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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 06.04.2005
Aktenzeichen: 9 U 188/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, EGBGB
Vorschriften:
BGB § 195 n. F. | |
BGB § 197 Abs. 1 Nr. 3 n. F. | |
BGB § 767 Abs. 1 Satz 3 | |
ZPO § 296 Abs. 1 | |
ZPO § 296 Abs. 4 | |
ZPO § 520 | |
ZPO § 522 Abs. 2 | |
ZPO § 530 | |
ZPO § 531 Abs. 2 | |
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1 | |
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4 |
Oberlandesgericht Stuttgart 9. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 9 U 188/04
Verkündet am 06. April 2005
In dem Rechtsstreit
wegen Forderung
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2005 unter Mitwirkung von Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Keihl Richter am Oberlandesgericht Böhm Richter am Amtsgericht Dr. Hofmann
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 14.10.2004 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages, sofern nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % der jeweils zu vollstreckenden Summe erbringt.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer der Beklagten: jeweils 255.645,94 €
Gründe:
Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht Ansprüche der ... eG gegenüber der Beklagten aus einem Bürgschaftsvertrag vom ... geltend. Dabei handelt es sich um eine selbstschuldnerische Ausfallausbürgschaft bis 500.000,- DM für die Verbindlichkeiten des Hauptschuldners aus einem Darlehensvertrag vom ....
Der Darlehensvertrag vom ... zwischen der ... eG und dem Hauptschuldner (dem Sohn der Beklagten) diente der Finanzierung des Baus einer Produktionshalle. Die Darlehenssumme von 2,5 Millionen DM wurde aus Mitteln des KfW-Mittelstandsprogramms refinanziert. Die Vertragsnummer lautete JHHHHI (künftig: ...). Abgelöst wurde dieses verbürgte Darlehensverhältnis durch den Darlehensvertrag zwischen der ... und dem Hauptschuldner vom ... mit der Vertragsnummer ... (künftig: ...) der bei identischer Darlehenssumme günstigere Konditionen, insbesondere einen geringeren Zinssatz aufweist. Die Klägerin kündigte alle Kreditverhältnisse gegenüber dem Hauptschuldner am 5.6.2000, wobei das Darlehen ... noch in einer die Bürgschaftssumme mehrfach übersteigenden Höhe valutiert.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit dem am 14.10.2004 verkündeten Urteil der Klagforderung uneingeschränkt stattgegeben und somit die Beklagte verurteilt, 255.645,94 € zuzüglich Zinsen an die Klägerin zu bezahlen. Zur Begründung hat das Landgericht wesentlich darauf abgestellt, dass die interne Kreditumschuldung vom ... entgegen der Auffassung der Beklagten keine Novation darstelle, sondern lediglich als Änderung des verbürgten Darlehensvertrags ... auszulegen sei, die auch keine die Haftung der Beklagten ausweitenden Bestandteile im Sinne von § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB enthalte.
Gegen dieses der Beklagten am 18.10.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 18.11.2004 bei Gericht eingegangene und am 20.12.2004 (Montag) mit einer Begründung versehene Berufung der Beklagten.
Die Beklagte wiederholt im wesentlichen ihre Auffassung, dass die Umschuldung des ursprünglich verbürgten Darlehens ... ein neues, der Bürgschaft nicht unterfallendes Kreditverhältnis zwischen den Hauptvertragsparteien geschaffen habe. Die Klägerin sei an der Geltendmachung der Bürgschaftsforderung auch deshalb gehindert, weil in die in Händen der Klägerin befindliche Bürgschaftsurkunde nachträglich und einseitig ein Darlehensvertrag mit der Endnummer ... zusätzlich eingetragen worden sei.
Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, nämlich im Rahmen eines der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO gewährten Schriftsatzrechtes, hat die Beklagte weitere Einwände vorgebracht, die sie selbst als neu und bisher nicht erörtert bezeichnet. Die Beklagte will insoweit darauf abstellen, dass die streitgegenständliche interne Umschuldung bereits vor der grundlegenden Entscheidung des BGH vom 30.9.1999 (NJW 1990, 3708) erfolgt sei, was dafür spreche, dass die Vertragsparteien von einer Schuldumschaffung ausgegangen seien. Die Beklagte wendet weiter ein, die Klägerin habe den Ausfall als anspruchsbegründendes Merkmal nicht ordnungsgemäß dargelegt, sie sei aufgrund eines nach einem Urteil des OLG Frankfurt vom 20.4.2004 (WM 04, 1386) anzunehmenden stillschweigenden Abtretungsverbots nicht aktivlegitimiert. Schließlich sei mit Ablauf des 31.12.2004 im Hauptschuldnerverhältnis Verjährung eingetreten, da die verbürgte Hauptschuld nicht tituliert sei.
Die Beklagte beantragt:
Das Endurteil des Landgerichts vom 14.10.2004 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin weist zum Verjährungseinwand darauf hin, dass die Zahlungspflicht des Hauptschuldners aus dem Darlehen ... bereits durch Vollstreckungsbescheid vom ... in Höhe eines Teilbetrages von 1 Million DM rechtskräftig tituliert worden sei und dass ein weiterer Teilbetrag von 255.645,94 € durch Vollstreckungsbescheid vom ... tituliert wurde. Sie erinnert ferner daran, dass der Ausfall schon erstinstanzlich durch Vorlage des Protokolls eines Vollstreckungsversuchs aus dem erstgenannten Titel samt Offenbarungsversicherung des Hauptschuldners vom 18.9.2003 belegt wurde.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Das Landgericht hat richtig entschieden.
Die Beklagte haftet aufgrund Bürgschaftsvertrages vom ... für die offene Zahlungsverpflichtung des Hauptschuldners aus dem Darlehensvertrag ... vom ....
1.
Was die Vertragsparteien mit Abschluss des Darlehensvertrages vom 16.4.1999 bezweckten, ist durch Auslegung der getroffenen Vereinbarung zu ermitteln. Der Auslegung des Landgerichts tritt der Senat uneingeschränkt bei. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass das Landgericht erhebliche Elemente des Vertragswortlauts oder der vertragswesentlichen sonstigen Umstände unberücksichtigt gelassen oder unrichtig bewertet hätte. Wegen weiterer Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf seine den Parteien zugestellten Ausführungen im Beschluss vom 3.1.2005.
Das Darlehensverhältnis vom 16.4.1999 stellte danach nichts anderes dar als eine einvernehmliche Änderung des verbürgten Darlehensvertrages ... vom 2.1./3.1.1996. Nicht festzustellen sind dabei Konditionenänderungen, die hinsichtlich des Umfangs der Zahlungsverpflichtungen oder in sonstiger Weise zu einer Haftungsausweitung geführt hätten, die die Beklagte gemäß § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht hinnehmen müsste.
Der Klägerin ist die Geltendmachung und Durchsetzung der ihr abgetretenen Forderung auch nicht deshalb verwehrt, weil die ... möglicherweise die ihr vorliegende Bürgschaftsurkunde mit einem Zusatz versehen hat, der von den Bürgschaftsvertragsparteien so nicht vereinbart war. Dies tangiert die wirksam eingegangene Bürgenhaftung in ihrem ursprünglichen Umfang nicht, die vorliegend ausschließlich geltend gemacht wird. Auch insoweit wird auf den Beschluss vom 3.1.2005 verwiesen.
2.
