Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 02.05.2007
Aktenzeichen: 1 U 28/07
Rechtsgebiete: StVO, StVG, ZPO


Vorschriften:

StVO § 8
StVO § 8 Abs. 2
StVG § 17
ZPO § 287
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Urteil

Aktenzeichen: 1 U 28/07

Verkündet am: 2. Mai 2007 In dem Rechtsstreit wegen Schadenersatzes aus Verkehrsunfall hat der 1. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Schwenninger als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung am 18. April 2007 für Recht erkannt: Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichtes Frankenthal (Pfalz) vom 11. Januar 2007 wie folgt geändert: Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger weitere 878,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 06.04.2005 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. III. Die Kosten des Rechtsstreites tragen die Beklagten als Gesamtschuldner. IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. V. Die Revision wird nicht zugelassen. Gründe: I.

Der Kläger macht Ansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 10. März 2005 geltend. Dabei war es zu einer Kollision mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw Audi 100 mit dem amtlichen Kennzeichen ... gekommen, dessen Halter der Beklagte zu 1) war. Der Kläger befuhr mit seinem PKW Mercedes-Benz C 180 mit dem amtlichen Kennzeichen ... die vorfahrtsberechtigte B... und wollte nach links in die B... einbiegen. Der Beklagte zu 1) wollte aus der B... nach links ausbiegen. Der Kläger nahm nach dem Unfall einen Leihwagen vom Typ VW Golf für drei Tage und einen Leihwagen vom Typ Smart für acht Tage in Anspruch. Der Kläger hat behauptet, dass der Beklagte zu 1) vor dem Unfall über die Wartelinie in die Kreuzung eingefahren sei. Er hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 7.512,38 € nebst Zinsen seit dem 05.04.2005 zu zahlen. Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben behauptet, der Kläger habe die Kurve geschnitten. Der Erstrichter hat der Klage nach Erhebung von Beweisen mit der angefochtenen Entscheidung - auf deren Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird - überwiegend stattgegeben. Den Schadensersatzanspruch des Klägers hat er auf der Grundlage einer Mithaftung des Klägers von 10% berechnet. Darüber hinaus hat er hinsichtlich der Mietwagenkosten eine Pauschale für Eigenersparnis in Höhe von 10% angesetzt. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er nimmt eine volle Haftung des Klägers für sich in Anspruch und hält einen Abzug für Eigenersparnis bei den Mietwagenkosten im Hinblick auf die erfolgte Anmietung von klassentieferen Fahrzeugen nicht gerechtfertigt. Zudem verweist er auf die geringe zurückgelegte Gesamtfahrstrecke. Der Kläger beantragt, die Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung zur Zahlung weiterer 878,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.04.2005 an ihn zu verurteilen. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Berufung. II. 1. Der dem Kläger zustehende Schadensersatzanspruch besteht dem Grunde nach in voller Höhe. Die Berücksichtigung eines Verursachungsanteils in Höhe von 10% unter dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges kommt nicht in Betracht. Der Beklagte zu 1) hat gegen § 8 Abs. 2 StVO verstoßen. Denn wie mit der Berufung zu Recht vorgebracht wird, erstreckt sich der von § 8 StVO gestützte Vorfahrtsbereich auf die gesamte Kreuzungsfläche einschließlich der linken Fahrbahnhälfte der untergeordneten Straße (vgl. KG NZV 2002, 79; Hentschel StVO, 38. Aufl. § 8 Rn. 28 m.w.N.). Das Vorfahrtsrecht ist nicht davon abhängig, dass der Berechtigte sich selbst verkehrsrichtig verhält (vgl. BGH VRS 10, 19, 22). Der Vorfahrtsberechtigte verliert die Vorfahrt selbst dann nicht, wenn er beim Abbiegen nach links die Kurve schneidet und dabei die linke Fahrbahn benutzt (vgl. BGH NJW 1986, 2651 m.w.N.; OLG Hamm NZV 1998, 26). Damit spricht gegen den Beklagten zu 1) als Wartepflichtiger der Anschein einer schuldhaften Vorfahrtsverletzung (vgl. KG NZV 2002, 79; VRS 105, 104; OLG Hamm ZfS 2001, 105; OLG Köln VRS 99, 249; OLG Stuttgart NZV 1994, 440; OLG Koblenz NZV 1993, 273). Dieser Anscheinsbeweis kann nur durch bewiesene Tatsachen entkräftet werden (vgl. OLG München ZfS 1997, 245), oder durch den Nachweis von Tatsachen, aus denen sich die Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ergibt (vgl. OLG Köln VersR 1981, 340). Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens B... haben die Beklagten - ungeachtet der bereits angesprochenen Erheblichkeit dieses Vorbringens- weder nachweisen können, dass der PKW des Beklagten zu 1) im Unfallzeitpunkt nicht in Bewegung war, noch dass der Kläger die Kurve geschnitten hat. Vielmehr hat der Sachverständigen B... in dem von dem Erstrichter verwerteten Gutachten aus dem Verfahren des Amtsgerichtes Ludwigshafen am Rhein, Az.: 2 g C 406/05 nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass der Beklagte zu 1) entgegen seiner Behauptung im Unfallzeitpunkt seinen Pkw nicht zum Stillstand gebracht hatte. Ein Schneiden der Kurve seitens des Klägers kann danach auch im Rahmen der Haftungsabwägung nicht zugrunde gelegt werden. Denn im Rahmen des § 17 StVG können nur feststehende Umstände berücksichtigt werden, die sich nachweislich auf den Unfall ausgewirkt haben (vgl. BGH NJW 2000, 3096; 1995, 1029). Der Kläger war auch keineswegs gehalten, von seiner Fahrlinie abzuweichen, um einem etwaigen, noch nicht vorhersehbaren Verstoß des Beklagten zu 1) gegen die Wartepflicht auszugleichen. Eine Berücksichtigung der Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges wäre allenfalls dann in Betracht gekommen, wenn dem Berechtigten bei Verstoß des Beklagten zu 1) gegen die Wartepflicht die Vermeidung einer Kollision durch Ausweichen möglich gewesen wäre (vgl. OLG Celle VersR 1968, 904). Dass dem Kläger eine Verhinderung der Kollision durch Ausweichen möglich gewesen wäre, nachdem der Verstoß des Beklagten zu 1) gegen die Wartepflicht erkennbar geworden war, lässt sich indes nicht feststellen. Die von dem Erstrichter angeführte Entscheidung des OLG Hamm und des OLG München (vgl. NVZ 1997, 180 und Schadenspraxis 1998, 236) lassen sich auf die vorliegende Unfallkonstellation nicht übertragen. Denn dort ereignete sich die Kollision im Bereich einer abknickenden Vorfahrtsstraße, die von dem Vorfahrtsberechtigten geradeaus in eine Nebenstraße verlassen worden war. Demzufolge verbleibt es hier bei der Regel, dass die Betriebsgefahr des Vorfahrtsberechtigten zurücktritt (vgl. KG NZV 2002, 79; VRS 104, 21; OLG Celle ZfS 2001, 492; OLG Hamm ZfS 2001, 105). Der Schaden des Klägers ist demnach auf der Grundlage einer 100%igen Haftung der Beklagten zu berechnen. 2. Entgegen der von dem Kläger mit der Berufung dargetanen Auffassung ist nach den von dem Erstrichter in Bezug genommenen Entscheidungen des OLG Saarbrücken (vgl. OLGR 2000, 306) und des OLG Düsseldorf (VersR 1996, 987) ein Abzug wegen Eigenersparnis auch bei Anmietung eines klassentieferen Fahrzeuges gerechtfertigt (vgl. auch BGH NJW 1967, 552). Dies führt allerdings dazu, dass der Schädiger durch die überobligatorischen Schadenminderungsanstrengungen des Geschädigten bessergestellt wird, als er bei Anmietung eines dem Kläger zustehenden vergleichbaren Pkw stehen würde. In der Konstellation in der dem Schädiger bereits durch die Anmietung eines klassentieferen Pkw Kosten erspart werden, wird es daher teilweise als unbillig erachtet, ihn auch noch durch den Abzug eines Eigenersparnisanteils zu begünstigen. Dementsprechend wird in der Rechtsprechung vermehrt auch bei Anmietung eines klassentieferen Pkw von der Anrechnung einer Eigenersparnis abgesehen (vgl. OLG Hamm NZV 1999, 379; OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 984; OLG Celle NJW-RR 1993, 1052). Diese volle Erstattung der Mietkosten bei Anmietung eines billigeren Ersatzfahrzeuges entspricht auch der Empfehlung des HUK-Verbandes (vgl. NJW 1993, 376). Auf diese Frage kommt es indes entscheidungserheblich nicht an. Der Kläger hat mit den in Anspruch genommenen Mietwagen insgesamt eine Strecke von lediglich 309 km zurückgelegt. Bei Fahrstrecken von unter 1.000 km ist indes eine Einsparung gerade in Ansehen der Wartungsintervalle moderner Fahrzeuge und des nicht nennenswerten Verschleißes kaum messbar und damit ein Abzug wegen Eigenersparnis nicht gerechtfertigt (vgl. Senat 1 U 9/05Urteil vom 29.06.2005; Becker/Böhme/Biela Kraftverkehrshaftpflichtschäden 22. Aufl. Rdnr. D 59). Dem Kläger steht damit ein Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten in voller Höhe zu. Diese beliefen sich unstreitig auf 1.413,98 €. Daher lag kein Fall des § 287 ZPO vor. 3. Neben den Mietwagenkosten in Höhe von 1.413,98 € sind dem Kläger unstreitig Reparaturkosten in Höhe von netto 5.459,46 € und Sachverständigenkosten in Höhe von 612,94 € entstanden. Hinzu kommt eine Unkostenpauschale in Höhe von 26,00 €. Damit ergibt sich ein Anspruch des Klägers in Höhe von 7.512,38 €. Unter Berücksichtigung des bereits zugesprochenen Betrages von 6.633,88 € verbleibt ein weitergehender Anspruch des Klägers in geltend gemachter Höhe von 878,50 €. 4. Ein Zinsanspruch ist wie von dem Erstrichter zutreffend angenommen erst ab dem 6. April 2005 gegeben, da die gesetzte Frist zur Zahlung sich bis einschließlich 5. April 2005 erstreckte. Soweit Zinsen ab dem 5. April 2005 begehrt werden, bleiben die Klage und damit auch die weitergehende Berufung ohne Erfolg. 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. 6. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, da die Voraussetzung des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

Zurück