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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 05.12.2006
Aktenzeichen: 2 WF 181/06
Rechtsgebiete: EuGVVO, AVAG


Vorschriften:

EuGVVO Art. 43
EuGVVO Art. 45
EuGVVO Art. 34
AVAG § 1 Abs. 1 Nr. 2
AVAG § 11 Abs. 1
Zu den Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung eines polnischen Versäumnisurteils über Kindesunterhalt.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 2 WF 181/06

In der Familiensache

wegen Kindesunterhalts,

hier: Zulassung der Vollstreckung aus einem ausländischen Schuldtitel

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Reichling, die Richterin am Oberlandesgericht Geib-Doll sowie den Richter am Oberlandesgericht Kratz auf die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 22. September 2006, eingegangen am 25. September 2006 gegen den ihm am 8. September 2006 zugestellten Beschluss des Vorsitzenden der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 1. September 2006 ohne mündliche Verhandlung am 5. Dezember 2006

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Schuldner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Antrag des Schuldners, ihm zur Durchführung der Beschwerde Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Vollstreckbarkeit eines polnischen Unterhaltstitels.

Durch rechtskräftiges Versäumnisurteil des Amtsgerichts in Kamienna Góra vom 7. Februar 2006 (Geschäftszeichen R III C 56/05) ist der Schuldner verurteilt worden, an den Gläubiger, seinen am ... geborenen Sohn, zu Händen dessen Mutter eine Unterhaltsrente in Höhe von monatlich 500 PLN ab 1. März 2005 zu zahlen.

Auf Antrag des Gläubigers hat der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des für den Wohnort des Schuldners zuständigen Landgerichts Landau in der Pfalz das vorgenannte Urteil mit Beschluss vom 1. September 2006 für vorläufig vollstreckbar erklärt.

Die daraufhin von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts Landau in der Pfalz am 6. September 2006 erteilte Vollstreckungsklausel ist dem Schuldner mit dem Vollstreckungstitel sowie dem Beschluss vom 1. September 2006 am 8. September 2006 zugestellt worden.

Mit seiner am 25. September 2006 beim Pfälzischen Oberlandesgericht eingegangenen Beschwerde vom 22. September 2006 wendet sich der Schuldner gegen die Vollstreckbarerklärung des polnischen Titels und macht geltend, er bezweifle, der Vater des Gläubigers zu sein. Zudem sei er auch nicht in der Lage, Kindesunterhalt für den Gläubiger zu zahlen; er verfüge lediglich über Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 750,00 €, wovon er auch seine Ehefrau und den fünf Jahre alten gemeinsamen Sohn unterhalten müsse.

Der Gläubiger beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Der Schuldner sei sein Vater, er trage auch dessen Namen. Unterhalt für ihn habe der Schuldner seit der Geburt nicht gezahlt.

II.

Die Vollstreckbarerklärung des polnischen Unterhaltstitels richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (EuGVVO). Diese ist in Deutschland am 1. März 2002 und in Polen mit dessen Beitritt zur europäischen Union am 1. Mai 2004 in Kraft getreten. Das dem für vollstreckbar zu erklärenden Titel zugrunde liegende Verfahren wurde erst in 2005 und damit nach Inkrafttreten der Verordnung in Polen eingeleitet (§ 66 Abs. 1 EuGVVO).

Die Beschwerde des Schuldners ist gemäß Art. 43 Abs. 1 EuGVVO i.V.m. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 11 Abs. 1 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes (AVAG) vom 19. Februar 2001 statthaft. Gegen ihre Zulässigkeit bestehen keine Bedenken, insbesondere ist sie form- und fristgerecht (Art. 43 Abs. 5 Satz 1 EuGVVO, § 11 Abs. 1 Satz 1 AVAG) beim Beschwerdegericht (Art. 43 Abs. 2 EuGVVO i.V.m. Anhang III) eingelegt worden.

Eine Abhilfeentscheidung des Erstgerichtes (entsprechend § 572 ZPO) muss vor der Entscheidung des Senates nicht herbeigeführt werden. Zwar liegt dem Beschwerdeverfahren gemäß §§ 11 ff AVAG das Modell des zivilprozessualen Beschwerdeverfahrens (§§ 567 ff ZPO) zugrunde. Gleichwohl besteht nach allgemeiner Ansicht keine Befugnis des die Vollstreckung zulassenden Gerichtes zur Abhilfe einer gegen seine Entscheidung gerichteten Beschwerde (BtDrs. 11/351 S. 22; Zöller-Geimer, ZPO, 26. Aufl., § 11 AVAG Rdnr. 4; Kroppholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 43 EuGVVO Rdnr. 10; OLG Zweibrücken [3. Senat OLGR 2004, 261]).

