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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 13.11.2007
Aktenzeichen: 5 U 62/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 843 Abs. 1 | |
BGB § 843 Abs. 4 | |
BGB § 1836 Abs. 1 | |
BGB § 1836 Abs. 2 | |
ZPO § 287 |
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil
Verkündet am: 13. November 2007
In dem Rechtsstreit
wegen Arzthaftung,
hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Hoffmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Geisert und Kratz auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2007
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 15. September 2006 abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 12.283,77 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 17. Juli 2005 zu zahlen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten beider Rechtszüge werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die am ... 1984 geborene Klägerin erlitt bei ihrer Geburt in dem in der Trägerschaft des Beklagten stehenden Kreiskrankenhaus ... infolge eines ärztlichen Behandlungsfehlers durch eine Sauerstoffunterversorgung eine schwere Hirnschädigung (Cerebral-parese). Aufgrund insoweit rechtskräftigen Teil- und Grundurteils des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 1. August 1991 (2 O 498/87) steht fest, dass der Beklagte der Klägerin zum Ersatz allen sich hieraus ergebenden Schadens verpflichtet ist. Im Weiteren schlossen die Parteien in diesem Verfahren einen Vergleich, in dem der Beklagte sich verpflichtete, zur Anrechnung auf den künftigen, materiellen Schaden der Klägerin ab 1. Januar 1998 monatlich einen Vorschuss in Höhe von 1.500.- DM zu zahlen. Außerdem erzielten die Parteien Einigkeit darüber, dass jeweils eine jährliche Abrechnung des letztlich geschuldeten Schadenersatzbetrages zu erfolgen hat.
Die Klägerin, die im Hause ihrer Eltern lebt, ist vollständig hilfsbedürftig und bedarf einer umfassenden Betreuung. Pflege und Betreuung werden überwiegend von ihren Eltern, in gewissem Umfang aber auch von Berufspflegekräften erbracht. Zwischen den Parteien ist außer Streit, dass hierbei auch so genannte "Bereitschaftszeiten" anfallen. In diesen Zeiten sind pflegerische Leistungen der Eltern der Klägerin nicht unbedingt erforderlich, sie müssen aber auf Abruf bereitstehen. Diese Zeiten betragen an Schultagen 2 Stunden täglich, an den Wochenenden 8 Stunden täglich.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung verschiedener Aufwendungen bzw. der Vergütung von Pflegeaufwand in den Jahren 2000, 2003 und 2004. Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens des Leiters der Sektion Sozialpädiatrisches Zentrum und Kinderneurologie der Universitätsklinik ..., Prof. Dr. B..., von den - zum Teil im Wege der Teilklage - eingeklagten rund 27.000 € unter Klageabweisung im Übrigen einen Betrag in Höhe von 1.557,72 € nebst Zinsen zugesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils verwiesen.
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrages aus erster Instanz die Zahlung weiterer 25.372,92 € nebst Zinsen begehrt. Dagegen verteidigt der Beklagte das angegriffene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung führt zu einem Teilerfolg.
I. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 2. September 2003 in dem Verfahren 5 U 31/02 = 2 O 384/01 LG Landau in der Pfalz, in dem die Parteien über andere Abrechnungszeiträume gestritten haben, seine Rechtsauffassung zur Erstattungsfähigkeit des Pflegeaufwandes der Eltern der Klägerin, auch soweit die so genannten Bereitschaftsdienstzeiten betroffen sind, seine Rechtsauffassung dargestellt. Diese liegt im Ausgangspunkt auch dem angegriffenen Urteil in vorliegendem Verfahren zugrunde. Anlass, hiervon abzuweichen, sieht der Senat nicht. Zusammengefasst gilt demnach folgendes:
1. Der Beklagte ist aufgrund des rechtskräftigen Grundurteils verpflichtet, den durch die Behinderung der Klägerin verursachten Mehrbedarf durch eine Geldrente auszugleichen (§ 843 I BGB). Hierunter fällt auch der Betreuungsaufwand naher Angehöriger eines durch eine unerlaubte Handlung an Körper und Gesundheit Geschädigten. Kommen mehrere Arten der Betreuung in Betracht, bestimmt sich die Höhe des Anspruchs dabei weder nach der kostengünstigsten noch nach der aufwendigsten Möglichkeit, sondern allein danach, wie der Bedarf in der vom Geschädigten und seinen Angehörigen gewählten Lebensgestaltung tatsächlich anfällt (BGH, NJW 1999, 2819; BGH, VersR 1978, 149). Dieser Bedarf bestimmt sich deshalb - das ist zwischen den Parteien unstreitig - nach dem von den Eltern der Klägerin erbrachten Pflege- und Betreuungsaufwand für die Klägerin.
