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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 10.03.2006
Aktenzeichen: 8 WF 31/06
Rechtsgebiete: ZPO, RPflG


Vorschriften:

ZPO § 115
ZPO § 120 Abs. 4
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 568 Satz 1
RPflG § 11 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 8 WF 30/06 8 WF 31/06 8 WF 35/06

vom 10. März 2006

In den Familiensachen

wegen

A) Nachehelicher Unterhalt = Verfahren AG Tuttlingen 1 F 864/04(= 8 WF 30/06)

B) Getrenntlebensunterhalt = Verfahren AG Tuttlingen 1 F 350/03 (= 8 WF 31/06)

C) Scheidung u.a. = Verfahren AG Tuttlingen 1 F 348/03 (=8 WF 35/06)

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgericht Stuttgart durch Richter am Oberlandesgericht Grüßhaber als Einzelrichter gemäß § 568 Satz 1 ZPO

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortigen Beschwerden der Klägerin werden die in den drei oben genannten Verfahren jeweils am 8.2.2006 ergangenen Ratenzahlungsanordnungsbeschlüsse aufgehoben.

Es verbleibt bis auf weiteres in allen drei Verfahren bei der der Klägerin ratenfrei bewilligten Prozesskostenhilfe.

2. Die Entscheidung ergeht in allen Verfahren gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind in allen Verfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihren Beschwerden in allen drei Verfahren dagegen, dass die Rechtspflegerin mit den o. g. Beschlüssen die einmalige Zahlung der auf die Klägerin entfallenden Prozesskosten - im Verfahren lit. A) 4.264,16 €, im Verfahren lit. B) 2.597,37 € und im Verfahren lit. C 2.234,88 € - angeordnet hat, weil die Klägerin aufgrund des im Verfahren lit. A) am 14.6.2005 zur Regelung beider Unterhaltsverfahren geschlossenen Unterhalts-Abfindungsvergleichs inzwischen bereits eine Unterhaltsabfindung in Höhe von insgesamt 20.000,-- € an Teilzahlungen erhalten hat.

1.) In den früher anhängig gewordenen Verfahren lit. C und B) hat die Antragstellerin bzw. Klägerin (im folgenden nur "Klägerin") die Scheidung ihrer zweiten Ehe und die Zahlung von Getrenntlebensunterhalt verlangt, im Verfahren lit. A) nach zwischenzeitlich erfolgter Ehescheidung die Zahlung von nachehelichem Unterhalt. In allen Verfahren wurde der Klägerin ratenfrei Prozesskostenhilfe bewilligt: Im Verfahren lit. C. mit Beschluss 5.6.2003, im Verfahren lit. B) mit Beschlüssen vom 23.6.2003 und 27.7.2005 (betreffend Änderung der Beiordnung) und im Verfahren lit. A) mit Beschluss vom 14.6.2005. Ausweislich der Bewilligungen vom vom 5.6.2003 und 23.6.2003 ( jeweils PKH-Heft) wurde damals von monatlichen Einkünften der Klägerin von 1.947,00 € ausgegangen, sowie von Belastungen von 1.939,-- €, so dass sich keine Ratenzahlungsverpflichtung ergab. Die Belastungen ergaben sich als Summe aus dem allgemeinen Freibetrag von 360,-- €, einem Erwerbstätigenfreibetrag von 141,-- €, einem Unterhaltsfreibetrag (Tochter) von 143,-- €, Unterkunftskosten von (einschließlich Nebenkosten) 685,-- € und besonderen Belastungen (u.a. Immobilienkredit) von 610,-- €. Bei dem berücksichtigten Einkommen war eine vorhandene, nicht eigen genutzte Eigentumswohnung berücksichtigt sowie im Gegenzug die für diese Wohnung zu bedienenden Kredite.

