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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 14.03.2001
Aktenzeichen: 9 U 233/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Leitsatz:

Auslegung eines Domizilwechsel, Bestimmung der Zahlstelle.


Oberlandesgericht Stuttgart - 9. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 9 U 233/00 4 KfH O 120/00 LG Stuttgart

Verkündet am: 14. März 2001

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle - Lindauer - (Justizangestellte)

In Sachen

wegen Wechselregreß

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2001 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am OLG Dr. Keihl, Richter am OLG Ehmann, Richter am OLG Böhm

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Wechselvorbehaltsurteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 13.11.2000 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 275.000,- DM, sofern nicht die Klägerin vor Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.

Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer der Beklagten: jeweils 234.000,- DM.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagten im Wechselprozeß in Regreß aus vier von den Beklagten ausgestellten Wechseln, die jeweils protestiert wurden.

Die Beklagten hatten Maschinen an eine Firma I M GmbH mit Sitz in geliefert, die ihr Geschäftskonto bei der Klägerin - Zweigstelle F - unterhielt. Zahlung sollte im Scheck-Wechsel-Verfahren erfolgen, weshalb die Beklagten die auf die M GmbH bezogenen Wechsel jeweils ausstellten und die M GmbH diese jeweils annahm. Die Klägerin hat die Wechsel bei der M GmbH angekauft. Die Wechselurkunden bezeichnen als Zahlungsort jeweils W, wo die Klägerin ihren Sitz hat. In den Wechselformularen ist zusätzlich die Angabe des Namens des Kreditinstituts und der Kontonummer der Bezogenen vorgesehen. Die Kontonummer der Bezogenen ist korrekt eingetragen. Im übrigen heißt es in allen vier Wechseln "zu Lasten KSK F". Die Klägerin ließ die Wechsel fristgerecht nach dem Verfalltag in ihrem Geschäftslokal in W vorlegen und mangels Zahlung protestieren.

Die Klägerin verlangt nun von dem Beklagten Bezahlung der Wechselsummen nebst Zinsen und Wechselunkosten.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 167.000,- DM zu zahlen nebst 2 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz, jedoch mindestens 6 %, ab dem 21.4.2000 sowie bezahlte fremde Wechselkosten von 223,88 DM, und eine Wechselvergütung von 556,66 DM.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 38.000,- DM zu zahlen nebst 2 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz, jedoch mindestens 6 %, ab dem 2.6.2000 sowie bezahlte fremde Wechselkosten von 84,68 DM und eine Wechselvergütung von 126,66 DM.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 16.000,- DM zu zahlen, nebst 2 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz, jedoch mindestens 6 % ab dem 8.6.2000 sowie bezahlte fremde Wechselkosten von 69,48 DM und eine Wechselvergütung von 53,33 DM.

4. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 13.000,- DM zu bezahlen nebst 2 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz, jedoch mindestens 6 %, ab dem 20.6.2000 sowie bezahlte fremde Wechselkosten von 55,68 DM und eine Wechselvergütung von 43,33 DM.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben eingewandt,

für den Wechselregreß fehle eine wesentliche Voraussetzung, nämlich ein ordnungsgemäßer Protest. Die Wechsel wiesen zwar als Zahlungsort W aus, bezeichneten aber keinen dort ansässigen Dritten als Zahlstelle, weil eine KSK F nicht existiere. Die Bezogene selbst sei am Zahlungsort zur Zahlung nicht aufgefordert worden. Wäre die Filiale der Klägerin in F als Zahlstelle gemeint gewesen, enthielten die Wechsel zwei unterschiedliche Zahlungsorte.

Das Landgericht hat mit dem am 13.11.2000 verkündeten Wechselvorbehaltsurteil der Klage in vollem Umfange stattgegeben und den Beklagten die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.

Gegen dieses am 16.11.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 14.12.2000 bei Gericht einkommene und am Montag, 15.1.2000, mit einer Begründung versehene Berufung der Beklagten.

Die Beklagten wiederholen und vertiefen im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen zur Auslegung der streitgegenständlichen Wechselurkunden.

Die Beklagten beantragen:

Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 13.11.2000 wird dahin abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die vorgelegten Urkunden und die von den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Die streitgegenständlichen Wechsel wurden fristgemäß nach jeweiligem Verfall am Zahlungsort der in den Wechselurkunden hinreichend deutlich bezeichneten Zahlstelle erfolglos vorgelegt und mangels Zahlung ordnungsgemäß protestiert.

