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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 08.06.2000
Aktenzeichen: 6 UF 92/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233 ff.
ZPO § 121
Leitsatz

§§ 233 ff., 121 ZPO

1. Das durch Bedürftigkeit einer Partei begründete Unvermögen, einen Rechtsanwalt mit der notwendigen Vertretung zur Vornahme von fristwahrenden Prozesshandlungen zu beauftragen, zählt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich zu den Wiedereinsetzungsgründen des § 233 ZPO.

2. Die Zwei-Wochenfrist verlängert sich nicht deswegen um eine Überlegungsfrist von wenigen Tagen, weil für einen Teil des Berufungsbegehrens die Prozesskostenhilfe verweigert wird; die Bestimmung des § 518 ZPO erfordert es nämlich nicht, dass der Berufungsführer den Umfang der Aufhebung des Urteils schon bei der Einlegung seines Rechtsmittels bestimmt (im Anschluss an BGH NJW-RR 1993, 451 ff.).

3. Hat der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz beantragt, bleibt er auch nach Beiordnung eines am Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt weiterhin Prozessbevollmächtigter.

Die Zustellung des Beiordnungsbeschlusses an ihn setzt deshalb die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist in Lauf (vgl. BGH aaO).

Der Beschluss ist nicht rechtskräftig; die Berufungsklägerin hat Beschwerde zum BGH eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.


PFÄLZISCHES OBERLANDESGERICHT ZWEIBRÜCKEN Beschluss

6 UF 92/99 2 F 338/97 Amtsgericht Neustadt an der Weinstraße

In der Familiensache

wegen Ehescheidung und Folgesachen

hier: wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist

hat der 6. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Morgenroth und die Richterinnen am Oberlandesgericht Euskirchen und Schlachter ohne mündliche Verhandlung am 8. Juni 2000

beschlossen:

Tenor:

I. Die Berufung wird als unzulässig verworfen.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Mit Verbundurteil vom 1. Juni 1999 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Neustadt an der Weinstraße die Ehe der Parteien geschieden, den Versorgungsausgleich geregelt sowie den Antragsteller zur Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe von insgesamt monatlich 1.312,-- DM verurteilt; den weitergehenden Antrag der Klägerin auf Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe von insgesamt 1.709,73 DM monatlich sowie deren Antrag auf Zahlung eines Zugewinnausgleichsbetrags in Höhe von 40.744,80 DM hat das Familiengericht abgewiesen (Ziffern 4. und 5. des Urteilstenors). Dieses Urteil ist der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 8. Juni 1999 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 8. Juli 1999, eingegangen am selben Tag, hat die Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin angezeigt, dass sie die Antragsgegnerin im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren anwaltlich vertrete und beantragt, der Antragsgegnerin zur Durchführung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Neustadt an der Weinstraße vom 1. Juni 1999 -" Anträge Ziffern 4. und 5. -" Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S, zu bewilligen.

Mit Beschluss vom 27. April 2000 hat der Senat der Antragsgegnerin zur Durchführung der Berufung Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sie in Abänderung von Ziffer 4. des genannten Urteils die Verurteilung des Antragstellers zur Zahlung von Ehegattenunterhalt in Höhe von insgesamt 1.690,-- DM monatlich ab Rechtskraft der Ehescheidung erstrebt. Im Übrigen hat der Senat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die beabsichtigte weitergehende Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Im Umfang der bewilligten Prozesskostenhilfe hat der Senat der Antragsgegnerin Rechtsanwalt S, zur Vertretung im Berufungsverfahren beigeordnet. Dieser Beschluss ist der (erstinstanzlichen) Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin ausweislich deren Empfangsbekenntnis am 5. Mai 2000 zugestellt worden (vgl. Bl. 234 d. A.).

Mit Schriftsatz vom 22. Mai 2000, eingegangen am selben Tag, hat Rechtsanwalt S Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Neustadt an der Weinstraße vom 1. Juni 1999 eingelegt und um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist angetragen.

