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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 29.06.2000
Aktenzeichen: 6 UF 7/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1629
ZPO § 519
Leitsatz

§§ 1629 BGB, 519 ZPO

1. Gesetzliche Prozessstandschaft im Sinne des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB setzt voraus, dass den Eltern (noch) die gemeinsame Sorge zusteht, weiterhin, dass sich das Kind in der tatsächlichen (Allein-)Obhut desjenigen Elternteils befindet, der den Kindesunterhalt gegen den anderen Elternteil geltend macht. Bemühen sich beide Elternteile um die Obhut, findet diese Bestimmung keine Anwendung.

2. Ein Berufungsantrag genügt nicht den Bestimmtheitserfordernissen des § 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO, wenn er nicht erkennen lässt, für welchen Unterhaltszeitraum und in welcher Höhe das erstinstanzliche Urteil überhaupt bekämpft werden soll.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 6 UF 7/00 3 F 75/99 Amtsgericht Neustadt an der Weinstraße

Verkündet am: 29. Juni 2000

Bernd, Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Familiensache

wegen Ehegatten- und Kindesunterhalts

hat der 6. Zivilsenat - Familiensenat - des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Morgenroth und die Richterinnen am Oberlandesgericht Euskirchen und Schlachter auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Neustadt an der Weinstraße vom 16. Dezember 1999 wird als unzulässig verworfen, soweit diese die Zahlung rückständigen Ehegattenunterhalts in Höhe eines Mehrbetrags von 2.458,12 DM für den Zeitraum Februar 1998 bis einschließlich Oktober 1999 betrifft.

II. Die weitergehende Berufung der Klägerin gegen das in Ziffer I. bezeichnete Urteil wird zurückgewiesen.

III. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Im ersten Rechtszug hat die Klägerin hinsichtlich des Trennungsunterhalts laufenden Unterhalt in Höhe von monatlich 1.003,28 DM ab dem Monat Juni 1998 sowie rückständigen Trennungsunterhalt für den Zeitraum Februar 1998 bis einschließlich Mai 1998 in Höhe von insgesamt 4.013,12 DM (4 Monate à 1.003,28 DM) begehrt.

Bezüglich des Trennungsunterhalts hat das Familiengericht für den Zeitraum Februar 1998 bis einschließlich Juni 1998 einen Betrag in Höhe von insgesamt 1.555,-- DM zugesprochen; dies entspricht einem monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 311,-- DM (1.555,-- DM : 5 Monate = 311,-- DM). Hierzu hat das Familiengericht ausgeführt, der Beklagte sei nur in dieser Höhe als leistungsfähig anzusehen. Für den Zeitraum Juli 1998 bis einschließlich Oktober 1999 (Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung war der 18. Oktober 1999) hat das Familiengericht die Klage auf Zahlung von Trennungsunterhalt wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerin als unbegründet abgewiesen, weil die Klägerin ab dem 30. Juni 1998 Sozialhilfe in Höhe von monatlich 830,-- DM bezogen hat. Ab dem Monat November 1999 hat das Familiengericht Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 280,-- DM zugesprochen.

Gegen dieses ihr am 20. Dezember 1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 20. Januar 2000, eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt. Ihr Rechtsmittel hat sie innerhalb ihr gewährter Fristverlängerung mit am 20. März 2000 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Klägerin beantragt u. a.,

das erstinstanzliche Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie

...

3. rückständigen Ehegattenunterhalt in Höhe von (insgesamt) 2.458,12 DM sowie

4. laufenden Trennungsunterhalt ab November 1999 in Höhe von monatlich 1.003,28 DM zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie auf den Inhalt der im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel ist, soweit es die Zahlung rückständigen Trennungsunterhalts in Höhe eines Mehrbetrags von 2.458,12 DM für den Zeitraum Februar 1998 bis einschließlich Oktober 1999 betrifft, schon nicht zulässig; im Übrigen hat es in der Sache keinen Erfolg. Auf diese rechtlichen Gesichtspunkte hat der Senat bereits in seinem die Prozesskostenhilfe für die Klägerin versagenden Beschluss vom 15. Mai 2000 hingewiesen.

1. Kindesunterhalt für A geboren am 1990

Das Familiengericht hat die auf Zahlung von Kindesunterhalt gerichtete Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen, weil die Klägerin nicht gesetzliche Prozessstandschafterin im Sinne von § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB ist und ihr daher die Klagebefugnis fehlt.

Gesetzliche Prozessstandschaft im Sinne der genannten Bestimmung setzt voraus, dass den Eltern (noch) die gemeinsame Sorge zusteht, weiterhin, dass sich das Kind in der tatsächlichen (Allein-)Obhut desjenigen Elternteils befindet, der den Kindesunterhalt gegen den anderen Elternteil geltend macht. Bemühen sich beide Elternteile um die Obhut, findet diese Bestimmung keine Anwendung (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 58. Aufl., Rdnr. 45 zu § 1629 BGB; Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht 3. Aufl., § 1629 Rdnr. 6).

Der Begriff der Obhut stammt nicht aus dem Familienrecht; er ist § 51 Abs. 2 JWG a. F. entlehnt, ohne dort definiert zu sein. Gemeint ist die tatsächliche Personensorge und Fürsorge für das Kind, die Situation, in der die Versorgung und Betreuung des Kindes durch einen Elternteil sichergestellt ist, der sich tatsächlich um den Unterhalt kümmert (vgl. Peschel-Gutzeit in Staudinger, BGB, 12. Aufl., Rdnr. 336 zu § 1629 BGB).

