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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 06.03.2009
Aktenzeichen: 8 W 82/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 104
Die Rechtskraft eines Kostenfestsetzungsbeschlusses steht einer Nachliquidation von Umsatzsteuer nicht entgegen, sofern in dem Beschluss über die Frage der Umsatzsteuerfestsetzung nicht entschieden worden ist.
Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 82/09

06. März 2009

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung; hier: Nachfestsetzung von Umsatzsteuer

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart durch Richterin am Oberlandesgericht Tschersich als Einzelrichterin gem. § 568 S. 1 ZPO

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Rottweil vom 15. Januar 2009, Az. 1 O 38/07, abgeändert:

Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Rottweil vom 07. Februar 2008 sind als Nachfestsetzung zum Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13. März 2008 von der Klägerin an den Beklagten an weiteren Kosten zu erstatten 363,85 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 22. Oktober 2008.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Im übrigen trägt die Klägerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 363,85 Euro

Gründe:

I.

Durch das klagabweisende Urteil des Landgerichts Rottweil vom 07. Februar 2008 wurden der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Nach Berufungsrücknahme ist dieses rechtskräftig geworden.

In dem sich anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren nahm der Beklagte in seine Kostenaufstellung die Umsatzsteuer von 363,85 Euro auf, erklärte aber gleichzeitig, dass er zum Vorsteuerabzug berechtigt und deshalb die ausgewiesene Umsatzsteuer nicht festzusetzen sei. Der hierauf erlassene, von den Parteien nicht angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13. März 2008 berücksichtigte dementsprechend lediglich die beantragte Nettosumme und in ihm wurde festgestellt, dass der Erstattungsbetrag keine Umsatzsteuer enthält.

Nachdem für die zweite Instanz wegen der Erklärung vom 6. Oktober 2008, dass der Beklagte nicht vorsteuerabzugsberechtigt und deshalb die ausgewiesene Umsatzsteuer festzusetzen sei, diese im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 4. November 2008 in Ansatz gebracht worden war, beantragte der Beklagte mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2008, im nachhinein auch die von der Klägerin für das erstinstanzliche Verfahren zu erstattende Umsatzsteuer von 363,85 Euro festzusetzen. Es habe sich herausgestellt, dass er bereits zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr vorsteuerabzugsberechtigt gewesen sei, weil er seine frühere Tätigkeit als Autohändler altersbedingt eingestellt und der frühere Betrieb abgewickelt gewesen sei.

Die Rechtspflegerin hat mit Beschluss vom 15. Januar 2009 den Antrag auf Nachfestsetzung zurückgewiesen, da die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 13. März 2008 entgegen stehe. Gegen die am 16. Januar 2009 zugestellte Entscheidung hat der Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten am 20. Januar 2009 sofortige Beschwerde eingelegt, der die Klägerin entgegengetreten ist.

Die Rechtspflegerin hat nicht abgeholfen und die Akte mit Beschluss vom 27. Februar 2009 dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG) und in der Sache begründet.

1.

Der Nachliquidation der Umsatzsteuer steht die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 13. März 2008 nicht entgegen.

Hat der Erstattungsberechtigte zunächst die Mehrwertsteuer nicht geltend gemacht und erklärt, vorsteuerabzugsberechtigt zu sein, so entscheidet das Erstgericht nicht über die Mehrwertsteuer. Es hat keinen Anlass darüber zu entscheiden, da ihre Festsetzung nicht beantragt ist. In diesem Fall kann auch später noch Mehrwertsteuer verlangt werden, ohne dass die Rechtskraft des früheren Kostenfestsetzungsbeschlusses entgegensteht, da diese nur das umfassen kann, über das auch entschieden worden ist (Senat, Beschluss vom 11. September 2006, Az. 8 W 363/06; OLGR Karlsruhe 2007, 542; OLG Düsseldorf AGS 2006, 201; OLG München NJW-RR 2004, 69; BVerfG JurBüro 1995, 583; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, Nr. 7008 RVG-VV Rdnr. 63 ff; je m. w. N.).

Soweit die Oberlandesgerichte in den zitierten Entscheidungen zum Teil zu einem anderen Ergebnis gelangen, beruht dies auf einer abweichenden Sachverhaltskonstellation, die der vorliegenden nicht vergleichbar ist.

