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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 10.11.1999
Aktenzeichen: 6 UF 100/99
Rechtsgebiete: SorgeRÜbkAG, FGG, KostO
Vorschriften:
SorgeRÜbkAG § 8 Abs. 2 | |
FGG § 22 | |
FGG § 22 Abs. 1 S. 1 | |
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 2 | |
KostO § 131 Abs. 3 | |
KostO § 131 Abs. 2 | |
KostO § 30 Abs. 3 | |
KostO § 30 Abs. 2 |
1. Art. 3 lit. a HKiEntÜ schützt auch das sog. Mitsorgerecht, das dem Verletzten gemeinsam mit dem Entführer zusteht; er umfasst insbesondere das Recht der Aufenthalts(mit)bestimmung.
2. Nach dem Recht der Republik Südafrika steht die Personensorge für ein ehelich geborenes Kind beiden Eltern gleichermaßen zu.
3. An die Voraussetzung des Art. 3 lit. b HKiEntÜ - tatsächliche Ausübung des Mitsorgerechts durch den anderen Elternteil - sind entsprechend dem Sinn und Zweck des HKiEntÜ - Bekämpfung internationaler Kindesentführung und Verwirklichung der Sorgerechtsregelungen der Vertragsstaaten - keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Daher übt auch ein getrennt lebender Elternteil mit Sorgerecht aber ohne Personensorge noch sein Sorgerecht aus, wenn er das Kind besucht, es anruft, aber dessen Aufenthalt im Ausland ablehnt (im Anschluss an BVerfG FamRZ 1997, 1269 f u. OLG Stuttgart FamRZ 1996, 688, 689).
4. Der Ausnahmetatbestand des Art. 13 Abs. 1 lit. b HKiEntÜ ist im Hinblick auf den Zweck des HKiEntÜ restriktiv anzuwenden. Der entführende Elternteil muss es daher grundsätzlich auf sich nehmen, mit dem Kind zurück zu kehren und dadurch selbst Nachteile zu erleiden.
PFÄLZISCHES OBERLANDESGERICHT ZWEIBRÜCKEN Beschluss
6 UF 100/99 F 189/99 Amtsgericht Germersheim
In der Familiensache
betreffend den Antrag des Vaters auf Rückführung des Kindes
hat der 6. Zivilsenat - Familiensenat - des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Morgenroth und die Richterinnen am Oberlandesgericht Euskirchen und Schlachter auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 14. Juli 1999 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Germersheim vom 5. Juli 1999, der Antragsgegnerin zugestellt am 8. Juli 1999, nach Anhörung der Beteiligten am 10. November 1999
beschlossen:
Tenor:
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.
Die Antragsgegnerin hat die dem Antragsteller im Beschwerderechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten zu tragen.
III. Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 5.000,-- DM festgesetzt.
Gründe:
I.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Gemäß § 8 Abs. 2 SorgeRÜbkAG findet gegen eine im ersten Rechtszug ergangene Entscheidung das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 22 FGG statt (vgl. hierzu Bach/Gildenast, Internationale Kindesentführung, Rdnr. 172). Diese wurde innerhalb der Zweiwochenfrist gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 FGG eingelegt.
II.
In der Sache bleibt dem Rechtsmittel jedoch der Erfolg versagt.
Das HKiEntÜ ist vorliegend anwendbar, denn es ist im Verhältnis zu Deutschland für Südafrika am 1. Februar 1998 in Kraft getreten (vgl. Bekanntmachung über den Geltungsbereich des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 16. Januar 1998 in BGBl. 1998, Teil II, 317 f); in Deutschland gilt es bereits seit dem 1. Dezember 1990 (vgl. Palandt/Heldrich, BGB, 58. Aufl., Rdnr. 59, Anh. zu Art. 24 EGBGB).
Das Familiengericht hat zu Recht die Rückführung des Kindes nach Südafrika gemäß Art. 12 Abs. 1 HKiEntÜ angeordnet, weil die Antragsgegnerin das Kind widerrechtlich im Sinne von Art. 3 HKiEntÜ nach Deutschland verbracht hat und keiner der Ausnahmetatbestände des Art. 13 HKiEntÜ, die gegen eine Rückführung sprechen könnten, vorliegt.
