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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 11.02.2009
Aktenzeichen: 8 WF 17/09
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 115 Abs. 1
ZPO § 115 Abs. 2
ZPO § 621 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
ZPO § 623 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
ZPO § 623 Abs. 2 S. 2
BGB § 1671 Abs. 1
Wird eine Sorgerechtssache bei gleichzeitig anhängigem Scheidungsverfahren nicht als Folgesache behandelt, über die im Scheidungsverbund zu befinden ist, sondern als selbstständige Familiensache, dann sind die in dem einen Verfahren angeordneten Prozesskostenhilfe-Raten in dem anderen für die Berechnung der dortigen Prozesskostenhilfe-Raten lediglich als besondere Belastung zu berücksichtigen.
Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 8 WF 17/09

11. Februar 2009

In der Familiensache

wegen Aufenthaltsbestimmungsrechts; hier: PKH-Änderung

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Tolk Richterin am Oberlandesgericht Tschersich Richter am Oberlandesgericht Grüßhaber

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Balingen - Familiengericht - vom 19. Dezember 2008, Az. 3 F 224/08, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

1.

Am 18. Juli 2008 reichte der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin einen Scheidungsantrag ein, der noch nicht beschieden ist und unter dem Aktenzeichen 3 F 222/08 beim Familiengericht Balingen geführt wird. Der Antragsgegnerin wurde Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 11. September 2008 bewilligt mit einer monatlichen Ratenzahlungspflicht von 60 €.

Ebenfalls am 18. Juli 2008 ging ein Antrag des Antragstellers unter dem Aktenzeichen 3 F 224/08 beim Familiengericht Balingen ein auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden mit dem Hauptsacheantrag zur Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts der minderjährigen Kinder der Parteien auf den Antragsteller. In diesem Verfahren wurde getrennt verhandelt am 14. August 2008 und eine das Verfahren erledigende Vereinbarung mit Kostenaufhebung getroffen. Mit Beschluss vom 11. September 2008 wurde der Antragsgegnerin wiederum Prozesskostenhilfe mit einer monatlichen Ratenzahlungspflicht von 60 € bewilligt. Hiergegen wurde kein Rechtsmittel eingelegt.

Am 25. November 2008 machte die Antragsgegnerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten im letzteren Verfahren geltend, dass sie nicht zweimal 60 € zahlen könne und bat um Überprüfung. Hierauf änderte die Rechtspflegerin den Bewilligungsbeschluss dahin ab, dass die monatlichen Raten auf 45 €, zahlbar ab 1. Januar 2009, reduziert werden.

Gegen die am 23. Dezember 2008 zugestellte Entscheidung hat die Antragsgegnerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten am 20. Januar 2009 Beschwerde eingelegt.

Die Rechtspflegerin hat nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

2.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig (§§ 127 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG), insbesondere liegt die erforderliche Beschwer der Antragsgegnerin vor.

Zwar wurde die Ratenhöhe gegenüber dem richterlichen Bewilligungsbeschluss im Nachverfahren herabgesetzt, wodurch die Antragsgegnerin nicht beschwert, sondern begünstigt wird. Auszugehen ist aber von ihrem Begehren, Raten in dem Verfahren bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht zu erheben, solange sie solche im Scheidungsverfahren zu zahlen hat. Diesem Anliegen wurde nicht entsprochen, sondern eine reduzierte Ratenhöhe festgesetzt, durch die sie im Vergleich zum angestrebten Ziel ihres Antrags beschwert ist.

Das Rechtsmittel ist jedoch in der Sache nicht begründet.

Die Familienrichterin hat ein gem. § 115 Abs. 1 ZPO einzusetzendes Einkommen von 190 € ermittelt. Hiervon geht auch die Antragsgegnerin aus.

Sie vertritt jedoch die Auffassung, dass sie entsprechend der Tabelle zu § 115 Abs. 2 ZPO aus diesem Einkommen nur einmal mit monatlich 60 € im Rahmen einer Prozesskostenhilfebewilligung belastet werden kann.

§ 115 Abs. 2 ZPO besagt, dass von dem einzusetzenden Einkommen unabhängig von der Zahl der Rechtszüge höchstens 48 Monatsraten entsprechend der angefügten Tabelle aufzubringen sind. Die Vorschrift beschränkt sich dabei auf ein Verfahren - unabhängig von dessen Anzahl der Rechtszüge -, nicht aber auf verschiedene Verfahren, denn es heißt dort nicht "unabhängig von der Zahl der Rechtsstreitigkeiten/Verfahren".

Die Kostensperre gilt nach § 115 Abs. 2 ZPO damit nur unabhängig von der Zahl der Rechtszüge des selben Verfahrens. Führt die Partei dagegen verschiedene Prozesse, so hat sie für jeden bis zu 48 Raten zu zahlen. Bei der Bewilligung der späteren - oder hier: gleichzeitigen - Prozesskostenhilfe sind jedoch die Ratenzahlungen aus der vorhergehenden - oder anderen - Bewilligung als besondere Belastung zu berücksichtigen (Philippi in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 115 Rdnr. 43 und 40; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl. 2005, Rdnr. 307; je m. w. N.; Motzer in Münchener Kommentar, ZPO, Bd. 1, 3. Aufl. 2008, § 115 Rdnr. 42).

