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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 26.10.2005
Aktenzeichen: 8 WF 140/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, SGB XII


Vorschriften:

ZPO § 115 Abs. 1
BGB § 1578
SGB XII § 28 Abs. 1
SGB XII § 27 Abs. 2
1. Altersvorsorgeunterhalt ist zweckgebunden und steht jedenfalls dann für den allgemeinen Lebensunterhalt nicht zur Verfügung, wenn er zweckentsprechend verwendet wird. Er ist daher kein Einkommen im Sinn des § 115 Abs. 1 S. 1 ZPO. Andererseits ist auch die Verwendung des Altersvorsorgeunterhalts nicht vom Einkommen abzusetzen.

2. Die üblichen Aufwendungen für den Kindergarten gehören zu den Kosten des allgemeinen Lebensbedarfs, die durch Unterhalt und Freibeträge abgedeckt sind, wenn Kindesunterhalt gezahlt wird, der den monatlichen Regelsatz in der Sozialhilfe für das Kind erreicht oder übersteigt.


Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 8 WF 140/05

vom 26. Oktober 2005

In Sachen

wegen Ehescheidung

hier : Änderung der Prozesskostenhilfe für die Antragstellerin

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart durch Richter am Oberlandesgericht Rast als Einzelrichter gemäß § 568 Satz 1 ZPO

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts - Familiengericht - Tuttlingen vom 8.9.2005 dahin abgeändert, dass die Antragstellerin ab dem 1.10.2005 auf die Prozesskosten des vorliegenden Verfahrens monatliche Raten von 45,-- € zu zahlen hat.

2. Im übrigen wird die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts - Familiengericht - Tuttlingen vom 8.9.2005 zurückgewiesen.

3. Die mit der teilweisen Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin angefallene Gerichtsgebühr wird auf die Hälfte ermäßigt. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Antragstellerin war für das Scheidungsverfahren mit Folgesache vom Amtsgericht - Familiengericht - Tuttlingen mit Beschluss vom 30.4.2004 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt worden. Nachdem die Antragstellerin einer Aufforderung des Amtsgerichts folgend am 20.7.2005 eine neue Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen bei Gericht eingereicht und sie auf Nachfrage weitere Informationen erteilt hatte, änderte die Rechtspflegerin des Amtsgerichts - Familiengericht - Tuttlingen mit Beschluss vom 8.9.2005 die bewilligte Prozesskostenhilfe dahin ab, dass die Antragstellerin ab dem 1.10.2005 monatliche Raten von 95,-- € auf die Prozesskosten zu zahlen hat.

Gegen den am 12.9.2005 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 20.9.2005 Rechtsmittel eingelegt mit der Bitte, ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nochmals zu überprüfen.

Mit Beschluss vom 6.10.2005 hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts - Familiengericht - Tuttlingen die sofortige Beschwerde ohne Abhilfe dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist teilweise begründet und führt zur Herabsetzung der angeordneten monatlichen Ratenzahlungen auf 45,-- €.

1.

Zu Unrecht hat die Rechtspflegerin den Altersvorsorgeunterhalt als für die Prozessführung zur Verfügung stehendes Einkommen angesehen. Altersvorsorgeunterhalt ist zweckgebunden (vgl. Palandt-Brudermüller BGB 64. Aufl. § 1578 RN 64). Er steht daher für den allgemeinen Lebensunterhalt nicht zur Verfügung (vgl. auch VG Sigmaringen, Urteil vom 2.9.1999, AZ: 1 K 1740/97, zitiert nach Juris). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Mittel zweckentsprechend verwendet werden. Da nicht nur eine Rentenversicherung, sondern auch eine andere Kapitalbildung der Altersversorgung dienen kann, liegt eine zweckentsprechende Verwendung des Altersvorsorgeunterhalts auch dann vor, wenn die Antragstellerin neben einer Rentenversicherung aus dem Altersvorsorgeunterhalt auf eine Kapitalanlage bei der Bausparkasse Wüstenrot zahlt. Das von der Rechtspflegerin errechnete Einkommen der Antragstellerin vermindert sich daher um 225,81 €.

Andererseits sind die privaten Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 79,98 € dann nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen, weil diese nicht aus dem allgemein verfügbaren Einkommen, sondern aus dem beim Einkommen nicht berücksichtigten Altersvorsorgeunterhalt erbracht werden. Das von der Antragstellerin einzusetzende Einkommen vermindert sich danach um 145,83 € (225,81 € abzüglich 79,98 €).

Die Beiträge für eine Kapitallebensversicherung können grundsätzlich nicht abgesetzt werden (Kalthoener / Büttner / Wrobel-Sachs Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe 4. Aufl., RN 256). Angesichts der Verwendung des Altersvorsorgeunterhalts liegt eine Ausnahme nicht vor.

Nachdem die Krankenversicherungskosten der Antragstellerin vollumfänglich einkommensmindernd berücksichtigt wurden, ist es unschädlich, wenn der Krankenvorsorgeunterhalt trotz seiner Zweckgebundenheit als Einkommen eingestellt wurde.

