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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 10.05.2000
Aktenzeichen: 9 U 24/2000
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 249
Leitsatz:

1. Beweisschwierigkeiten eines Kapitalanlegers, die sich bei von ihm behaupteter Nichtaufklärung aus der Führung eines Negativbeweises ergeben, wird dadurch Rechnung getragen, daß der Vermittler die Behauptung des Anlegers substantiiert bestreiten muß.

2. Zum Mitverschulden eines Kapitalanlegers am Verlust seines Kapitals

3. Voraussetzungen für die Eigenhaftung eines Vertreters im Zusammenhang mit dem Verlust des angelegten Kapitals.


Oberlandesgericht Stuttgart - 9. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 9 U 24/2000 8 O 121/98

Verkündet am: 10. Mai 2000

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (Lindauer) Just. Ang.

In der Berufungssache

wegen Schadenersatz

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 2000 unter Mitwirkung von

Richter am OLG Ehmann,

Richter am OLG Böhm,

Richterin am OLG Dr. Wetzel

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten B wird das Schlußurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 16.12.1999 geändert und wie folgt gefaßt:

Der Beklagte B wird verurteilt, an die Klägerin 109.000,-- DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 7. Mai 1998 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. a) Von den Gerichtskosten des ersten Rechtszuges tragen der Beklagte E 10/100, der Beklagte B 25/100 und die Klägerin 65/100.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im ersten Rechtszug trägt der Beklagte E zu 10/100, und der Beklagte B zu 25/100. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagtest B trägt die Klägerin zu 65/100. Im übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten im ersten Rechtszug selbst.

b) Von den Kosten des zweiten Rechtszuges trägt die Klägerin 2/3, der Beklagte B 1/3.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, der Beklagte B kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 140.000,-- DM, die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000,-- DM abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 340.000,-- DM, Beschwer der Klägerin: 215.000,-- DM, Beschwer des Beklagten B: 109.000,-- DM.

Tatbestand:

Die Klägerin macht - teilweise aus abgetretenem Recht - Schadenersatzansprüche aus einer fehlgeschlagenere Kapitalanlage geltend. Der Beklagte ist Presseoffizier bei der Bundeswehr. Nebenberuflich vermittelt er Kapitalanlagen. Diese Tätigkeit hat er zunächst für den A., dann für den Beklagten E und schließlich selbstständig ausgeübt. Von März 1996 bis Juli 1996 vermittelte der Beklagte B der Klägerin vier Vermögensverwaltungsverträge mit der Fa. D über 3 x 50.000,-- DM und 1 x 80.000,-- DM (Anlagen K 2/1 bis K 2/4). Das angelegte Kapital sollte jeweils mit 1,16 % bzw. 1,14 % monatlich verzinst werden. Mit einem weiteren Vermögensverwaltungsvertrag vom 25.06.1996/19.08.1996 (Anlage K 1/5) legte die Klägerin bei dieser Firma durch Vermittlung es Beklagten 63.000 USD mit einer monatlichen Verzinsung von 1,33 % an. Die drei über je 50.000,-- DM geschlossenen Vermögensverwaltungsverträge würden am 06.07./07.08.1996 durch einen vom Beklagten B in Vertretung gezeichneten Vermögensverwaltungsvertrag zu einem Vertrag über 150.000,-- DM zusammengefaßt (Anlage K 2/7 i. V. m. Anlage K 5/11). Vorgesehen war ein monatlicher Ertrag von 1,4 %. Der diesen Prozentsatz übersteigende Ertrag sollte der Gesellschaft zustehen. Der Beklagte E teilte mit Rundschreiben vom 14.11.1996 (Anlage K 6) u. a. auch der Klägerin mit, die D habe ihre Neukundenwerbung an die größere "Nachfolgegesellschaft S Inc." übergeben. Sein Büro habe die Vertriebsdirektion Deutschland der übernommen.