Die Begrenzung auf 48 Monatsraten gilt, wenn es um den selben Streitgegenstand geht. Einheitliche Verfahren sind insoweit die verschiedenen Stufen einer Stufenklage (Philippi, a. a. O., § 115 Rdnr. 43; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a. a. O., Rdnr. 308 m. w. N.), das Scheidungsverbundverfahren, ein Hauptsacheverfahren und die mit ihm zusammenhängenden einstweiligen Anordnungen nach §§ 620 ff, 621g ZPO (Philippi, a. a. O., § 115 Rdnr. 43 m. w. N.).

Das Hauptsacheverfahren und das einstweilige Anordnungsverfahren bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechts stellen in diesem Sinne ein einheitliches Verfahren dar und wurden auch als solches behandelt.

Dieses wurde nicht in den Scheidungsverbund aufgenommen, sodass es mit der Scheidungssache kein einheitliches Verfahren gebildet hat.

Von der Anordnung der Ratenzahlung im Sorgerechtsverfahren (§§ 1626, 1631 Abs. 1, 1671 Abs. 1 BGB: das Aufenthaltsbestimmungsrecht gehört zur Personensorge) kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt abgesehen werden, dass dieses im Scheidungsverbund hätte verhandelt und entschieden werden müssen.

Nach § 1671 Abs. 1 BGB ist nur auf Antrag eines Elternteils über die Übertragung der elterlichen Sorge zu entscheiden, weil die Eltern nach der Grundkonzeption des KindRG unabhängig von ihrer Trennung oder Scheidung weiterhin die elterliche Sorge für ihre gemeinschaftlichen Kinder behalten. Werden jedoch Anträge zum Sorgerecht im Scheidungsverfahren gestellt, werden sie Folgesachen, selbst wenn sie nicht für den Fall der Scheidung verfolgt werden. Über sie ist im Scheidungsverbund zu befinden (vgl. zur Problematik: Philippi, a. a. O., § 623 Rdnr. 23b; Borth in Musielak, ZPO, 6. Aufl. 2008, § 623 Rdnr. 2 und 10 ff; Finger in Münchener Kommentar, ZPO, Bd. 2, 3. Aufl. 2007, § 623 Rdnr. 8 und 31;Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. 2007, § 623 Rdnr. 1a und 10 ff; je m. w. N.).

Es kann vorliegend dahinstehen, ob das isoliert anhängig gemachte Sorgerechtsverfahren bei gleichzeitig anhängigem Scheidungsverfahren im Verbund mit der Scheidungssache (§ 623 ZPO) hätte verhandelt und entschieden werden müssen

Denn § 623 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 ZPO i. V. m. § 621 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO und § 1671 Abs. 1 BGB sehen die Möglichkeit der Abtrennung auf Antrag eines Ehegatten und außerdem § 623 Abs. 3 ZPO die der Abtrennung von Amts wegen vor (Philippi, a. a. O., § 623 Rdnr. 32e ff; Borth, a. a. O., § 623 Rdnr. 11 und 12; Finger, a. a. O., § 623 Rdnr. 48 und 49; je m. w. N.).

Auf Grund der Gestaltungsbefugnis der Eltern bezüglich der Herbeiführung einer Sorgeregelung ermöglicht das Gesetz es ihnen, auch die Abtrennung des Sorgeverfahrens, das infolge des zeitlichen Zusammenhangs mit der Scheidungssache Folgesache ist, nach § 623 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu verlangen. Hierdurch können die Eltern bereits während der Trennungszeit eine Sorgeregelung erreichen (Borth, a. a. O., § 623 Rdnr. 2).

Die getrennte Einreichung der Anträge bezüglich Scheidung und Aufenthaltsbestimmungsrecht und die insoweit neben der Hauptsache zusätzlich begehrte einstweilige Anordnung (vgl. Philippi, a. a. O., § 623 Rdnr. 32e m. w. N.), um eine Entscheidung über die elterliche Sorge (Aufenthaltsbestimmungsrecht und Umgang) schon während der Trennung bei anhängigem Scheidungsverfahren zu ermöglichen, beinhaltete einen solchen Antrag gem. § 623 Abs. 2 Satz 2 ZPO, der der Verbindung mit der Scheidungssache entgegenstand.

Die Sorgerechtssache wurde deshalb als selbstständige Familiensache (§ 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO) geführt, weswegen ein einheitliches Verfahren mit der Scheidungssache nicht vorlag und auch nicht infolge des durch die isolierte Einreichung zugleich (konkludent) gestellten Abtrennungsantrags hätte herbeigeführt werden müssen.

Dann aber können die in dem Scheidungsverfahren von der Antragsgegnerin gezahlten Raten im Sorgerechtsverfahren lediglich als besondere Belastung berücksichtigt werden, was seitens der Rechtspflegerin in dem angefochtenen Beschluss beachtet wurde.

Durch den Abzug der monatlich an die Staatskasse zu leistenden 60 € verringert sich das gem. § 115 Abs. 1 ZPO einzusetzende Einkommen auf 130 €. Hieraus ergibt sich eine im vorliegenden Verfahren zu zahlende weitere Monatsrate von 45 € entsprechend der Tabelle zu § 115 Abs. 2 ZPO.

Die sofortige Beschwerde war deshalb mit der Kostenfolge von Nr. 1812 GKG-KV als unbegründet zurückzuweisen.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten des Beschwerdeverfahrens findet gem. § 127 Abs. 4 ZPO nicht statt.

Ende der Entscheidung

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