Da der zugrunde liegende Titel eine Familiensache betrifft, ist der erkennende Senat als Familiensenat zur Entscheidung über die Beschwerde berufen (Senat OLGR 2005, 135 m.w.N.). Die Entscheidung ergeht in voller Besetzung des Spruchkörpers, weil der Vorsitzende der Zivilkammer die angefochtene Entscheidung nicht als Einzelrichter im Sinne von § 568 ZPO erlassen hat (Senat aaO m.w.N.).

In der Sache bleibt die Beschwerde ohne Erfolg.

Gemäß Art. 45 EuGVVO wird eine Entscheidung aus einem anderen Mitgliedsstaat (nur dann) nicht für vollstreckbar erklärt, wenn einer der in Art. 34 und 35 EuGVVO abschließend aufgeführten Versagungsgründe vorliegt. Das ist hier nicht der Fall.

Der (Anerkennung und damit auch) Vollstreckbarerklärung des polnischen Versäumnisurteils steht weder der deutsche ordre public (Art. 34 Nr. 1) noch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Schuldners bei Verfahrenseinleitung (Art. 34 Nr. 2) entgegen. Andere Entscheidungen über den Kindesunterhaltsanspruch sind zwischen den Parteien nicht ergangen (Art. 34 Nrn. 3 und 4). Die in Art. 35 aufgeführten Versagungsgründe beziehen sich auf Spezialzuständigkeiten, die vorliegend nicht einschlägig sind.

Im Übrigen darf das Urteil des Amtsgerichts in Kamienna Góra keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden (Verbot der Revisión á fond - Art. 45 Abs. 2 EuGVVO).

Gemäß Art. 34 Nr. 1 EuGVVO wäre dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts in Kamienna Góra die Anerkennung zu versagen, wenn es der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland offensichtlich widersprechen würde. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn der Gläubiger das Urteil im Ausland durch vorsätzlich falschen Prozessvortrag erwirkt hätte (BGH NJW 2004, 2388 m.w.N.). Solches rügt der Schuldner hier jedoch nicht.

Art. 34 Nr. 2 EuGVVO bestimmt, dass eine ausländische Entscheidung nicht anerkannt wird, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte.

Hier wurde dem Schuldner die Abschrift der Klage sowie die Ladung zur Verhandlung am 7. Februar 2006 über das Amtsgericht Kandel (Az. 4 AR 143/05) am 29. Dezember 2005 durch Einlegung in den zur Wohnung des Schuldners gehörenden Briefkasten zugestellt. Sie sind dem Schuldner auch zur Kenntnis gelangt, wie die Stellungnahme seiner Verfahrensbevollmächtigten gegenüber dem Amtsgericht Kandel mit Schriftsatz vom 10. Januar 2006 belegt.

Von Kenntniserlangung bis zu dem auf den 7. Februar 2006 anberaumten Verhandlungstermin standen dem Schuldner mehr als vier Wochen zur Verfügung. Bei Entfaltung zumutbarer Verteidigungsbemühungen (gegenüber dem zuständigen Gericht) hätte er daher den Erlass des Versäumnisurteils verhindern können.

Soweit sich die vom Schuldner mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragten Rechtsanwälte gegenüber dem ausschließlich mit der Zustellung von Klageschrift und Ladung befassten Amtsgericht Kandel zur Sache eingelassen haben (Schriftsatz vom 10. Januar 2006), kann dies den Schuldner nicht entlasten. Bei ordnungsgemäßer Sachbehandlung hätten die Bevollmächtigten des Schuldners erkennen können und müssen, dass die Verteidigung gegen die Unterhaltsklage bei dem mit der Sache befassten Gericht in Polen erfolgen muss. Zudem sind sie hierauf, sowie auf den Umstand, dass eine Weiterleitung ihres Schriftsatzes an das zuständige Amtsgericht im Kamienna Góra nicht erfolgen kann, durch Schreiben des Amtsgerichts Kandel vom 16. Januar 2006, zu welchem sie unter dem 19. Januar 2006 Stellung genommen haben, hingewiesen worden. Die fehlerhafte Sachbehandlung seiner Rechtsanwälte muss der Schuldner gegen sich gelten lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO).

Mit den mit der Beschwerde erhobenen materiell-rechtlichen Einwendungen (Zweifel an seiner Vaterschaft, fehlende Leistungsfähigkeit) kann der Schuldner nicht gehört werden (Art. 45 Abs. 2 EuGVVO). Diese Einwendungen hätte er im gerichtlichen Verfahren, das dem für vollstreckbar zu erklärenden Titel vorausgegangen ist, spätestens im Rechtsbehelfsverfahren gegen das ergangene Versäumnisurteil, vorbringen müssen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Einer Wertfestsetzung hinsichtlich der Gerichtskosten bedarf es nicht, weil für das Rechtsmittelverfahren betreffend die Vollsteckbarerklärung ausländischer Titel eine Festgebühr bestimmt ist (Nr. 1520 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

Die nachgesuchte Prozesskostenhilfe war dem Schuldner zu verweigern, da sein Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg bietet.

Ende der Entscheidung

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