Der Beklagte B schloß am 06.11.1996 mit dem nun als "Finanzkanzlei E Vertriebsdirektion Deutschland der S Inc. (Produktgesellschaft)" firmierenden Beklagten E einen Vertriebsvertrag (Anlage B 3), durch den er sich als Vertriebspartner verpflichtete, Kapitalanleger an die Produktgesellschaft zu vermitteln: Dem Beklagten BM wurde dabei im Rahmen des dort angeführten "Karriereplans" bis auf weiteres eine Provision nach "Karrierestufe G 3" als "Leitender Vertriebs-Repräsentant (LVR)" in Höhe von 1 % monatlich zugesagt. Ein Aufstieg bis 2 % monatlich als "Regional-Direktor (RD)" war - abhängig von der Höhe des Umsatzes - möglich.

Durch "Anlagevertrag" vom 21.11.1996, den der Beklagte in Vertretung der S und der Beklagte B als "Berater" unterzeichnet hat (Anlage K 611), wurden die von der Klägerin bei der D angelegten Beträge von insgesamt 230.000,-- DM auf das Anlageprogramm der S "umgestellt". Dabei wurde ein Ertrag von 24 % der Anlagesumme pro Jahr zugesichert. Durch "Anlagevertrag" vom 15.01.1997 (Anlage K 312) wurde auch die Anlage über 63.000 USD auf die S.A.B. "umgestellt", in soweit wurde ein Ertrag von 20 % der Anlagesumme pro Jahr zugesagt.

Der Beklagte B wandte sich mit einem Rundschreiben vom 22. März 1997 (Anlage K 2/10) unter der Bezeichnung Jürgen B Finanzbetreuung", "Der unabhängige Berater" an Anna S, die Mutter der Klägerin, und pries die Anlage bei der S als "ertragsstarke Kapitalanlage" an. Er führt u. a. aus, die S werde durch "professionelles Portfoliomanagement" führt und garantiere vertraglich, "daß das angelegte Kapital stets zu 100 % abgesichert" sei.

Am 22. März 1997 schloß die Mutter der Klägerin mit der S. einen Anlagevertrag über 109.000,-- DM, in der Rubrik "Berater" unterzeichnete der Beklagte B (Anlage K 2/9).

Der Beklagte B schloß am 26. März 1997 unmittelbar mit der S eine Vertriebsvereinbarung (Anlage B 4), nach der er gem. § 3 als Vertriebspartner eine umsatzbezogene Provision von 1,2 % monatlich gemäß Karrierestufe G-2 erhielt.

Mit Schreiben vom 05.07.1997 (Anlage K 2/26) bot der Beklagte B mit demselben Kopfbogen wie im Schreiben vom 22. März 1997 (Anlage K 2/10) der Klägerin den Abschluß eines Beteiligungs- und Treuhandvertrages "Garant Plus" einer Unternehmensberatung GmbH an. Zu einem Abschluß kam es insoweit nicht.

Der Klägerin wurden von den zugesagten Renditen 1996/97 unstreitig insgesamt 25.010,65 DM ausbezahlt. Ob sie weitere Beträge erhalten hat, ist streitig. Die S hat entgegen der im Vermögensverwaltungsvertrag genannten Zusagen das an sie bezahlte Kapital nicht angelegt. Vielmehr haben die Initiatoren, die strafrechtlich verfolgt werden, im Wege eines Schneeballsystems das Kapital teilweise als Rendite an Anleger, teilweise als Provision an Vermittler ausbezahlt, im wesentlichen jedoch selbst vereinnahmt und verbraucht. Die gesagten Sicherheiten bestehen nicht. Die im Vertrag aufgeführten Sicherheiten sind nicht vorhanden.

