von "Nullplänen" in der Verbraucherinsolvenz habe sich "inzwischen ... durchgesetzt" (ebenso Pape NJW 2001, 23, 35). Hinzukommt, dass das am 1. 12. 2001 in Kraft getretene Insolvenzrechtsänderungsgesetz insoweit keine Änderung gebracht hat - obwohl dazu ebenso Anlass bestanden hätte wie hinsichtlich des Problems der Prozesskostenhilfe.

Angesichts dieser überwiegenden Ansicht in der Rechtsprechung und angesichts der Tatsache, dass ab Anfang 2002 ohnehin (nur noch) die Rechtsbeschwerde zum BGH eröffnet ist, sieht der Senat davon ab, nochmals die jeweiligen Argumente gegeneinander abzuwägen.

2. Auch die weiteren Einwendungen der Gläubigerin gegen die Entscheidungen - die teilweise einzelfallbezogen sind und eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht gerechtfertigt hätten - greifen im Ergebnis nicht durch.

Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass § 289 Abs. 3 InsO beim hier gegebenen Verfahrensablauf einer Restschuldbefreiung nicht entgegensteht. Die rein begriffliche Argumentation der Beschwerdeführerin, dass eine "Schlussverteilung" im Sinne des § 196 InsO (iVm § 312 Abs. 2 InsO) nicht vorliegen könne, wenn sich die Insolvenzmasse insgesamt auf Null belaufe, weil dann nichts zur Verteilung gekommen sei, kann dem Rechtsmittel ebenso wenig zum Erfolg verhelfen wie die wiederholten Rückgriffe auf einzelne Passagen der (alten) Entwurfsbegründung. Ziel der "Schlussverteilung" ist es, nach Vorlage des Schlussverzeichnisses und der Schlussrechnung förmlich sicher zu stellen, dass der Schuldner alle verwertbaren Vermögensgegenstände seinen Gläubigem zur Verfügung gestellt hat; dass bei einem "Null-Vermögen" nur eine "Null-Verteilung" in Betracht kommt, erscheint folgerichtig und keineswegs rechtsfehlerhaft.

Ende der Entscheidung

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