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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 23.07.2001
Aktenzeichen: 8 WF 34/01
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 121
BRAGO § 125

Entscheidung wurde am 14.09.2001 korrigiert: Titel durch Stichworte ersetzt
Ein beigeordneter Rechtsanwalt kann durch Erklärung gegenüber dem Prozessgericht auf seinen bereits entstandenen Vergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse wirksam verzichten, um die Beiordnung eines anderen, von der bedürftigen Partei bevorzugten Anwalt zu ermöglichen, obwohl die Voraussetzungen des § 125 BRAGO nicht erfüllt sind.
Geschäftsnummer: 8 WF 34/2001 27 F 503/2000 AG Stuttgart - FamilienG -

Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

vom 23. Juli 2001

In der Familiensache

wegen Ehescheidung,

hier: Vergütungsfestsetzung nach § 121 BRAGO

Gründe:

I. Der damals noch in Berlin wohnende Antragsteller hatte über eine in Berlin ansässige Rechtsanwältin unter Beantragung von Prozesskostenhilfe Antrag auf einverständliche Scheidung gestellt. Nach richterlichem Hinweis hat die Berliner Anwältin ihre Beiordnung als Verkehrsanwältin und die Beiordnung einer Rechtsanwältin in Stuttgart als Hauptbevollmächtigte beantragt. Demgemäß hat der Richter des Amtsgerichts Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und die jetzige Beschwerdeführerin als Hauptbevollmächtigte (und die Berliner Anwältin als Verkehrsanwältin) beigeordnet.

Nachdem der - inzwischen ebenfalls nach Stuttgart umgezogene - Antragsteller hier einen anderen Rechtsanwalt beauftragt und dieser einen erneuten Antrag auf PKH-Bewilligung unter seiner Beiordnung gestellt hatte, erschienen im Termin neben dem Antragsteller persönlich sowohl die beigeordnete Rechtsanwältin und als auch der neu beauftragte Rechtsanwalt. Nach Erörterung der unterschiedlichen Darstellungen über die Kontaktaufnahme zwischen dem Antragsteller und der ihm beigeordneten Rechtsanwältin und nach richterlichem Hinweis, dass derzeit keine Rechtfertigung für eine Änderung der Beiordnung gegeben sei, enthält das Sitzungsprotokoll folgende Angaben:

"... erklärte der Antragsteller:

Ich möchte im weiteren Verfahren von Herrn Rechtsanwalt ... vertreten werden und verpflichte mich, die für Rechtsanwältin ... entstandenen Gebühren unmittelbar an diese zu bezahlen.

Nach Diktat genehmigt.

Frau Rechtsanwältin ... und Herr Rechtsanwalt... verständigen sich dahingehend, dass sie die Gebührenfrage untereinander abwickeln werden.

Beschlossen und verkündet:

Die Prozesskostenhilfebewilligung für den Antragsteller wird dahingehend abgeändert, dass Rechtsanwältin ... entpflichtet und dem Antragsteller Rechtsanwalt ... beigeordnet wird."

Anschließend wird die weitere Beiordnung der Verkehrsanwältin in Berlin aufgehoben und im weiteren Verlauf des Termins die Ehe von Antragsteller und Antragsgegnerin rechtskräftig geschieden.

Nachdem die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle sowohl die Vergütung der Verkehrsanwältin als auch die des später beigeordneten Rechtsanwalts antragsgemäß in vollem Umfange festgesetzt hatte, hat sie den Vergütungsantrag der entpflichteten Rechtsanwältin - in Höhe einer Prozessgebühr - zurückgewiesen. Nach erfolgloser Erinnerung verfolgt die entpflichtete Rechtsanwältin den Vergütungsanspruch mit der Beschwerde weiter. Der später beigeordnete Anwalt wurde am Beschwerdeverfahren beteiligt.

II. Die nach § 128 Abs. 4 BRAGO zulässige Beschwerrde der zunächst beigeordnete Rechtsanwältin hat im Ergebnis keinen Erfolg.

1. Zutreffend ist der Ansatz der Beschwerde, dass ein durch die Beiordnung des Rechtsanwalts entstandener Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse nur unter besonderen Umständen wieder entfallen kann.

Entgegen der missverständlichen Formulierung in der Erinnerungsentscheidung ist hier ein Fall der Aufhebung der Beiordnung aus wichtigem Grunde (§ 48 Abs. 2 BRAO) nicht gegeben; weder die protokollierten Erklärungen der beteiligten Rechtsanwälte noch der richterliche Beiordnungs-Abänderungsbeschluss können eine solche Annahme rechtfertigen.

Auch die Voraussetzungen des § 125 BRAGO, wonach der beigeordnete Rechtsanwalt seinen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse verliert, wenn er durch schuldhaftes Verhalten die Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts veranlasst, ist hier nicht erfüllt. Vielmehr hat die Erörterung im Termin hinsichtlich der Bemühungen des Antragstellers, mit der ihm beigeordneten Rechtsanwältin in Kontakt zu treten, beim Richter den Eindruck begründet, dass dieser ein entsprechender Verschuldensvorwurf nicht gemacht werden kann.

