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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 11.06.2002
Aktenzeichen: 8 W 603/01
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
BRAGO § 52
1. Die Reisekosten einer Partei zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof sind auch dann regelmäßig erstattungsfähig, wenn das persönliche Erscheinen nicht angeordnet ist.

2. Für einen Wirtschaftsverband, zu dessen satzungsgemäßer Aufgabe die Führung von Rechtsstreitigkeiten gehört, ist die Einschaltung eines Verkehrsanwalts nicht notwendig (Bestätigung der ständigen Senatsrechtsprechung).


Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 603/01

vom 11. Juni 2002

In dem Rechtsstreit

wegen Gültigkeit von Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Lebensversicherung

hier: Kostenfestsetzung

Gründe:

1. Die Rechtspflegerin hat die von der kostenpflichtigen Beklagten zu erstattenden Kosten des Rechtsstreits über die Gültigkeit von Allgemeinen Versicherungsbedingungen durch drei Instanzen (zuletzt: BGHZ 147, 373 = NJW 2001, 1061 = VersR 2001, 809) im wesentlichen antragsgemäß festgesetzt. Gegen die von ihr vorgenommenen Absetzungen wendet sich der Kläger - ein Verein mit verbraucherschützender Zielsetzung - mit der (sofortigen) Beschwerde.

2. Das zulässige Kostenrechtsmittel des Klägers hat im Ergebnis keinen Erfolg, weil die angefochtene Festsetzung trotz der Berechtigung eines Teils der Einwendungen insgesamt den dem Kläger rechnerisch zustehenden Betrag übersteigt.

a) Zwar sind die geltend gemachten Reisekosten des Geschäftsführers des Klägers zur Teilnahme an der Revisionsverhandlung beim Bundesgerichtshof erstattungsfähig. Es ist anerkannt und auch ständige Rechtsprechung des Senats (Die Justiz 1992, 185 = RPfl 1992, 448 = JurBüro 1992, 471; MünchKommZPO / Belz, 2. Aufl. 2000, § 91 Rn 80; Zöller/Herget, 23. Aufl. 2002, § 91 Rn 13, "Reisekosten der Partei", je m. RsprNw.), dass die Kosten für die Teilnahme einer Partei an Terminen zur mündlichen Verhandlung oder Beweisaufnahme in aller Regel erstattungsfähig sind. Dies gilt auch dann, wenn das persönliche Erscheinen der Partei nicht gerichtlich angeordnet ist und wenn die Durchführung des Termins verfahrensrechtlich nicht zwingend vorgeschrieben, sondern in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt ist. Dem gemäß ist auch die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung, die das Revisionsgericht (oder Rechtsbeschwerdegericht) angeordnet hat, kostenrechtlich eine "notwendige Wahrnehmung von Terminen". Jede Partei hat als "Verfahrens-Subjekt" grundsätzlich das Recht, den vom Gericht angesetzten Terminen in "ihrem Prozess" beizuwohnen.

Aus dem Grundsatz der Parteiöffentlichkeit des Prozesses (vgl. § 357 ZPO) zieht § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO die kostenrechtliche Konsequenz. Die darin enthaltene Verweisung auf die Entschädigungssätze für Zeugen (ZSEG) begrenzt die Kosten der Höhe nach, weshalb Ausnahmen von der Erstattungsfähigkeit solcher Terminsteilnahmekosten nur in Fällen krasser Unverhältnismäßigkeit in Betracht kommen können. Für eine solche Ausnahme bestehen hier nicht die geringsten Anhaltspunkte.

Entgegen der Annahme der Rechtspflegerin steht der Erstattungsfähigkeit nicht entgegen, dass das Protokoll des BGH - entgegen der Regelung in § 161 Abs. 1 Nr. 4 ZPO - nur die am BGH zugelassenen Revisionsanwälte als Parteivertreter aufführt. Die Teilnahme des Klägers (bzw. des Vereins-Geschäftsführers als Vertreter) an der revisionsgerichtlichen Erörterung der rechtlichen Grundsatzfragen ist unstrittig und darüber hinaus durch Reisekostenbelege glaubhaft gemacht.

Dem gemäß waren die beantragten (anteiligen) Reisekosten dem Kläger als erstattungspflichtig zuzubilligen mit der Maßgabe, dass die Entschädigungssätze des ZSEG anzuwenden sind (wird ausgeführt).

b) Hinsichtlich der geltend gemachten Verkehrsanwaltskosten hat die Beschwerde dagegen keinen Erfolg.

