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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 14.02.2003
Aktenzeichen: 1 Ss 117/02
Rechtsgebiete: StVG
Vorschriften:
StVG § 316 Abs. 1 | |
StVG § 316 Abs. 2 | |
StVG § 24 a Abs. 2 | |
StVG § 24 a Abs. 3 | |
StVG § 25 Abs. 1 Satz 2 |
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil
In dem Strafverfahren
wegen Trunkenheit im Verkehr
hier: Revision
hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken in der Sitzung am 14. Februar 2003, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Oberlandesgerichts Dr. Ohler als Vorsitzender,
die Richter am Oberlandesgericht Maurer und Ruppert als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt Balzer als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft,
Rechtsanwalt Gölz als Verteidiger,
Justizobersekretär Johann als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - Ludwigshafen am Rhein vom 8. Mai 2002 wie folgt geändert:
Der Angeklagte wird wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeuges unter Einwirkung eines berauschenden Mittels zu einer Geldbuße von 250 Euro und einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
3. Der Angeklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens, jedoch mit der Maßgabe, dass die Gebühr um drei Viertel ermäßigt wird; um denselben Bruchteil fallen die notwendigen Auslagen des Angeklagten im Revisionsverfahren der Landeskasse zur Last.
4. Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wird aufgehoben. Für diese Maßnahme wird der Angeklagte nicht entschädigt.
Gründe:
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen "fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr" (§ 316 Abs. 1, Abs. 2 StGB) zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt; ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung von fünf Monaten angeordnet. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen und prozessualen Rechts rügt. Die Sachrüge führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils in der Weise, dass es lediglich bei einer Ahndung wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gemäß § 24 a Abs. 2 und 3 StVG verbleibt.
Das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte am 13. September 2001 mit einem PKW gegen 23.50 Uhr in Ludwigshafen am Rhein die Eschenbachstraße befahren habe, obwohl er infolge der Einnahme von Betäubungsmitteln (Cannabis, Kokain und/oder Heroin) zum sicheren Führen des Fahrzeugs nicht mehr in der Lage gewesen sei und dies bei gehöriger Sorgfalt habe erkennen müssen. Zum Nachweis der Fahrunsicherheit verweist das Amtsgericht auf Bekundungen der beiden Polizeibeamten, wonach der Angeklagte bei der Verkehrskontrolle "sehr schläfrig" gewirkt, "zögerlich reagiert" und Selbstmordabsichten geäußert habe, seine Stimmung "von Minute zu Minute zwischen aggressiv, aufgedreht lustig und weinerlich depressiv" geschwankt habe und er deshalb als "relativ hoch unter Drogeneinfluss stehend" einzuschätzen gewesen sei. Zudem stellt das Urteil wie folgt auf das Gutachten des medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. Rittner ab, das von einem Drogenkonsum (Cannabis, Kokain und/oder Heroin) innerhalb von fünf Stunden vor dem Vorfall ausgeht: "Da diese Mittel zentralwirksam seien, müsse von einem akuten Einfluss zum Tatzeitpunkt ausgegangen werden. Inwieweit sich dieser auf die Fahrtauglichkeit ausgewirkt habe, sei differenzierend zu betrachten, da hier verschiedene Wirkungen zusammenträfen. Während einerseits THC eine stimmungsanregende Wirkung habe und die Pupillen weite, seien Morphin und Codein eher dämpfend und beruhigend... Dies könne daher die Erklärung dafür sein, dass die Stimmungslage des Angeklagten während der Kontrolle ständig geschwankt habe...
Jedenfalls müsse aufgrund neuerer...Untersuchungsreihen nunmehr davon ausgegangen werden, dass bei solchen... Stimmungsschwankungen eindeutig eine Fahruntauglichkeit vorliege, da der Rauschmitteleinfluss eine adäquate Reaktion und Einstellung auf jedwede beliebige Verkehrssituation - und dies insbesondere zur Nachtzeit - unmöglich mache. Zwar sei dabei das Stresssystem im Körper durchaus noch aktivierbar, aber nicht anhaltend. Zudem sei eine jederzeitige Ablenkbarkeit und eine ständige Aufmerksamkeitsveränderung festzustellen, was hier auch durch die ständigen Stimmungsschwankungen des Angeklagten hinreichend dokumentiert werde."
Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen eines Vergehens nach § 316 StGB nicht, da sie eine Fahruntauglichkeit des Angeklagten nicht belegen. Da ein der alkoholischen Beeinträchtigung entsprechender messbarer Grenzwert für eine absolute Fahruntauglichkeit infolge Drogenkonsums nach derzeitigen medizinischen Erkenntnissen nicht zur Verfügung steht, war das Amtsgericht darauf angewiesen, anhand von Indizien auf eine Beeinträchtigung des Angeklagten zu schließen, die dem Tatbestand des § 316 Abs. 1 StGB genügt. Solche relative Fahruntauglichkeit liegt nach dem Konsum von Betäubungsmitteln erst vor, wenn Umstände erkennbar sind, die über die allgemeine Drogenwirkung hinaus den sicheren Schluss zulassen, dass der Konsument in der konkreten Verkehrssituation fahrunsicher gewesen ist (vgl. BGH St 31, 42, 44ff; OLG Köln NJW 1990, 2945, 2946; OLG Düsseldorf NZV 1999, 174, 175). Die verkehrsspezifischen Untauglichkeitsindizien müssen also nicht lediglich eine allgemeine Drogenenthemmung erkennen lassen, sondern sich unmittelbar auf die Beeinträchtigung der Fahreignung beziehen. Insbesondere kommen deshalb als Ausfallerscheinungen direkte Defizite im Fahrverhalten selbst in Betracht, zum Beispiel eine auffällige, riskante, besonders sorglose und leichtsinnige Fahrweise.