Die Klägerin verlangt Ersatz des von ihr eingesetzten Kapitals. Sie beansprucht vom Beklagten E einen Teilbetrag von 50.000,-- DM. Er wurde insoweit durch rechtskräftiges Teilurteil des Landgerichts Stuttgart vom 20.05.1999 (8 O 121/98) verurteilt. Vom Beklagten B beansprucht sie Ersatz ihres gesamten Schadens. Außerdem macht sie aus abgetretenem Recht (Abtretung vom 2. April 1998, Anlage K 2/11) Schadenersatzansprüche ihrer Mutter wegen des Vermögensverwaltungsvertrages vom 22. März 1997 geltend.

Die Klägerin hat im wesentlichen vorgetragen, der Beklagte B habe sie bzw. ihre Mutter beim Abschluß sämtlicher Verträge beraten und die Anlage nachhaltig empfohlen. Er habe sich als zuverlässiger und erfolgreicher Anlagevermittler und Anlageberater geriert. Dadurch und aufgrund schon vorher bestehender persönlicher Bekanntschaft mit ihrem - inzwischen verstorbenen - Ehemann, der ebenfalls Offizier der Bundeswehr gewesen sei, und Hilfeleistungen des Beklagten in anderen Dingen habe zwischen ihr und dem Beklagten B ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten B als Gesamtschuldner mit dem Beklagten E zu verurteilen, an die Klägerin 50.000,-- DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. den Beklagten B weiter zu verurteilen, an die Klägerin 289.000,-- DM sowie 63.000 USD nebst 4 % Zinsen hieraus seit 7. Mai 1998 zu zahlen.

Der Beklagte B hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, er sei selbst "gutgläubig" gewesen und habe eigene Ersparnisse, bei der S. angelegt. Er habe nicht gewußt und nicht wissen können, daß diese Firma ein betrügerisches Schneeballsystem betreibe.

Das Landgericht hat der Klage gegen den Beklagten B überwiegend stattgegeben. Dabei hat es bei den von der Klägerin selbst geschlossenen Anlageverträgen ein Mitverschulden angenommen und die unstreitig erhaltenen Erträge von 25.010,65 DM abgezogen. Auf das angefochtene Urteil wird Bezug genommen:

Der Beklagte B hat gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten am 30.12.1999 zugestellte Urteil mit einem am Montag, 31. Januar 2000, beim Oberlandesgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt, die er mit einer am 25. Februar 2000 eingegangenen Begründung versehen hat.

Der Beklagte macht im wesentlichen geltend, er sei gegenüber der Klägerin nur als Untervermittler des Beklagten E tätig geworden. Die Mutter der Klägerin sei von der Klägerin selbst, nicht von ihm, über die Anlage informiert und für diese geworben worden. Er habe Frau S die Anlage nicht nachhaltig empfohlen. Vielmehr habe sie den Vertrag unterzeichnet, ohne nach irgendwelchen Risiken, Konditionen oder besonderen Umständen der Firma zu fragen. Auch sei er niemals an die Klägerin oder deren Mutter wegen des Abschlusses von Kapitalanlagen herangetreten. Vielmehr hätten sich die Eheleute O im Dezember 1993/1994 erstmals mit der Bitte an ihn gewandt, ob er nicht höherrentierliche Anlagen vorschlagen könne, als sie bisher bei den Banken getätigt hätten. Er sei selbst Opfer und nicht Täter.

Der Beklagte B beantragt,

das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 96.12.1999 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt im wesentlichen das angefochtene Urteil, vertritt jedoch die Auffassung, daß ihr ein Mitverschulden nicht zugerechnet werden könne.

