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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 30.03.2000
Aktenzeichen: 3 W 60/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 883
ZPO § 884
ZPO § 887
ZPO § 888
Vollstreckung eines Lieferanspruchs nebst Transport

Ein Anspruch auf Lieferung beweglicher Sachen (hier: Paletten) ist nach §§ 883, 884 ZPO zu vollstrecken, je nachdem, ob es sich bei der geschuldeten Ware um "bestimmte bewegliche Sachen" oder "eine Menge bestimmter beweglicher Sachen" handelt bzw. "eine bestimmte Menge vertretbarer Sachen" geschuldet ist.

Wird außerdem der Transport der Ware geschuldet, liegt vollstreckungsrechtlich ein sogenannter Mischfall vor. Die Verhängung von Zwangsgeld kommt in einem solchen Fall jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die neben der Herausgabe geschuldete Leistung ohne Weiteres von einem Dritten erbracht werden kann (hier: Organisation des Transports).


3 W 60/00 HK.O 163/98 Landgericht Kaiserslautern

PFÄLZISCHES OBERLANDESGERICHT ZWEIBRÜCKEN

Beschluss

In der Zwangsvollstreckungssache

wegen Lieferung von Paletten u.a.,

hier: Verhängung von Zwangsgeld nach § 888 ZPO,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, den Richter am Oberlandesgericht Hengesbach und den Richter am Landgericht Edinger auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 10. März 2000 gegen den seinen Verfahrensbevollmächtigten am 25. Februar 2000 zugestellten Beschluss der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Kaiserslautern vom 22. Februar 2000 ohne mündliche Verhandlung

am 30. März 2000

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Gläubiger hat die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde des Gläubigers ist gemäß § 793 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden (§§ 569, 567 Abs. 2, 577 Abs. 2 ZPO). In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg. Das Landgericht hat mit Recht entschieden, dass eine Vollstreckung durch die ausschließlich beantragte Verhängung von Zwangsgeld gemäß § 888 ZPO nicht in Betracht kommt.

I.

Die Schuldnerin ist nach dem im Termin vom 10. Mai 1999 geschlossenen Vergleich u.a. verpflichtet, an die Betriebsstätte des Gläubigers 436 Stück Paletten (Wasserpaletten) zu liefern. In Ziffer 2 des Vergleichs ist geregelt, dass Transport und Transportkosten von der Schuldnerin organisiert und bezahlt werden. Die Parteien streiten noch, ob sämtliche Paletten geliefert sind. Nach Darstellung des Gläubigers steht noch die Lieferung von 306 weiteren Paletten aus. Seinen Antrag, deswegen nach § 888 ZPO ein Zwangsgeld zu verhängen, ersatzweise Zwangshaft gegen den Geschäftsführer der Schuldnerin anzuordnen, hat das Landgericht mit der Begründung zurückgewiesen, die Zwangsvollstreckung sei dadurch zu bewirken, dass der Gerichtsvollzieher die Paletten in Besitz nehme. Der Transport sei eine vertretbare Handlung, ein entsprechender Ermächtigungsantrag sei bislang nicht gestellt. Das hiergegen gerichtete Beschwerdevorbringen, mit dem der Gläubiger weiterhin die Festsetzung eines Zwangsgeldes erstrebt, vermag keine abweichende Entscheidung zu rechtfertigen.

II.

Mit der Lieferung von Paletten hat sich die Schuldnerin im Vergleich primär zur Herausgabe beweglicher Sachen verpflichtet. Ein dahingehender Anspruch ist nach §§ 883, 884 ZPO zu vollstrecken, je nachdem, ob es sich bei den geschuldeten Paletten um "bestimmte bewegliche Sachen" oder "eine Menge bestimmter beweglicher Sachen" handelt bzw. "eine bestimmte Menge vertretbarer Sachen" geschuldet ist (vgl. zur Abgrenzung Schilken, DGVZ 1988, 49, 51 und in MünchKomm, ZPO S 883 Rdnr. 3 f). Darüber hinaus hat sich die Schuldnerin hier in Ziffer 2 des Vergleichs u.a. verpflichtet, den Transport zu organisieren. Für einen solchen Titel, einen sogenannten Mischfall, ist die vollstreckungsrechtliche Behandlung in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich.

