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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 02.02.2000
Aktenzeichen: 9 U 162/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Leitsatz:

Der Vermieter einer Immobilie muß nicht über solche Umstände aufklären, die jedermann bei Besichtigung der Immobilie und ihrer Umgebung ohne weiteres feststellen könnte (hier: Lage an einer S-Bahn-Linie, Wohnumfeld, äußerer Erhaltungszustand der Immobilie).


Oberlandesgericht Stuttgart - 9. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 9 U 162/99 4 O 33/99 LG Ulm

Verkündet am: 02. Februar 2000

Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Reinhardt, Just. Ang.'e

In der Berufungssache

wegen Schadenersatzforderung

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 1999 unter Mitwirkung von

Vors. Richterin am OLG Dr. Steidel-Sigrist

Richter am OLG Ehmann

Richterin am OLG Weitbrecht

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Ulm vom 02.07.1999 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerinnen haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 18.000,- DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer der Klägerinnen: 180.155, 42 DM.

Tatbestand:

Die Klägerinnen sind Erbinnen ihres am 16.12.1998 verstorbenen Vaters Helmut K. Sie machen gegen den Beklagten Schadenersatz wegen fehlerhafter Vermittlung einer als Kapitalanlage dienenden Eigentumswohnung geltend.

Helmut hat am 19.12.1992 ein notariell beurkundetes Angebot zum Abschluß eines Geschäftsbesorgungsvertrages und sonstiger Dienstleistungs- und Garantieverträge gegenüber der V GmbH Steuerberatungsgesellschaft abgegeben (Anl. K 6). Auf der Grundlage dieses von ihr angenommenen Antrages schloß die am 26.01.1993 mit der M GmbH für Helmut K einen notariellen Kaufvertrag über die Eigentumswohnung Nr. 45 in E, (Anl. K 2). Nach Nr. II.1. des Vertrags beträgt der Kaufpreis 110.946,-- DM. Nach Nr. II. 2. ist zusätzlich für noch durchzuführende Renovierungsarbeiten eine Sonderumlage von 15.695,- DM vereinbart. Zuvor wurde Helmut K der Prospekt der M übergeben (Anl. K 1). Nach Seite 8.1 des Prospekts beträgt der Gesamtaufwand für die von Helmut K erworbene Wohnung Nr. 45 DM 141.974,--. Dieser Betrag enthält neben dem Kaufpreis und der Sonderumlage eine Nebenkostengarantiegebühr von 809,- DM, eine Finanzierungsvermittlungsgebühr von 3.152,- DM, eine Gebühr für Steuerberatung/ Geschäftsbesorgung von 2.839,- DM, eine Mietgarantiegebühr von 2.428,- DM und Nebenkosten von 6.105,- DM. Die garantierte Miete ist mit monatlich 514,- DM angegeben. Die Finanzierung erfolgte über die C bank (Anl. K 4). Helmut K erfuhr von der Eigentumswohnung durch seine Lebensgefährtin, die Zeugin U. Diese wurde durch ihren Bruder, den Zeugen K auf das Objekt aufmerksam. Beide Zeugen hatten durch Vermittlung des Beklagten schon zuvor in dem Objekt je eine Eigentumswohnung erworben.

Die Klägerinnen haben vorgetragen, der Beklagte habe ihrem Vater in Aussicht gestellt, ab sofort keine Steuer mehr zahlen zu müssen; die Immobilie trage sich selbst, sei jederzeit veräußerbar und erfahre binnen vier Jahren eine Wertsteigerung zwischen 40.000,-- DM und 50.000,-- DM. Tatsächlich sei jedoch eine monatliche Belastung entstanden, die Helmut K nicht zu tragen vermocht habe. Der Beklagte habe außerordentliche Aufwendungen für die Hausverwaltung nicht genannt. Auch sei das Objekt nicht oder nur weit unter Wert veräußerbar. Der Kaufpreis sei von Anfang an überhöht gewesen. Auf die schlechte Wohnlage, die Nähe zu einer S-Bahn-Linie und das soziale Umfeld (bis 1991 habe es sich um Sozialwohnungen gehandelt), habe der Beklagte nicht hingewiesen. Die finanziellen Verhältnisse des überschuldeten Helmut K habe der Beklagte gekannt; er habe auch die Finanzierung vermittelt.