Alle streitgegenständlichen Wechsel sind Domizilwechsel. Aus den Wechselurkunden ist aufgrund der klaren Angabe, dass Zahlungsort W sein soll, unzweideutig ersichtlich, dass der Sitz der Bezogenen M GmbH mit dem Zahlungsort nicht identisch war und somit die Wechsel nicht der Bezogenen selbst an deren Sitz vorzulegen und dort zu protestieren waren. In solchen Fällen kann nur über einen Dritten am angegebenen Zahlungsort gezahlt werden, welcher als Zahlstelle fungiert und nicht selbst Wechselschuldner ist. Dieser Dritte kann von dem Bezogenen bei Annahme bezeichnet werden, wenn der Aussteller dies nicht bereits getan hat, Art. 27 WG. Irrelevant ist im vorliegenden Fall deshalb, ob die Wechselurkunde von der Bezogenen oder von den Beklagten ausgefüllt wurde. Ist für den vom Sitz der Bezogenen abweichenden Zahlungsort eine Zahlstelle benannt, z.B. eine Bank, so ist dieser der Wechsel zur Zahlung vorzulegen und, bei dieser auch gegen den Bezogenen zu protestieren (Art. 4 Nr. 1, Art. 85 Abs. 2 Nr. 5 WG).

Im vorliegenden Fall sah die zum Teil formularmäßig vorgedruckte Wechselurkunde vor, das kontoführende Kreditinstitut der Bezogenen als Zahlstelle am Zahlungsort anzugeben, wobei zusätzlich das im Zahlungsfall zu belastende Konto bezeichnet werden sollte. Nach dieser Vorgabe haben die Wechselbeteiligten im vorliegenden Fall die kontoführende Bank und die Kontonummer der Bezogenen einfügen wollen und eingefügt, somit die Klägerin selbst. Die Formulierung in den Wechselurkunden ("KSK F") bezeichnet somit nicht die in F gelegene Zweigstelle als Zahlstelle, welcher die Wechsel in W vorzulegen waren, sondern die KSK W, sonach die Klägerin, als kontoführendes Kreditinstitut.

Soweit dies durch den Wortlaut der Wechselurkunden nicht unzweideutig ausgedrückt wurde, ergibt sich dies aufgrund der gebotenen und naheliegenden Auslegung. Bei der Auslegung der in Wechselurkunden niedergelegten Erklärungen ist allerdings zu beachten, dass Wechsel zum Umlauf bestimmt sind und Grundlage für den Rechtserwerb Dritter sein können. Es ist deshalb in besonderem Masse auf den Wortlaut abzustellen. Weitere Umstände aus dem Verhältnis zwischen Aussteller und Bezogenem sind nur heranzuziehen, soweit diese auch für Dritte ohne Schwierigkeiten erkennbar sind. Maßgebend ist somit der unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu ermittelnde typische Sinn der in den Wechselurkunden niedergelegten Erklärung, wobei wiederum nicht auf den Buchstaben der streitgegenständlichen Erklärung im engeren Sinn abzuheben ist, sondern der Zusammenhang der gesamten Wechselurkunde und der erkennbare Zweck der auslegungsbedürftigen Erklärung einzubeziehen sind. Im vorliegenden Fall war der Zahlungsort jeweils eindeutig so angegeben, dass diese Angabe einer Auslegung nicht zugänglich war. Dem vorgedruckten Wechselformular kann darüberhinaus unzweideutig entnommen werden, dass die erforderliche Angabe der Zahlstelle so ausgefüllt werden sollte, dass der Name des Kreditinstitutes und das zu belastende Konto der Bezogenen eingesetzt werden sollten. Dies ergibt sich aus der vorgedruckten Ausfüllungsanleitung in den Wechselurkunden. Nach Auffassung des Senates kann bei diesen Umständen nicht zweifelhaft sein, dass die Beteiligten nach Maßgabe der Ausfüllungsanleitung auch im vorliegenden Fall dasjenige Kreditinstitut als Zahlstelle bezeichnen wollten, welches das angegebene Konto der Bezogenen führte. Bezeichnet wird insoweit eine Kreissparkasse, die entweder ihren Sitz oder eine Zweigstelle in F unterhält. Gemeint sein kann damit ausschließlich die Klägerin, da eine Kreissparkasse als Anstalt des öffentlichen Rechtes mit Sitz in F unstreitig nicht existiert, was den Wechselbeteiligten bekannt und für Dritte ohne weiteres erkennbar ist. Dass sowohl Aussteller als auch Bezogene eine nicht existierende Bank als Zahlstelle nicht bezeichnen wollten; ist naheliegend und kann von jedem Wechselinhaber unterstellt werden. Ebenso naheliegend ist der Gedanke, dass bei eindeutiger Festlegung des Zahlungsortes nicht ein an einem anderen Ort ansässiger Dritter als Zahlstelle benannt oder über die Benennung der Zahlstelle ein weiterer Zahlungsort eingeführt werden sollte. Die gebotene Auslegung ergibt sonach für die vorliegenden Fälle unzweideutig, dass Zahlstelle die das benannte Konto der Bezogenen führende Kreissparkasse sein sollte und dass die Wechsel sonach dieser Kreissparkasse in deren am Zahlungsort geführten Geschäftslokal vorzulegen waren. Dies haben die mit der Einziehung der Wechselsumme jeweils beauftragten Notare und Notarvertreter ohne Zögern ebenso gesehen und deshalb die streitgegenständlichen Wechsel im Geschäftslokal der Klägerin in Waiblinen vorgelegt und dort auch protestiert.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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