Sie meint, der Beklagte B sei als Kapitalanlagevermittler für Anlagemodelle des Beklagten E tätig geworden. Dieser habe ihm Ende, 1996 die Vermittlung der Anlage D übertragen und später die Vermittlung des Anlagemodells S. Der Beklagte B sei nach den von ihm geschlossenen Vertriebsverträgen als freier Finanzdienstleister tätig geworden. Er habe zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Erkundigungen über die von ihm vertriebenen Anlagemodelle eingeholt und auch eine Plausibilitätsprüfung der Anlagekonzepte und der Bonität der Kapitalsuchenden unterlassen. Die Klägerin, ihr verstorbener Ehemann und der Beklagte B seien bereits seit 1993 miteinander bekannt, die beiden Herren als Soldaten kameradschaftlich miteinander verbunden und aus gemeinsamer Mitgliedschaft, im Deutschen Bundeswehrverband e.V. miteinander bekannt gewesen. Diese Bekanntschaft habe zu einer durchaus freundschaftlich zu nennenden Beziehung der Parteien geführt; die von höchstem Vertrauen gegenüber dem Beklagten geprägt gewesen sei. Außerdem habe der Beklagte B mit Rücksicht auf die Provisionen von 1 % bzw. 1,2 % monatlich ein starkes wirtschaftliches Eigeninteresse am Zustandekommen der Anlageverträge gehabt.

Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf ihre im zweiten Rechtszug vorgelegten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Beklagten B ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie teilweise Erfolg.

II.

1.

Die Klägerin kann vom Beklagten B unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung eines Auskunftsvertrages aus abgetretenem Recht Ersatz des Schadens verlangen, der ihrer Mutter Anna S durch die Anlage des Betrages von 109.000,-- DM entstanden ist.

Zwischen Anna S und dem Beklagten ist stillschweigend ein Auskunftsvertrag zustande gekommen, nicht aber ein Anlageberatungsvertrag. Einen Anlageberater zieht der Anleger im allgemeinen hinzu, wenn er selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat. Er erwartet dann nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren fachkundige Bewertung und Beurteilung. Häufig wünscht er eine auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Beratung, die er auch besonders honoriert. In einem solchen Vertragsverhältnis hat der Berater regelmäßig weitergehende Pflichten gegenüber dem Anleger. Als unabhängiger, individueller Berater, dem weitreichendes persönliches Vertrauen entgegen gebracht wird, muß er besonders differenziert und fundiert beraten (BGH WM 1993, 1238, 1239; BGH WM 1982, 90). Dem Anlagevermittler, der für eine bestimmte Kapitalanlage im Interesse des Kapitalsuchenden und auch mit Rücksicht auf die ihm von dieser versprochene Provision den Vertrieb übernommen hat, tritt der Anlageinteressent dagegen selbständiger gegenüber: An ihn wendet er sich in der Regel in dem Bewußtsein, daß der werbende und anpreisende Charakter der Aussagen im Vordergrund steht. Der zwischen dem Anlageinteressent und einem solchen Anlagevermittler zustande gekommene Vertrag zielt lediglich auf Auskunftserteilung ab. Er verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluß des Interessenten von besonderer Bedeutung sind (BGH WM 1993, 1238, 1239; BGH WM 1982, 90; BGH WM 1989, 1923). Dazu bedarf es u. a. vorab der eigenen Information des Vermittlers hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage und der Bonität des Kapitalsuchenden.

Hat er dazu keine objektiven Daten, so muß er dies dem Kapitalanleger zumindest offenlegen (BGH WM 2000,426; BGH WM 1993, 1238).

Bei dieser Abgrenzung zwischen Anlagevermittlung und Anlageberatung ist es nicht allein ausschlaggebend, ob der Beklagte B im fraglichen Zeitraum nur eine Kapitalanlage vermittelt hat oder ob er mehrere Anlagemöglichkeiten angeboten und nach den Kriterien einer anlagegerechten und anlegergerechten Beratung bewertet hat. Auch wenn nur eine Kapitalanlage angeboten wird, kann ein Beratungsvertrag vorliegen, wenn dem Anleger gegenüber eine fachkundige oder fachkundig erscheinende Bewertung und Beurteilung der Anlage vorgenommen wird.

