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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 14.08.2000
Aktenzeichen: 1 AR 69/00
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 209 Abs. 2
StPO § 225 a
StPO § 225 a Abs. 1
StPO § 203
StPO § 204
StPO § 207
StPO § 269
StPO § 225 a Abs. 3 S. 1
StPO § 132 Abs. 1
StGB § 266 Abs. 1
StGB § 70
Leitsatz:

"Ein irrtümlich gefasster Übernahmebeschluss (§ 225 a StPO) kann grundsätzlich nicht den Eröffnungsbeschluss ersetzen. "


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 1 AR 69/00 7051 Js 5489/99 StA Landau in der Pfalz

In der Strafsache gegen

wegen Untreue,

hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts,

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Ohler sowie die Richter am Oberlandesgericht Maurer und Friemel

am 14. August 2000

beschlossen:

Tenor:

Das Amtsgericht - Schöffengericht - Landau in der Pfalz ist zur Verhandlung über die Anklage der Staatsanwaltschaft Landau in der Pfalz vom 25. Juni 1999 zuständig.

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Landau in der Pfalz legt dem Angeklagten mit drei zum Amtsgericht - Schöffengericht - Landau in der Pfalz erhobenen Anklagen zwei Vergehen der uneidlichen Falschaussage (7051 Js 8882/98 und 7051 Js 6303/99) und vier Vergehen der Untreue (vorliegender Fall) zur Last. In dem letztgenannten Verfahren hat das Amtsgericht dem Angeklagten vorläufig verboten, seinen Beruf als Rechtsanwalt auszuüben (§ 132 a StPO). Nachdem der Angeklagte in dem dagegen geführten Beschwerdeverfahren eine "klinischpsychologische Stellungnahme" einer Diplom-Psychologin vorgelegt hat, hat das Amtsgericht die Akten durch Verfügung gemäß § 209 Abs. 2 StPO der zuständigen Strafkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz mit der "Bitte um Übernahme des Verfahrens" vorgelegt, weil möglicherweise eine Unterbringung des Angeklagten (§ 63 StGB) in Betracht komme. Durch im Wesentlichen gleichlautende Beschlüsse vom 13. Oktober 1999 (7051 Js 5489/99) und 16. Dezember 1999 (7051 Js 6303/99 und 7051 Js 8882/98) hat die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz die Verfahren "übernommen" und ausgeführt, die Hauptverhandlung solle "vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Landau ... stattfinden". Alsdann hat sie in dem Verfahren 7051 Js 5489/99 eine "nervenärztliche" Begutachtung des Angeklagten hinsichtlich seiner Schuldfähigkeit angeordnet. Nach Eingang des schriftlichen Sachverständigengutachtens hat sie durch Beschlüsse vom 10. März 2000 sämtliche Verfahren vor dem Amtsgericht - Schöffengericht - Landau in der Pfalz eröffnet und ihre Eröffnungsbeschlüsse am 16. Juni 2000 dahin ergänzt, dass die Anklagen der Staatsanwaltschaft "unverändert" zur Hauptverhandlung zugelassen würden. Das Amtsgericht hält weiterhin die Zuständigkeit des Landgerichts für gegeben und hat die Sache dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

Die Vorlage ist zulässig (§§ 14, 19 StPO). Die Überprüfung ergibt, dass die Eröffnungsbeschlüsse des Landgerichts vom 10. März 2000 in Verbindung mit den Beschlüssen vom 16. März 2000 wirksam sind. Das Landgericht hatte mit den "Übernahme"-Beschlüssen vom 13. Oktober 1999 weder die Verfahren gemäß § 225 a StPO übernommen noch darin über die Eröffnung der Hauptverhandlung (mit-)entschieden.