2. Im Weiteren kommt es für die Ersatzfähigkeit nicht darauf an, ob der Angehörige, der die Pflegeleistungen erbringt, seinerseits einen Verdienstausfall erleidet, weil eine solche Hilfeleistung dem Schädiger entsprechend dem Rechtsgedanken des § 843 Abs. 4 BGB nicht zugute kommen soll. Allerdings muss sich der geltend gemachte Aufwand in der Vermögenssphäre als geldwerter Verlustposten konkret niederschlagen. Dieses Erfordernis dient der Abgrenzung eines ersatzfähigen Mehrbedarfs zu nicht ersatzfähigen Mühewaltungen im Rahmen elterlicher Zuneigung. Dritte können diese elterliche Zuneigung nicht leisten, weshalb es sich, um eine ersatzfähige Schadensposition i.S.d. § 843 Abs. 1 BGB darzustellen, um Tätigkeiten handeln muss, die sich aus dem allein den Eltern als engsten Bezugspersonen zugänglichen Bereich der unvertretbaren Zuwendung und aus sonstigen, selbstverständlichen, originären Aufgabengebieten der Eltern, insbesondere im Hinblick auf die Personensorge, herausheben (BGH, NJW 1999, 2819). Ist dies der Fall, so kann der deshalb zu erstattende Betrag unterhalb der tariflichen Vergütung für eine fremde Hilfskraft liegen, da die Pflege in häuslicher Gemeinschaft gegebenenfalls einen geringeren Zeitaufwand erfordert (BGHZ 106, 28, 31).
3. Die Bestimmung der Höhe eines Pflegegeldes liegt im Übrigen im tatrichterlichen Ermessen. Wenn die Betreuung innerhalb der Familie erfolgt, ist dabei nicht auf die Kosten einer fremden Pflegekraft abzustellen. Vielmehr ist die zusätzliche Mühewaltung der Verwandten, die im Verhältnis zum Schädiger nicht unentgeltlich erfolgen soll, angemessen auszugleichen (BGH, VersR 1986, 59).
Demnach ist die von den Eltern der Klägerin für die Pflege und Betreuung aufgewendete Zeit mit einem Betrag in Höhe von 10,22 € (20.- DM) je Stunde, den die Beklagte akzeptiert, jedenfalls nicht zu niedrig bemessen. Dieser Stundenlohn liegt bereits deutlich über dem Nettolohn in der Gehaltsstufe BAT X für einen nicht verheirateten Arbeitnehmer (7,96 € je Stunde).
Zugleich folgt hieraus auch, dass bei einem "angemessenen Ausgleich" nicht die volle Bereitschaftszeit der Eltern der Kläger zu vergüten ist. Allerdings ist im Ausgangspunkt auch die Betreuung der Klägerin während der bloßen Bereitschaftszeit nicht mehr alleine der vermehrten elterlichen Zuwendung zuzurechnen, sondern ersatzfähiger Mehraufwand. Dies hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 2. September 2003 näher begründet.
II. Aus Vorstehendem folgt für die die hier geltend gemachten Ansprüche der Klägerin im Einzelnen folgendes:
1. Klageforderung für den Betreuungsaufwand der Eltern der Klägerin im Jahr 2000
Die Klägerin hat den von ihr geltend gemachten Anspruch wie folgt berechnet:
Betreuungsaufwand an Schultagen: 4 Stunden Pflege, 1 Stunde Hauswirtschaft, 1 Stunde häusliche Förderung, 0,5 Stunden Therapie, 2 Stunden Bereitschaftsdienst, organisatorische Aufgaben und nächtliche Betreuung 1 Stunde, insgesamt 9,5 Stunden
Betreuungsaufwand an schulfreien Tagen: 4 Stunden Pflege, 1 Stunde Hauswirtschaft, 1 Stunde häusliche Förderung, 8 Stunden Bereitschaftsdienst, organisatorische Aufgaben und nächtliche Betreuung 1 Stunde, insgesamt 15 Stunden
180 Schultage * 9,5 Stunden = 1.710 Stunden
180 schulfreie Tage * 15 Stunden = 2.700 Stunden
insgesamt: 4.410 Stunden
abzgl. Fremdleistungen: 595 Stunden
Eigenleistungen 3.815 Stunden * 10,23 € = 39.027,45 €
Abzüglich gezahlter 29.881,78 €
Rest: 9.145,67 €
Das Landgericht hat die Klage insoweit abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Bereitschaftsdienstzeiten während der Wachzeiten nur zu 1/2 zu berücksichtigen seien. Die Fremdbetreuung von 595 Stunden hat das Landgericht nach Halbierung der Bereitschaftsdienstzeiten abgezogen.
