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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 02.02.2000
Aktenzeichen: 3 W 12/00
Rechtsgebiete: BGB, WEG
Vorschriften:
BGB § 1004 | |
BGB § 242 | |
WEG § 22 | |
WEG § 14 Nr. 1 u. 3 | |
WEG § 5 Abs. 2 | |
WEG § 10 | |
WEG § 15 Abs. 3 | |
WEG § 47 Satz 1 u. Satz 2 | |
WEG § 48 Abs. 3 |
Die Montage von Schutzgittern - bestehend aus Metallrahmen und -stäben - vor den Fenstern an der Hausfassade einer Wohnungseigentumsanlage stellt grundsätzlich eine bauliche Veränderung i.S. d. 22 Abs. 1 WEG dar. Für die dadurch beeinträchtigten übrigen Wohnungseigentümer begründet eine hier unterstellte - erhöhte Einbruchsgefahr in die Erdgeschosswohnung jedenfalls dann keine Duldungspflicht aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn mit den Gittern zugleich eine Kletterhilfe geschaffen wird, die den Einstieg in eine andere Wohnung der Anlage erleichtert (Abgrenzung zu KG NJW-RR 1994, 401).
Beschluss des 3. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 2. Februar 2000 - 3 W 12/00
3 W 12/00
2 T 571/99 LG Koblenz
10 UR II 3/99 AG Andernach
PFÄLZISCHES OBERLANDESGERICHT ZWEIBRÜCKEN
Beschluss
In dem Verfahren
betreffend die Wohnungseigentumsanlage
an dem beteiligt sind:
1. Eheleute C und B B
Antragsgegner, Beschwerdeführer und Führer der sofortigen weiteren Beschwerde,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte
2. Eheleute C und Dr. B R
3. Eheleute C und F T S
Antragsteller, Beschwerdegegner und Gegner der sofortigen weiteren Beschwerde,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte
4. H E
Verwalter der Wohnanlage,
wegen Beseitigung vor den Fenstern angebrachter Gitter,
hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, den Richter am Oberlandesgericht Hengesbach und die Richterin am Oberlandesgericht Wolf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 5./6. Januar 2000 gegen den ihren Verfahrensbevollmächtigten am 29. Dezember 1999 zugestellten Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 13. Dezember 1999 ohne mündliche Verhandlung am 2. Februar 2000 beschlossen:
Tenor:
1. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligten zu 1) haben die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde zu tragen.
3. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 5 000,-- DM festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten als Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft darüber, ob die Beteiligten zu 1) Miteigentümer der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung - die ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer Mitte 1998 vor Küchen- und Schlafzimmerfenster an die Hausfassade montierten Schutzgitter - bestehend aus einem Metallrahmen mit eingearbeiteten Stäben - zu entfernen haben.
Die Wohnungseigentümer haben in diesem Zusammenhang in der Eigentümerversammlung vom 3. September 1998 unter TOP 7 mit Stimmenmehrheit beschlossen, dass die seinerzeit "montierten Fenstergitter ... unverzüglich - innerhalb eines Monats - zu entfernen" sind. Mit weiterem Mehrheitsbeschluss wurde in derselben Versammlung festgelegt, dass an den Fenstern der Beteiligten zu 1) Schutzgitter angebracht werden dürfen, "sofern diese für die darüberliegenden Wohnungen keinerlei Kletterhilfe oder sonstige Gefahr darstellen". Die vorgenannten Beschlüsse sind unangefochten geblieben.
Die Beteiligten zu 1) haben in der Folgezeit - nach vorübergehender Entfernung und Bearbeitung - die Gitter in geänderter Form vor den beiden Fenstern wieder angebracht.
Die Beteiligten zu 2) sind Eigentümer der darüberliegenden Wohnung, welche sie an die Beteiligten zu 3) - Eigentümer einer weiteren Wohnung - vermietet haben. Sie machen geltend, trotz der zwischenzeitlich geänderten Gitter werde nach wie vor die Einbruchsgefahr in ihre Wohnung begünstigt.
Amts- und Landgericht haben dem Beseitigungsanspruch stattgegeben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde erstreben die Beteiligten zu 1) die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse. Sie machen dazu geltend, die Aufstiegsmöglichkeit zur Wohnung im Obergeschoss sei bereits wegen des seit jeher vorhandenen Balkon- und Terrassengeländers gegeben gewesen. Im Übrigen sei die Anbringung der Gitter im Rahmen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses zu dulden und zudem im Hinblick auf die angebotene weitere Veränderung auch unverhältnismäßig.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 45 Abs. 1 WEG, 29 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 1 FGG). In der Sache bleibt das Rechtsmittel indes ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO).