Diese Abgrenzung zwischen Anlageberatung und Anlagevermittlung kann hier jedoch ungeprüft bleiben, weil der Beklagte B auch die Aufklärungs- und Hinweispflicht eines Vermittlers verletzt hat. Diese Pflichten können nicht abstrakt, losgelöst von der konkreten Anlage, bestimmt werden. Vielmehr hat auch ein Vermittler die von ihm angebotene Anlageform zunächst anhand der ihm vorliegenden Unterlagen auf Wirtschaftlichkeit und Plausibilität zu prüfen. Der Anlagevertrag selbst ist nicht aussagekräftig. Er enthält zum Inhalt der Anlage nur den Antrag auf "die Teilnahme an einem Anlageprogramm", dessen Inhalt dürftig dahin beschrieben wird, "Der Gegenstand dieses Programmes ist, gute Erträge zu erwirtschaften." Inhalt und Funktionsweise des Programms, insbesondere die Art und Weise, wie gute Erträge" erwirtschaftet werden, sind nicht vertraglich fixiert. Nur wenig konkreter sind die Hinweise des Beklagten B in seinem Schreiben vom 22. März 1997 (Anlage K 2/10 unter "Kurzfassung aus dem Emissionsprospekt"). Dort ist, auf S. 3 ausgeführt, die S sei ein Zusammenschluß internationaler Bankspezialisten und investiere das von ihren Kunden überantwortete Kapital gezielt in rentable Handelsgeschäfte mit festverzinslichen Wertpapieren, Obligationen, internationalen Staatspapieren und anderen Finanzinstrumenten. Durch professionelles Portfoliomanagement und ihre Verbindungen zu verschiedenen Partnerbanken sei sie in der Lage, den großen Banken vergleichbare Erträge zu erwirtschaften. Aufgrund ihrer Marktkenntnisse, ihrer Verbindungen und natürlich der umfangreichen Finanzmittel in vielen unterschiedlichen, kurzfristigen Engagements vermöge sie eine Vielzahl von kleinsten Handelsgewinnen innerhalb eines Monats zu ansehnlichen Renditen "anzuhäufen". Auch hier bleibt unklar, wie die S für den Anleger Renditen von 22,5 % pro Jahr erwirtschaften will. Die Klägerin hat grundsätzlich die Verletzung von Aufklärungs- und Hinweispflichten darzulegen und zu beweisen. Verlangt sie Schadenersatz wegen unzureichender Aufklärung, muß sie darlegen und beweisen, daß vertragliche oder vorvertragliche Verhaltenspflichten vorhanden waren, und daß diese verletzt wurden. Beweisschwierigkeiten des Anlegers, die sich aus der Führung eines Negativbeweises bei behaupteter Nichtaufklärung ergeben, werden dadurch überwunden, daß der Vermittler die Behauptung des Anlegers substantiiert bestreiten muß (Schimansky/Siol, Bankrechts-Handbuch, § 43, Rn. 42; BGH WM 1990, 343). Der Beklagte hat der, ihn danach treffenden Substantiierungslast für die Erfüllung seiner Aufklärungs- und Hinweispflicht nicht genügt. Er hat nicht im einzelnen vorgetragen, ob er seine Pflicht erfüllt hat, das Anlagekonzept der S wenigstens auf Plausibilität; insbesondere auf wirtschaftliche Tragfähigkeit hin, sowie auf die Seriosität und Bonität der Firma und ihrer Initiatoren zu prüfen. Außerdem ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, daß er - wozu er verpflichtet ist - fehlende Sachkunde offengelegt hat. Anlaß zu einer kritischen Prüfung des Anlagekonzepts hätte für den Beklagten aber schon deshalb bestanden, weil aus dem Vertragstext und aus dem Prospekt der S (Anlage K 7/K 8) die Funktionsweise der Kapitalanlage nicht nachvollzogen werden kann und weil deshalb auch Anlaß bestand, kritisch zu prüfen, wie nicht nur die dem Anleger versprochenen Erträge, sondern auch die dem Vermittler versprochene Provision von monatlich 1 % bis 1,2 % des angelegten Kapitals erwirtschaftet werden kann.