Aufgrund der Unterhaltsabfindungsregelung im geschlossenen gerichtlichen Vergleich, in dem sich der Beklagte zur Zahlung von 3 x 10.000,-- € Abfindung verpflichtet hat, hat die Rechtspflegerin die Klägerin darauf hingewiesen, dass - spätestens nach Zahlung der zweiten Rate - die Anordnung einer einmaligen Zahlung der auf die Klägerin entfallenden Prozesskosten gemäß § 120 Abs. 4 ZPO in Betracht komme.

Nach Bestätigung des Erhalts der zweiten Teilzahlung - erhaltene Zahlungen insgesamt 20.000,-- € - hat die Rechtspflegerin in den drei o. a. Verfahren mit Beschluss vom 8.2.2006 deshalb jeweils angeordnet, dass die Klägerin die auf sie entfallenden Gerichtskosten jeweils in einem einmaligen Betrag zu zahlen hat. Sie ist hierbei ohne nähere Aufschlüsselung davon ausgegangen, dass der gemäß § 115 ZPO vorrangige Bedarf der Klägerin weiterhin durch ihr laufendes Einkommen gedeckt ist, so dass sie die erlangte Unterhaltsabfindung abzüglich Schonvermögen voll zur Begleichung der Prozesskosten verwenden kann und muss (§ 120 Abs. 4 ZPO).

Die Klägerin hat gegen diese, ihr jeweils am 15.2.2006 zugestellten Beschlüsse durch Schriftsätze ihrer Bevollmächtigten vom 22. / 23.6.2006 sofortige Beschwerde eingelegt.

Sie macht unter Vorlage einer neuen Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse geltend, sie sei auch unter Berücksichtigung der erhaltenen Unterhaltsabfindungszahlungen nicht in der Lage und nicht verpflichtet, Raten auf die Prozesskosten zu zahlen. Ihre monatlichen Belastungen würden ihr Einkommen übersteigen. Sie habe mit den erhaltenen Vergleichszahlungen deshalb teilweise schon entstandene Rückstände (u.a. Bankschulden) zurückführen müssen und benötige die noch verfügbare Abfindungszahlung in gleicher Weise, um auch ihren künftigen Lebensbedarf bestreiten zu können. Die Unterhaltsabfindung müsse insoweit anteilig auf etwa 10 Jahre umgelegt werden, da sie dazu bestimmt sei, ihren (zusätzlichen) Lebensbedarf für die Zeit bis zum Eintritt in das Rentenalter auszugleichen.

Die Rechtspflegerin hat den Rechtsmitteln der Klägerin nicht abgeholfen und hat sie zur Entscheidung dem Oberlandesgericht vorgelegt.

II.

Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 127 Abs. 2 ZPO jeweils als sofortige Beschwerde statthaften Rechtsmittel der Klägerin sind auch sonst zulässig; insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Die Rechtsmittel haben auch in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat jedenfalls durch ihre Angaben im Beschwerdeverfahren hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie auch die erhaltenen Unterhaltsabfindungszahlungen zur Deckung ihres gegenüber der Verpflichtung zur Zahlung von Raten auf die Prozesskosten vorrangigen Lebensbedarfs benötigt hat und noch benötigt. Eine wesentliche Verbesserung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse i.S.v. § 120 Abs. 4 ZPO kann deshalb nicht festgestellt werden.

1.) Im Ausgangspunkt ist auch die Rechtspflegerin zutreffend davon ausgegangen, dass Unterhaltsabfindungszahlungen insoweit nicht zur ratenweisen Rückführung von Prozesskosten einzusetzen sind, als eine Partei die Abfindung benötigt, um ihren vorrangigen Lebensbedarf bestreiten zu können. Eine erhaltene Einmal-Abfindungszahlung ist insoweit auf einen angemessenen Zeitraum umzulegen (vgl. OLG Nürnberg, FamRZ 1995, 311; Zöller / Philippi, 25. Aufl., § 115 ZPO, RN 5 m.w.N.). Die zeitliche Erstreckung der Umlegung einer Abfindungszahlung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei es nicht zweckmäßig ist, durch zu kurzfristige Umlegung und daraus folgende Ratenzahlungsanordnungen die Partei für einen anschließenden Zeitraum absehbar auf die (ergänzende) Beantragung von öffentlichen Leistungen beim allgemeinen Sozialhilfeträger zu verweisen. Eine Abfindungszahlung ist im Prinzip auf den Zeitraum umzulegen für den sie erfolgt, soweit keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht kurzfristig wieder ändern werden (Kalthoener/Büttner Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4 Aufl. RN 217).

