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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 27.12.2000
Aktenzeichen: 1 Ws 644/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 310 Abs. 2
StPO § 464 Abs. 3 S. 1 2. Halbsatz
Leitsatz:

Eine weitere Beschwerde des Beschuldigten gegen einen Beschluss des Landgerichts, durch den ein Haftbefehl gegen ihn aufgehoben worden ist, ist unstatthaft. Seine sofortige Beschwerde gegen den (unterbliebenen) Kostenausspruch einer solchen Entscheidung ist daher unzulässig.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 1 Ws 644/00 5371 Js 11937/00 StA Frankenthal (Pfalz)

In dem Ermittlungsverfahren gegen

wegen Hehlerei u. a.,

hier: sofortige Beschwerde

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgericht Dr. Ohler sowie die Richter am Oberlandesgericht Maurer und Friemel

am 27. Dezember 2000

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beschuldigten gegen die (unterbliebene) Kostenentscheidung des Beschlusses der 2. Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 15. November 2000 wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.

Gründe:

Durch den angefochtenen Beschluss hat die 2. Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) auf die Beschwerde des Beschuldigten den vom Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) am 25. September 2000 beschlossenen Haftbefehl (Az.: 4 a Gs 449/00) wegen Hehlerei und Verstößen gegen das Ausländergesetz aufgehoben. Dagegen hat der Beschuldigte über seinen Verteidiger am 17. November 2000 rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er rügt, dass der Beschluss des Landgerichts keine Kostenentscheidung enthalte.

I.

Die sofortige Beschwerde gegen die unterbliebene Kostenentscheidung ist unzulässig, weil eine Anfechtung der Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft wäre (§ 464 Abs. 3 S. 1 2. Halbsatz StPO). Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss den vom Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) erlassenen Haftbefehl aufgehoben. Gegen eine solche Entscheidung kommt grundsätzlich nur das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde (§ 310 Abs. 1 StPO) in Betracht, die im Falle des Beschwerdeführers hier jedoch nicht statthaft ist.

Statthaft im Sinne von § 464 Abs. 3 S. 1 2. Halbsatz StPO ist ein Rechtsmittel nur, wenn das Gesetz entweder ausdrücklich oder nach seinem systematischen Zusammenhang eine Nachprüfung dieser Art von Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht von vorneherein allgemein zulässt, oder wenn das Rechtsmittel aufgrund einer vom Gesetz ausnahmsweise eröffneten Möglichkeit einer besonderen Zulassung zur Nachprüfung der Hauptentscheidung zugelassen wird (BayObLG VRs 83, 200; OLG Düsseldorf VRs 96, 222; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 464, Rdnr. 17 m.w.N.). Ein Rechtsmittel ist daher nicht statthaft, wenn es schon nach der Art der Entscheidung schlechthin nicht zulässig ist oder die betroffene Person grundsätzlich - unabhängig von der Beschwer im Einzelfall - nicht zur Einlegung des Rechtsmittels befugt ist (LR-Hilger, StPO, 25. Aufl., § 464, Rdnr. 52 m.w.N.).

Für den Fall der weiteren Beschwerde gilt, dass ein solches Rechtsmittel grundsätzlich ausgeschlossen ist, § 310 Abs. 2 StPO. Jede Entscheidung, gegen die die Beschwerde gegeben ist, wird nur einmal von einer höheren Instanz überprüft, was selbst dann gilt, wenn dem Beschwerdeführer durch die Beschwerdeentscheidung eine neu Beschwerde entsteht (KK-Engelhardt, StPO, 4. Aufl., § 310, Rdnr. 1, 2; Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO, Rdnr. 1 m.w.N.). Lediglich Beschlüsse, die "Verhaftungen oder die einstweilige Unterbringung betreffen", können mit der weiteren Beschwerde angegriffen werden.

Der Begriff der Verhaftung ist der gleiche wie in § 304 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 StPO (KK-Engelhardt, aaO, Rdnr. 10). "Verhaftungen" enthalten alle Beschlüsse, die anordnen, dass der Beschuldigte in Haft zu nehmen oder zu halten sei. Damit ist jede Maßnahme gemeint, die ohne weitere richterliche Entscheidung die Freiheitsentziehung herbeiführt oder aufrecht erhält (KMR-Paulus, § 310, Rdnr. 4). Der Gesetzgeber wollte dem Betroffenen wegen der besonderen Tragweite des Eingriffs in die persönliche Freiheit die Möglichkeit eröffnen, den Bestand und Vollzug des Haftbefehls nochmals nachprüfen zu lassen (OLG Braunschweig, NJW 1965, 1288; LR-Gollwitzer, aaO, § 310, Rdnr. 11; Kleinknecht/MeyerGoßner, aaO, Rdnr. 7; für den ähnlich gelagerten Fall des § 304 Abs. 4 StPO: BGHSt 25, 120; 26, 270; 29, 200). Dabei handelt es sich nach herrschender Meinung um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift (LR-Gollwitzer, aaO; KK-Engelhardt, aaO, Rdnr. 8; Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO, Rdnr. 4). Umstritten ist deshalb, ob die weitere Beschwerde auch zulässig ist, wenn es um einen Haftbefehl geht, der die persönliche Freiheit nicht unmittelbar berührt, weil er außer Vollzug gesetzt worden ist, oder aus anderen Gründen nicht oder nicht mehr vollzogen wird (vgl. zu allem OLG Köln, StV 1994, 321 m.w.N.; Senat, StV 1991, 219 m.w.N.; OLG Koblenz, MDR 1978, 339; Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO, Rdnr. 7).