Die Klägerinnen haben zuletzt beantragt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen 970.955,42 DM nebst 12,5 % Zinsen aus 86.175,- DM seit 20.06.1997, sowie 12,5 % Zinsen aus 16.105,10 DM seit Zustellung des Mahnbescheids, sowie 12,5 % Zinsen aus weiteren 20.205,10 DM seit Rechtshängigkeit der Klagerweiterung sowie 12,5 % Zinsen aus weiteren 47.670, 22 DM seit Rechtshängigkeit der Klagerweiterung gem. Schriftsatz vom 21.04.1999, 30,-- DM vorgerichtliche Mahnkosten Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums an der Eigentumswohnung Nr. 45 gem. Aufteilungsplan im 2. Obergeschoß rechts, erstens rechts gelegene Wohnung in E, nebst dazu gehörigem Kellerraum Nr. 45 gem. Aufteilungsplan auf den Beklagten - zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen den aus dem Erwerb der Eigentumswohnung Nr. 45 gem. Aufteilungsplan im zweiten Obergeschoß rechts, erstens rechts gelegene Wohnung in E, nebst dazu gehörigem Kellerraum Nr. 45 gem. Aufteilungsplan ab 1997 entstandenen Schaden zu ersetzen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte macht geltend, er habe lediglich den Kontakt zur Treuhandfirma hergestellt. Die Finanzierung habe er nicht vermittelt. Allenfalls habe er eine Beispielsrechnung aufgestellt, jedoch nie in Aussicht gestellt, daß sich die Wohnung selbst trage oder daß sie nach zwei Jahren mit Gewinn verkauft werden könne. An Einzelheiten des Gesprächs mit Helmut K könne er sich angesichts des Zeitablaufs nicht mehr erinnern. Die Schadensberechnung der Klägerinnen sei nicht nachvollziehbar.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf das angefochtene Urteil wird Bezug genommen.

Gegen das ihrem Prozeßbevollmächtigten am 29.07.1999 zugestellte Urteil haben die Klägerinnen mit einem am Montag, 30.08.1999, eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit einer am 29.10.1999 eingegangenen Begründung versehen haben, nachdem die Frist zur Berufungsbegründung durch Verfügung der Vorsitzenden auf 02.11.1999 verlängert worden war.

Die Klägerinnen wiederholen und vertiefen ihren Sachvortrag im ersten Rechtszug. Im wesentlichen tragen sie vor; der Verkehrswert der Immobilie habe tatsächlich nur rund 80.000,-- DM betragen. leben dem zu erwartenden erheblichen Wertzuwachs von 40.000,-- DM bis 50.000,-- DM innerhalb von vier Jahren habe der Beklagte in Aussicht gestellt, daß sich die Immobilie selbst trage. Die wertbelastenden Umstände, die Lage der Immobilie Lind die frühere Sozialbindung habe er verschwiegen. Der Beklagte habe von Anfang an gewußt, daß die Finanzierung mangels ausreichender Erwerbseinkünfte scheitern müsse.

Die Klägerinnen beantragen:

1. Das Urteil des Landgerichts Ulm vom 26.07.1999 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen 170.155,42 DM nebst 12,5 % Zinsen aus 86.175,- DM seit dem 20.06.1997 sowie 12,5 % Zinsen aus 16.105,10 DM seit Zustellung des Mahnbescheides sowie 12,5 % Zinsen aus weiteren 20.205,10 DM seit Rechtshängigkeit der Klagerweiterung sowie 12,5 % Zinsen aus weiteren 47.670,22 DM seit Rechtshängigkeit der Klagerweiterung seit 21.04.1999, 30,-- DM vorgerichtliche Mahnkosten Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums an der Eigentumswohnung Nr. 45 gem. Aufteilungsplan im zweiten Obergeschoß rechts, erste rechts gelegene Wohnung in E nebst dazu gehörigem Kellerraum Nr. 45 gem. Aufteilungsplan auf den Beklagten zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen den aus dem Erwerb der Eigentumswohnung Nr. 45 gemäß Aufteilungsplan im zweiten Obergeschoß rechts, erste rechts gelegene Wohnung in E nebst dazu gehörigem Kellerraum Nr. 45 gem. Aufteilungsplan ab 1997 entstandenen Schaden zu ersetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte wiederholt und vertieft seinen Sachvortrag im ersten Rechtszug.

Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf ihre im Berufungsverfahren vorgelegten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerinnen ist zulässig; sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb verlängerter Frist begründet. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

II.

Die Klägerinnen haben gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen Verletzung von Aufklärungs- und Hinweispflichten im Zusammenhang mit der Vermittlung der Eigentumswohnung in Essen, Gerscheder Weiden. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1.

Der Beklagte ist für den behaupteten Schadenersatzanspruch der Klägerinnen unabhängig davon ob er als Anlageberater oder als Anlagevermittler tätig geworden ist - passiv - legitimiert. Zwar stellte der Beklagte gegenüber Helmut K am 26.01.1993 (Anl. K 3) eine "Marketing-Gebühr" unter der Firmenbezeichnung F Engineering in Rechnung. Außerdem haben die Klägerinnen eine Visitenkarte des Beklagten, eine Finanzanalyse (jeweils als Anlage zum Protokoll vom 18.06.1999) sowie einen Prospekt mit der Überschrift "Erfüllung ihrer persönlichen Wünsche" (Anl. BK 3) mit dieser Firmenbezeichnung vorgelegt. Mit Ausnahme der Rechnung über die Marketinggebühr stammen diese Unterlagen allerdings aus Immobiliengeschäften, die andere Anleger, insbesondere die Zeugen und, getätigt haben. Der Beklagte hat jedoch keine bestimmten beweisfähigen Tatsachen dafür vorgetragen, daß er als Anlagevermittler nicht im eigenen Namen, sondern als, Vertreter der Engineering Kanzlei für Finanzdienstleistungen tätig geworden ist. Die Beweislast für ein Tätigwerden in fremdem Namen trägt aber derjenige, der ein Vertretergeschäft behauptet (Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 164 Rn. 18). Wäre der Beklagte dagegen ausdrücklich im Namen der F Engineering aufgetreten, so wäre er nicht passiv legitimiert. Der Beklagte war nämlich unstreitig nicht (Mit-) Inhaber dieser Firma. Für eine Eigenhaftung des Vertreters aus dem Gesichtspunkt der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens oder eines eigenen wirtschaftlichen Interesses am abgeschlossenen Geschäft (vgl. z.B. BGH NJW 1997, 1233) ist nichts vorgetragen. Der Beklagte hat auch nicht substantiiert vorgetragen, daß er als Vertreter der M GmbH aufgetreten ist.

2.

Der Senat vermag dem Landgericht allerdings nicht zu folgen, soweit es die Rechtsbeziehung zwischen Helmut und dem Beklagten als Beratungsvertrag qualifiziert.

Die Abgrenzung zwischen einem Anlagevermittler und einem Anlageberater ist fließend. Einen Anlageberater zieht der Kapitalanleger im Allgemeinen hinzu, wenn er selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat. Er erwartet dann nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren fachkundige Bewertung und Beurteilung. Häufig wünscht er eine auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Beratung, die er auch besonders honoriert. In einem solchen Vertragsverhältnis hat der Berater regelmäßig weitergehende Pflichten, gegenüber dem Kapitalanleger. Als unabhängiger individueller Berater, dem weitreichendes persönliches Vertrauen entgegengebracht wird, muß er besonders differenziert und fundiert beraten.

Dem Anlagevermittler, der für eine bestimmte Kapitalanlage im Interesse des Kapitalsuchenden und mit Rücksicht auf die ihm von diesem versprochene Provision den Vertrieb übernommen hat, tritt der Anlageinteressent dagegen selbständiger gegenüber. An ihn wendet er sich in der Regel in dem Bewußtsein, daß der werbende und anpreisende Charakter der Aussagen im Vordergrund steht. Der zwischen dem Anlageinteressenten und einem solchen Anlagevermittler zustandegekommene Vertrag zielt lediglich auf Auskunftserteilung ab. Er verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen Umstände, die für den Anlageentschluß des Interessenten von besonderer Bedeutung sind. Dazu bedarf es unter anderem vorab der eigenen Information des Vermittlers hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage und der Bonität des Kapitalsuchenden. Hat er dazu keine objektiven Daten, so muß er dies dem Kapitalanleger zumindest offenlegen (BGH WM 1993, 1238).

