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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 19.12.2002
Aktenzeichen: 1 Ws 596/02
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 67 d Abs. 5 S. 1 |
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss
Aktenzeichen: 1 Ws 596/02
In dem Strafvollstreckungsverfahren
wegen schweren Raubes u. a.,
hier: Beendigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Ohler und die Richter am Oberlandesgericht Maurer und Ruppert
am 19. Dezember 2002
beschlossen:
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft und des Verurteilten wird der Beschluss der (Kleinen) Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau i. d. Pfalz vom 14. November 2002 aufgehoben.
2. Die Fortdauer der Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt wird angeordnet.
3. Die nächste Überprüfung gemäß § 67e StGB soll bis spätestens 4. April 2003 erfolgen.
4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe:
Das Landgericht Frankenthal (Pfalz) verurteilte den Beschwerdeführer am 9. September 1998 u. a. wegen schweren Raubes in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren. Seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurde angeordnet. Nach teilweisem Vorwegvollzug der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe befindet sich der Verurteilte seit dem 9. Oktober 2001 im Maßregelvollzug in einer Entziehungsanstalt. Mit Beschluss vom 14. November 2002 hat die Strafvollstreckungskammer bestimmt, dass die Unterbringung nicht weiter zu vollziehen ist (§ 67 d Abs.5 Satz 1 StGB). Zugleich hat sie davon abgesehen, den noch nicht erledigten Rest der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem vorbenannten Urteil zur Bewährung auszusetzen. Hiergegen wenden sich sowohl der Verurteilte als auch die Staatsanwaltschaft mit der sofortigen Beschwerde.
Die zulässigen Rechtsmittel haben in der Sache Erfolg. Die Darlegungen der Strafvollstreckungskammer tragen nicht die Beendigung des Maßregelvollzugs und die damit verbundene Überweisung des Verurteilten in den Strafvollzug.
Nach § 67 d Abs. 5 Satz 1 StGB bestimmt das Gericht nachträglich, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 Abs. 1 StGB) nicht weiter zu vollziehen ist, wenn ihr Zweck aus Gründen, die in der Person des Untergebrachten liegen, nicht erreicht werden kann. Bei der Entscheidung hierüber hat das Gericht kein Ermessen. Die Maßregel darf von Verfassungs wegen (vgl. BVerfG NStZ 1994, 578) nicht weiter vollzogen werden, wenn entgegen einer anfänglichen positiven Erwartung eines Behandlungserfolgs keine hinreichende Aussicht hierfür mehr besteht. Dies bedeutet, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht erst dann abzubrechen ist, wenn sie sich als zweifelsfrei aussichtslos erwiesen hat, sondern dass ihr weiterer Vollzug bereits unzulässig wird, sobald aus Gründen, die in der Person des Untergebrachten liegen, eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht seiner Behandlung im Maßregelvollzug nicht mehr erkennbar ist. Ob der Versuch, den Untergebrachten von seiner Sucht zu heilen, aber tatsächlich fehlgeschlagen ist oder ob es sich nur um eine zu überwindende Krise in seiner Entwicklung handelt, haben die Vollstreckungsgerichte sorgfältig zu prüfen, da ihre Entscheidung für den Untergebrachten regelmäßig von weitreichender Bedeutung ist und die dem Verurteilten von Ärzten und Gerichten bescheinigte Aussichtslosigkeit der Behandlung regelmäßig dazu angetan ist, in ihm die Vorstellung zu verfestigen, dass weitere Bemühungen, von der Sucht loszukommen, sinnlos sind. Deshalb sollte bei einem Untergebrachten, der dem Abbruch seiner Behandlung im Maßregelvollzug widerspricht, auch nicht von vornherein unterstellt werden, dass sein Motiv hierfür lediglich das Bestreben ist, den mit einem Wechsel in den Strafvollzug - tatsächlich oder vermeintlich - verbundenen zusätzlichen Einschränkungen und Belastungen auszuweichen. Hiernach obliegt es den Vollstreckungsgerichten bei Entscheidungen nach § 67 d Abs. 5 Satz 1 StGB insbesondere, die Berichte und Stellungnahmen der Therapeuten in der Einrichtungen des Maßregelvollzugs einer kritischen Würdigung zu unterziehen und zu prüfen, ob sie tatsächlich eine ausreichende Erkenntnisgrundlage für einen Behandlungsabbruch vermitteln. Dabei darf auch der Umstand nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass zwischen den durch richterliche Entscheidung untergebrachten Patienten und ihren Therapeuten gelegentlich Spannungen auftreten, die geeignet sein können, sich auf den Inhalt der Stellungnahme und die ärztliche Prognose auszuwirken. Im Einzelfall kann dies zu der Überlegung Anlass geben, auch in einem solchen Verfahren die Hilfe eines externen Sachverständigen in Anspruch zu nehmen. Diesen Beurteilungsmaßstäben wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht.