Zutreffend ist schließlich auch die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass sie von der Staatskasse nicht einfach darauf verwiesen werden kann, ihren Vergütungsanspruch unmittelbar - wie im Terminsprotokoll festgehalten - gegen die Partei geltend zu machen. Denn der Vergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse ist risikofrei, während der Anspruch der Beschwerdeführerin gegen den Antragsteller mit erheblichen Risiken hinsichtlich Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft behaftet ist (vgl. auch § 3 Abs. 4 BRAGO).

Grundsätzlich hat eine bedürftige Partei nur Anspruch auf die Beiordnung eines Rechtsanwalts mit der Folge, dass ohne Verschulden des beigeordneten Anwalts eine vergütungspflichtige Zweitbestellung nicht erfolgen darf. Die Partei kann allerdings durch Kündigung des Mandatsverhältnisses dem beigeordneten Anwalt jederzeit die Befugnis entziehen, sie weiter zu vertreten und vergütungspflichtige Prozesshandlungen vorzunehmen, was freilich in der Regel zur Folge hat, dass für die Beiordnung eines 2. Anwalts keine Prozesskostenhilfe bewilligt wird.

2. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage hat sich einerseits die Auffassung herausgebildet, dass das Prozessgericht nicht befugt sei, im Falle der Beiordnung eines neuen Rechtsanwalts die Höhe seiner Gebühren bereits im Bewilligungsbeschluss in einer für das Festsetzungsverfahren maßgebenden Weise zu beschränken (OLG Hamm JurBüro 1957, 385; FamRZ 1995, 748; KG MDR 1959, 937; JurBüro 1981, 706; OLG Karlsruhe Die Justiz 1987, 429; JurBüro 1991, 80). Als tragender Grund für diese Ansicht wird angeführt, dass es keine gesetzliche Bestimmung gebe, die es erlaube, den Vergütungsanspruch des zweiten Anwalts der Höhe nach zu kürzen. Andererseits führt auch eine rückwirkende Aufhebung der Beiordnung nicht zum Entzug einer bereits angefallenen Vergütung (OLG Zweibrücken JurBüro 1984, 238) Diese auch im Schrifttum geteilte Ansicht war ersichtlich auch hier dem Familienrichter im Termin bewusst.

Allerdings wird eine solche Beschränkung nur dann für unwirksam erachtet, wenn sie nicht mit Zustimmung des davon betroffenen Anwalts angeordnet wird. Es besteht kein Zweifel, dass ein vergütungsberechtigter Anwalt anlässlich der Entscheidung über seine Beiordnung gegenüber der Staatskasse auf eine Vergütung oder Teile davon verzichten kann. Ein solcher Verzicht ist wirksam (deutlich KG JurBüro 1982, 1693 in Abgrenzung zu JurBüro 1981, 706; OLG Celle NdsRpfl 1990, 156), wobei es keinen Unterschied machen kann, welcher der beiden Anwälte den Verzicht erklärt.

Die Ansicht der Beschwerdeführerin, ein beachtlicher Verzicht ihrerseits auf ihren entstandenen Vergütungsanspruch könne schon mangels Annahme einer solchen Erklärung nicht in Betracht kommen, greift nicht durch. ... Jedoch kann die Ansicht, der Richter sei zur Entgegennahme eines solchen Verzichts nicht empfangsberechtigt, nicht geteilt werden. Der Richter, der gesetzlich befugt ist, durch Beiordnung - und deren Beschränkung - zu Lasten der Staatskasse Vergütungen zuzusagen, ist kraft Sachzusammenhangs auch befugt, Erklärungen entgegen zu nehmen, die eine Belastung der Staatskasse vermindern oder vermeiden. Aus der richterlichen Verpflichtung, vermeidbare Mehrbelastungen der Staatskasse auszuschließen (vgl. OLG Celle aaO), folgt auch seine Befugnis zur Entgegennahme diesbezüglicher Erklärungen der Anspruchsberechtigten. Hier hat der Richter - wie er in seiner Stellungnahme bestätigt hat - die protokollierte Verständigung der Beschwerdeführerin und des neuen Anwalts zur Voraussetzung für die Änderung der Beiordnungsentscheidung gemacht. Es ist kein rechtlicher Gesichtspunkt erkennbar, warum der zur Bewilligung berufene Richter nicht die Prozesserklärungen der beteiligten Anwälte zur Grundlage seiner Beiordnungsentscheidung sollte machen können.

Somit muss sich die Beschwerdeführerin ihre Erklärung, sie werde die Gebührenfrage mit dem anderen Anwalt "abwickeln", als Verzicht auf ein eigenen Vergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse entgegenhalten lassen; sie ist gehalten, sich mit diesem zu einigen.

Ob darüber hinaus die Rechtsinstitute von Treu und Glauben bzw. Verwirkung bemüht werden müssen (vgl. OLG Hamm FamRZ 1995, 748, 749), bedarf keiner näheren Erörterung.

Ende der Entscheidung

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