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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 24.11.2000
Aktenzeichen: 3 W 184/00
Rechtsgebiete: GG, WEG
Vorschriften:
GG Art. 13 | |
WEG § 14 Nr. 4 |
GG Art. 13; WEG § 14 Nr. 4
1. Eine Regelung, die dem Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage gestattet, ohne sachlichen Grund eine Wohnung zu betreten, ist auch dann mit dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung unvereinbar, wenn das Betretungsrecht zeitlich auf zwei Termine pro Jahr beschränkt ist.
2. Die bloße Kontrolle, ob Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich sind, stellt keinen sachlichen Grund für ein Betretungsrecht des Verwalters dar.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss
Aktenzeichen: 3 W 184/00 1 T 109/00 Landgericht Frankenthal (Pfalz) 2 e UR II 158/99 WEG Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein
In dem Wohnungseigentumsverfahren
betreffend die Wohnungseigentumsanlage
hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach und den Richter am Landgericht Edinger auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 15./15. August 2000 gegen den ihm am 1. August 2000 zugestellten Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 24. Juli 2000 ohne mündliche Verhandlung
am 24. November 2000
beschlossen:
Tenor:
I. Der angefochtene Beschluss sowie der Beschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 21. März 2000 werden jeweils mit Ausnahme von Ziffer 2) aufgehoben.
II. Der weitergehende Antrag des Beteiligten zu 2) auf Gewährung des Zutrittsrechts zur Eigentumswohnung des Beteiligten zu 1) wird zurückgewiesen.
III. Die Gerichtskosten des Verfahrens trägt der Beteiligte zu 2). Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
IV. Der Geschäftswert wird für das Verfahren 1. und 2. Instanz auf 5406,-- DM, für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde auf 5.000,-- DM festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Beteiligte zu 1) ist Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, deren Verwalter der Beteiligte zu 2) ist.
§ 26 der Teilungserklärung enthält unter der Überschrift "Überwachungsrecht des Verwalters" folgende Regelung:
"Der Verwalter hat zweimal im Jahr für sich und seine Beauftragten das Recht, alle Gebäudeteile einschließlich der Sondereigentumsräume zu angemessener Tageszeit zu besichtigen. Im Falle der Gefahr darf ihm der Zutritt in die Räume, die im Sondereigentum stehen, auf keinen Fall verwehrt werden".
Der Beteiligte zu 2) macht geltend: Nach seiner Verwalterbestellung sei er zur Erfüllung seiner Aufgaben darauf angewiesen, sich einen Überblick über den Zustand der Häuser zu verschaffen. Seit Errichtung der Gebäudeanlage im Jahre 1957 seien teilweise bauliche Veränderungen vorgenommen worden. Eventuell seien in Wohnungen tragende Wände versetzt worden. Er hat beantragt, den Beteiligten zu 1) zu verpflichten, ihm den Zutritt zu dessen Wohnung zu gestatten.
Das Amtsgericht hat unter Abweisung eines weiteren Antrages den Antragsgegner verpflichtet, dem Beteiligten zu 2) nach mindestens 14-tägiger vorausgehender Ankündigung den Zutritt zur Eigentumswohnung des Beteiligten zu 1) zwecks Besichtigung zu gestatten.
Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Zutrittsrechts des Beteiligten zu 2) zweimal pro Jahr besteht. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1).
II.
1. Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist statthaft und auch im Übrigen verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG, 27 Abs. 1, 29 Abs. 1, 2 und 4, 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG). Insbesondere ist der in § 45 Abs. 1 WEG vorausgesetzte Beschwerdewert von mehr als 750 Euro erreicht. Der Beteiligte zu 1) macht geltend, durch den angefochtenen Beschluss werde sein Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung verletzt. Diese individuelle Beeinträchtigung ist - entgegen der Auffassung des Landgerichts - auch bei nur zweimaligem Zutrittsrecht pro Jahr mit mehr als 750 Euro zu bewerten.
2. In der Sache führt die Rechtsbeschwerde zum Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht insoweit, als die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen und dem Beteiligten zu 2) ein zweimaliges jährliches Betretungsrecht der Wohnung des Beteiligten zu 1) eingeräumt worden ist, auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG).
Das Landgericht hat zunächst zutreffend ausgeführt, dass der Beteiligte zu 2) als Verwalter verpflichtet ist, sich durch regelmäßige Kontrollen einen Überblick über anstehende Instandsetzungsmaßnahmen zu verschaffen. Es hat hieraus jedoch die unzutreffende Folgerung gezogen, der Verwalter sei, da das Gemeinschaftseigentum nicht an der Wohnungstür des Wohnungseigentümers endet, auch berechtigt, das Sondereigentum des Beteiligten zu 1) zweimal jährlich zwecks Kontrolle zu betreten.