Die Klägerin verfolgt ihr erstinstanzliches Klageziel weiter und hält die Kürzung der Bereitschaftsdienstzeiten weiterhin für falsch und auch die - so auch vom Senat im Vorprozess durchgeführte - Berechnung (Abzug der vollen Fremdleistungen nach Halbierung des Bereitschaftsdienstes).
Die Berufung erzielt in diesem Punkt einen Teilerfolg.
Im rechtlichen Ausgangspunkt sieht der Senat keinen Anlass, von seiner Rechtsansicht im Vorprozess abzuweichen. Der Sachverständige Prof. Dr. B... hat einen gleich bleibenden Pflegeaufwand festgestellt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die ebenfalls geltend gemachten Fremdleistungen auch in Zeiten des Bereitschaftsdienstes erbracht werden, was folgende Berechnung erforderlich macht. An Schultagen entfallen 2/9,5 Stunden (21,05 %) auf den Bereitschaftsdienst, an schulfreien Tagen 8/15 Stunden (53,33 %). Da die Klägerin mit einer gleichen Anzahl an Schultagen wie schulfreien Tagen rechnet, kann der Durchschnitt (37,20 % entfallen auf die Bereitschaftszeiten) herangezogen werden. Von den 595 Stunden Fremdleistungen sind dann rund 222 Stunden auf den Bereitschaftsdienst entfallen. Davon darf nur die Hälfte vom Gesamtaufwand abgezogen werden, weil der von den Eltern der Klägerin erbrachte Bereitschaftsdienst auch nur zur Hälfte erstattungsfähig ist, insgesamt also nur Fremdstunden von 595 - 111 = 484 Stunden.
Es ergibt sich dann folgende Berechnung:
180 Schultage * 8,5 Stunden = 1.530 Stunden
180 schulfreie Tage * 11 Stunden = 1.980 Stunden
insgesamt: 3.510 Stunden
abzgl. Fremdleistungen: 484 Stunden
Eigenleistungen 3.026 Stunden * 10,23 € = 30.955,98 €
Abzüglich gezahlter 29.881,78 €
Rest: 1.074,20 €.
In Höhe dieses Betrages erzielt die Berufung somit einen Teilerfolg.
2. Klageforderung für den Betreuungsaufwand der Eltern der Klägerin im Jahr 2003 während der Wachphase der Klägerin
Hinsichtlich dieses Anspruches der Klägerin, worauf der Senat bereits in der Terminsverfügung des Vorsitzenden vom 14. März 2007 und nochmals im Beschluss vom 4. Juli 2007 hingewiesen hat, ist die Berufung mangels Beschwer durch das angegriffene Urteil unzulässig. Die Klägerin hat einen Teilanspruch in Höhe von 1.200 € aus einem von ihr errechneten Gesamtanspruch in Höhe von 10.910,30 € geltend gemacht. Das Landgericht hat - unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO - einen Betrag in Höhe von 1.232,72 € zugesprochen. Somit liegt keine Beschwer der Klägerin vor, auch wenn sie die Begründung des landgerichtlichen Urteils für unzutreffend hält.