Leben die Eltern in der Wohnung getrennt und/oder lässt sich das Kind in der Fürsorge nicht einem Elternteil eindeutig zuordnen, etwa weil die Eltern das Kind in gleichmäßiger gemeinsamer Obhut haben, so kann das Kind seinen Unterhaltsanspruch nur durch einen Pfleger gegen die Eltern geltend machen (vgl. Peschel-Gutzeit aaO Rdnr. 338 zu § 1629 BGB m. w. N.).

Die Vernehmung des Kindes A durch das Familiengericht hat ergeben, dass sich das Kind nach wie vor in der Obhut beider Eltern befindet, wobei die tatsächliche Obhut des Vaters eher vorrangig ist (vgl. auch OLG Stuttgart FamRZ 1995, 1168).

Die Klägerin ist daher nicht klagebefugt im Sinne von 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB.

2. Trennungsunterhalt

2.1. Rückständiger Trennungsunterhalt in Höhe von insgesamt 2.458,12 DM über die zuerkannten 1.555,-- DM hinaus.

Der Berufungsantrag zu 3. genügt nicht den Bestimmtheitserfordernissen des § 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO, weil er nicht erkennen lässt, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe die Klägerin das erstinstanzliche Urteil überhaupt bekämpfen will; insoweit ist das Rechtsmittel der Klägerin daher schon nicht zulässig (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 21. Aufl., Rdnrn. 27 und 28 zu § 519 ZPO).

Dieser Berufungsantrag ist auch nicht der Auslegung in dem Sinne fähig, dass Trennungsunterhalt jedenfalls für den Zeitraum Februar 1998 bis einschließlich Juni 1998 begehrt wird; insoweit hat das Familiengericht 5 x 311,-- DM, das sind 1.555,-- DM, zugesprochen.

Für diesen Fall ließe sich nämlich die Höhe des von der Klägerin mit ihrer Berufung erstrebten monatlichen Mehrbetrags rechnerisch nicht ermitteln, weil der ihrer Berechnung offensichtlich zugrunde gelegte Rückstandsbetrag in Höhe von 4.013,12 DM sich auf den Zeitraum Februar 1998 bis einschließlich Mai 1998 bezieht, die zugesprochenen 1.555,-- DM aber den Zeitraum Februar 1998 bis einschließlich Juni 1998 betreffen.

Dies bedeutet zugleich, dass auch der Klageantrag insoweit en prozessualen Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht genügt.

2.2. Für den Zeitraum 1. Juli 1998 bis einschließlich Oktober 1999, in der die Klage auf Zahlung von Trennungsunterhalt wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerin insgesamt abgewiesen wurde, vermag der Senat einen Berufungsangriff nicht zu erkennen.

2.3. Zeitraum ab November 1999

2.3.1. Zum eheangemessenen Lebensbedarf der Klägerin im Sinne von § 1578 Abs. 1 BGB entsprechend:

Der Beklagte verfügte laut Lohnsteuerbescheinigung für 1999 im Jahr 1999 über Nettoeinkünfte in Höhe von rund 2.912,-- DM (Bl. 176). Hiervon ist die Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen in Höhe von 145,60 DM abzusetzen; es verbleiben 2.766,40 DM. Von diesen Einkünften ist keine Kreditrate mehr abzusetzen, weil die Kreditrate für die Anschaffung des Schlafzimmers in Höhe von monatlich 284,75 DM zwischenzeitlich weggefallen ist und die weitere Kreditrate die Anschaffung eines Autos betrifft.

Der Beklagte schuldet Barunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle Stand 1. Juli 1999 nach der Einkommensgruppe 3/ Altersstufe 2; es sind dies 492,-- DM. Es errechnen sich so bereinigte Einkünfte des Beklagten in Höhe von 2.274,40 DM; 6/7 davon betragen 1.949,49 DM.

Die Nettoeinkünfte der Klägerin betragen nunmehr rund 790,-- DM monatlich. Weiterhin hat sie nicht bestritten, Trinkgelder in Höhe von monatlich 120,-- DM zu erhalten. Diese sind wie Erwerbseinkünfte zu behandeln.

790,-- DM + 120,-- DM ergeben 910,-- DM; bereinigt man diese Einkünfte um die Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen in Höhe von 90,-- DM verbleiben 820,-- DM. 6/7 davon betragen gerundet 703,-- DM.

1.949,49 DM zuzüglich 703,-- DM ergeben 2.652,49 DM; die Hälfte davon beläuft sich auf 1.326,25 DM, gerundet 1 300,-- DM.

2.3.2. Da die Trennung der Parteien schon im Januar 1998 erfolgte und das Trennungsjahr im November 1999 längst abgelaufen war, war die Klägerin nunmehr gehalten, ihre Erwerbstätigkeit von bisher nur 20 Wochenstunden auf eine vollschichtige Erwerbstätigkeit auszudehnen. Die Teilbetreuung des Kindes hindert sie hieran nicht, weil das Kind von 7.50 Uhr bis 17.30 Uhr die Schule sowie den Kinderhort besucht. Immerhin macht sie dem Beklagten zum Vorwurf, dass dieser - obwohl er A ebenfalls betreut - seine Arbeitstätigkeit als Kundendiensttechniker von bisher 200 Arbeitsstunden im Monat auf monatlich 180 Arbeitsstunden im Interesse des Kindes reduziert hat. Der Klägerin sind daher fiktive Erwerbseinkünfte zuzurechnen, die es ihr erlauben, ihren eheangemessenen Lebensbedarf im Sinne von § 1578 Abs. 1 BGB entsprechend in Höhe von gerundet 1.300,-- DM selbst zu decken.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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