Solche Indizien standen dem Amtsgericht nicht zur Verfügung, da die Fahrweise des Angeklagten offensichtlich völlig unauffällig gewesen ist. Es ist allerdings - entsprechend der Situation bei alkoholbedingter Fahruntauglichkeit - nicht unabdingbar, dass das Fahrverhalten selbst die Unsicherheit erkennen lässt. Vielmehr kann die Beeinträchtigung auch aus einem Leistungsverhalten nach der Tat abgeleitet werden, das sichere Rückschlüsse auf mangelnde Fahrtauglichkeit, so z.B. schwerwiegende Einschränkungen der Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit, zulässt (BGH St 44, 219, 225 f). Diesen Weg versuchte das Amtsgericht mit Unterstützung des Sachverständigen zu gehen. Die in erster Linie psychischen Symptome, die dafür aus dem Nachfahrverhalten zur Verfügung stehen, reichen jedoch entgegen den Ausführungen des Sachverständigen nicht aus. Aggressives und depressives Verhalten in Stimmungsschwankungen sind zwar typische Auswirkungen des Drogenkonsums, jedoch für sich genommen keine hinreichenden Anzeichen für eine Fahruntauglichkeit. Es darf dabei zunächst nicht unberücksichtigt bleiben, dass die von den Zeugen bekundeten Reaktionen des unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln stehenden Angeklagten sich in einer durch die Verkehrskontrolle ausgelösten besonderen Stresssituation gezeigt haben. So wird die geäußerte Suizidabsicht, aber auch die den Polizeibeamten gegenüber demonstrierte Aggressivität in erster Linie mit der physischen Belastung infolge der Überprüfung des Angeklagten und der zu erwartenden Sanktion zu erklären sein. Auch wenn ein solches Nachfahrverhalten wiederum den Einfluss der Drogen erkennen lässt, kann daraus allein die Fahruntauglichkeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit hergeleitet werden. Sie läge nur dann vor, wenn sich diese psychischen Auffälligkeiten in dem Maße auf die Fahrweise projizieren ließen, dass daraus auf mangelhafte Reaktion, fehlende Koordination, beeinträchtigte Sehfähigkeit, Orientierungslosigkeit, Verlust des Gleichgewichtssinnes u. ä. Mängel geschlossen werden könnte, die eine sichere Beherrschung des Fahrzeuges im öffentlichen Verkehr nicht mehr gewährleisten (vgl. OLG Düsseldorf aaO). Diesen Nachweis leistet jedoch auch das Gutachten des medizinischen Sachverständigen nicht. Es unternimmt vielmehr den Versuch, aus allgemeinen Drogensymptomen generell Fahruntauglichkeit abzuleiten und nähert sich damit auf nicht zulässige Weise dem Begriff einer absoluten Fahrunsicherheit an.
Die Verurteilung wegen eines Vergehens gemäß § 316 StGB kann deshalb keinen Bestand haben. Nach den fehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Konsum von Betäubungsmitteln, die mit Sicherheit zumindest THC enthalten haben und damit der Anlageliste zum Straßenverkehrsgesetz unterliegen, hat der Angeklagte sich jedoch eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 24 a Abs. 2 StVG schuldig gemacht. Da von einer neuen Beweisaufnahme keine weiteren entscheidungserheblichen Tatsachen zu erwarten sind, kann der Senat nach §§ 82 Abs. 1, 79 Abs. 4 OWiG in der Sache durchentscheiden (vgl. Göhler OWiG 13. Aufl. § 82 Rn 16 m.w.N.; Senatsurteil vom 3. 4. 1998 - 1 Ss 34/98).
Die Bemessung der Sanktionen für die fahrlässig begangene Ordnungswidrigkeit folgt Nr. 242 BKatV, da nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils keine Umstände ersichtlich sind, die eine Ermäßigung oder Erhöhung der Regelgeldbuße von 250 ? oder ein Absehen von einem einmonatigen Fahrverbot rechtfertigen würden. Den Entscheidungsgründen kann entnommen werden, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten die Zahlung einer Buße in dieser Höhe ermöglichen. Eine Überprüfung der Auswirkungen des Fahrverbots erübrigt sich, da dieses sich infolge der Anrechnung der bisherigen Dauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr auswirkt (§ 450 Abs. 2 StPO); aus demselben Grund unterbleibt auch die Einräumung der Abgabefrist gemäß § 25 Abs. 2 a StVG.
Der Senat hebt gemäß § 111 a Abs. 2 StPO die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis auf. Die Versagung einer Entschädigung für die gegenüber dem angeordneten Fahrverbot überschießende Dauer der Sicherungsmaßnahme beruht auf § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG: Grob fahrlässig im Sinne dieser Vorschrift handelt, wer nach Drogenkonsum ein Kfz im Verkehr führt (BayObLG 1994, 71; OLG Düsseldorf JR 1999, 474, 476). Zudem hat der Angeklagte in der Revisionshauptverhandlung auf Entschädigung verzichtet.
Die Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten im Revisionsverfahren beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Der Senat hat darüber hinaus keine Veranlassung gesehen, den Angeklagten in Anwendung von § 465 Abs. 2 StPO von Verfahrenskosten zu entlasten.
Ende der Entscheidung
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