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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 21.08.2000
Aktenzeichen: 1 Ss 198/00
Rechtsgebiete: StPO, AuslG


Vorschriften:

StPO § 267 Abs. 1
AuslG § 19 Abs. 1 Nr. 2
Rechtliche Schlussfolgerungen von Zeugen oder Angeklagten (hier: Beendigung einer ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 2 AuslG) beinhalten grundsätzliche keine Tatsachen im Sinne von § 267 Abs. 1 StPO.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 1 Ss 198/00

In dem Strafverfahren gegen

wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz,

hier: Revision

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Ohler und die Richter am Oberlandesgericht Maurer und Friemel

am 21. August 2000

beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 4. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. Juni 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein hat den Angeklagten wegen Abgabe unrichtiger Angaben im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 90,-- DM verurteilt. Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit der Maßgabe verworfen, dass es den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 80,-- DM verurteilt hat. Die gegen die Entscheidung gerichtete zulässige Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge einen vorläufigen Erfolg.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte am 4. März 1999 bei dem Ausländeramt der Stadtverwaltung eine Daueraufenthaltsberechtigung beantragt. Dabei habe er unrichtige Angaben gemacht, weil er behauptet habe, er lebe erst seit Anfang 1997 dauernd von seiner Ehefrau getrennt. Tatsächlich habe die endgültige Trennung von seiner Ehefrau bereits Anfang 1996 stattgefunden, wie der Angeklagte - von seiner Ehefrau als Zeugin bestätigt - eingeräumt habe. Die Einlassung des Angeklagten, er habe eine endgültige Trennung von seiner Ehefrau erst in dem Umstand gesehen, dass er Anfang 1997 eine eigene Wohnung bezogen habe, vermochte das Landgericht nicht zu folgen, weil der Angeklagte "selbst eingeräumt" habe, dass "die ehelichen Lebensgemeinschaft Anfang 1996 ihr Ende gefunden" habe und er befähigt sei, "zwischen dem Ende einer Lebensgemeinschaft und dem Beziehen einer eigenen Wohnung zu differenzieren".

Diese Überlegungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht Stand. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist bezüglich der Feststellung "Ende der Lebensgemeinschaft" zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau lückenhaft, weil sie insoweit konkreter Tatsachen ermangelt. Das Revisionsgericht kann deshalb nicht überprüfen, ob die Angaben des Angeklagten vor dem Ausländeramt "unrichtig" im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG waren, noch ob der Angeklagte insoweit vorsätzlich gehandelt hat.

Ein Ausländer macht sich nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG u.a. strafbar, wenn er unrichtige Angaben gegenüber der Ausländerbehörde über seine Ehe macht, um sich eine Aufenthaltsgenehmigung zu verschaffen. Die Vorschrift pönalisiert nach ihrem Wortlaut und ihrem Schutzzweck den Rechtsmissbrauch zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung oder -duldung bereits im Vorfeld der Erteilung und verlangt nicht, dass die (unrichtige) Erklärung zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung geeignet ist (OLG Karlsruhe, StV 1998, 424 m.w.N.; a.M. VG Koblenz (InfAuslR 1992, 86). Im vorliegenden Falle hatte der Angeklagte - was in dem angefochtenen Urteil allerdings nicht mitgeteilt ist - nach dem Scheitern seiner Ehe offenbar einen vorzeitigen Anspruch auf eine eigenständige Aufenthaltsberechtigung (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 AuslG) geltend gemacht, der durch die Aufhebung einer ehelichen Lebensgemeinschaft ausgelöst wird und damals zur Voraussetzung hatte, dass die eheliche Lebensgemeinschaft mindestens vier Jahre bestanden hatte.

Die Frage nach dem Vorhandensein bzw. der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft i.S.v. § 19 Abs. 1 Nr. 2 AuslG beurteilt sich außer nach dem formalen rechtlichen Bestand der Ehe insbesondere danach, ob eine tatsächliche - regelmäßig in der Pflege einer häuslichen Gemeinschaft zum Ausdruck kommende - Verbundenheit zwischen den Ehegatten besteht (VG Baden Württemberg, FamRZ 1991, 1437); hingegen kommt es nicht darauf an, ob die Ehe harmonisch verläuft oder nicht oder ob die bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen für eine Ehescheidung erfüllt sind (BVG InfAuslR 1992, 305). Eine eheähnliche Lebensgemeinschaft ist in der Regel beim Vorhandensein einer gemeinsamen Familienwohnung anzunehmen; sie endet demgemäß regelmäßig, wenn ein Ehepartner die gemeinsame Wohnung verlässt und die Eheleute in getrennten Wohnungen leben, es sei denn diese Trennung ist - unabhängig von ihrer ursprünglichen Betrachtungsweise - nicht endgültig (sogenannter "Familienkrach") oder die Eheleute unterhalten neben der gemeinsamen Ehewohnung eine weitere Wohnung, etwa um einem Ehepartner die Berufsausübung in einem andern Ort zu ermöglichen (vgl. zu allem VG Baden Württemberg, FamRZ, aaO; Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 19 AuslG Rdnr. 11, 12 m.w.N.; Kloesel/Christ/Häußer, Ausländerrecht, 3. Aufl., § 17 Rdnr. 35 m.w.N.; Erb/Kohlhaas, § 17 AuslG, Rdnr. 35). Ob eine eheliche Lebensgemeinschaft aufgehoben ist, beurteilt sich mithin nach den Umständen des Einzelfalles.