2.) Entgegen der Annahme der Rechtspflegerin gelangt das erkennende Gericht bei näherer Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin vorliegend zu dem Ergebnis, dass die derzeitigen Einkünfte der Klägerin nicht ausreichen, um ihren gegenwärtigen und absehbaren künftigen vorrangigen Lebensbedarf zu bestreiten.

a) Als Einkommen hat die Klägerin in ihrer neuen Erklärung vom 30.1.2006 weiterhin die schon bei Bewilligung der Prozesskostenhilfe bezogenen Renten und Mieteinnahmen aus einer fremd vermieteten Eigentumswohnung angegeben, die sich inzwischen auf 972,33 € (EU-Rente LVA), 518,-- € (private EU-Rente) und 389,74 € (Nettomiete) belaufen. Dies ergibt ein Einkommen insgesamt 1.880,07 €. Weitere Einkünfte aus einer geringfügigen Beschäftigung erzielt die Klägerin nach ihrer neuen Erklärung nicht mehr. Ebenso ist das Kindergeld für eines ihrer Töchter aus erster Ehe weggefallen.

b) Der vorrangige Lebensbedarf der Klägerin ergibt sich inzwischen wie folgt:

 Grundfreibetrag 380,00 €
Freibetrag für die wegen Arbeitslosigkeit unterhaltsberechtigte Tochter (geb. 1983) 307,00 €
Miete (einschl. Nebenkosten) 746,00 €
Versicherungen der Klägerin (Summe) 44,00 €
Krankenversicherung für die Tochter 127,00 €
Kreditkosten (einschl. Umschuldung) 615,00 €
Versicherungen für die Tochter (Summe) 57,00 €
Bedarf insgesamt 2.276,00 €.

Als vorrangiger Bedarf nicht zu berücksichtigen waren die von der Klägerin angegebenen Beträge für Lebensversicherungen für sich selbst und ihre Tochter. Derartige Aufwendungen zur Kapitalbildung sind nach dem Recht der Prozesskostenhilfe als Sonderform der Gewährung von Sozialhilfe nicht vorrangig.

c) Aus den vorstehenden Übersichten ergibt sich danach, dass der Lebensbedarf der Klägerin Höhe eines monatlichen Betrages von ca. 396,-- € durch ihr Einkommen ohne Unterhaltsabfindung nicht gedeckt war und ist.

Hiervon ist auch für Zeiträume schon vor Abschluss des Unterhaltsvergleichs auszugehen, auch wenn im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung in den Verfahren lit. C. und B zunächst von einer Deckung des vorrangigen Bedarfs durch das damalige laufende Einkommen ausgegangen wurde. Insoweit hat sich der vorrangige Lebensbedarf der Klägerin durch den Wegfall des Kindergelds für eine Tochter sowie den Wegfall der Unterhaltszahlung des Vaters der arbeitslosen Tochter sowie u. a. den Anstieg ihrer Mietkosten erhöht. Auch entfalteten die Bewilligungsentscheidungen bezüglich der dort berücksichtigen Beträge keine materielle Rechtskraft im Sinne einer Bindung für spätere Abänderungsentscheidungen.