II.

Das Rechtsmittel ist nicht zulässig, weil es nicht innerhalb der Berufungsfrist des § 516 ZPO eingelegt worden ist; die Berufung ist daher gemäß § 519 b Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Der Antragsgegnerin kann gegen die Versäumung der Frist des § 516 ZPO keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß den §§ 233 f ZPO gewährt werden, weil sie es versäumt hat, innerhalb der Zwei-Wochenfrist des § 234 Abs. 1 ZPO auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anzutragen und innerhalb dieser Frist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen (vgl. § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Das durch Bedürftigkeit einer Partei begründete Unvermögen, einen Rechtsanwalt mit der notwendigen Vertretung zur Vornahme von fristwahrenden Prozesshandlungen zu beauftragen, zählt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich zu den Wiedereinsetzungsgründen des § 233 ZPO (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 21. Aufl., Rdnr. 23 zu § 233 ZPO, Stichwort "Prozesskostenhilfe").

Das Hindernis der Bedürftigkeit entfiel mit dem Beschluss des Senats vom 27. April 2000, mit dem der Antragsgegnerin teilweise Prozesskostenhilfe zur Durchführung der beabsichtigten Berufung bewilligt worden war, weil es der Antragsgegnerin dadurch ermöglicht wurde, den Auftrag der Berufungseinlegung zu erteilen; maßgeblicher Zeitpunkt für den Fristbeginn des § 234 Abs. 2 ZPO ist derjenige der Bekanntgabe der Entscheidung (vgl. Greger aaO Rdnr. 6 zu § 234 ZPO m. w. N.; BGH NJW-RR 1993, 451 f).

Im Falle der Antragsgegnerin war dies der 5. Mai 2000, der Tag der Zustellung des Beschlusses des Senats vom 27. April 2000 an die (erstinstanzliche) Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin.

Die zweiwöchige Frist des § 234 Abs. 1 ZPO endete mit Ablauf des 19. Mai 2000 und war bei Eingang des Wiedereinsetzungsgesuchs am 22. Mai 2000 somit bereits verstrichen.

Die Zwei-Wochenfrist verlängerte sich auch nicht deswegen um eine Überlegungsfrist von wenigen Tagen, weil für einen Teil des Berufungsbegehrens die Prozesskostenhilfe verweigert worden war; die Bestimmung des § 518 ZPO erfordert es nämlich nicht, dass der Berufungsführer den Umfang der Aufhebung des Urteils schon bei der Einlegung seines Rechtsmittels bestimmt (vgl. BGH aaO).

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin bedurfte es nicht der Zustellung des Beschlusses vom 27. April 2000 an den vom Senat beigeordneten Rechtsanwalt S. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Sinne von § 121 Abs. 1 ZPO vermag nämlich nicht die Prozessvollmacht einer Partei und deren Geschäftsbesorgungsauftrag zu ersetzen (vgl. Baumbach/Hartmann, ZPO 58. Aufl., S 234 Rdr. 15; Thomas/Putzo, ZPO 22. Aufl., S 234 Rdr. 9; Zöller/Philippi aaO Rdnr. 29 zu § 121 ZPO m. w. N.; BGH aaO).

Im Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses vom 27. April 2000 hatte die Antragsgegnerin Rechtsanwalt S, noch kein Mandat erteilt; der Beschluss des Senats über die teilweise Bewilligung der Prozesskostenhilfe zur Durchführung der Berufung sollte sie hierzu erst wirtschaftlich in die Lage versetzen. Im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren hatte sich die Antragsgegnerin allein von ihrer erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen; Rechtsanwalt S zeigte dagegen erst mit Schriftsatz vom 22. Mai 2000 seine Bestellung als Prozessbevollmächtigter der Antragsgegnerin an (vgl. zum ähnlich gelagerten Sachverhalt: BGH aaO).

Die Berufung der Antragsgegnerin ist daher wegen Versäumung der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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