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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 30.06.2005
Aktenzeichen: 8 WF 55/05
Rechtsgebiete: ZPO, BSHG, SGB XII


Vorschriften:

ZPO § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1b n. F.
ZPO § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4
ZPO § 115 Abs. 2 n. F.
ZPO § 120 Abs. 4 Satz 1
ZPO § 120 Abs. 4 Satz 3
ZPO § 568 Satz 1
BSHG § 22
SGB XII § 28
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Stuttgart - 8. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 8 WF 55/05

vom 30. Juni 2005

wegen Unterhalt

hier: Sofortige Beschwerde gegen Abänderung der Prozesskostenhilfe für die Klägerin

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart durch Richter am Oberlandesgericht Rast als Einzelrichter gemäß § 568 Satz 1 ZPO

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts - Familiengericht - Rottenburg vom 14.12.2004 dahin abgeändert, dass die von der Klägerin ab 1.3.2005 zu erbringenden monatlichen Ratenzahlungen auf die Prozesskosten 15,00 € betragen.

2. Im übrigen wird die sofortige Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Klägerin war mit Beschlüssen vom 27.10.2000 und 26.6.2001 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt worden. Nachdem Ratenzahlungsverpflichtungen der Klägerin auf die Prozesskostenhilfebewilligung in anderen Verfahren ausgelaufen war, ordnete die Rechtspflegerin des Amtsgerichts - Familiengericht - Rottenburg mit Beschluss vom 14.12.2004 für das vorliegende Verfahren monatliche Ratenzahlungen in Höhe von 60,-- € auf die Prozesskosten an.

Gegen den am 16.12.2004 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 29.12.2004 die sofortige Beschwerde eingelegt, weil sie nach ihren Einkommensverhältnissen nicht in der Lage sei, Raten zu zahlen. Im übrigen habe sie bereits die Höchstzahl von 48 Raten bezahlt. In einem Scheidungsverfahren müssten die Verbundsachen bei der Ermittlung der gesetzlich gestatteten Höchstzahl von Raten zusammen berücksichtigt werden.

Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Tübingen ist der sofortigen Beschwerde entgegengetreten.

Mit Verfügung vom 12.5.2005 hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts - Familiengericht - Rottenburg die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart ohne Abhilfe zur Entscheidung vorgelegt.

Gegenüber dem Oberlandesgericht hat die Klägerin weitere Angaben zur ihren wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache weitgehend begründet und führt zur Reduzierung der angeordneten monatlichen Ratenzahlung auf 15,- €.

1.

Der Anordnung von Ratenzahlung steht nicht schon die Höchstzahl von 48 Monatsraten gemäß § 115 Abs. 2 ZPO n. F. entgegen. Zutreffend sind die Rechtspflegerin des Amtsgerichts und die Bezirksrevisorin davon ausgegangen, dass die Höchstzahl von 48 Monatsraten für jedes einzelne, selbständige Verfahren und die darin ausgesprochenen Prozesskostenhilfebewilligungen gilt. Entgegen der Auffassung der Klägerin würde dies im vorliegenden Fall nicht dazu führen, dass sie noch ca. 10 Jahre Raten zu bezahlen hätte. Gemäß § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO i.V.m. § 115 Abs. 2 ZPO n. F. endet eine Ratenzahlungsverpflichtung einer Partei spätestens 8 Jahre nach rechtskräftiger Entscheidung oder sonstiger Beendigung des Verfahrens.

2.

Gemäß § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO konnte die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Ratenzahlungen der Klägerin anordnen, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin seit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in diesem Verfahren wesentlich geändert haben und die Verbesserung der maßgebenden Verhältnisse dazu führt, dass Ratenzahlungen zu erbringen sind.

a) Aus der Lohnbescheinigung für November 2004 ist zu entnehmen, dass sie für die ersten 11 Monate des Jahres 2004 ein Gesamteinkommen netto von 10.929,75 €, also 993,61 € netto pro Monat hatte. Zuzüglich des Kindergelds von 462,-- €, das bei Berücksichtigung des durch Unterhaltsleistungen nicht abgedeckten Freibetrags der Kinder und der Kosten der Unterkunft und Heizung vollständig anzusetzen ist (BGH FamRZ 2005, 790; 605), ist von einem monatlichen Gesamteinkommen der Klägerin von 1.455,61 € auszugehen.

b) Weil die Klägerin ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt, ist gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1b ZPO n. F. hiervon ein Betrag von 173,-- € und für sie selbst ein Freibetrag von 380,-- € abzuziehen. Die Unterhaltszahlungen des Vaters ihrer Kinder decken die Freibeträge für ... und ... von jeweils 266,-- € ab. Lediglich für ... verbleibt ein abzuziehender restlicher Freibetrag in Höhe von 27,03 €.

c) Die Kosten für Miete und Heizung können lediglich zur Hälfte einkommensmindernd abgesetzt werden. Die Kosten der Unterkunft und Heizung sind in der Regel bei Ehegatten, Familienangehörigen, nichtehelichen Lebensgemeinschaften und anderen Wohngemeinschaften nach Kopfteilen aufzuteilen (OLG Koblenz FamRZ 1997, 679, 680; MDR 2000, 728, 729; OLG Köln FamRZ 2003, 1394; Zöller-Philippi ZPO 25. Aufl., § 115 RN 37a). Die Ausführungen der Klägerin zur Beteiligung ihres nichtehelichen Lebensgefährten an den Kosten der Gemeinschaft geben keine Veranlassung, hier von diesem Grundsatz abzuweichen.