3. Klageforderung für den Betreuungsaufwand der Eltern der Klägerin im Januar 2003 und Fremdbetreuung im ganzen Jahr 2003, jeweils während der Nacht
Die Klägerin hat den von ihr geltend gemachten Anspruch wie folgt berechnet:
Alle Tage im Januar: 8 Stunden Bereitschaftsdienst * 31 Tage = 248 Stunden * 7,67 € (15 DM) = 1.902,16 €;
Alle Tage von Februar bis Dezember 2003: 74 Stunden Fremdeinsatz von insgesamt 429 Stunden = 17,24 % * 5.101,62 € = 879,86 €
Gesamtforderung: 2.782,02 €
Das Landgericht hat diese Klageforderung abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der nächtliche Betreuungsaufwand sei mit der vom Sachverständigen ermittelten Stunde angemessen berücksichtigt. Die Klägerin habe auch nicht vorgetragen, an welchen Tagen genau sie einer nächtlichen Betreuung bedürfe.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel weiter.
Die Berufung führt insoweit zu einem Teilerfolg.
a) Soweit es um Fremdbetreuungskosten geht, steht außer Frage, dass für die Klägerin ein nächtlicher Bereitschaftsdienst erforderlich ist. Tatsächlich angefallene Fremdbetreuungskosten sind somit Folge der schädigenden Handlung und daher zu ersetzen. Ein Verstoß der Klägerin gegen die Schadensminderungspflicht ist nicht ersichtlich. Die Einrichtung einer Rufbereitschaft dergestalt, dass eine Betreuungsperson sich außerhalb des Hauses befindet und erst nach dem Notruf kommt, ist nicht praktikabel und wird den Bedürfnissen der Klägerin nicht gerecht. Die Tatsache, dass die Klägerin im Haushalt ihrer Eltern lebt und dort in inzwischen maßgeblichem Umfang Fremdbetreuung in Anspruch nimmt, verursacht zwar erhebliche Kosten, die möglicherweise höher sind, als die Unterbringung in einem Wohnheim für Behinderte. Auf Letzteres muss sich die Klägerin aber nicht verweisen lassen. Jedenfalls, solange sie noch zur Schule geht, liegt in der gewählten Lebensführung kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht der Klägerin. Die Berufung erzielt deshalb hier einen weiteren Teilerfolg in Höhe von 879,86 €.
b) Auch hinsichtlich der Vergütung des Bereitschaftsdienstes der Eltern ist die Berufung zum Teil begründet.
Im Ausgangspunkt gibt es in der Rechtsprechung unterschiedliche Ansätze zur tatrichterlichen Bewertung des auch hier vorzunehmenden, angemessenen Ausgleichs (s.o.) für solche Bereitschaftszeiten. So hat das OLG Düsseldorf (NJW-RR 2003, 90) bei einem Kleinkind für den Bereitschaftsdienst eines ganzen Tages 2 Stunden (neben 10,5 Stunden Pflege) anerkannt. Das OLG Bremen (NJW-RR 1999, 1115) hat bei einem volljährigen Geschädigten eine Nachtbereitschaftszeit von 5,5 Stunden anerkannt und - wie die Klägerin vorliegend - einen Stundensatz in Höhe von 15 DM zugrunde gelegt.
Der Sachverständige Prof. Dr. B... hat die Bereitschaftszeit in der Nacht in einem früheren Gutachten in dem zwischen den Parteien geführten Vorprozess (2 O 384/01 LG Landau in der Pfalz = 5 U 31/02 Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken) mit einer Stunde täglich bewertet. In seinem im vorliegenden Prozess erstatteten Gutachten vom 10. April 2006 hat er zunächst ausgeführt, an dem damals festgestellten Betreuungsbedarf der Klägerin habe sich nichts geändert. Indes erfordere die gesundheitliche Beeinträchtigung der Klägerin tatsächlich einen ständigen Bereitschaftsdienst während der gesamten Nacht. Die Frage, in welchem Umfang hierin ein ersatzfähiger Schaden liege, sei letztlich eine von ihm nicht zu beantwortende Rechtsfrage, wobei das Gericht die Lebenssituation der Klägerin "gesamthaft" zu betrachten und in ihren wirtschaftlichen Konsequenzen zu beurteilen habe.