Es war danach aufgrund der Angaben der Klägerin davon auszugehen, dass sie die unmittelbar nach Vergleichsschluss am 14.6.2005 erhaltene Abfindungszahlung in Höhe von insgesamt 5.400,-- € zur Rückführung von Tilgungsrückständen bei ihren Bankschulden sowie in Höhe von 500,-- € zur Rückführung eines privaten Kredits benötigt hat. Von den beiden ersten Vergleichs-Raten von zusammen 20.000,-- € abzüglich Schonvermögen von 2.567,--€, o.g. Schuldentilgung und eines laufenden zusätzlichen Bedarfs für Juli 2005 bis Januar 2006 von ca. 2.300,-- € verblieben somit knapp 9.200,--€. Bei einem Jahresfehlbedarf von ca. 4.750,-- € wurde das Restguthaben danach innerhalb von knapp. 2 weiteren Jahren ab Vergleichsschluss aufgezehrt. Auch die weitere Teilzahlung von 10.000,--€ im Januar 2007 genügt zur Deckung des absehbaren weiteren Lebensbedarfs der Klägerin danach nur für einen Zeitraum von insgesamt weniger als 5 Jahren.

Ein Unterhaltsabfindungsbetrag ist zwar nur auf einen angemessenen Zeitraum umzulegen. So kann bei einer Abfindungszahlung für Arbeitseinkommen im Normalfall eine Umlegung auf 12 bis 18 Monate in Betracht kommen (vgl. Nachweise bei Zöller, a.a.O.).

Im vorliegenden Fall erscheint es angemessen, die erhaltene Unterhaltsabfindungszahlung jedenfalls auf die o. a. Zeiträume umzulegen, so dass zur Bestreitung von Raten auf die Prozesskosten bei im übrigen unveränderten Lebensverhältnissen nicht zur Verfügung steht. Von einer längeren Dauer der derzeit maßgeblichen Lebensumstände ist bei der Klägerin auszugehen. Diese ist berufs- und erwerbsunfähig krank und lebt im wesentlichen bereits aus Renteneinnahmen. Die unterhaltsberechtigte Tochter der Klägerin aus ihrer ersten Ehe ist nach ihren Angaben lernbehindert und arbeitslos und erhält auch keine Arbeitslosenhilfe. Ebenso besteht kein Kindergeldanspruch mehr.

Eine andere Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin über eine nicht eigen genutzte Eigentumswohnung verfügt. Deren Verwertung wurde ihr schon anlässlich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht aufgegeben. Bei einem geschätzten Verkehrswert von 100.000,-- € und bestehenden Bankverbindlichkeiten von ca. 79.000,-- € wäre die Erzielung eines Übererlöses auch nicht ohne weiteres zu erwarten.

Ebenso ergibt sich eine abweichende Würdigung jedenfalls derzeit auch nicht daraus, dass die Klägerin eine verhältnismäßig teure 5-Zimmerwohnung bewohnt, die sie für sich und ihre Tochter nicht zwingend benötigt. Die mögliche Ersparnis im Fall des Umzugs in eine günstigere, gegebenenfalls kleinere Wohnung abzüglich Umzugskosten - zu entsprechenden Bemühungen wäre die Klägerin nicht vor einer entsprechenden gerichtlichen Aufforderung verpflichtet - kann jedenfalls nicht von vorneherein so hoch angesetzt werden, dass sich die vorstehende Bilanz für die Klägerin so stark verbessern würde, dass sie wesentliche Teile der erhaltenen Abfindungszahlung schon jetzt absehbar zur Bestreitung von Prozesskosten einsetzen müsste.

4.) Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin waren danach die Ratenzahlungs-Anordnungsbeschlüsse vom 8.2.2005 in allen Verfahren wieder aufzuheben, so dass es bis auf weiteres bei der der Klägerin ratenfrei bewilligten Prozesskostenhilfe in allen Verfahren verbleibt.

Die vorliegende Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (Nr. 1811 KV / GKG). Außergerichtliche Kosten in den Beschwerdeverfahren sind gemäß § 127 Abs. 4 ZPO unabhängig vom Ausgang der Rechtsmittel nicht zu erstatten.

Ende der Entscheidung

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