Nach Art. 3 HKiEntÜ gilt das Verbringen eines Kindes als widerrechtlich, wenn a) dadurch das Sorgerecht verletzt wird, das einer Person,... allein oder gemeinsam nach dem Recht des Staates zusteht, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen... seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und b) dieses Recht im Zeitpunkt des Verbringens allein oder gemeinsam tatsächlich ausgeübt wurde oder ausgeübt worden wäre, wenn das Verbringen... nicht stattgefunden hätte.
Die Vorschrift enthält eine Legaldefinition der Widerrechtlichkeit, welche die Voraussetzung für eine Anordnung nach Art. 12 HKiEntÜ ist. Erforderlich ist zunächst die Verletzung eines nach dem Recht des Herkunftsstaates bestehenden Sorgerechts, das dem Verletzten auch gemeinsam mit dem Entführer zustehen kann, sog. Mitsorgerecht; dabei ist das Sorgerecht im Sinne der autonomen Definition des Art. 5 HKiEntÜ zu verstehen und umfasst insbesondere das Recht der Aufenthalts(mit)bestimmung (vgl. Heldrich, aaO, Rdnrn. 65 und 69, Anhang zu Art. 24 EGBGB; BVerfG, FamRZ 1997, 1269 f).
Die Antragsgegnerin stellt selbst nicht in Abrede, dass sie das Sorgerecht für gemeinsam mit dem Antragsteller als Vater innehat. Dies entspricht auch der materiellen Rechtslage, weil (auch) nach dem Recht des Staates Südafrika die Personensorge für ein ehelich geborenes Kind beiden Eltern gleichermaßen zusteht (vgl. Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Stichwort "Südafrikanische Republik", S. 54).
Weitere Voraussetzung ist nach Art. 3 Abs. 1 b HKiEntÜ, dass das (Mit-)Sorgerecht auch tatsächlich von dem anderen Elternteil ausgeübt worden ist.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin liegt auch diese faktische Voraussetzung vor.
Der Senat teilt dabei diejenige Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, dass an die Voraussetzung der tatsächlichen Ausübung entsprechend dem Sinn und Zweck des HKiEntÜ keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind. Das HKiEntÜ erfasst seinem Sinn entsprechend alle Fälle, in denen ein Kind unter Verletzung eines Sorgerechts ins Ausland verbracht wird. Hat eine Person sorgerechtliche Befugnisse und insbesondere das Recht, über den Aufenthalt des Kindes mit zu bestimmen, so entspricht es nicht dem Kindeswohl, wenn diese Befugnisse faktisch dadurch außer Kraft gesetzt werden können, dass eine andere, mit einem umfangreichen Sorgerecht ausgestattete Person das Kind entführt und so vollendete Tatsachen schafft. Ob die alleinige Ausübung aller sorgerechtlichen Befugnisse durch einen Elternteil oder einen Aufenthaltswechsel ins Ausland dem Wohl des Kindes entsprechen, soll allein das international zuständige Gericht entscheiden (vgl. BVerfG aaO, S. 1270). Daher übt auch ein getrennt lebender Elternteil mit Sorgerecht aber ohne Personensorge noch sein Sorgerecht aus, wenn er das Kind besucht, es anruft, aber dessen Aufenthalt im Ausland ablehnt (vgl. Siehr in MüKo zum BGB, 3. Aufl., Rdnr. 29, Art. 19 EGBGB, Anhang II m.w.N.; OLG Stuttgart, FamRZ 1996, 688, 689).
Der Antragsteller pflegte aufgrund einer Vereinbarung der Eltern einen recht großzügigen Umgang mit dem gemeinsamen Kind und kümmerte sich auch um dessen Belange; dies stellt selbst die Antragsgegnerin nicht substantiiert in Abrede.
Die weitere Voraussetzung des Art. 3 Abs. 1 lit b HKiEntÜ liegt daher ebenfalls vor.
Das Verbringen des Kindes nach Deutschland ohne die Zustimmung des mitsorgeberechtigten Vaters war somit widerrechtlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 HKiEntÜ.
Der einer Rückführung entgegenstehende Ausnahmetatbestand des Art. 13 Abs. 1 lit b HKiEntÜ - derjenige des lit a dieser Bestimmung scheidet nach dem obengesagten von vornherein aus - liegt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht vor.