Helmut K war durch seine Bekannte U und deren Bruder K auf die Immobilie aufmerksam gemacht worden. Es fehlt an jeglichem Vortrag der Klägerinnen dazu, daß Gegenstand der Erörterungen zwischen Helmut K und dem Beklagten neben der Information über die Immobilie auch die Bewertung dieser Informationen und die Empfehlung einer bestimmten Anlageform, etwa der von Helmut K erworbenen Immobilie, gewesen wäre. Vielmehr sprechen der Sachvortrag der Klägerinnen wie auch die Aussagen der Zeugen und dafür, daß nur über den Erwerb einer Eigentumswohnung in dem Objekte gesprochen wurde. Es ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, daß der Beklagte im Sinne eines Anlageberatungsvertrages Bewertungen seiner Helmut K erteilten Informationen vorgenommen oder ihm gegenüber Empfehlungen gerade für eine bestimmte Anlageform ausgesprochen hätte. Unter diesen Umständen ist die Rechtsbeziehung zwischen Helmut K und dem Beklagten als eine auf Auskunftserteilung abzielende Anlagevermittlung zu qualifizieren.

3.

Der Beklagte hat jedoch in seiner Eigenschaft als Anlagevermittler Aufklärungs- und Hinweispflichten gegenüber Helmut K nicht verletzt:

a) Lage der Immobilie:

Helmut K war hinsichtlich der Lage der Eigentumswohnung nicht aufklärungsbedürftig. Eine Aufklärungs- und Hinweispflicht setzt voraus, daß der Anleger aufklärungsbedürftig ist (BGH WM 1980, 284; BGH WM 1988, 41). Eine Aufklärungsbedürftigkeit besteht nicht für solche Umstände, die jedermann durch Besichtigung der Immobilie und ihrer Umgebung ohne weiteres feststellen kann.

Eine solche Besichtigung hat Helmut K vor dem Erwerb der Immobilie unstreitig unterlassen. Wer jedoch unbesehen eine Immobilie erwirbt, kann sich nicht darauf berufen, über Umstände nicht aufgeklärt Worden zu sein, die er bei einer Besichtigung ohne Schwierigkeiten selbst hätte feststellen können. Dazu gehört hier insbesondere die Lage der Eigentumswohnung in der Nähe einer S-Bahn-Linie, der äußere Erhaltungszustand und das Wohnumfeld. Eine Pflichtverletzung des Beklagten würde auch dann nicht vorliegen, wenn er - wie die Klägerinnen vortragen - von einem "Top-Objekt" in einer "Top-Lage" gesprochen hätte. Es handelt sich dabei um allgemeine Anpreisungen mit ersichtlich werbendem Charakter, die ein Erwerbsinteressent ohne Schwierigkeiten im Rahmen einer Besichtigung verifizieren kann.

b) Werthaftigkeit der Immobilie:

Die Klägerinnen machen zu Unrecht geltend, die Eigentumswohnung sei an ihren Vater über dem Verkehrswert, nämlich zu einem Preis von 126.651,-- DM, verkauft worden; der Verkehrswert habe jedoch tatsächlich nur rund 80.000,-- DM betragen. Nach Nr. II.1. des Kaufvertrages vom 26.01.1993 (Anl. K 2) betrug der Kaufpreis lediglich 110.946,-- DM. Bei dem weiteren unter II.2. des Vertrags aufgeführten Betrag von 15.695,-- DM handelt es sich um eine "Sonderumlage für noch durchzuführende Renovierungsarbeiten", die, weil sie unstreitig noch nicht ausgeführt waren, den Verkehrswert der Immobilie - für den Erwerber ersichtlich - noch nicht beeinflußt haben konnten. Zu Unrecht gehen die Klägerinnen bei der Bemessung des Verkehrswertes mit 80.000,- DM vom Gutachten des Architekten B vom 08.05. 1991 (Bewertungszeitpunkt April 1991) aus (Anl. K 1). Das im Auftrag der M erstattete Gutachten bewertet nicht die einzelnen Wohnungen, sondern das Gebäude insgesamt. Die Klägerinnen errechnen hieraus einen durchschnittlichen Sachwert pro Quadratmeter von 1.651,22 DM, einen durchschnittlichen Ertragswert pro Quadratmeter von 1.784,64 DM und einen Mittelwert hieraus von 1.717,94 DM pro Quadratmeter. Bezogen auf die Fläche der vom Vater der Klägerinnen erworbenen Eigentumswohnung Nr. 45 errechnen sie hieraus einen Sachwert von 89.364,02 DM, einen Ertragswert von 96.584,71 DM und einen Mittelwert von 92.974,67 DM. Diese Werte vergleichen sie zu Unrecht mit dem Kaufpreis einschließlich Sonderumlage von 126.641,-- DM. Bei einem Vergleich mit dem allenfalls heranzuziehenden Kaufpreis von 110.946,-- DM ergibt sich dagegen keine beanstandenswerte Abweichung des Kaufpreises von dem von den Klägerinnen angenommenen Wert. Hinzu kommt, daß sich auch - mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens - der Verkehrswert einer Immobilie auf einen bestimmten Stichtag nicht exakt auf einen allein zutreffenden Wert festlegen läßt. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß der Sachverständige B das Gebäude insgesamt, nicht aber die einzelnen Wohnungen, geschätzt hat. Bei der Veräußerung einzelner Eigentumswohnungen eines Objekts ist jedoch regelmäßig ein höherer Kaufpreis zu erzielen als bei der Veräußerung des gesamten Objektes an einen Erwerber.

Zu Unrecht machen die Klägerinnen geltend, der Beklagte habe ihren Vater auf die 1991 weggefallene Sozialbindung nicht hingewiesen. Der Wegfall einer Sozialbindung ist, da die Wohnung frei vermietbar wird, in aller Regel werterhöhend. Die Ausführungen der Klägerin zur Mieterstruktur des Gebäudes sind so allgemein gehalten, daß sei einer Beweisaufnahme nicht zugänglich sind.

c) Wertzuwachs der Eigentumswohnung:

Die Klägerinnen berufen sich zu Unrecht darauf, der Beklagte habe ihrem Vater zugesichert, die Eigentumswohnung erfahre binnen kurzer Zeit einen Wertzuwachs von 30.000,-- DM bis 40.000,-- DM. Nach den von den Klägerinnen vorgelegten Unterlagen des Beklagten "Verkaufsargumente zu unseren aktuellen Objekten" (Anl. K 18) soll der Wertzuwachs (dort angegeben mit 20 % bis 30 % bis 31.03.1993) dadurch entstehen, daß auf das Flachdach der Immobilie ein ausgebautes Satteldach aufgesetzt wird. Der Wertzuwachs sollte also aufgrund weiterer Investitionen entstehen, zu denen die bereits vorhandenen Erwerber nichts beizutragen hatten. Es ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, daß der Beklagte zur tatsächlichen Durchführung dieser Investitionen unrichtige Angaben gemacht hat.

d) Mietgarantie:

Die Klägerinnen beanstanden zu Unrecht, ihr Vater sei vom Beklagten über die Mietgarantie insofern nicht zutreffend aufgeklärt worden, als zu keiner Zeit ein Hinweis erfolgt sei, der Mietgarant sei eine GmbH, die unter Umständen zahlungsunfähig werden könne. Zum einen ergibt sich aus Seite 15 des Prospekts (Anl. K 1), der Helmut K vorgelegen hatte, daß es sich beim Mietgaranten um die V mbH handelt. Zum anderen haben die Klägerinnen den behaupteten Ausfall der Garantiemiete von 514,-- DM monatlich nicht schlüssig vorgetragen.

e) Finanzierungsvermittlung:

Es kann dahinstehen, ob der Beklagte, was er bestreitet, die Finanzierung der Immobilie vermittelt hat. Die Klägerinnen haben jedenfalls Pflichtverletzungen des Beklagten in diesem Zusammenhang nicht substantiiert vorgetragen. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte dem Vater der Klägerinnen in Aussicht gestellt hat, aufgrund der Steuerermäßigungen gehe der Erwerb in den Folgejahren Null auf Null aus, die Immobilie trage sich insoweit von selbst. Insoweit fehlt es bereits an einer substantiierten Gegenüberstellung der Erträge, etwa der Miete und der Steuerermäßigung einerseits und der Aufwendungen, etwa für die Finanzierung, andererseits. Die von den Klägerinnen beispielhaft vorgelegten Berechnungen des Beklagten für die Zeugen und zeigen, daß Null auf Null nicht wörtlich in dem Sinne zu verstehen ist, daß der Erwerber Zins und Tilgung des Objekts in vollem Umfang aus Miete und Steuerersparnis finanzieren kann. In beiden Beispielen ist bereits ein Teil der Zinsen und die gesamte Tilgung aus dem Erwerbseinkommen zu bestreiten.

Den Klägerinnen kann auch nicht darin gefolgt werden, der Beklagte habe die Kreditwürdigkeit ihres Vaters dadurch herbeigeführt, daß er wissentlich dessen Angaben verzerrt habe. In der von Helmut K am 16.12.1992 unterzeichneten "Einkommens- und Vermögensauskunft" (Anl. BK 5) ist unter Nr. 2.2 "monatliche Ausgaben" als sonstige Verpflichtungen aufgeführt ein Betrag von 186,-- DM und ein Betrag von 400,-- DM mit dem Zusatz Unterhalt. Der Hinweis auf die Unterhaltspflicht entspricht den Eintragungen im Kreditantrag für eine "C Baufinanzierung" (Anl. K 4). Dort ist in der Rubrik Vertrauliche Selbstauskunft" unter "Einkommensverhältnisse" - insoweit identisch mit der vorgenannten Selbstauskunft - unter monatliche Belastungen aufgeführt "Unterhalt/ Miete DM 400,--/1.200,--". Der von den Klägerinnen angesprochene Betrag (Bankguthaben 1.400,-- DM) liegt jedenfalls nicht über den in der vorgenannten Einkommens- und Vermögensauskunft mitgeteilten Beträgen, die für ein Sparguthaben mit 1.424,-- DM und sonstiges Vermögen mit 1.200,-- DM angegeben sind.

Steuerersparnis Die Klägerinnen haben keine bestimmten, beweisfähigen Tatsachen dafür vorgetragen, daß der Beklagte auch ihrem Vater eine Steuerersparnis von 10.000,-- DM jährlich in Aussicht gestellt habe. Zwar haben die Klägerinnen als Anlage BK 3 ein Werbeblatt der Fa. F Engineering mit der Überschrift "Erfüllung Ihrer persönlichen Wünsche" vorgelegt, die der handschriftlichen Eintrag 10.000,-- DM x 15 J. 150.000,-- DM" trägt. Welche Angaben oder Berechnungsmodelle der Beklagte gegenüber Helmut K. mit diesen Zahlen verknüpft hat, ist jedoch nicht ersichtlich. Dem für den Zeugen gefertigten persönlichen Berechnungsbeispiel und der für die Zeugin gefertigten Finanzanalyse läßt sich jedenfalls die pauschale Zusicherung eines Steuervorteils in dieser Höhe für die Laufzeit der Finanzierung bzw. für einen Zeitraum von 15 Jahren nicht entnehmen, sondern allenfalls für das Anschaffungsjahr. Es sind auch keine bestimmten beweisfähigen Tatsachen dafür vorgetragen, daß diese Berechnungsbeispiele dem Beklagten zurechenbar falsch waren und daß dem Beklagten bei einer vergleichbaren Berechnung für Helmut K ebenfalls Fehler unterlaufen sind. Nicht zu beanstanden ist, daß der Beklagte aufgrund der Auskunft des Klägers wußte, daß sich dessen verbleibendes Resteinkommen nur auf 1.399,-- DM mtl. belief. Dieser Betrag und die Berechnung, die zu ihm führte, war auch Helmut K bekannt. Es ist grundsätzlich Sache des Anlegers, zu entscheiden, mit welchem verfügbaren Einkommen er sich nach Abzug seiner Belastungen und nach Abzug des Aufwandes für eine- Kapitalanlage begnügen will.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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