Ein solches Betretungsrecht kann nicht auf § 26 Abs. 1 der Teilungserklärung gestützt werden. Denn diese Vorschrift ist unwirksam. Zwar ist nach § 14 Nr. 4 WEG jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, das Betreten und die Benutzung der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile zu gestatten, soweit dies zur Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist. Der Katalog der Pflichten des Wohnungseigentümers nach § 14 WEG ist dort auch nicht abschließend geregelt; vielmehr können durch Vereinbarung die Pflichten noch wesentlich erweitert werden (vgl. dazu Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Aufl. § 14 Rdnr. 31). Jedoch berührt die in § 14 Nr. 4 WEG jedem Wohnungseigentümer auferlegte Verpflichtung das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG. Bei der Auslegung dieser Bestimmung ist daher Bedeutung und Tragweite dieses Grundrechts zu beachten, soweit dessen Schutzbereich berührt ist (vgl. BVerfGE 89, 11).
Darüber hinaus kommt Art. 13 GG eine mittelbare Drittwirkung zu bei der inhaltlichen Kontrolle einer vertraglichen Vereinbarung über die Pflicht des Wohnungseigentümers auf Duldung des Betretens seiner Wohnung durch den Verwalter (vgl. dazu BayObLGZ 1996, 146, 148).
Unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG kann ein über die Regelungen des § 14 Nr. 4 WEG hinausgehendes Betretungsrecht des Verwalters nur wirksam vereinbart werden, wenn ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen vorgenommen werden müssen (BayObLG, aaO). Dies gilt auch dann, wenn die Duldungsverpflichtung auf den zweimaligen Zutritt pro Jahr beschränkt ist, sofern nicht besondere weitere Voraussetzungen hinzukommen. Denn der Schutz der Wohnung nach Art. 13 GG soll Störungen vom privaten Leben fernhalten (BVerfGE 89, 12). Schutzgut ist die räumliche Sphäre, in der sich das Privatleben entfaltet. Art. 13 Abs. 1 GG gewährleistet das Recht, in diesen Räumen "in Ruhe gelassen zu werden" (vgl. BVerfGE 32, 54, 75). Der Schutz der Wohnung verbürgt dem Einzelnen mit Blick auf die Menschenwürde sowie im Interesse der Entfaltung der Persönlichkeit einen elementaren Lebensraum (vgl. BVerfGE 51, 97, 110). Art. 13 GG enthält insbesondere das grundsätzliche Verbot, gegen den Willen des Wohnungsinhabers in die Wohnung einzudringen oder darin zu verweilen (vgl. BVerfGE 76, 83, 89 f). Mithin sind an die Voraussetzungen, unter denen eine Wohnung gegen den Willen des Wohnungsinhabers betreten werden darf, strenge Anforderungen zu stellen.
Mit diesem umfassenden Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung ist § 26 der Teilungserklärung nicht zu vereinbaren, weil darin das Zutrittsrecht des Verwalters nicht von konkreten sachlichen Gründen abhängig gemacht wird. Eine bloße Kontrolle stellt, auch wenn sie nur zweimal pro Jahr stattfinden soll und schon jahrelang eine derartige Kontrolle nicht stattgefunden hat, keinen ausreichenden Grund für eine Einschränkung des Grundrechts des Wohnungsinhabers dar.
Ein Betretungsrecht ergibt sich auch nicht aus § 14 Nr. 4 WEG. Nach dieser Vorschrift besteht ein solches Recht des Verwalters nur, soweit dies zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist. Auch hier ist im Hinblick auf Art. 13 GG erforderlich, dass konkrete Umstände das Tätigwerden des Verwalters für das gemeinschaftliche Eigentum erforderlich machen. Ein allgemeines Kontrollrecht wird dem Verwalter dagegen nicht eröffnet.
Hier sind ausreichende konkrete Umstände für ein Betretungsrecht des Beteiligten zu 2) bisher weder dargetan noch sonst ersichtlich, weshalb der Antrag des Beteiligten zu 2) derzeit erfolglos bleiben muss.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG. Eine Abweichung von dem Grundsatz, dass bei den Gerichtskosten der sachliche Ausgang des Verfahrens maßgeblich ist und eine Erstattung außergerichtlicher Auslagen nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt, erscheint dem Senat nicht gerechtfertigt. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten entspricht nicht der Billigkeit, § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.
Ende der Entscheidung
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