1. Während teilweise grundsätzlich auf die Vollstreckung nach §§ 883 ff ZPO verwiesen wird, mit der Möglichkeit, nach § 893 ZPO vorzugehen, falls die Herausgabevollstrekkung nicht zum Ziel führt (vgl. grundlegend RGZ 58, 160 ff), wird nach anderer Ansicht die Anwendbarkeit der §§ 887, 888 ZPO für solche Fälle bejaht, in denen der Handlung neben der Herausgabepflicht eine selbständige Bedeutung zukommt (vgl. etwa das frühere OLG Neustadt, jetzt Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, MDR 1960, 932). Eine weitere Auffassung lässt in diesen Fällen sowohl eine Vollstreckung nach §§ 883 ff als auch nach §§ 887, 888 ZPO zu (vgl. dazu Schilken, DGVZ 1988, 49, 53 und in MünchKomm aaO 883 Rdnr. 9; Zöller/Stöber, ZPO 21. Aufl. § 883 Rdnr. 9; Wieczorek/Schütze/Storz ZPO 3. Aufl. S 823 Rdnr. 17; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz 2. Aufl. § 883 Rdnr. 3, jew. mit weit. Nachw. zur Literatur und Rechtsprechung).

2. Hier bedarf die Rechtsfrage indes keiner Entscheidung. Denn ungeachtet der unterschiedlichen Meinungen hat die Kammer für Handelssachen jedenfalls zu Recht den Antrag auf Verhängung von Zwangsgeld nach § 888 ZPO zurückgewiesen. Der nach Ziffer 2 des Vergleichs geschuldete Transport stellt eine vertretbare Handlung dar, bei der allenfalls eine Vollstreckung nach § 887 ZPO in Betracht kommt.

a) Für die Zwangsvollstreckung von Handlungen kommt es darauf an, ob es rechtlich und wirtschaftlich betrachtet für den Gläubiger bei vernünftiger Betrachtungsweise gleichgültig ist, ob der Schuldner oder ein Dritter die geschuldete Handlung erfüllt (vgl. etwa Baumbach/Hartmann, ZPO 58. Aufl. § 887 Rdnr. 6 und § 888 Rdnr. 2 m.w.Nw.). Irgendwelche Gesichtspunkte, die hier dafür sprechen könnten, dass nur die Schuldnerin die Handlung vornehmen kann, sind weder ersichtlich noch dargetan. Insoweit kommt es insbesondere nicht darauf an, ob die Schuldnerin überhaupt in der Lage ist, die Paletten zu liefern. Denn bei Unmöglichkeit könnte auch die angestrebte Vollstreckung nach § 888 ZPO keinen Erfolg haben (vgl. Brox-Walker, Zwangsvollstreckungsrecht 2. Aufl. Rdnr. 1053).

b) Wie die unterschiedlichen Vollstreckungsvoraussetzungen in §§ 887, 888 ZPO zeigen, kann auch aus der titulierten Verpflichtung des Beklagten für sich allein gesehen nicht geschlossen werden, dass nur durch ihn die Handlung vorzunehmen ist. Nach Ziffer 2 des Vergleichs wird nicht etwa eine Übergabe der Waren durch ihn persönlich geschuldet (vgl. zu einem "Verschaffungstitel" Schneider, MDR 1983, 287 f; Wieczorek/Schütze/Storz aaO § 883 Rdnr. 22 Zöller/Stöber aaO § 883 Rdnr. 9 einerseits, OLG Frankfurt MDR 1983, 325; Baumbach/Hartmann aaO § 883 Rdnr. 3 andererseits), sondern die Schuldnerin ist nach dem eindeutigen Wortlaut des Titels lediglich zur Organisation des Transports verpflichtet. Schließlich steht der Anwendung des § 887 ZPO nicht Abs. 3 der Vorschrift entgegen. Soweit danach eine Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe oder Leistung ausscheidet, gilt dies nicht für die Fälle des Zusammentreffens von Herausgabe- und Handlungspflicht (vgl. Schilken DGVZ 1988, 49, 53 und in MünchKomm. aaO 883 Rdnr. 10; Zöller/Stöber aaO § 823 Rdnr. 9).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Den Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen Beschwerde hat der Senat gemäß §§ 25 Abs. 2, 12 Abs. 1 GKG i.V.m. 3 ZPO entsprechend der unbeanstandet gebliebenen Bestimmung durch das Landgericht festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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