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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 28.02.2001
Aktenzeichen: 1 Ss 296/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 44
StPO § 344
StPO § 345
§§ 44, 344, 345 (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand)

Eine Wiedereinsetzung zur Nachholung einzelner Verfahrensrügen kann ausnahmsweise dann erfolgen, wenn dem Verteidiger trotz angemessener Bemühungen vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist keine Akteneinsicht gewährt worden ist und Verfahrensrügen nachgeschoben werden sollen, die ohne Aktenkenntnis nicht begründet werden können. Allerdings muss - unter möglichst genauer Mitteilung der einzelnen Verfahrensrügen - dargetan werden, für welche der erhobenen Rügen es der begehrten Akteneinsicht bedurft hätte.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

1 Ss 296/00 4024 Js 12597/97 StA Zweibrücken

In dem Strafverfahren

wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen

hier: Revision

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Ohler, den Richter am Oberlandesgericht Friemel und den Richter am Amtsgericht Pick auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung des Angeklagten

am 28. Februar 2001

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 1. Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 11. Juli 2000 wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen; die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung und der Gegenerklärung des Verteidigers vom 21. Februar 2001 hat keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben (§§ 349 Abs. 2, Abs. 3, 473 Abs. 1 StPO).

Die erhobenen Verfahrensrügen entsprechen nicht den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, da dem Senat allein aufgrund der Revisionsbegründungsschrift - ohne Rückgriff auf die Akten - die Prüfung, ob die gerügten Verfahrensfehler vorliegen, nicht möglich ist (vgl. hierzu Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. A., Rdnr. 21 zu § 344 StPO).

Soweit der Verteidiger des Angeklagten - unter gleichzeitiger Stellung eines Akteneinsichtsantrages - sowohl in der Revisionsbegründungsschrift als auch in seiner Gegenerklärung darauf abstellt, ihm sei eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung infolge der unterbliebenen Akteneinsichtsgewährung durch das Landgericht nicht möglich gewesen, war an diese Ausführungen keine Folge zu knüpfen. Die diesbezüglichen Ausführungen veranlassten allenfalls zur Prüfung der Frage, ob dem Angeklagten von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war. Zwar kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einzelner Verfahrensrügen ausnahmsweise dann erfolgen, wenn dem Verteidiger des Beschwerdeführers trotz angemessener Bemühungen vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist keine Akteneinsicht gewährt wurde und Verfahrensrügen nachgeschoben werden sollen, die ohne Aktenkenntnis nicht begründet werden können (hierzu und zum Folgenden BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 12, Bemühung um Akteneinsicht). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht dargetan. Die Aktenanforderung mit dem Schriftsatz zur Einlegung der Revision stellt keine angemessene Bemühung dar, die begehrte Akteneinsicht vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zu erlangen. Spätestens nach Zustellung des Urteils, mit der die Revisionsbegründungsfrist in Lauf gesetzt worden ist, hätte erneut um Akteneinsicht nachgesucht und angezeigt werden müssen, dass ohne Einsicht in die Akten Verfahrensrügen nicht ordnungsgemäß begründet werden konnten. Hierzu verhält sich das Vorbringen der Revisionsbegründungsschrift (und auch der Gegenerklärung) in keiner Weise. Auch ist nicht dargelegt, für welche der erhobenen Verfahrensrügen es der begehrten Akteneinsicht bedurft hätte (vgl. hierzu auch BGH StV 1996, 522).

Unabhängig davon, dass weder vorgetragen noch ansonsten ersichtlich ist, wieso der Verteidiger des Angeklagten an einer (weiteren) Begründung der erhobenen Sachrüge gehindert gewesen sein soll, ist der Angeklagte durch die unterbliebene Akteneinsicht insoweit nicht beschwert, da der Senat auf die ordnungsgemäß erhobene Sachrüge hin verpflichtet war, das Urteil unter jedem Gesichtspunkt auf eine Verletzung des materiellen Rechts zu überprüfen. Die Überprüfung ergibt indessen, dass die Revision einen erfolglosen Angriff auf die durch den Tatrichter vorgenommene Beweiswürdigung enthält: Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters; ihm kann nicht vorgeschrieben werden, unter welchen Voraussetzungen er zu einer bestimmten Schlussfolgerung und Überzeugung kommen darf. Das Revisionsgericht darf die Beweiswürdigung des Tatrichters dementsprechend nicht durch seine eigene ersetzen, hat sie aber auf rechtliche Fehler zu nachzuprüfen (BGHSt 10, 209; 29, 19). Sachlich fehlerhaft ist die Beweiswürdigung, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt oder falsche Maßstäbe für die zur Verurteilung erforderliche bzw. ausreichende Gewissheit angelegt werden (BGH StV 1986, 421; NStZ 1986, 373; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. A., Rdnr. 26 zu § 337 und Rdnr. 38 zu § 261). Ein solcher Rechtsfehler ist also insbesondere dann gegeben, wenn sich das Urteil im Rahmen der Beweiswürdigung nicht mit allen festgestellten Umständen auseinandersetzt, die zu einer Würdigung drängen und deshalb lückenhaft erscheint (BGH StV 1982, 210); nur bei erkennbar erschöpfender Beweiswürdigung gilt der die revisionsrechtliche Nachprüfung beschränkende Grundsatz, dass die vom Tatrichter gezogenen Schlüsse nur denkgesetzlich möglich sein müssen, aber nicht zwingend zu sein brauchen (BGH StV 1981, 508f.; KK-Hürxthal, StPO, 3. A., § 261 Rdnr. 50).

Das angefochtene Urteil wird diesen Kriterien gerecht: Die von der Kammer vorgenommene Beweiswürdigung ist umfassend, sie setzt sich insbesondere auch mit den gegen eine Täterschaft des Angeklagten sprechenden Umständen auseinander. Soweit die Kammer aus den erhobenen Beweisen andere Schlüsse als der Angeklagte zieht, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Ende der Entscheidung

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