Für den Anlagevertrag vom 22. März 1997 ist der Beklagte in eigenem Namen als Vermittler aufgetreten. Dies ergibt sich aus seinem Schreiben gleichen Datums, das er unstreitig der Klägerin und ihrer Mutter im Zusammenhang mit dem Abschluß des Vertrages überlassen hat.

Der Beklagte hat die ihm, als Vermittler obliegenden Aufklärungs- und Beratungspflichten zumindest unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt und damit fahrlässig verletzt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist er deshalb darlegungs- und beweispflichtig dafür, daß der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, die Anlegerin Anna S und die beim Abschluß des Anlagevertrages anwesende Klägerin aufklärende und warnende Hinweise also nicht befolgt hätten. Insoweit fehlt es an einem substantiierten Vortrag des Beklagten. Für die Klägerin streitet sonach der Grundsatz aufklärungsrichtigen Verhaltens.

Der Beklagte hat deshalb die Anlegerin nach § 249 BGB so zu stellen, wie sie stünde, wenn sie das Anlagegeschäft nicht getätigt hätte. Er hat deshalb den beider Anlage an die S geleisteten Kapitalbetrag von 109.000,-- DM zu ersetzen. Daß ein Schaden eingetreten ist, ergibt sich schon daraus, daß die Anlagegesellschaft, wie sich herausgestellt hat, ein betrügerisches Schneeballsystem betrieben hat.

Ein Mitverschulden der Anlegerin S kommt nicht in Betracht (§ 254 BGB).

Derjenige, der einen Sachkundigen hinzuzieht, gibt damit regelmäßig zu erkennen, daß er auf dem entsprechenden Fachgebiet nicht die erforderlichen Kenntnisse hat und auf fremde Hilfe angewiesen ist, so daß sein Vertrauen besonderen Schutz verdient. Dennoch kann unter besonderen Umständen der Einwand des Mitverschuldens begründet sein, wenn etwa Warnungen von dritter Seite oder differenzierende Hinweise des anderen Teils nicht genügend beachtet werden oder wenn im Hinblick auf die Interessenlage, in der der Anlageinteressent und der Anlagevermittler in vertragliche Beziehungen zueinander treten, solche Umstände vorliegen (BGH WM 1993, 1238, 1240). Solche Umstände, für die der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig ist, sind nicht vorgetragen. Auch fehlt es an deutlichen Hinweisen, die ein Mißtrauen der Klägerin und ihrer Mutter in die Seriosität geboten hätten oder die bei einem besonders leichtsinnigen Anleger die Annahme eines Mitverschuldens hätten rechtfertigen können. Allein der Umstand, daß die Anlage einen Ertrag von 22 % jährlich abwerfen sollte, rechtfertigt die Annahme eines Mitverschuldens nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Anlagegesellschaft ihren Sitz nicht an einem exotischen Standort; sondern in der Schweiz hatte. Hinzu kommt, daß mögliche Bedenken der Anlegerin S wegen des Berufs des Beklagten als Presseoffizier bei der Bundeswehr und seiner Bekanntschaft mit ihrem Schwiegersohn, dem Ehemann der Klägerin, nicht zum Tragen gekommen sind. Der Umstand, daß die Klägerin beim Abschluß des Anlagevertrages anwesend war und ihn befürwortet hat, vermag den Beklagten nicht zu entlasten. Das Landgericht führt insoweit zu Recht aus, daß die Klägerin weder Abschlußvertreterin noch Wissensvertreterin der Anlegerin S war; deshalb sind etwaige Pflichtverletzungen der Klägerin der Anlegerin nicht zuzurechnen. Außerdem ist nicht ersichtlich, daß sie über Kenntnisse oder Erfahrungen verfügte, die sie in die Lage versetzten, die Anlage nach Funktion und Risiko einzuschätzen.