Das Landgericht hat - ebenso wie das Amtsgericht - einen Anspruch der Beteiligten zu 2) und 3) gegen die Beteiligten zu l) auf Beseitigung der vor den Fenstern an der Fassade im Innenhof der Wohnungseigentumsanlage montierten Gitter bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Fenstergitter seien eine bauliche Anlage im Sinne des § 22 WEG. Nach dem bestandskräftigen Mehrheitsbeschluss in der Eigentümerversammlung vom 3. September 1998 komme es darauf an, ob die Gitter für die darüberliegenden Wohnungen eine Kletterhilfe oder sonstige Gefahr darstellten. Letzteres sei jedoch - so zuletzt die Kammer nach Augenscheinseinnahme - nach wie vor der Fall, so dass eine Duldungspflicht der übrigen Wohnungseigentümer nicht bestehe.
Diese Erwägungen des Landgerichts halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass die Beteiligten zu 2) und 3) als Antragsteller befugt sind, den Beseitigungsantrag ohne die Ermächtigung durch die übrigen Wohnungseigentümer zu stellen. Sie nehmen die Antragsgegner gemäß § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung der Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums, zu dem nach § 5 Abs. 2 WEG die Außenmauer des Gebäudes zählt (vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Aufl. § 5 Rdnr. 47), in Anspruch. Die Beteiligten zu 3) sind nicht nur Mieter der oberhalb der Erdgeschosswohnung liegenden Wohnung, sondern - wie die Beteiligten zu 2) - auch Eigentümer einer (anderen) Wohnung der Wohnungseigentumsanlage. Aus § 10 WEG i. V. m. § 15 Abs. 3 WEG folgt, dass jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen kann, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüsse oder, soweit sich eine Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht (vgl. dazu BGH NJW 1992, 978, 979; BayObLG ZMR 1995, 486; Niedenführ/Schulze, WEG 4. Aufl. § 43 Rdnr. 21).
2. In der Sache haben Amts- und Landgericht mit Recht einen Anspruch der Beteiligten zu 2) und 3) gegen die Beteiligten zu 1) auf Beseitigung der vor den beiden Fenstern montierten Gitter bejaht.
a) Von Gesetzes wegen ist zunächst nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die vor dem Küchen- und Schlafzimmerfenster im Innenhof der Wohnanlage an die Hausfassade montierten Fenstergitter als bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG bewertet hat, mit der Folge, dass grundsätzlich die - hier fehlende - Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer erforderlich wäre (vgl. dazu Bub in Bub WEG § 22 Rdnr. 132). Dass die Anbringung von zwei einzelnen Fenstergittern an der Außenwand des Gebäudes über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht, bedarf keiner näheren Darlegung.
b) Was die Beseitigungspflicht einer ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer errichteten baulichen Anlage betrifft, kann dahinstehen, ob bereits der zunächst in der Eigentümerversammlung vom 3. September 1998 unter TOP 7 gefasste Mehrheitsbeschluss, wonach die Fenstergitter zu entfernen sind, nach Bestandskraft eine selbständige Anspruchsgrundlage begründet (vgl. OLG Köln ZfIR 1999, 932 einerseits; Bärmann/Pick/Merle aaO § 22 Rdnr. 231; Bub aaO § 22 Rdnr. 218 m.w.Nw. andererseits). Denn der vorgenannte Beschluss bezieht sich ausdrücklich auf die "derzeit montierten" Fenstergitter, welche aber von den Beteiligten zu 1) mittlerweile in mehrfacher Hinsicht abgeändert und danach wieder angebracht worden sind.
c) Für die geänderten Fenstergitter hat das Landgericht zu Recht auf den nachfolgenden Beschluss zu TOP 7 abgestellt. Nach diesem - ebenfalls unangefochten gebliebenen - Beschluss ist die Anbringung von Schutzgittern unter bestimmten Voraussetzungen gestattet. Eine Maßnahme im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG kann zwar auch aufgrund eines bestandkräftigen Mehrheitsbeschlusses rechtmäßig sein (vgl. BayObLG WE 1991, 50; Bärmann/Pick/Merle aaO § 22 Rdnr. 11). Eine Duldungspflicht besteht danach hier nur dann, wenn die angebrachten Gitter für die über der Erdgeschosswohnung liegenden Wohnungen keinerlei Kletterhilfe darstellen (vgl. zur Zustimmung unter Bedingungen Bub aaO § 22 Rdnr. 49). Das ist nach den vom Landgericht verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht der Fall.