Der im zweiten Rechtszug erstmals vorgebrachte Verjährungseinwand der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Die Beklagte ist mit der Verjährungseinrede zwar nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO präkludiert, weil eine Forderungsverjährung im Hauptschuldverhältnis zeitlich überhaupt erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eintreten konnte. Das verbürgte Darlehen wurde wirksam am 5.6.2000 von der Zedentin gekündigt (K 10). Damit war Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs eingetreten. Dieser Anspruch unterlag der regelmäßigen Verjährung gemäß § 195 BGB a. F.. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1, Abs. 4 EGBGB finden somit ab 1.1.2002 die Vorschriften des BGB in der neuen Fassung Anwendung. Gemäß § 195 BGB n. F. beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre, so dass die Verjährung des Darlehensrückzahlungsanspruches mit Ablauf des 31.12.2004 hätte eintreten können. Dies trifft im vorliegenden Fall allerdings deshalb nicht zu, weil - wie die Klägerin durch Vorlage der entsprechenden Titel belegt hat - die verbürgte Hauptschuld in unverjährter Zeit in einer die Bürgschaftssumme um ein Mehrfaches übersteigenden Höhe tituliert wurde, nämlich zunächst im Umfange von 1 Million DM zuzüglich Kosten und Zinsen durch rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid vom 19.9.2000 (K 18) und sodann im Umfange eines weiteren Teilbetrages von 255.645,94 € zuzüglich Kosten und Zinsen durch weiteren rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid vom 6.10.2004 (K 21). Gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB n. F. verjähren rechtskräftig festgestellte Ansprüche in 30 Jahren.
3.
Mit sämtlichen weiteren erstmals im zweiten Rechtszug vorgebrachten Einwänden ist die Beklagte präkludiert, §§ 520, 530, 296 Abs. 1, Abs. 4, insbesondere § 531 Abs. 2 ZPO.
Soweit der Beklagten über die Berufungsbegründungsfrist hinaus ein Schriftsatzrecht durch den Senat eingeräumt worden war, erfolgte dies im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß § 522 Abs. 2 ZPO und diente - auch für die Beklagte ersichtlich - nicht der Ermöglichung der Einführung neuer Verteidigungsmittel. Dem Senat ist eine sachliche Befassung mit den neu in dem Prozess eingeführten Einwendungen der Beklagten versagt.
Lediglich der Vollständigkeit halber wird ergänzend auf folgendes hingewiesen: Die Klägerin hatte den Klaganspruch erstinstanzlich durchaus nicht auf die formularvertragliche Klausel gestützt, wonach der Ausfall bereits nach Fälligstellung und Ablauf von zwei Monaten gegeben sei. Sie hatte vielmehr auf die Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners und dessen Zahlungseinstellung abgehoben und hierzu den vergeblichen Vollstreckungsversuch in das bewegliche Vermögen des Hauptschuldners vom 18.9.2003 vorgetragen und durch Vorlage des Vollstreckungsprotokolls des Gerichtsvollziehers samt Vorlage der Offenbarungsversicherung des Hauptschuldners belegt (nicht ersichtlich war erstinstanzlich lediglich der Umfang der Titulierung, da nur wegen eines Teilbetrages vollstreckt worden war).
Soweit sich die Beklagte gegen die Abtretung der ... an die Klägerin vom 4.9.2001 unter Berufung auf ein im Darlehensvertrag angeblich stillschweigend vereinbartes Abtretungsverbot unter Berufung auf eine Entscheidung des OLG Frankfurt (WM 2004, 1386) berufen will, teilt der Senat nicht die in jenem Urteil vertretene Rechtsauffassung (dazu LG Koblenz WM 2005, 30; LG Frankfurt ZIP 2005, 115; Böhm BB 2004, 1641; Freitag EWiR 2004, 741; Rinze WM 2004, 1597; Langenbucher BKR 2004, 333; Stiller ZIP 2004, 2027; Cahn WM 2004, 2041). Hierauf kommt es für vorliegende Entscheidung allerdings schon deshalb nicht an, weil ein nicht vergleichbarer Sachverhalt gegeben ist. Vorliegend war nämlich in einer die Bürgschaftssumme um das doppelte übersteigenden Höhe die verbürgte Hauptschuld bereits rechtskräftig tituliert, als die Abtretung erfolgte. Diese Abtretung konnte eine Verpflichtung der ... zur Verschwiegenheit über kundenbezogene Tatsachen und Wertungen im Sinne der vereinbart gewesenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin nicht mehr tangieren.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind ersichtlich nicht gegeben.
Ende der Entscheidung
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