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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 08.11.2005
Aktenzeichen: 3 W 142/05
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 10
WEG § 12
ZPO § 894
1. Zu den Voraussetzungen eines "wichtigen Grundes" i.S.v. § 12 Abs. 2 Satz 1 WEG für die Verweigerung der Zustimmung zur Veräußerung einer Eigentumswohnung.

2. Im Falle der Verpflichtung des Zustimmungsberechtigten zur Abgabe der Zustimmungserklärung im gerichtlichen Verfahren nach § 43 WEG gilt die Erklärung mit Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung nach § 894 ZPO als abgegeben.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 142/05

In dem Verfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage M..... in B......,

wegen Verweigerung der Zustimmung zur Veräußerung von Wohnungseigentum,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Petry und die Richterinnen am Oberlandesgericht Simon-Bach und Stutz auf die sofortigen weiteren Beschwerden des Antragstellers vom 5. Juli 2005 und der Streithelferin vom 7. Juli 2005 gegen den dem Antragsteller am 23. Juni 2005 zugestellten Beschluss des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 18. Juni 2005

ohne mündliche Verhandlung

am 8. November 2005

beschlossen:

Tenor:

I. Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Geschäftswertfestsetzung geändert:

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wittlich vom 7. November 2003 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet wird, die Erklärung abzugeben, dass sie der durch Urkunde des Notars J...... H..... in W...... vom 26. April 2003 (UR.Nr. ......) erfolgten Veräußerung des Wohnungseigentums des Antragstellers an die Streithelferin zustimmt.

II. Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten der Verfahrensbeteiligten sind in keinem Rechtszug zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 9 000,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin, geschiedene Eheleute, sind die Wohnungs- bzw. Teileigentümer der im Beschlusseingang genannten Wohnanlage. Die Antragsgegnerin betreibt in den zu ihrem Sondereigentum gehörenden Räumen einen Friseursalon. Der Antragsteller veräußerte im Jahr 2003 seine Eigentumswohnung an die weitere Verfahrensbeteiligte. Die Antragsgegnerin hat ihre nach der Teilungserklärung dazu erforderliche Zustimmung verweigert. In dem vorliegenden Verfahren begehrt der Antragsteller, die Antragsgegnerin zur Abgabe der Zustimmungserklärung zu verpflichten. Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben, das Landgericht hat ihn auf die Erstbeschwerde der Antragsgegnerin hin zurückgewiesen. Dagegen richten sich die weiteren Beschwerden des Antragstellers und der dem Verfahren als seine Streithelferin beigetretenen Erwerberin.

II.

Die sofortigen weiteren Beschwerden des Antragstellers und der Streithelferin sind verfahrensrechtlich bedenkenfrei (§§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 45 Abs. 1 WEG, §§ 27, 29 Abs. 1 und Abs. 4, 22 Abs. 1 FGG) und erzielen auch in der Sache den erstrebten Erfolg der Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.

Der angefochtene Beschluss des Landgerichts beruht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO), weil der Einzelrichter der Zivilkammer im Streitfall zu geringe Anforderungen an das Vorliegen eines - von der Antragsgegnerin für sich reklamierten - wichtigen Grundes i. S. v. § 12 Abs. 2 Satz 1 WEG für die Verweigerung der Veräußerungszustimmung gestellt hat.