Nach dieser Regelung, die im Hinblick auf den Zweck des HKiEntÜ - Bekämpfung internationaler Kindesentführung und Verwirklichung der Sorgerechtsregelungen der Vertragsstaaten - restriktiv anzuwenden ist (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 1996, 689), ist das Gericht nicht verpflichtet, die Rückgabe des Kindes anzuordnen, wenn die Person, die sich der Rückgabe des Kindes widersetzt, nachweist, dass die Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist.
Die Antragsgegnerin behauptet nicht, dass das Kind durch die Rückgabe selbst bereits einen seelischen Schaden erleiden könnte; sie trägt aber in Anlehnung an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. März 1995 (in FamRZ 1995, 663, 664) vor, die Rückgabe führe hier wegen der zwingend damit verbundenen Trennung von Mutter und Kind - mittelbar - zu einem seelischen Schaden für weil ihr - der Antragsgegnerin - eine Rückkehr in die südafrikanische Republik weder möglich noch zumutbar sei.
Der Senat folgt der Antragsgegnerin zwar darin, dass die Trennung eines Kleinkindes von dem Elternteil, der es überwiegend betreut hat, eine Gefährdung des Kindeswohl bedeuten kann (vgl. BVerfG aaO; OLG München, FamRZ 1998, 386). Das Vorbringen der Antragsgegnerin rechtfertigt aber nicht die Schlussfolgerung, dass eine Rückführung des Kindes überhaupt mit einer Trennung von Mutter und Kind verbunden sein muss.
Der entführende Elternteil muss es grundsätzlich auf sich nehmen, mit dem Kind zurückzukehren und dadurch selbst Nachteile zu erleiden. Lehnt er es ab, mit dem Kind zurückzukehren, obwohl dies zumutbar ist oder sogar durch den beraubten Elternteil erleichtert wird, so kann er nicht darauf hinweisen, die Rückkehr des Kindes ohne seine (des Entführers) Begleitung setze das Kind einer schwerwiegenden Gefahr aus. Denn wer auf diese Weise - durch Ablehnung der Begleitung - selbst eine Gefahr schafft, kann sich nicht auf sie als Ausrede berufen (vgl. Siehe in MüKo aaO, Rdnr. 61 a, Art. 19 EGBGB, Anh. II m.w.N.).
Die vom Senat eingeholte Auskunft des Generalkonsulats für die Republik Südafrika vom 5. November 1999 hat ergeben, dass die Antragsgegnerin nicht daran gehindert ist, gemeinsam mit dem Kind nach Südafrika einzureisen und dort zumindest solange Aufenthalt zu nehmen, bis das international zuständige Oberste Gericht in Kapstadt über die bei ihm im Rahmen des Scheidungsverfahrens anhängige Frage der Sorgerechtsregelung für das Kind entschieden hat.
Soweit die Antragsgegnerin behauptet, eine Rückkehr nach Südafrika sei ihr wegen des gefahrdrohenden Verhaltens des Antragstellers und seiner Familie nicht zumutbar, ist ihre Behauptung - weil zu allgemein gehalten - rechtlich nicht erheblich. Im Übrigen ist sie auch tatsächlich nicht nachvollziehbar, weil die in den Akten befindliche Korrespondenz belegt, dass die Antragsgegnerin insbesondere zum Bruder des Antragstellers noch nach der Trennung der Parteien eine herzliche und freundschaftliche Beziehung pflegte.
Gleiches gilt, soweit die Antragsgegnerin behauptet, der Antragsteller habe sich straffällig gemacht und müsse deswegen mit seiner Auslieferung nach Italien rechnen. Die von der Antragsgegnerin hierzu vorgelegten Zeitungsausschnitte betreffen ausschließlich den Bruder des Antragstellers; im Übrigen betrifft diese Frage die Erziehungsgeeignetheit des Antragstellers, über die das international zuständige Gericht in Kapstadt im Rahmen der von ihm zu treffenden Sorgerechtsentscheidung zu befinden haben wird. Insoweit bedarf es daher nicht der Beweiserhebung durch den Senat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 26 Abs. 4 HKEntU i. V. m. §§ 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG, 131 Abs. 3 KostO.
Den Wert des Beschwerdegegenstands hat der Senat gemäß den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 3 und 2 KostO festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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