2.

Unbegründet ist die Klage allerdings, soweit die Klägerin Schadenersatzansprüche aus den von ihr selbst durch Vermittlung des Beklagten B getätigten Anlagegeschäften mit der S erlitten hat. Vertragspartner eines Auskunftsvertrages oder Anlageberatungsvertrages für diese Anlagegeschäfte ist nicht der Beklagte B, sondern der Beklagte E. Der Beklagte B war zunächst als Anlagevermittler nebenberuflich für den A tätig. In diesem Zusammenhang hat er der Klägerin den Erwerb von Fonds der Investmentgesellschaft F Funds vermittelt. Diese Tätigkeit endete im Frühjahr 1995 (vgl. z. B. Schreiben des Beklagten B vom 02.04.1995; Anlage K. 32). Danach wurde der Kläger für die "Finanzkanzlei E tätig. Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung durch das Landgericht (Protokoll vom 06.04.1999, S. 2 ff.) angegeben, der Beklagte B habe ihr erklärt; daß er bei der Finanzkanzlei E angefangen habe. Sie habe den Eindruck gehabt, daß sie bei der Finanzkanzlei E investiere und der Beklagte B nur Untervermittler sei. Diesen Eindruck habe sie gehabt, bis er ihr erklärt habe, daß er sich selbständig machen wolle. Dieser Eindruck sei dadurch entstanden, daß der Beklagte B ihr gesagt habe, er arbeite bei der Kanzlei E. Bei einer den streitigen Anlagengeschäften vorausgehenden Anlage der Klägerin bei einer Holding (Anlagen K 21) wird in dem von der Klägerin unterzeichneten "Erfassungsbogen zur Kontoeröffnung" unter dem Stichwort "Hauptvermittler/Direktvermittler" aufgeführt: "... Finanzkanzlei E B. Aus dem Vermögensverwaltungsvertrag mit der D, später aus dem Anlagevertrag mit der S., ergibt sich, daß der Anlagevertrag jeweils mit einer dieser Firmen abgeschlossen wird, nicht mit der Finanzkanzlei E. Der Umstand, daß E auch als "Volker E Vertriebsleitung für D" firmiert und in dieser Eigenschaft Bestätigungen über eingezahltes Kapital erstellt (vgl. Z. B. K 5/1 ff.), vermag diese Bewertung nicht zu ändern. Mit dem Zusatz "Vertriebsleitung" i. V. m. seinem Namen bringt der Beklagte E zum Ausdruck, daß er nicht ein Teil dieser Firma ist, sondern eine eigenständige Vertriebseinrichtung dieser Firma. Der vom Beklagten B abgeschlossene Vertretervertrag begründet vertragliche Beziehungen nur zwischen den beiden Beklagten, nicht zwischen dem Beklagten B und der Anlagegesellschaft (Anläge B 3). Der Beklagte B ist danach in die Vertriebsstruktur der Finanzkanzlei E eingebunden. Von ihr bezieht er auch die umsatzabhängige Provision.