Der Begriff des "wichtigen Grundes" im Sinne der vorbezeichneten Gesetzesbestimmung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung im Einzelfall eine Rechtsfrage und damit vom Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbar ist (BayObLG NJW-RR 2002, 659). Da weitere Ermittlungen auch aufgrund des Sachvortrags der Beteiligten in den Tatsacheninstanzen nicht erforderlich sind, kann der Senat selbst in der Sache entscheiden und die Erstbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts zurückweisen. Das Amtsgericht hat auf der Grundlage der von ihm festgestellten Tatsachen ohne Rechtsfehler dahin entschieden, dass die Antragsgegnerin nach der Sachlage bis zum Abschluss der ersten Instanz ihre Zustimmung zur Veräußerung des Wohnungseigentums des Antragstellers an dessen Streithelferin zu Unrecht versagt hat. Entgegen der Meinung des Landgerichts sind als wichtiger Grund für die Zustimmungsverweigerung auch nicht die weiteren Vorfälle im Anschluss an den zweitinstanzlichen Gerichtstermin vom 11. Mai 2004 anzuerkennen.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Ist - wie im Streitfall - in der Teilungserklärung entsprechend § 12 Abs. 1 WEG vereinbart, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung eine Zustimmung benötigt, darf diese nach § 12 Abs. 2 Satz 1 WEG nur aus einem wichtigen Grund versagt werden. Da jeder Eigentümer einer Sache grundsätzlich "nach Belieben" (§ 903 Satz 1 BGB, § 10 Abs. 1 WEG i. V. m. § 747 BGB) mit seinem Eigentum verfahren kann, ist die Regelung des § 12 WEG als Ausnahme von der Verbotsvorschrift des § 137 Satz 1 BGB eng auszulegen. Ein wichtiger Grund i. S. v. § 12 Abs. 2 Satz 1 WEG ist für den Zustimmungsberechtigten danach nur anzuerkennen, wenn die Veräußerung des Wohnungseigentums die schutzwürdigen Interessen der übrigen Wohnungseigentümer, hier also der Antragsgegnerin, konkret unzumutbar gefährdet. Die gemeinschaftswidrige Gefahr muss dabei ihre Ursache in der Person oder im Umfeld des Erwerbers haben. Nach dem Gesetzeszweck sind für die Zustimmungsverweigerung im Übrigen nur schwerwiegende und nachhaltige Gründe anzuerkennen, z. B. hinsichtlich der persönlichen oder finanziellen Unzuverlässigkeit des Erwerbers. So ist die Verweigerung der Zustimmung etwa gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, der Erwerber werde sich in die Eigentümergemeinschaft dauerhaft nicht einfügen, insbesondere die Rechte der anderen Wohnungseigentümer missachten oder wenn er sich in der Vergangenheit bereits wiederholt gemeinschaftswidrig verhalten hat. In jedem Fall muss es sich aber um Umstände von Gewicht handeln, nicht nur um Unzuträglichkeiten, persönliche Spannungen oder Vorkommnisse, wie sie in jedem Gemeinschafts- und Nachbarschaftsverhältnis immer wieder einmal auftreten können. Eigenschaften des Erwerbers, die dem Zustimmungsberechtigten lediglich unerwünscht sind, oder bloße Antipathie reichen für die Versagung nicht aus. Denn durch die Verweigerung der Zustimmung wird in das Eigentumsrecht des Veräußerungswilligen in erheblicher Weise eingegriffen. Ein solcher Eingriff rechtfertigt sich nur, wenn umgekehrt die Zustimmung zur Veräußerung einen nicht weniger erheblichen Eingriff in die Eigentumsrechte des Zustimmungsverweigernden darstellen würde (vgl. zum Ganzen jeweils m. w. N.: Senat, NJW-RR 1994, 1103 = ZMR 1994, 419; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 268 = FGPrax 1997, 17; OLG Köln ZfIR 2002, 144 und OLGR Köln 2005, 25; Bärmann/Pick/Merle, WEG 9. Aufl., § 12 Rdnr. 32).

