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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 20.10.2000
Aktenzeichen: 3 W 171/00
Rechtsgebiete: InsO, ZPO
Vorschriften:
InsO § 4 | |
InsO § 5 | |
InsO § 6 | |
InsO § 7 | |
InsO § 11 | |
InsO § 38 | |
ZPO § 50 |
1. Die Parteifähigkeit des Gläubigers im Insolvenzverfahren ist nach § 4 InsO entsprechend § 50 ZPO zu beurteilen. Bei einer ausländischen Gesellschaft ist dabei das für die Beurteilung der Parteifähigkeit anzuwendende Recht entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach der Sitztheorie zu bestimmen. Das gilt ungeachtet der EuGH-Vorlage vom 30. März 2000 (ZIP 2000, 967)jedenfalls dann, wenn - wie hier - eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Costa Rica den Insolvenzantrag stellt.
2. § 5 InsO, wonach das Insolvenzgericht alle Umstände zu ermitteln hat, gilt nicht, wenn es um die Zulässigkeit des Eröffnungsantrags eines Gläubigers geht.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss
Aktenzeichen: 3 W 171/00 8 T 397/99 LG Mainz 27 IN 83/99 AG Mainz
In dem Verfahren
betreffend die Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Firma V GmbH vertreten durch den Geschäftsführer
hier: Zurückweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens,
hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch die Richter am Oberlandesgericht Hengesbach und Reichling sowie den Richter am Landgericht Edinger auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin vom 9./9. August 2000 gegen den ihrem früheren Verfahrensbevollmächtigten am 26. Juli 2000 zugestellten Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 20. Juni 2000 ohne mündliche Verhandlung am 20. Oktober 2000
beschlossen:
Tenor:
1. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin wird zugelassen.
2. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
3. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde zu tragen.
4. Der Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 73 000,-- DM festgesetzt.
Gründe:
1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig.
a) Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken ist gemäß § 7 Abs. 3 InsO i.V.m. § 1 a Abs. 2 der rhld.-pfälz. Landesverordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivilsachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Fassung vom 28. April 1998 (GVBl. Seite 134) für die Entscheidung über die weitere Beschwerde in Insolvenzsachen zuständig.
b) Die Antragstellerin hat gegen den ihren früheren Verfahrensbevollmächtigten am 26. Juli 2000 zugestellten Beschluss des Landgerichts mit dem am 9. August 2000 eingegangenen Schriftsatz ihres jetzigen Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tag die Zulassung der weiteren Beschwerde beantragt. Dieses Rechtsmittel und der Zulassungsantrag sind gemäß §§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 Satz 1 InsO statthaft, weil die insolvenzrechtliche Ausgangsentscheidung gemäß § 34 Abs. 1 InsO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist. Die gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. §§ 4 InsO, 577 Abs. 2 ZPO maßgebende Zweiwochenfrist ist eingehalten.
2. Die sachlichen Voraussetzungen für die Zulassung der weiteren Beschwerde liegen vor.
Gemäß § 7 Abs. 1 InsO ist eine weitere Beschwerde im Insolvenzverfahren nur dann eröffnet, wenn sie vom Oberlandesgericht zugelassen wird. Dies setzt einen zulässigen und begründeten Antrag auf Zulassung dieses Rechtsmittels voraus. Hier unterliegt die Zulässigkeit des Antrags keinen Bedenken. Auch in der Sache erweist sich der Antrag als begründet.
Gemäß § 7 Abs. 1 InsO ist die sofortige weitere Beschwerde zuzulassen, wenn sie darauf gestützt wird, dass der Beschluss auf einer Verletzung des Gesetzes beruht und zudem die Nachprüfung der Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
a) Die Antragstellerin, eine Firma in Costa Rica, stützt das Rechtsmittel auf eine Verletzung des Gesetzes, indem sie geltend macht, das Landgericht habe in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht fehlerhaft ihre Parteifähigkeit (§ 50 ZPO) verneint; insoweit hätten etwaige Mängel im Vortrag von Amts wegen geklärt werden müssen. Soweit auf Grundlage der sogenannten Sitztheorie die Rechtsfähigkeit verneint worden sei, könne hieran nach der EuGH-Vorlage des Bundesgerichtshofs vom 30. März 2000 (ZIP 2000, 967) nicht festgehalten werden.
b) Die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung ist auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die Beurteilung der Parteifähigkeit einer ausländischen Firma als Gläubigerin im Insolvenzverfahren hat schon im Hinblick auf den Theorienstreit zur Anknüpfung grundsätzliche Bedeutung. Insoweit erscheint eine Klärung zur Vermeidung von Divergenzen tunlich (vgl. dazu Kirchhof in HK-InsO § 7 Rdnr. 23).
3. Die weitere Beschwerde ist indes nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 7 Abs. 1. Satz 2 InsO, 550 ZPO).