Hiervon ausgehend gilt für die Bestimmung eines angemessenen Ausgleichs für die nächtliche Bereitschaftszeit der Eltern der Klägerin folgendes:
Eine volle Berücksichtigung der nächtlichen Bereitschaftszeit von 8 Stunden (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr) durch die Eltern scheidet schon deshalb aus, weil sich der insoweit geltend gemachte Aufwand in der Vermögenssphäre nicht hinsichtlich der gesamten Zeit als geldwerter Verlustposten konkret niederschlägt. Der "Verlustposten" der Eltern besteht weitgehend nur darin, dass sie in ihrer Bewegungsfreiheit und Freizeitgestaltung eingeschränkt sind und dass während der Bereitschaft in einem gewissen, allerdings schon anderweitig berücksichtigten Umfang tatsächliche Pflegeleistungen erforderlich sind. Der Senat hält es deshalb für angemessen, 1/4 der nächtlichen Bereitschaftszeit (2 Stunden) bei allerdings unverändertem Stundensatz (10,23 €) als ersatzfähigen Aufwand anzuerkennen.
Daraus ergibt sich für den hier geltend gemachten Anspruch für Januar 2003 ein weiterer Teilerfolg der Berufung in Höhe von 31 * 2 * 10,23 = 634,26 €.
4. Klageforderung für die Kosten der Fremdbetreuung im Jahr 2004
Die Klägerin hat den von ihr geltend gemachten Anspruch wie folgt berechnet:
Es sind im gesamten Jahr 2004 Lohnkosten in Höhe von 21.395,45 € angefallen, auf welche die Haftpflichtversicherung der Beklagten 12.000 € gezahlt hat. Der Restbetrag in Höhe von 9.395,45 € ist Gegenstand der Klage.
Für die in Eigenleistung erbrachten Tätigkeiten ihrer Eltern hat die Klägerin von der Versicherung für dieses Jahr 20.209,36 € erhalten. Die Beklagte trägt weitergehend vor, dass sie noch 4.900,92 € "für Kosten der Sozialstation" und 2.626,32 € für "sonstigen Mehrbedarf" gezahlt hat.
Das Landgericht hat die Klage wegen Unschlüssigkeit abgewiesen. Es sei nicht dargetan, welche Leistungen in der Wachphase und welche nachts erbracht worden seien. Da nachts aber - dem Sachverständigen folgend - immer nur eine Stunde berechnet werden könne, sei die Klage unschlüssig. Außerdem sei die Zahlung in Höhe von 20.209,36 € an die Eltern zu berücksichtigen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel unverändert weiter.
Die Berufung führt in diesem Punkt zu einem vollen Erfolg. Die für die erforderliche Pflege und Betreuung der Klägerin entstehenden Fremdkosten sind vollständig zu vergüten. Über ihre Notwendigkeit besteht zwischen den Parteien kein Streit.
Soweit die Beklagte im Hinblick auf die von ihr anderweitig geleisteten Zahlungen hinsichtlich des hier geltend gemachten Anspruchs den Erfüllungseinwand erheben will, ist ihr Vortrag hierzu auch nach dessen Ergänzung unerheblich. Die Beklagte behauptet selbst, den Betrag in Höhe von 20.209,36 € auf die von den Eltern der Klägerin erbrachten Betreuungsleistungen, also gerade nicht zur Erfüllung des hier geltend gemacht Anspruches wegen Betreuungsleistungen durch Berufspflegekräfte geleistet zu haben. Soweit sie möglicherweise der Ansicht ist, der Betrag in Höhe von 20.209,36 € für die Betreuungsleistungen der Eltern sei übersetzt, könnte ihr zwar ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zustehen, mit dem sie wiederum die Aufrechnung gegen den hier geltend gemachten Anspruch erklären könnte. Für das Bestehen eines solchen Anspruchs trägt indes die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast. Dem genügt ihr Vortrag nicht. Die Berufung hat somit Erfolg in Höhe weiterer 9.395,45 €.
5. Klageforderung für den Mehraufwand für Rollstuhlkleidung im Jahr 2004
Die Klägerin begehrt den Ersatz des Kaufpreises für den Erwerb mehrerer Hosen und Jacken, die speziell für Rollstuhlfahrer zugeschnitten sind, für ein paar Stiefel sowie Socken. Insgesamt beträgt der Kaufpreis für diese Kleidungsstücke 689,70 €, die Klägerin macht hiervon die Hälfte (344,85 €) geltend.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Kleidung auch industriell hergestellt wird und dementsprechend kostengünstiger bezogen werden kann.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin das erstinstanzliche Klageziel unverändert weiter.