Die Beantwortung der Frage, ob die bauliche Maßnahme zu einer Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer führt, ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten. Die Tatsachenwürdigung des Landgerichts ist vom Senat als Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin überprüfbar, ob es den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht, bei Erörterung des Beweisstoffs alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FG 14. Aufl. § 27 Rdnr. 42). Die Überprüfung nach diesen Maßstäben zeigt keine Gesetzesverletzung auf. Das Landgericht hat - ebenso wie bereits das Amtsgericht - eine Ortsbesichtigung durchgeführt. Dabei ist ein Kletterversuch durchgeführt worden, der bestätigt hat, dass es mit Hilfe der an der Hauswand angebrachten Gitter ohne große Mühen möglich ist, zu dem Balkon der über der Erdgeschosswohnung liegenden Wohnung zu gelangen. Entsprechendes wird auch durch die zu den Akten gereichten Lichtbilder anschaulich dokumentiert. Soweit die Rechtsbeschwerde darauf abstellt, dass eine Aufstiegsmöglichkeit auch über ein seit jeher vorhandenes Balkon- und Terrassengeländer gegeben sei, hat die Kammer diesen Gesichtspunkt in den Entscheidungsgründen berücksichtigt. Ihre Schlussfolgerung, dass die nunmehr angebrachten Fenstergitter weitergehend zu einer Erleichterung des Kletterns führen, beruht auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Mit ihren dagegen gerichteten Angriffen versuchen die Beteiligten zu 1) lediglich die Wertung des Tatrichters durch ihre eigene zu ersetzen. Dies muss für das Verfahren der weiteren Beschwerde jedoch unbehelflich bleiben.
d) Auch aus sonstigen Gründen besteht keine Verpflichtung zur Duldung der angebrachten Fenstergitter, § 1004 Abs. 2 BGB. Ungeachtet der beschlossenen - von Bedingungen abhängigen - Gestattung käme es auf die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer nicht an, wenn keiner von ihnen dadurch nachteilig betroffen wäre (vgl. BGH NJW 1979, 817, 818; OLG Hamm NJW-RR 1991, 910, 911; Bub aaO § 22 Rdnr. 47) oder - trotz Benachteiligung - sich aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Duldungsanspruch herleiten ließe (vgl. KG NJW-RR 1994, 401; Bub aaO § 22 Rdnr. 132). Beide Gesichtspunkte greifen hier jedoch nicht durch.
aa) Dabei kann dahinstehen, ob nicht schon die Veränderung des architektonisch-ästhetischen Bildes der Wohnanlage durch Anbringung der Fenstergitter eine hinreichende Beeinträchtigung darstellt (vgl. dazu zuletzt Senat ZMR 1999, 855 = FG-Prax. 1999, 220). Eine Beeinträchtigung kann sich auch aus einer Gefährdung der Sicherheit anderer Wohnungseigentümer ergeben (vgl. Bub aaO § 22 Rdnr. 90; Bärmann/Pick/Merle aaO § 22 Rdnr. 132). Dazu hat hier das Landgericht - wie bereits unter c) ausgeführt - rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die angebrachten Gitter als Kletterhilfe dienen können. Hieraus resultiert eine erhöhte Einbruchsgefahr für die Wohnung im Obergeschoss.
bb) Das Bedürfnis die eigene - im Erdgeschoss gelegene Wohnung gegen Einbrüche besser abzusichern, gibt unter diesen Umständen ebenfalls keinen Duldungsanspruch. Insoweit bedarf es im Einzelfall einer Abwägung der gegenläufigen Interessen (vgl. KG NJW-RR 1994, 401). Selbst wenn es hier in der Vergangenheit zu zwei Einbrüchen in die Wohnungseigentumsanlage gekommen ist - die näheren Umstände sind insoweit nicht festgestellt -, vermag dies keinen Anspruch auf Duldung einer Sicherungsmaßnahme zu begründen, die ihrerseits die Einstiegsmöglichkeit in eine andere Wohnung erleichtert.
d) Die Verpflichtung zur Entfernung ist schließlich nicht rechtsmissbräuchlich bzw. unverhältnismäßig. Wie bereits zu c) dargelegt führen die vor den Fenstern angebrachten Gitter nach den bindenden Feststellungen des Landgerichts trotz Vorhandenseins des Balkongeländers jedenfalls zu einer Erhöhung der Einbruchsgefahr in die oberhalb gelegene Wohnung. Allein das Angebot, Veränderungen an den Gittern vorzunehmen, ist solange unerheblich, wie aufgrund der geschaffenen Situation die Gefahrerhöhung für die darüberliegende Wohnung fortbesteht. Das Beseitigungsverlangen ist danach nicht unverhältnismäßig, sondern bloße Konsequenz des eigenen Verhaltens der Beteiligten zu 1), die bauliche Veränderungen ausgeführt zu haben, ohne sich zuvor mit den davon betroffenen übrigen Wohnungseigentümern ins Benehmen zu setzen.
III.
Die Entscheidung über die Gerichtskosten des Verfahrens beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Einer Erstattungsanordnung nach § 47 Satz 2 WEG bedarf es schon deshalb nicht, weil der Senat die Beschwerdegegner nicht förmlich am Verfahren beteiligt hat.
Den Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde hat der Senat gemäß § 48 Abs. 3 WEG in Anlehnung an die unbeanstandete Wertfestsetzung durch die Vorinstanzen bestimmt.
Ende der Entscheidung
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