Zwar wird der Beklagte B in § 1 Abs. 3 des Vertriebsvertrags als "freier Finanzdienstleister" bezeichnet. Die übrigen Regelungen des Vertragswerks unter § 1 (Vertriebsgegenstand und Vertriebsrecht), § 2 (Vertriebstätigkeit) und § 9 (sonstige Vereinbarungen) zeigen jedoch, daß der Beklagte B eng an die als Auftraggeber" oder "das Unternehmen" bezeichnete Finanzkanzlei E gebunden ist. Erst mit dem Abschluß der Vertriebsvereinbarung vom 26.03.1997 (Anlage B 3) und dem damit in zeitlichem Zusammenhang stehenden Versand bzw. der Verwendung der Rundschreiben vom 22.03.1997 (Anlage K 2/10) ist der Beklagte B eigenständiger Vermittler. Unter diesen Umständen ist ein Auskunftsvertrag zwischen der Klägerin und der Finanzkanzlei E diese vertreten durch den Beklagten B zustande gekommen. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1997, 1233; BGHZ 129, 136; BGHZ 126, 181; BGHZ 63, 382; BGHZ 56, 81) aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo unter bestimmten Voraussetzungen auch ein Dritter haften, der selbst nicht Vertragspartei ist oder werden soll, an den Vertragsverhandlungen aber als Vertreter, Vermittler oder sog. Sachwalter einer Partei beteiligt ist. Sachwalter in diesem Sinne ist, wer ohne Vertragspartner oder dessen Vertreter zu sein, auf der Seite eines Vertragspartners an dem Zustandekommen des Vertrages beteiligt ist und dabei über das bei der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen immer vorauszusetzende normale Verhandlungsvertrauen hinaus in besonderem Maße Vertrauen für sich persönlich in Anspruch nimmt und auf diese Weise dem anderen Vertragspartner eine zusätzliche; gerade von ihm persönlich ausgehende Gewähr für Bestand und Erfüllung des in Aussicht genommenen Rechtsgeschäfts bietet. Gleiches gilt, wenn der Dritte wegen eines eigenen unmittelbaren wirtschaftlichen Interesses dem Verhandlungsgegenstand besonders nahe steht, also wirtschaftlich betrachtet gleichsam in eigener Sache verhandelt (BGH NJW 1997, 1233 m.w.N.). Die Eigenhaftung eines Vertreters ist - ihrem Ausnahmecharakter entsprechend - im allgemeinen nur mit Zurückhaltung zu bejahen. Für die Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens genügen private Kontakte oder langjährige Geschäftsbeziehungen nicht (BGH NJW-RR 92, 605). Vielmehr muß eine über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende, persönliche Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Vertrages übernommen werden. Diese strengen Voraussetzungen sind nicht gegeben: Der Beklagte B und der verstorbene Ehemann der Klägerin waren aus ihrer Tätigkeit im Deutschen Bundeswehrverband miteinander bekannt. In diese Bekanntschaft, die auch zu privaten Begegnungen führte, wurde auch die Klägerin miteinbezogen. Allein die berufliche Stellung des Beklagten B als Berufsoffizier, ein damit verbundenes Berufsethos oder ein Ehrenkodex rechtfertigen die Annahme einer zusätzlichen, gerade vom Beklagten B persönlich ausgehenden Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Anlagegeschäftes nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, daß die persönliche Bekanntschaft so eng und vertrauensvoll war, daß die Annahme eines besonderen persönlichen Vertrauens gerechtfertigt wäre.

Die Annahme eines unmittelbaren wirtschaftlichen Interesses scheitert bereits daran, daß der Beklagte B nicht zu den Gesellschaftern bzw. Initiatoren der Anlagegesellschaften D bzw. S gehört hat. Sein wirtschaftliches Interesse, einen Vertragsabschluß herbeizuführen, beschränkte sich auf die ihm dafür nach dem Vertriebsvertrag zustehende Provision. Das allgemeine Interesse des Beklagten B an seinem wirtschaftlichen Erfolg, insbesondere am Zufluß der Provisionen für die durch ihn vermittelten Anlagegeschäfte, vermag jedoch das erforderliche eigene wirtschaftliche Interesse nicht zu begründen (BGH NJW 1990, 506; BGH NJW-RR 1991, 1242; BGH NJW-RR 1992, 605). Dieses Provisionsinteresse macht den Beklagten nicht als Quasi-Partei zum wirtschaftlichen Herrn des Geschäfts oder zum eigentlichen wirtschaftlichen Interessenträger.

3.

Eine Haftung des Beklagten B gegenüber der Klägerin aus unerlaubter Handlung ist nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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