Hier hatte der Beklagte zwar in seiner Kostenaufstellung die Mehrwertsteuer zunächst mit aufgenommen, aber in dem Antrag zugleich die Erklärung abgegeben, dass er vorsteuerabzugsberechtigt und deshalb die ausgewiesene Umsatzsteuer nicht festzusetzen sei. Hierdurch hat er gerade die Anmeldung der Mehrwertsteuer-Position rückgängig gemacht und diese einer Entscheidung der Rechtspflegerin entzogen. So enthält auch der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13. März 2008 keine Entscheidung über diese Position, sondern lediglich die erläuternde Feststellung, dass in dem Erstattungsbetrag keine Umsatzsteuer enthalten ist.

Nachdem somit lediglich eine Erklärung im Rahmen des § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO abgegeben worden war des Inhalts, dass der Beklagte vorsteuerabzugsberechtigt sei, und demzufolge die Festsetzung der Umsatzsteuer - auch wenn sie in der Kostenaufstellung zunächst aufgeführt war - ausdrücklich nicht beantragt worden war, ist deren Nichtberücksichtigung in dem früheren Kostenfestsetzungsbeschluss nicht in Rechtskraft erwachsen. Die Nachliquidation ist deshalb zulässig.

2.

Auch wenn die Nachliquidation erst etwa 6 1/2 Monate nach Rechtskraft des Beschlusses vom 13. März 2008 beantragt wurde, steht dieser das Rechtsinstitut der - von Amts wegen zu berücksichtigenden - Verwirkung nicht entgegen.

Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Zeitmoment und Umstandsmoment).

Vorliegend scheitert der Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit der Nachliquidation und damit der Verwirkung dieses Rechtes bereits am Zeitmoment. Denn der Ablauf von 6 1/2 Monaten kann nicht als ein erforderlich langer Zeitablauf im Sinne dieses Rechtsinstituts angesehen werden.

Für das Umstandsmoment (Vertrauenstatbestand) ist von der Klägerin schon gar nichts vorgetragen worden.

Damit ist das Recht zur Nachliquidation auch nicht verwirkt.

3.

Im übrigen sind die Voraussetzungen für die Festsetzung von Umsatzsteuer nach § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO erfüllt.

Ob die Erklärung der fehlenden Vorsteuerabzugsberechtigung steuerrechtlich richtig ist, ist im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu prüfen, auch nicht im Rechtsmittelverfahren. Vielmehr hat die Partei - und gegebenenfalls auch ihr Prozessvertreter - die Verantwortung für die inhaltliche Richtigkeit dieser Prozesserklärung zu tragen. Im Falle sachlich unrichtiger Erklärungen ist der Prozessgegner auf die rechtlichen Möglichkeiten außerhalb des Festsetzungsverfahrens verwiesen (ständige Senatsrechtsprechung: vgl. u. a. Die Justiz 2000, 340 und Beschluss vom 03. Mai 2007, Az. 8 W 170/07; BGH NJW 2003, 1534; Müller-Rabe, a. a. O., Nr. 7008 RVG-VV Rdnr. 58 ff; je m. w. N.).

Schließlich hat der Beklagte auch die von ihm abgegebenen widersprüchlichen Erklärungen plausibel damit erklärt, dass er einem Irrtum über seine Vorsteuerabzugsberechtigung unterlegen gewesen sei.

4.

Auf die sofortige Beschwerde war deshalb unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses die beantragte Nachliquidation der Umsatzsteuer für das erstinstanzliche Verfahren vorzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf Nr. 1812 GKG-KV und § 91 ZPO.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO war nicht angezeigt, nachdem die vorliegende Fallkonstellation abweicht von den vom OLG München (NJW-RR 2004, 69) und vom OLG Karlsruhe (OLGR 2007, 542) zu entscheidenden Sachverhalten. Denn durch die Erklärung, dass die ausgewiesene Umsatzsteuer nicht festzusetzen sei, hat der Beklagte ausdrücklich keinen von der Rechtspflegerin zu bescheidenden Antrag auf Festsetzung dieser Position gestellt.

Ende der Entscheidung

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