Die Berufung führt zu einem Teilerfolg. Der Senat schätzt den ersatzfähigen Mehraufwand für den Erwerb rollstuhlgeeigneter Kleidung nach § 287 ZPO auf 300 €. Ausgehend von den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B... in seinem Gutachten vom 10. April 2006 kann infolge eines höheren, rollstuhlbedingten Verschleißes der Kleidung ein um 30 % höherer Aufwand für den Erwerb von Kleidung gegenüber einer nicht behinderten Person geschätzt werden. Den hierfür erforderlichen Betrag schätzt der Senat auf 300 €.
6. Klageforderung für behauptete KFZ - Mehrkosten im Jahr 2004
Die Klägerin macht nach Zahlung eines Betrages in Höhe von 2.250 € durch die Haftpflichtversicherung des Beklagten einen restlichen Anspruch in Höhe von 91,87 € wegen auf ihre Behinderung zurückzuführender Mehrkosten für den Betrieb und die Unterhaltung eines Fahrzeugs geltend. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf Bl. 86 d.A. verwiesen. Die Beklagte hat verschiedene Rechnungspositionen bestritten oder die Angemessenheit der Forderungen eingewandt. Streitgegenständlich sind u.a. Fahrten des Vater der Klägerin zur TÜV - Hauptuntersuchung und zur Inspektion (je 50 €) sowie um Autopflege durch den Vater der Klägerin (75 €).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der geltend gemacht Aufwand übersetzt sei, auch weil das Fahrzeug nicht nur für die Klägerin benutzt werde.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin Ihr erstinstanzliches Klageziel weiter.
Die Berufung hat insoweit keinen Erfolg. Ein angemessener Ausgleich für solche Tätigkeiten ist bereits mit dem vergüteten Zeitaufwand für "Organisatorisches" ausgeglichen.
7. Klageforderung für die Unterhaltungs- Mehrkosten 2004 für die Einliegerwohnung der Klägerin
Die Klägerin begehrt die Zahlung von 720 € für Mehrkosten, die ihr nach ihrem Vortrag daraus entstehen, dass ihre Wohnung (60 qm) infolge ihrer Behinderung größer sein müsse, als dies ansonsten angemessen sei. Es bestehe ein aus ihrer Behinderung folgender Flächenmehrbedarf. Gewöhnlich lebe eine Studentin allenfalls auf 20 bis 25 qm. Sie begehrt deshalb die Zahlung von 40 (qm) * 1,5 € (Mehrbedarf) * 12 Monate = 720 €.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil es sich nicht um eine unübliche Größe der Wohnung handele.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin das erstinstanzliche Klageziel weiter.
Die Berufung hat insoweit aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung keinen Erfolg. Es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach 19-Jährige Schüler oder Studenten nicht über eine Wohnfläche von 60 qm verfügen.
8. Klageforderung für den Aufwand des Vaters der Klägerin als ihr Betreuer im Jahr 2004
Die Klägerin macht insoweit einen jährlichen Aufwand von 286 Stunden * 10,23 € = 2.925,78 € geltend.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil dieser Aufwand unter "Organisatorisches" bereits berücksichtigt sei. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin das erstinstanzliche Klageziel weiter.
Auch insoweit hat die Berufung keinen Erfolg. Die Betreuung erfolgt nach §§ 1908i, 1836 Abs. 1 BGB unentgeltlich. Soweit die Klägerin die Ansicht vertritt, vorliegend gelte wegen des besonders großen Aufwandes ihres Vaters nach § 1836 Abs. 2 BGB anderes, verkennt sie, dass der Vergütungsanspruch des ehrenamtlichen Betreuers erst mit dem Beschluss des Vormundschaftsgerichts nach § 1836 Abs. 2 BGB begründet wird; der Beschluss hat insoweit konstitutive Wirkung. Dass ein solcher Beschluss des Vormundschaftsgerichts ergangen sei, trägt die Klägerin nicht vor.
III. Insgesamt ergibt sich damit ein weitergehender Anspruch der Klägerin in Höhe von 1.074,20 € + 879,86 € + 634,26 € + 9.395,45 € + 300 €= 12.283,77 €.
IV. Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus § 288 Abs. 1 BGB, die Entscheidung über die Kosten aus § 92 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO bestanden nicht.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.372,92 € festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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