All diesen Fällen ist gemeinsam, dass ein Haftbefehl in der Beschwerdeinstanz bestehen geblieben ist. Jedoch wird eine weitere Beschwerde des Beschuldigten einhellig als nicht statthaft angesehen, wenn es nicht mehr um die Haftentscheidung selbst, sondern lediglich ihre Ausgestaltung geht (Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO, Rdnr. 7 m.w.N.; KK-Engelhardt, aaO, Rdnr. 10 m.w.N.; KMR-Plöd, aaO, § 310, Rdnr., dass die weitere Beschwerde auch ausgeschlossen ist, wenn der Beschuldigte bei Akzeptierung des Haftbefehls allein dessen Aussetzung beantragt und das Beschwerdegericht entsprechend entschieden hat, beruht auf einem anderen Grundsatz, nämlich dem Fehlen der für jedes Rechtsmittel erforderlichen Beschwer, Wendisch, StV 1991, 220).

Um die Frage einer "Verhaftung" im Sinne von § 310 Abs. 1 StPO geht es bei einer weiteren Beschwerde des Beschuldigten auch dann nicht mehr, wenn der Haftbefehl bereits vollständig aufgehoben worden ist. Nach Auffassung des Senats kann die Ausnahmevorschrift des § 310 Abs. 1 StPO jedenfalls nicht so verstanden werden, dass eine weitere Beschwerde des Beschuldigten auch statthaft sein soll, wenn das Gegenteil des gesetzlich geregelten Falles vorliegt. Dem widerspricht eine Auslegung der Vorschrift vom sprachlichen wie von ihrem Sinn und Zweck her. In den Motiven zu § 297 des Entwurfs - jetzt § 310 StPO - hat der Gesetzgeber zur Begründung der ausnahmsweisen Zulassung der weiteren Beschwerde ausgeführt: "Der Grund ruht in der materiellen Bedeutung, welche den die Entziehung der persönlichen Freiheit betreffenden Entscheidungen beiwohnt und die Bürgschaft einer zweifachen kollegialischen Beschlussfassung erreicht. In Ansehung anderer als dieser Entscheidungen konnte der Entwurf ein Bedürfnis zur Zulassung der weiteren Braunschweig, Beschwerde nicht anerkennen" (vgl. OLG Braunschweig, JR 1965, 473, 474).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die herrschende Meinung im Falle der Aufhebung oder der Ablehnung eines Antrags auf Erlass eines Haftbefehls gleichwohl eine weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft für statthaft erachtet (vgl. BGHSt 36, 346; KMR-Plöd, StPO, § 310, Rdnr. 6; Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO, § 310, Rdnr. 8 m.w.N.) und u. a. damit begründet, dass ein solcher Beschluss ebenfalls die Frage einer Verhaftung (Untersuchungshaft) beträfe (vgl. OLG Stuttgart, JR 1967, 431; Wendisch, aaO; Kleinknecht, JR 1965, 474; LR-Gollwitzer, aaO, § 310, Rdnr. 12). Der Senat vermag daraus nicht den Schluss zu ziehen, dass im Falle des § 310 Abs. 1 StPO deshalb stets die positive wie die negative Entscheidung grundsätzlich anfechtbar und die Zulässigkeit nur noch eine Frage der Beschwer sei (so aber Kleinknecht, JR 1965, aaO). Denn die Frage der Anfechtbarkeit richtet sich nicht nur nach der Art der Entscheidung, sondern auch - unabhängig von der Frage der Beschwer - nach der Person des Anfechtenden (LR-Hilger, aaO, § 464, Rdnr. 52). Wenn man daher mit der wohl einhelligen Meinung davon ausgeht, dass das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde des Betroffenen gegen eine Haftentscheidung (unabhängig von der Frage ihres Vollzugs) immer voraussetzt, dass es um die Verhaftung (Untersuchungshaft) selbst geht, sie demzufolge ausgeschlossen ist, wenn es sich um von der Haftfrage getrennte "Modalitäten" (so Wendisch, aaO) handelt, kann eine weitere Beschwerde des Beschuldigten nicht mehr statthaft sein, wenn sich die Haftfrage gar nicht mehr stellt, weil der Haftbefehl im Beschwerdeverfahren aufgehoben worden ist.

II.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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