Die Rechtspflegerin hat nämlich dem klagenden Verbraucherschutzverband zu Unrecht und in Abweichung von der ständigen Senatsrechtsprechung für die 1. Instanz Verkehrsanwaltskosten bis zur Höhe einer fiktiven Erstberatung durch einen Anwalt am Wohnsitz des Klägers (in Höhe von 350.- DM zuzgl. Mehrwertsteuer gem. § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO) und einer fiktiven Informationsreise zum Prozessanwalt in Stuttgart zuerkannt.

Kreditinstitute, Versicherungen und Wirtschaftsverbände, zu deren typischen Geschäftszweck es (auch) gehört, Rechtsstreitigkeiten auch vor auswärtigen Gerichten zu führen, haben keinen Anspruch auf Erstattung von Verkehrsanwaltskosten, auch nicht in der beschränkten Höhe von Kosten für Rat und Reise (Senat Die Justiz 1976, 170; Die Justiz 1983, 340 = JurBüro 1983,1867; Die Justiz 1983, 411 = JurBüro 1983, 1836; vgl. KostenRspr. in Zivilsachen, Die Justiz Beiheft 1 2001, Nr. 277-280). Zu diesem Kreis von Unternehmen gehört auch der Kläger. Dass es im vorliegenden Rechtsstreit um rechtlich schwierige Fragen gegangen ist, führt zu keiner abweichenden Beurteilung, denn die Führung gerade solcher Rechtsstreitigkeiten gehört zu den zentralen satzungsgemäßen Aufgaben des Klägers.

Die Berufung des Beschwerdeführervertreters auf die Grundsatzentscheidung des Kostensenats des OLG Köln (OLGR 2000, 33 = JurBüro 2000,253 = VersR 2001, 257 ua) geht fehl. Zwar hat das OLG Köln für den durchschnittlichen Rechtsstreit Grundsätze aufgestellt, die von den im hiesigen Bezirk (immer noch) maßgebenden Grundsätzen des Senats (Die Justiz 1980, 282; KostenRspr. in Zivilsachen (Beiheft 1 zu Die Justiz 2000) Nr. 260) abweichen und denen auch andere Oberlandesgerichte widersprochen haben; darauf kommt es hier jedoch nicht an. Denn im 2. Leitsatz dieser Entscheidung hat das OLG Köln Einschränkungen der Erstattungsfähigkeit von Verkehrsanwaltskosten festgelegt, die zur Folge haben, dass hier keine - auch keine reduzierten - Verkehrsanwaltskosten erstattungsfähig sind. Im Beschluss vom 18. 7. 2001 (17 W 167/01; AnwBl. 2002, 116) sind diese Einschränkungen gerade für eine Verbraucherzentrale bestätigt worden. Dies entspricht der wohl ganz überwiegenden Meinung (vgl. Zöller/Herget, ZPO 23. Aufl., § 91 Rn 13 "Verkehrsanwalt 1"; MünchKommZPO/Beiz, 2. Aufl., § 91 Rn 71 b. Fn 282-286). Zwar stimmen die Begründungen, mit denen einerseits der Senat und andererseits das OLG Köln die Erstattung jeglicher Verkehrsanwaltskosten ausschließen, nicht völlig überein; nach Ansicht des erkennenden Senats kommt es nicht auf die Zumutbarkeit der Unterhaltung einer eigenen Rechtsabteilung an, sondern auf den gewöhnlichen Zuschnitt der Geschäftstätigkeit. Jedoch kommt es allein auf das Ergebnis an und dies besteht übereinstimmend darin, dass der Kläger weder in Stuttgart noch in Köln Verkehrsanwaltskosten erstattet erhält.

c) Da die Beklagte gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.9. 2001 keine (Anschluss-) Beschwerde eingelegt hat, bewirkt das Verschlechterungsverbot, dass der dem Kläger rechtskräftig zuerkannte Betrag nicht gekürzt werden kann.

...

Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO nF) sieht der Senat nicht, denn die vom Klägervertreter in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gestellte Divergenz der Rechtsprechung besteht tatsächlich für den vorliegenden Fall gerade nicht, so dass der vorliegenden Entscheidung weder "grundsätzliche Bedeutung" iSv § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zukommt noch die "Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (Nr. 2) eine Entscheidung des BGH als Rechtsbeschwerdegericht erfordert.

Ende der Entscheidung

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