Allein die Behauptung des Angeklagten und seiner als Zeugin vernommenen Ehefrau, dass die eheliche Lebensgemeinschaft bereits Anfang 1996 beendet gewesen sei, war deshalb nicht geeignet, der diesbezüglichen rechtlichen Begründungspflicht in den Urteilsgründen zu genügen, die eine Nachprüfbarkeit der getroffenen Entscheidung auf ihre Richtigkeit ermöglicht. Die Einlassung des Angeklagten und die Zeugenaussage seiner Ehefrau beinhalten lediglich die Kundgabe einer (rechtlichen) Schlussfolgerung hinsichtlich des Endes der ehelichen Lebensgemeinschaft. Solche Behauptungen beinhalten keine Tatsachen im Sinne von § 267 Abs. 1 StPO, sondern deren Wertung mit einem Rechtsbegriff (vgl. BGH STV 1994, 7; Senat, Beschluss vom 18.05.1999 - 1 Ss 117/99 -; KK-Senge, 4. Aufl., § 244 Rdnr. 3). Die tatsächlichen Vorgänge müssen deshalb dargestellt ("aufgelöst") werden, sofern es sich nicht um allgemein geläufige, einfache Rechtsbegriffe handelt (KK-Engelhardt aaO, § 267 Rdnr. 9; LR-Gollwitzer, 25. Aufl., § 244 Rdnr. 105), wovon hier - wie sich aus Vorstehendem ergibt - nicht ausgegangen werden kann.

Auf die näheren Umstände hätte hier auch deshalb näher eingegangen werden müssen, weil der Angeklagte und seine Ehefrau nach der angeblich endgültigen Trennung noch rund ein Jahr in der ehelichen Wohnung zusammenlebten, was gerade gegen eine "Endgültigkeit" spricht.

Eine Unrichtigkeit der Angaben des Angeklagten gegenüber dem Ausländeramt kann - entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft - im gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht aus dem (vom Landgericht nicht erwogenen) Umstand gefolgert werden, dass der Angeklagte beim Ausländeramt ferner behauptet hatte, mit seiner Ehefrau bis 1997 eine "normale Ehe" geführt zu haben, ohne dass es bis dahin eine Trennung gegeben habe. Zwar ist in dem angefochtenen Urteil insoweit festgestellt, dass die Eheleute ab Weihnachten 1990 schon einmal getrennt gelebt und erst im August 1995 "noch einmal den Versuch einer dauerhaften Lebensgemeinschaft unternommen" hätten. Da das Landgericht aber zugleich festgestellt hat, dass sich der Angeklagte in dieser Zeit "meist außerhalb auf Montage" aufgehalten habe und die Eheleute Kontakt gehalten hätten, lassen die Feststellungen des Urteils auch insoweit nicht zweifelsfrei erkennen, ob die eheliche Lebensgemeinschaft in diesem Zeitraum unter Berücksichtigung der oben erwähnten Voraussetzungen damals schon einmal aufgehoben war.

Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat ergänzend darauf hin, dass eine Bestrafung nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG ein zumindest bedingt vorsätzliches Handeln erfordert, § 15 StGB (vgl. auch Renner, aaO, § 92 AuslG Rdnr. 21). Die nunmehr mit der Sache befasste Strafkammer wird deshalb bei Erweislichkeit unrichtiger Angaben auch prüfen müssen, inwieweit der Angeklagte die Unrichtigkeit seiner Angaben kannte bzw. billigend in Kauf nahm oder ob er sich möglicherweise in einem Irrtum über die Frage der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft befand. Hierfür könnte neben den äußeren Umständen auch von Bedeutung sein, ob und welche Belehrungen der Angeklagte von den Mitarbeitern des Ausländeramtes der Stadtverwaltung über die Bedeutung seiner diesbezüglichen Angaben erhalten hatte.

Ende der Entscheidung

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