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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 05.10.1999
Aktenzeichen: 5 WF 96/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, RpflG


Vorschriften:

ZPO § 124 Nr. 4
ZPO § 571
BGB § 284
BGB § 285
RpflG § 8
RpflG § 20 Nr. 4 c
Leitsatz:

1. Eine Abhilfeentscheidung gemäß § 571 ZPO ist förmlich in Form eines Beschlusses zu treffen. Ob dieser Form genügt ist, bestimmt sich aber nach dem Inhalt und nicht der Bezeichnung. Daher kann auch ein mit Gründen versehener und eröffneter Vermerk genügen.

2. Ob die Voraussetzungen für die Aufhebung bewilligter Prozeßkostenhilfe vorliegen bestimmt sich gemäß § 570 ZPO nach den im Zeitpunkt der letzten Entscheidung maßgeblichen Umständen. Daher ist auch eine zwischenzeitliche Zahlung der rückständigen Raten noch zu berücksichtigen. Ein etwaiger Sanktionscharakter des § 124 ZPO steht dem nicht entgegen.


5 WF 96/99 3 F 253/99 AmtsG -FamG- Pirmasens

PFÄLZISCHES OBERLANDESGERICHT ZWEIBRÜCKEN

Beschluss

In der Familiensache

wegen Ehescheidung und Folgesachen,

hier: Beschwerde gegen die Aufhebung der Prozesskostenhilfe

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Mörsch sowie die Richterin am Oberlandesgericht Schlachter und den Richter am Oberlandesgericht Weisbrodt auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 1. September 1999 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Pirmasens vom 5. August 1999 ohne mündliche Verhandlung am 5. Oktober 1999

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben.

Gründe:

Der Antrag der Antragstellerin, ihr nach Aufhebung der Prozesskostenhilfe erneut dieselbe zu bewilligen, ist als Beschwerde auslegbar. Die Antragstellerin hat tatsächliche Gründe vorgebracht, die zeigen, dass ihr Anliegen sich gegen die Aufhebung richtet, weil - diese Gründe unterstellt - es am Verzug fehle. Daher kann dahinstehen, ob nach Aufhebung der Prozeßkostenhilfe gemäß § 124 Nr. 4 ZPO überhaupt noch eine erneute Bewilligung von Prozeßkostenhilfe in Betracht kommt (vgl. OLG Naumburg OLGR 1997, 72, auch zum Meinungsstreit).

Die Beschwerde ist dem Senat angefallen. Eine wirksame Abhilfeentscheidung, die bei einer einfachen Beschwerde zu treffen ist, liegt vor. Das Famillengericht hat die Amtspflicht, zunächst zu prüfen, ob die Beschwerde begründet ist. Über die Abhilfe oder über die Nichtabhilfe ist förmlich zu entscheiden (vgl. LAG Sachsen-Anhalt, MDR 1998, 741. Die übliche Form ist dafür außerhalb des Urteils die eines Beschlusses im Sinne von § 329 Abs. 2 ZPO (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, § 571, Rdn. 7; BLAH-Albers, ZPO, § 571 Rdn. 8 je mNw). Ob sich das Familiengericht dessen bewusst war, erscheint zweifelhaft, weil es über die Nichtabhilfe in Form eines der Antragstellerin eröffneten "Vermerks" befunden hat. Der Senat vermag diesen Vermerk jedoch auszulegen. Inhaltlich enthält er eine Entscheidung, die knapp - unter förmlichen Gesichtspunkten aber genügend - begründet ist. Dass über die Abhilfe hier entgegen § 20 Nr. 4 c RpflG nicht der für dieses Geschäft zuständige Rechtspfleger, der auch die Aufhebung der Prozesskostenhilfe beschlossen hat, sondern der Richter entschieden hat, schadet gemäß § 8 RpflG nicht. Ebenfalls bleibt die Verletzung von § 571 letzter Halbsatz ZPO - einer Ordnungsvorschrift -, wonach die Beschwerde binnen einer Woche dem Beschwerdegericht vorzulegen gewesen wäre, hier ohne Folge.

Der Rechtsbehelf ist daher gemäß § 127 Abs. 3 Satz 2 ZPO zulässig. Er ist auch begründet.

Die Aufhebung der Prozesskostenhilfe ist zu Unrecht geschehen. Die Voraussetzungen des § 124 Nr. 4 ZPO liegen nicht vor. Diese Vorschrift ist eng auszulegen. Im Zweifel hat eine Aufhebung zu unterbleiben (vgl. OLG Düsseldorf OLGR 1993, 281).

Ein Widerruf nach der genannten Bestimmung ist unzulässig, wenn die Nichtzahlung der Raten nicht auf einem Verschulden des Bedürftigen beruht (BGH BGHR ZPO § 124 Nr. 4, Zahlungsrückstand 1= MDR 1996, 396; OLG Zweibrücken Rpfleger 1992, 117). Die Antragstellerin war nicht schuldhaft im Rückstand. Sie hat glaubhaft erklärt, dass sie aufgrund längeren Krankenhausaufenthalts wegen einer schwerwiegenden Ursache zeitweilig gehindert gewesen sei, ihren wirtschaftlichen Angelegenheiten ohne Einschränkung nachzugehen. Die vom Familiengericht gestellten Anforderungen, die Ratenzahlung per Dauerauftrag sicherzustellen, werden vom Gesetz nicht verlangt. Daher kann eine abweichende Handhabung nicht sanktioniert werden. Sofern die Antragstellerin vor ihrer stationären Aufnahme nicht noch vorsorglich eine solche Maßnahme veranlasst hat, lässt sich dies nach ihrem Vortrag nachvollziehen.

Jedenfalls im gemäß § 570 ZPO maßgeblichen Zeitpunkt (das war zunächst der der Abhilfeentscheidung) lag - auch für das Familiengericht ersichtlich - außerdem kein Rückstand, der begrifflich dem Verzug entspricht (vgl. Musielak-Fischer, ZPO, § 124, Rdn. 9), mehr vor, weshalb es an einer weiteren tatbestandlichen Voraussetzung für die Aufhebung der Prozesskostenhilfe gefehlt hat. Die Beschwerde kann nach dieser Vorschrift auf neue Tatsachen und Beweise gestützt werden. Die Erfüllung nach Aufhebung der Prozesskostenhilfe ist eine solche neue Tatsache. Diese war dem Familiengericht bei Erlass der Nichtabhilfeentscheidung bekannt. Durch Erfüllung wird ein Verzug für die Zukunft beendet (vgl. nur Palandt-Heinrichs, BGB, § 284, Rdn. 28). In entsprechender Anwendung tritt diese Rechtsfolge auch bei einem Zahlungsrückstand im Sinne von § 124 Nr. 4 ZPO ein. Sofern der Vorschrift überhaupt Sanktionscharakter beizumessen ist (so OLG Koblenz FamRZ 1996, 1426) reicht dieser nicht so weit, dass in Abweichung von § 570 ZPO ein früher Beurteilungszeitpunkt - etwa der Zeitpunkt des Aufhebungsbeschlusses - maßgeblich würde. Eine nachträgliche Zahlung ist daher noch zu berücksichtigen.

Nebenentscheidungen sind gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.



Ende der Entscheidung

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