Nach den im Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 9. September 1998 getroffenen Feststellungen betrieb der Beschwerdeführer schon im jugendlichen Alter Alkoholmissbrauch. Schon mit Beginn seiner Berufstätigkeit begann er in immer stärkerem Ausmaß, Alkohol zu sich zu nehmen. Zuletzt war seine Alkoholabhängigkeit so ausgeprägt, dass er bei Abstinenz schnell unter Magenschmerzen und Schweißausbrüchen litt, die er dann mit Alkohol bekämpfte. Seine Arbeitsleistung nahm rapide ab, so dass es zu Abmahnungen durch den Arbeitgeber kam. Gleichwohl ordnete die Kammer seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an, weil sie - sachverständig beraten - zu der Überzeugung kam, dass der Verurteilte den Wunsch und den Willen hatte, vom Alkohol endgültig loszukommen. Dass sich dies geändert hat, belegen die Ausführungen der Strafvollstreckungskammer nicht.
Angesichts des langjährig betriebenen exzessiven und massiven Alkoholmissbrauchs verlief die Unterbringung des Verurteilten vielversprechend. Nach den Berichten der behandelnden Therapeuten zeigte er sich im Rahmen seiner Möglichkeiten um die erfolgreiche Bearbeitung seiner Sucht bemüht. Sein Verhalten war geprägt von hohem Leidensdruck. Angesichts vorhandener Therapieansätze wurde regelmäßig die Weiterführung der Therapie empfohlen. So heißt es beispielsweise in einer Stellungnahme der Entziehungsanstalt vom 17. Juni 2002, dass sich der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Möglichkeiten sowohl mit seinem Delikt als auch seiner Suchtproblematik in therapeutischen Einzelgesprächen und Gruppenstunden auseinandergesetzt hat und er sich der wesentlichen Motive seines Handelns bewusst geworden ist. Dem Therapeuten war es offenbar gelungen, die therapeutischen Gespräche zunehmend als Raum für kritische Selbstbetrachtungen und Vergangenheitsbewältigung zu nutzen. Noch in den Stellungnahmen vom 1. und 26. August 2002 wird von Fortschritten in der Therapie, von Einsicht in die Suchtproblematik, von Abstinenzmotivation und von zureichender Opferempathie berichtet. Dementsprechend wurden Vollzugslockerungen und Erprobungsmaßnahmen, die über den bereits bestehenden Freigang im Klinikgelände hinausgehen sollten, zunächst in Aussicht gestellt und später auch bewilligt. Die Therapie verlief danach erfolgreich und war von einem offensichtlichen Bedürfnis des Beschwerdeführers nach weiterer intensiver therapeutischer Unterstützung geprägt. Erst der Missbrauch eines ihm bewilligten Ausgangs, bei dem der Verurteilte sich alkoholisiert hatte und mit einer erneuten Straftat auffällig geworden war, bot dem verantwortlichen Therapeuten Veranlassung, die Therapie als gescheitert zu betrachten, indem er dies mit der Annahme verband, der Verurteilte habe sich während des bisherigen Maßregelvollzugs nur aufgrund eines Anpassungsverhaltens als therapiewillig gezeigt. Es fehle an einer echten Therapiebereitschaft, weshalb die Therapie keine Aussicht auf Erfolg mehr biete. Dieser Beurteilung hat sich die Strafvollstreckungskammer angeschlossen und die Beendigung der Maßregel letztlich mit der fehlenden Therapiewilligkeit des Verurteilten begründet. Dies vermag die Beendigung der Maßregel nicht zu rechtfertigen.