2. Diese vorstehenden Grundsätze hat das Amtsgericht bei seiner Entscheidung über die von der Antragsgegnerin im ersten Rechtszug für ihre Zustimmungsverweigerung ins Feld geführten Gründe beachtet. Dass die Erwerberin und ihre Familie generell zu erheblichen Belästigungen der (in dem Anwesen selbst nicht wohnhaften) Antragsgegnerin neigen und die Wohnung und das gemeinschaftliche Eigentum seit ihrem Einzug im Jahr 2003 weniger rücksichtsvoll nutzen, als ein beliebiger anderer Erwerber dies tun würde, hat das Amtsgericht aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme ohne Rechtsfehler verneint. Auf die dazu angestellten Erwägungen in dem erstinstanzlichen Beschluss vom 7. November 2003 nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

Demgegenüber hat das Landgericht den von ihm für die Berechtigung der Antragsgegnerin zur Zustimmungsverweigerung allein herangezogenen Vorfällen vom 11. Mai 2004 ein zu großes Gewicht beigemessen. Daraus, dass im Anschluss an einen Gerichtstermin in vorliegender Sache der Ehemann der Streithelferin gegenüber dem minderjährigen Sohn der Antragsgegnerin bei einem Telefonanruf verbal entgleist ist, lässt sich nicht auf die dauerhafte Unzumutbarkeit einer Wohnungseigentümergemeinschaft zwischen der Antragsgegnerin und der Erwerberin schließen. Auch das von der Antragsgegnerin im Termin beim Landgericht vom 29. Juni 2004 geschilderte aggressive Verhalten der Erwerberin und deren Ehemannes ihr gegenüber am Abend des 11. Mai 2004 füllt, die Richtigkeit der hierzu aufgestellten Behauptungen unterstellt, selbst bei einer Gesamtschau noch nicht den Rechtsbegriff des "wichtigen Grundes" i. S. v. § 12 Abs. 2 Satz 1 WEG aus. Denn das geschilderte Tun der Eheleute B....., mag es auch ungehörig und rechtswidrig gewesen sein, ist als vereinzelter Vorfall vor dem Hintergrund der emotionalen Belastung aller Beteiligter wegen des laufenden gerichtlichen Verfahrens zu sehen. Das kann das Handeln der Erwerberin und ihres Ehemannes zwar nicht entschuldigen, lässt es aber doch in einem milderen Licht erscheinen. Gleiches gilt für die - unstreitig - am selben Tag durch Unterbrechen der Wasserversorgung einmalig begangene verbotene Eigenmacht zum Nachteil der Antragsgegnerin. Denn auch dieses Tun steht in offensichtlichem Zusammenhang mit dem vorliegenden Streitverfahren und rechtfertigt deshalb bei vernünftiger Betrachtungsweise ebenfalls nicht die Befürchtung, die Erwerberin oder deren Ehemann würden auch nach rechtskräftiger Entscheidung über die Veräußerungszustimmung bei etwaigen künftigen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft wieder in gleicher Weise gemeinschaftswidrig verfahren. Letztlich kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Strafverfolgungsbehörde das von der Antragsgegnerin beanzeigte Verhalten der Eheleute B..... am 11. Mai 2004 nicht als strafwürdig angesehen hat; das eingeleitete Ermittlungsverfahren ist unbestrittenermaßen durch Einstellung abgeschlossen worden.

Nach alledem ist der Antrag, die Antragsgegnerin zur Abgabe der verweigerten Zustimmungserklärung zu dem Kaufvertrag des Antragstellers mit der Erwerberin zu verpflichten, begründet. Da die Entscheidung des Senats in letzter Instanz ergeht und mit ihrem Erlass rechtskräftig wird, gilt die Zustimmungserklärung danach gemäß § 894 Abs. 1 ZPO als abgegeben (Niedenführ/Schulze, WEG 6. Aufl., § 12 Rdnr. 11).

3. Die Auferlegung der Gerichtskosten beider Rechtsmittelinstanzen auf die Antragsgegnerin als Unterlegene beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Veranlassung, von der Regel abzuweichen, dass in Wohnungseigentumssachen eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten nicht stattfindet, besteht vorliegend nicht. Die mit den Vorinstanzen übereinstimmende Festsetzung des Geschäftswerts auf 20 v. H. des Kaufpreises für das Wohnungseigentum beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG (vgl. BayObLG WuM 1995, 328, 329).

Ende der Entscheidung

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