Das Landgericht hat - ebenso wie das Amtsgericht - den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als unzulässig zurückgewiesen, weil die Antragstellerin nicht rechtsfähig sei, so dass es ihr an der notwendigen Parteifähigkeit (§ 50 Abs. 1 ZPO) fehle. Für die Frage des anwendbaren Rechts haben die Vorinstanzen übereinstimmend auf den Ort des tatsächlichen Verwaltungssitzes (sog. Sitztheorie) abgestellt. Sie sind unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zur Überzeugung gelangt, dass dieser in Deutschland liege, die Parteifähigkeit also nach deutschem Recht zu beurteilen sei. Im Inland sei die Klägerin nicht rechtsfähig, also nicht parteifähig. Dies hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
a) Zu Recht gehen die Vorinstanzen davon aus, dass auch ausländische Firmen Insolvenzgläubiger sein können. Während diese Frage noch in § 5 Abs. 1 KO ausdrücklich geregelt war, ist der Begriff des Insolvenzgläubigers nunmehr in § 38 InsO geregelt: Davon werden auch ausländische Gläubiger erfasst (vgl. Kübler/Prütting, Komm. zur InsO Einl. Rdnr. 99).
b) Bei der Beurteilung, nach welchem Recht die Frage der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft zu entscheiden ist, sind Amts- und Landgericht zutreffend von der sogenannten Sitztheorie ausgegangen.
aa) Die Parteifähigkeit der Antragstellerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Costa Rica, beurteilt sich gemäß § 4 InsO entsprechend § 50 ZPO (vgl. Kübler/Prütting aaO § 4 Rdnr. 8; Becker in Nerlich/Römermann, InsO 4 Rdnr. 20). Die besondere Regelung der Insolvenzfähigkeit in § 11 InsO betrifft nur die Schuldner des Insolvenzverfahrens (vgl. Kirchhof aaO § 4 Rdnr. 7). Fehlt danach für den Gläubiger eine spezielle Regelung, unterliegt es keinen rechtlichen Bedenken, das für die Beurteilung der Parteifähigkeit anzuwendende Recht entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach der Sitztheorie zu bestimmen (vgl. zur gesonderten Prüfung nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts etwa Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 5 Rdnr. 3). Die EuGH-Vorlage des Bundesgerichtshofs vom 30. März 2000 (ZIP 2000, 967) ändert hieran nichts, insbesondere ist insoweit keine Vorlage an den Bundesgerichtshof - wie vorsorglich beantragt - veranlasst. Der Bundesgerichtshof hält nämlich in der vorgenannten Entscheidung an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Soweit die Vorlage zur Vorabentscheidung einen Widerspruch zur Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften klären soll, betrifft dies im Übrigen die Auslegung von Art. 43 und 48 EG. Hieraus kann die Antragstellerin als Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Costa Rica nichts für sich herleiten.
bb) Soweit Amts- und Landgericht danach die Parteifähigkeit der Antragstellerin verneint haben, sind im Einzelnen die Umstände dargelegt, aufgrund derer die Klägerin in Costa Rica keine Geschäftstätigkeit ausführt, sondern nur im Inland durch ihren "Geschäftsführer für Deutschland" geschäftlich tätig ist. Diese Schlussfolgerung stellt eine Würdigung des Sachverhalts im konkreten Einzelfall dar, die einer Überprüfung im Rahmen der Rechtsbeschwerde nicht zugänglich ist. Soweit die Antragstellerin demgegenüber eine abweichende Bewertung unter Hinweis auf ihre Geschäftsräume in Costa Rica vornimmt, insbesondere geltend macht, dass ihr "Geschäftsführer für Deutschland" seine Tätigkeit eingestellt habe, muss dies schon deshalb im Verfahren der weiteren Beschwerde unberücksichtigt bleiben, weil neues tatsächliches Vorbringen zur Hauptsache grundsätzlich ausgeschlossen ist (vgl. Kirchhof aaO § 7 Rdnr. 20). Schließlich trifft es nicht zu, dass die Umstände zur Rechts- und Parteifähigkeit von Amts wegen zu überprüfen und festzustellen gewesen wären. Zwar stellt § 5 InsO den Grundsatz auf, dass das Insolvenzgericht von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln hat, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. Dies gilt indes nicht, wenn es wie hier um die Zulässigkeit des Eröffnungsantrags eines Gläubigers geht (vgl. Kirchhof aaO § 5 Rdnr. 6 und 14, Rdnr. 22 m. w. N.).
4. Die Kostenentscheidung des danach erfolglosen Rechtsmittels beruht auf §§ 4 InsO, 97 Abs. 1 ZPO.
Den Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde hat der Senat gemäß §§ 25 Abs. 2, 35 GKG, 3 ZPO entsprechend der unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung durch die Vorinstanz bestimmt.
Ende der Entscheidung
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