Bei der seitens der Strafvollstreckungskammer in Bezug genommenen Begründung des Sachverständigen fällt vor allem der abrupte Wechsel in der Einschätzung der Therapiemotivation des Beschwerdeführers auf. Während bis zum Missbrauch des dem Beschwerdeführer gewährten Ausgangs kein begründeter Zweifel an der Behandlungsbereitschaft des Beschwerdeführers zu bestehen schien, soll sich nun nach Ansicht seines Therapeuten herausgestellt haben, dass es dem Beschwerdeführer vermutlich gelungen war, über einen Zeitraum von nahezu einem Jahr hinweg in zahlreichen Einzel- und Gruppengesprächen einen Therapiewillen lediglich vorzutäuschen. Ohne nähere Darlegung hierzu erscheint diese Betrachtungsweise dem Senat nicht nachvollziehbar. Soweit aus dem zu verzeichnenden Rückfall und Missbrauch der Vollzugslockerungen hierauf geschlossen wird, wäre es hilfreich gewesen zu erläutern, welches Gewicht diesem Rückfall vor dem Hintergrund des langjährigen Missbrauchs von Alkohol durch den Beschwerdeführer zukommt. Dem Senat, der ständig mit Straf- und Maßregelvollstreckungssachen befasst ist, ist bekannt, dass bei Süchtigen, die sehr lange Alkoholmissbrauch betrieben haben, trotz guten Willens gelegentliche Rückfälle auch noch nach Monaten der Behandlung eher die Regel als die Ausnahme sind. Angesichts dessen lässt der Rückfall nicht ohne weiteres den Schluss zu, der Beschwerdeführer habe sich mit seiner Drogenabhängigkeit abgefunden. Welchen Anlass der Rückfall vom 8./9. September 2002 letztlich tatsächlich hatte und welche Bedeutung der neuerlichen Straftat des Verurteilten für einen möglichen Therapieerfolg beizumessen ist, geht aus den Darlegungen der Strafvollstreckungskammer nicht hervor. Nach den Angaben des Verurteilten sei er nur deshalb vom Ausgang nicht zurückgekehrt, weil er einer plötzlichen Eingebung folgend seinen "totkranken Vater" noch einmal habe besuchen wollen. Auch die von ihm begangene Straftat müsse auf diesem Hintergrund gesehen werden, weshalb ihr kein entscheidendes Gewicht zukomme. Soweit die Annahme, eine Basis für eine weitere Zusammenarbeit sei nicht mehr vorhanden, darauf gestützt wird, dass der Verurteilte nach Rückkehr in die Klinik nicht rückhaltlos zur Aufklärung der mit dem Vollzugslockerungsmissbrauch und der erneuten Alkoholrückfälligkeit in Zusammenhang stehenden Umstände beigetragen habe, vermag auch dies die Annahme einer Therapieunwilligkeit und daraus folgend eine Aussichtslosigkeit der Therapie nicht zu begründen. Die Annahme, die Angaben zum Alkoholkonsum während der Zeit der Abwesenheit seien zweckgerichtet, um nicht vom Maßregelvollzug in die Strafhaft zu müssen, und nicht primär durch den Willen zur Fortsetzung der Therapie motiviert, erweist sich als bloße Vermutung. Für den Beschwerdeführer, der sich bis zum Vollzugslockerungsmissbrauch auf einem sehr guten Weg im Hinblick auf das Therapieziel befand, ist der Vollzugslockerungsmissbrauch und der damit regelmäßig verbundene Vertrauensbruch nachvollziehbar eine peinliche Situation, so dass es verständlich erscheint, dass er Verurteilte zunächst nicht all das Geschehene rückhaltlos aufdecken wollte oder konnte, zumal es sich bei dem Beschwerdeführer um einen intellektuell eher minderbegabten Menschen handelt, der die Konsequenzen seines Handelns nicht notwendigerweise bis ins Letzte zu übersehen in der Lage sein wird. Zugegebenermaßen hat der Verurteilte in erheblichem Maße gegen Vollzugslockerungen verstoßen und sich damit zunächst vom Therapieziel entfernt. Es mag sein, dass das zunächst bestehende Vertrauensverhältnis zwischen dem Verurteilten und dem ihn behandelnden Therapeuten unwiederbringlich verloren ist. Dies muss einem Therapieerfolg indes nicht entgegenstehen, da dieser Situation mit der Möglichkeit eines Therapeutenwechsels oder gar eines Wechsels der Therapiestätte Rechnung getragen werden kann.
Danach ist die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer aufzuheben und die Fortdauer der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.
Ende der Entscheidung
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