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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 23.10.2008
Aktenzeichen: 1 Ss 140/08
Rechtsgebiete: AO, UStG, StPO, RAO, GVG


Vorschriften:

AO § 370 Abs. 1
AO § 370 Abs. 1 Nr. 1
AO § 378
AO § 378 Abs. 1
AO § 378 Abs. 1 S. 1
UStG § 14
UStG § 14a
UStG § 18 Abs. 3
StPO § 170 Abs. 2
RAO § 404
GVG § 121 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

1 Ss 140/08 In dem Bußgeldverfahren wegen Ordnungswidrigkeit nach der AO

hier: Rechtsbeschwerde hat der Senat für Bußgeldsachen des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jenet, den Richter am Oberlandesgericht Maurer und den Richter am Landgericht Christoffel

am 23. Oktober 2008 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 30. Juni 2008 aufgehoben. 2. Der Betroffene wird freigesprochen. 3. Die Landeskasse trägt die Kosten beider Instanzen sowie die dem Betroffenen darin entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

Das Amtsgericht Kaiserslautern hat gegen den Betroffenen wegen leichtfertiger Steuerverkürzung gemäß §§ 378 Abs. 1 S. 1, 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, 18 Abs. 3 UStG eine Geldbuße von 10.000,00 € verhängt. Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet. Nach den Urteilsgründen hat das Amtsgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen: Der Betroffene ist als selbständiger Steuerberater tätig. Er hatte für den durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 08.04.2004 wegen Steuerhinterziehung u.a. zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 9 Monaten verurteilten R... S........., der einen Autohandel betrieb, die gesamte steuerliche Beratung übernommen. Unter Mithilfe einer Büroangestellten wurden die laufende Buchführung und die Umsatzsteuervoranmeldungen erstellt. Die vom Betroffenen gefertigte Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 war von S......... unterschrieben und von diesem beim Finanzamt eingereicht worden. In ihr waren, wie in dem vom Betroffenen ebenfalls gefertigten und auch unterschriebenen Jahresabschluss zum 31.12.2001, für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2001 unberechtigterweise Vorsteuerbeträge von insgesamt 245,517,29 DM geltend gemacht worden, obwohl dem Betroffenen keine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellten Rechnungen vorlagen. S......... hatte für die fraglichen Geschäfte, tatsächlich handelte es sich um Scheingeschäfte, lediglich sogenannte "verbindliche Bestellungen", die nur von ihm unterschrieben waren und keinen Firmenstempel des Verkäufers aufwiesen, dem Betroffenen zur Verfügung gestellt. Auf die fehlenden Eingangsrechnungen, die für den Vorsteuerabzug erforderlich sind, war S......... mehrmals durch den Betroffenen und dessen Mitarbeiterin angesprochen worden. Der Betroffene war von S......... über den Umstand der Scheingeschäfte getäuscht worden; das ursprünglich gegen den Betroffenen geführte Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung hat die Staatsanwaltschaft daher gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Unter Zugrundelegung dieser Feststellungen ist nach Auffassung des Senats der vom Amtsgericht angenommene Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung des § 378 Abs. 1 S. 1 AO nicht erfüllt. Dies ergibt sich bereits aus dem tatsächlichen Handlungsablauf, so dass die Frage der "Leichtfertigkeit" des Verhaltens des Betroffenen, die das Amtsgericht insbesondere gewürdigt hat, offen bleiben kann. Zur bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit der steuerlichen Berater nach dieser Vorschrift folgt der Senat der als herrschend zu bezeichnenden Rechtssprechung des BayObLG (NStZ 1994, 136) sowie des Oberlandesgerichts Braunschweig (NStZ 1998, 44). Danach ist der Ordnungswidrigkeitentatbestand betreffend den Steuerberater dann nicht gegeben, wenn er die Steuererklärung seines Mandanten lediglich vorbereitet und diese vom Steuerpflichtigen unterzeichnet und eingereicht wird, weil es an eigenen Angaben des Steuerberaters gegenüber dem Finanzamt fehlt. Dies wird mit dem Wortlaut der ab 01.01.1977 geltenden Neuregelung der Vorschrift des § 378 AO begründet. Nach dem Wortlaut der Vorgängerregelung des § 404 RAO ("bewirkt") genügte zur Tatbestandserfüllung die ursächliche Herbeiführung des Erfolges der Steuerverkürzung. Die Neuregelung enthält demgegenüber unter Bezugnahme auf § 370 Abs. 1 AO als zusätzliches Tatbestandsmerkmal das Erfordernis, dass der Steuerpflichtige oder derjenige, der in Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen handelt, gegenüber der Finanzbehörde unrichtige oder unvollständige Angaben macht. Dies hat einen engeren Anwendungsbereich der Norm zur Folge. Durch die Einreichung der vom Steuerpflichtigen unterzeichneten Steuererklärung hat dieser entsprechend seiner steuerrechtlichen Verpflichtung Angaben gegenüber dem Finanzamt gemacht, es ist seine Erklärung, für die er mit seiner Unterschrift die Verantwortung übernommen hat, nicht die des Steuerberaters. Dies gilt nach der genannten Rechtsprechung selbst im Falle eines sog. Mitwirkungsvermerks des Steuerberaters (hierzu enthalten die Urteilsgründe keine ausdrückliche Feststellung), weil die Mitwirkung bei der Anfertigung der Steuererklärung nur die Vorbereitung der Steuererklärung des Steuerpflichtigen beinhaltet und eine vom Steuerberater gegenüber seinem Mandanten geschuldete und erbrachte Leistung und gegenüber diesem gemachte Erklärung darstellt. Dem entspricht auch, dass der Steuerberater nicht als Sachwalter des Finanzamts, sondern Beistand des Steuerpflichtigen anzusehen ist (Klein/Gast-de Haan AO 9. Aufl. § 378 Rn. 7). Nach dieser Rechtsprechung hat der Betroffene den Ordnungswidrigkeitstatbestand nicht erfüllt. Soweit in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung vom Bundesfinanzhof eine gegenteilige Auffassung vertreten wird (Urteil vom 19.12.2002 - IV R 37/01 - zitiert nach juris), die eine weitergehende Verantwortlichkeit des Steuerberaters nach § 378 Abs. 1 AO annimmt, überzeugt diese nicht. Dem abweichenden Wortlaut der Neufassung der Norm wird dabei nach Auffassung des Senats nicht die Bedeutung beigemessen, die unter Berücksichtigung des auch im Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG, §§ 1 StGB, 3 OWiG) angebracht ist. Danach ist eine restriktive Auslegung von Straf- und auch Bußgeldnormen geboten, nur solche Handlungen können als tatbestandsmäßig angesehen werden, die sich ohne weiteres und sicher dem Wortlaut der Bestimmung unterordnen lassen (BGH NJW 2008, 2516). Der Wortlaut des § 378 AO verlangt in objektiver Hinsicht die Begehung einer der in § 370 Abs. 1 bezeichneten Taten. Der Gesetzgeber hat damit gerade die weitergehende vorherige Fassung ("bewirkt") fallengelassen. Dem trägt die Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht Rechnung; dies kommt insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass entscheidend auf eine Reichsgerichtsentscheidung aus dem Jahre 1923 abgestellt wird, die naturgemäß auf der Grundlage der weiter gefassten Vorgängerregelung ergangen war (vgl. hierzu auch Franzen/Gast/Joecks Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 378 Rn. 24). Zu berücksichtigen ist auch, dass die Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht unmittelbar die Ahndung einer Tat und Festsetzung einer Geldbuße zum Gegenstand hatte, sondern die Frage der Tatbestandsverwirklichung nur von indirekter Bedeutung für eine weitere Rechtsfrage war (Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO). Die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 121 Abs. 2 GVG liegen damit nicht vor. Da der Betroffene somit im Rahmen der fraglichen Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 selbst keine Angaben gegenüber der Finanzbehörde gemacht hat, kann der Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung nicht bejaht werden. Auch eine Verantwortlichkeit in Form der mittelbaren Täterschaft oder der Mittäterschaft kommt nicht in Betracht, da diese vorsätzliches Handeln voraussetzt (BayObLG a.a.O.), was hier gerade nicht gegeben ist. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Da Anhaltspunkte für weitergehende Feststellungen, die eine Verantwortlichkeit des Betroffenen begründen könnten, nicht ersichtlich sind, ist die Sache nicht an das Amtsgericht zurück zu verweisen, der Betroffene ist durch den Senat freizusprechen.

Ende der Entscheidung

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