2.

Das von der Antragstellerin einzusetzende Einkommen vermindert sich darüber hinaus um die Beiträge für die Familienversicherung (Unfall und Haftpflicht) in Höhe von monatlich 23,11 €. Nicht gesetzlich vorgeschriebene Versicherungen sind nach § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO einkommensmindernd zu berücksichtigen, wenn diese Versicherungen und deren Beiträge bezogen auf die üblichen und notwendigen Vorkehrungen einer durchschnittliche Familie gegen Risiken des täglichen Lebens und angesichts der konkreten Lebenssituation der Antragstellerin nicht überzogen sind (Kalthoener / Büttner / Wrobel-Sachs a.a.O. RN 255). Damit sind im Regelfall Ausgaben für übliche Unfall- und Haftpflichtversicherungen absetzbar (Kalthoener / Büttner / Wrobel-Sachs a.a.O.; Zöller-Philippi ZPO 25. Aufl., § 115 RN 23 m.w.N.). Besondere Umstände, die hier einer Berücksichtigung dieser Beiträge entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere sprengen die Beiträge für die Unfallversicherung nicht den angemessenen Rahmen.

Nicht vergleichbar ist diese Situation mit einer Unfallversicherung zur Absicherung einer Kapitallebensversicherung, wie sie dem von der Rechtspflegerin zitierten Beschluss des OLG Stuttgart vom 15.7.04 (AZ: 17 WF 110/04) zugrunde liegt.

3.

Die Aufwendungen für den Kindergarten gehören grundsätzlich zu den Kosten des allgemeinen Lebensbedarfs, die durch Unterhalt und Freibeträge abgedeckt sind. Im Platzgeld für den Kindergarten liegt keine besondere Belastung im Sinn des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO (OLG Naumburg OLGR 2000, 210; zum familienrechtlichen Mehrbedarf vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2004, 1129 zum BSHG; OLG Nürnberg FamRZ 2004, 1063; a.A. OLG Celle FamRZ 2003, 323; differenzierend OLG Zweibrücken OLGR 2002, 230). Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - Kindesunterhalt gezahlt wird, der den monatlichen Regelsatz in der Sozialhilfe für das Kind (derzeit 207,-- € nach der Verordnung der Landesregierung Ba.-Wü. über die Festsetzung der Regelsätze in der Sozialhilfe vom 14.6.2005, GBl S. 409) erreicht oder übersteigt. Durch diesen Regelsatz wird der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts abgedeckt (§ 28 Abs. 1 S. 1 SGB XII). Der Regelsatz umfasst damit auch den besonderen, durch Entwicklung und Heranwachsen von Kindern und Jugendlichen bedingten Bedarf (§ 27 Abs. 2 SGB XII) und damit grundsätzlich auch Kindergartenbeiträge, soweit nicht § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII eingreift, was bei der Unterbringung in einem üblichen Kindergarten nicht anzunehmen ist (Grube/Wahrendorf SGB XII, § 27 RN. 6; aA Fichtner/Wenzel Kommentar zur Grundsicherung, 3. Aufl. § 27 SGB XII RN 22). Dass die Beiträge für den Kindergartenbesuch nicht gesondert angesetzt werden können, ergibt sich weiter im Umkehrschluss aus § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII, der einen ausnahmsweise gesondert zu ersetzenden, von den Regelsätzen nicht umfassten Aufwand beschreibt.

Die übrigen von der Rechtspflegerin des Amtsgerichts nicht berücksichtigten Ausgaben der Antragstellerin (Steuern wohl für Kfz, Stadtwerke, Abfallgebühren, Zeitung und Telefon) gehören zu den allgemeinen Aufwendungen, die von dem Freibetrag der Partei umfasst sind und deshalb nicht gesondert einkommensmindernd abgezogen werden können.

4.

Danach verringert sich das von der Antragstellerin zur Begleichung der Prozesskosten einzusetzende Einkommen gegenüber der Berechnung der Rechtspflegerin von 279,36 € um 168,94 € auf 110,42 €. Gemäß § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO ergibt sich hieraus eine Monatsrate von 45,-- €, auf die der angefochtene Beschluss vom 8.9.2005 abzuändern war.

Soweit sich die Einkommensverhältnisse der Antragstellerin ab dem 1.1.2006 wesentlich ändern sollten, ist es der Antragstellerin unbenommen, gemäß § 120 Abs. 4 ZPO dann eine entsprechende Anpassung der Monatsraten zu verlangen.

5.

Angesichts des teilweisen Erfolgs der sofortigen Beschwerde ist gemäß Nr. 1811 KV / GKG die mit der teilweisen Zurückweisung der sofortigen Beschwerde angefallene Gerichtsgebühr nach billigem Ermessen auf die Hälfte zu reduzieren. Auf die außergerichtlichen Kosten kam § 127 Abs. 4 ZPO zur Anwendungen.

Ende der Entscheidung

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