Zutreffend ist insbesondere die Auffassung der Strafkammer, dass das Amtsgericht die Verfahren nicht - wie von ihr zunächst angenommen - nach § 225 a Abs. 1 StPO, sondern gemäß § 209 Abs. 2 StPO (wie vom Amtsgericht damals vermerkt) vorgelegt hat. Da das Verfahren damals noch nicht eröffnet war, konnte das Amtsgericht die Akten nur nach der letztgenannten Vorschrift dem Gericht höherer Ordnung vorlegen (KMR Paulus, § 209, Rdnr. 4; § 225 a, Rdnr. 2; HK Julius, § 225 a, Rdnr. 3; SK Paeffgen, § 209, Rdnr. 2). Der vom Landgericht nach § 225 a StPO gefasste Übernahmebeschluss ging deshalb ins Leere, weil eine Vorlage nach dieser Vorschrift nicht erfolgt war. Auch war das Landgericht nicht an die Vorlage gebunden, sondern hatte seinerseits nach §§ 203, 204, 207 StPO über die Eröffnung des Verfahrens zu entscheiden, was auch die Eröffnung vor dem niedrigeren Gericht nicht ausschloss, weil § 269 StPO im Eröffnungsverfahren nicht gilt (Julius, aaO; KK-Tolksdorf, StPO, 4. Aufl., § 209, Rdnr. 9; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 269, Rdnr. 3).

Anders läge der Fall nur, wenn das Landgericht mit den Übernahmebeschlüssen zugleich das Verfahren bei sich eröffnet hätte, weil dann eine nochmalige Eröffnungsentscheidung ausgeschlossen gewesen wäre (vgl. LR-Rieß, 24. Aufl., § 207, Rdnr. 39). Diese Voraussetzung liegt hier aber nicht vor.

Der Hinweis in den Übernahmebeschlüssen, dass das Verfahren vor der Strafkammer stattfinden solle, entspricht dem Wortlaut des § 225 a Abs. 3 S. 1 StPO und ist Folge der ursprünglichen, unrichtigen Auffassung des Landgerichts über die Art der Vorlage. Darüber hinaus enthält der Beschluss nichts, woraus zweifelsfrei entnommen werden könnte, dass das Gericht nach Prüfung der Voraussetzungen die Anklage zulassen wollte (vgl. hierzu auch BGH NStZ 1994, 24; 1984, 520; MDR 1975, 197; LR-Rieß, aaO, § 207, Rdnr. 41; Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO, § 207, Rdnr. 8). Der (fehlerhafte) Hinweis auf § 225 a StPO belegt im Gegenteil, dass die Strafkammer nicht - wie es für eine Entscheidung gemäß § 203 StPO erforderlich gewesen wäre - geprüft hat, ob wegen der angeklagten Taten ein hinreichender Tatverdacht besteht, weil das bei einer Übernahmeentscheidung gemäß § 225 a StPO nicht mehr geprüft wird (vgl. KK-Tolksdorf, aaO, § 225 a, Rdnr. 10; Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO, § 225 a, Rdnr. 15). Ein Übernahmebeschluss nach § 225 a StPO kann daher nicht den Eröffnungsbeschluss ersetzen (BGH NStZ 1984, aaO). Nichts anderes gilt, wenn - wie hier - die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Entscheidung noch nicht einmal vorlagen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Strafkammer im Rahmen ihrer Beschwerdeentscheidung über das vom Amtsgericht verhängte vorläufige Berufsverbot bereits einen dringenden Tatverdacht gemäß §§ 266 Abs. 1, 70 StGB, 132 Abs. 1 StPO bejaht hatte.

Die Kammer hatte ihre Beschwerdeentscheidung in anderer Besetzung mehr als zwei Monate vor dem "Übernahmebeschluss" gefasst, so dass nicht verlässlich festgestellt werden kann, dass sie ihrer "Übernahme"-Entscheidung (auch) den Inhalt ihrer Beschwerdebeschlüsse zugrunde legen und deshalb zugleich das Zwischenverfahren verlassen und in das Hauptverfahren eintreten wollte (vgl. hierzu z. B. BGH NStZ 1990, 146).

Da die Auffassung des Landgerichts im Übrigen weder auf Willkür beruht noch sonst offensichtlich unhaltbar erscheint, ist das Amtsgericht zur Entscheidung über die Anklagen berufen.

Ende der Entscheidung

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