d) In Ansehung oder während des Prozesses oder danach eingegangene Verpflichtungen sind grundsätzlich nicht als besondere Belastungen zu berücksichtigen, da von diesem Zeitpunkt an der Begünstigte seine Lebensführung auf den bevorstehenden Prozess bzw. auf seine gesetzlich vorgesehene Ratenzahlungsverpflichtung einrichten muss. Insbesondere sind Zahlungsverpflichtungen nicht zu berücksichtigen, wenn sie von der Partei bewusst eingegangen wurden, um sich hilfsbedürftig zu machen (Kalthoener / Büttner / Wrobel-Sachs Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe 3. Aufl., RN 294). Verbindlichkeiten, die während oder nach dem Prozess entstanden sind, sind jedoch dann zu berücksichtigen, wenn es sich um sogenannte lebenswichtige Anschaffungen gehandelt hat, der sich die Partei nicht entziehen konnte.

Nachdem die Klägerin Kinder hat, ist es - auch angesichts ihres Wohnorts - nachvollziehbar, dass für die Lebensführung der Klägerin und ihrer Kinder ein Familienfahrzeug unabweisbar ist. Die monatlichen Raten hierfür von 110,-- € übersteigen den angemessenen Umfang angesichts der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin nicht.

Anwaltskosten und Verbindlichkeiten für Anwaltskosten sind nur insoweit abzugsfähig, als die Anwaltskosten aus früheren Prozessen stammen (OLG Köln FamRZ 1993, 579; Kalthoener / Büttner / Wrobel-Sachs a.a.O. RN 285; Zöller, a.a.O. RN 41). Aus dem Vortrag der anwaltlich vertretenen Klägerin ist nicht erkennbar, warum vorliegend Anwaltskosten entstanden waren, die nicht von Prozesskostenhilfe gedeckt waren und deshalb ein Ratenkredit benötigt worden war. Insbesondere ist daraus nicht ersichtlich, dass die Anwaltskosten vor der Erstbewilligung von Prozesskostenhilfe entstanden wären. Belege über den Entstehungsgrund dieser Kosten wurden nicht vorgelegt. Die Raten auf den seit 15.6.2003 laufenden Ratenkredit in Höhe von 122,-- € sind danach nicht berücksichtigungsfähig.

e) Die Aufwendungen der Klägerin für die Kernzeitbetreuung, die Fahrtkosten und das Schulgeld für ihre Kinder in Höhe von insgesamt 126,-- € sind als besondere Belastungen abzugsfähig.

f) Die Klägerin darf darüber hinaus als besondere Belastung im Sinn des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO 40 % des Eckregelsatzes (Regelsatz für den Haushaltsvorstand) nach § 22 BSHG, jetzt § 28 SGB XII als Mehrbedarf abziehen. Dieser Abzug beruht darauf, dass die Klägerin drei sich in der Schule befindliche Kinder im Alter von 10 Jahren, 15 Jahren und 17 Jahren allein erzieht und im Hinblick hierauf überobligatorisch arbeitet (vgl. Senat, Beschluss vom 15.10.2004, AZ: 8 WF 107/04 m.w.N.). Ob und in welchem Umfang eine Erwerbsobliegenheit besteht, ist nach den gesamten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (BGH FamRZ 1990, 283 = NJW-RR 1990 323, 325 f.). Der Betreuung von drei Kindern unter 18 Jahren steht eine Erwerbsobliegenheit nicht schlechthin entgegen. Angesichts des Alters der drei Kinder der Klägerin, die alle noch die Schule besuchen, ist auch unter Berücksichtigung des Zusammenlebens mit einem neuen Lebensgefährten eine Erwerbsobliegenheit der Klägerin über eine Halbtagstätigkeit hinaus zu verneinen (vgl. zum Ganzen auch Palandt-Brudermüller, BGB 64. Aufl., § 1570 RN 7 ff.).

Nach der Verordnung der Landesregierung über die Festsetzung der Regelsätze in der Sozialhilfe beträgt der Eckregelsatz für den Haushaltsvorstand seit dem 1.1.2005 345,-- €. Aufgrund ihrer überobligatorischen Erwerbstätigkeit und der damit verbundenen besonderen Belastungen angesichts ihrer drei minderjährigen Kinder sind 40 % dieses Eckregelsatzes, also 138,-- € als besondere Belastung vom Einkommen der Klägerin abzuziehen.

3.

Das einzusetzende Einkommen ermittelt sich danach wie folgt:

 Verdienst: 993,61 € netto
Kindergeld + 462,00 €
Erwerbstätigenfreibetrag - 173,00 €
Freibetrag Partei - 380,00 €
Freibetrag Kinder - 27,03 €
Miete (1/2) - 475,00 €
Raten Pkw - 110,00 €
besondere Belastungen - 126,00 €
überobligatorische Tätigkeit - 138,00 €
verbleibendes einzusetzendes Einkommen: 26,58 €.

Danach hat die Klägerin Raten in Höhe von 15,-- € pro Monat zu zahlen. Dementsprechend war der Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts - Familiengericht - Rottenburg vom 14.12.2004 abzuändern.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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