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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 13.06.2008
Aktenzeichen: 1 Ss 70/08
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 200
StPO § 260 Abs. 3
StGB § 243 Abs. 1 Nr. 6
StGB § 243 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

1 Ss 70/08 In dem Strafverfahren wegen Diebstahls und Betruges

hier: Revision, hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken in der Sitzung am 13. Juni 2008, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Petry als Vorsitzender, Richter am Oberlandesgericht Maurer Richter am Landgericht Christoffel als beisitzende Richter, Oberstaatsanwältin Keller als Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft, Rechtsanwältin B..... als Verteidigerin,

Justizobersekretärin Huver als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle für Recht erkannt: Tenor:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der 3. (Kleinen) Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 23. Januar 2008 im Gesamtstrafenausspruch einschließlich der dazu getroffenen Feststellungen, im Kostenpunkt und im Übrigen insoweit aufgehoben, als das Verfahren nach § 260 Abs. 3 StPO eingestellt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere (Kleine) Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken zurückverwiesen. Gründe: I. Das Amtsgericht -Schöffengericht- Pirmasens hat den Angeklagten mit Urteil vom 21. September 2006 im Verfahren 4101 Js 2832/06 wegen gewerbsmäßigen Diebstahls in 200 Fällen bei Einzelstrafen von jeweils 4 Monaten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat ihn der Strafrichter des Amtsgerichts Zweibrücken am 20. Juni 2007 im Verfahren 4105 Js 3992/07 wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Gegen die vorbezeichneten Urteile hat der Angeklagte jeweils form- und fristgerecht Berufung eingelegt und die Rechtsmittel anschließend durch Schriftsatz der Verteidigung auf das Strafmaß beschränkt. Das Landgericht hat die Berufungsverfahren verbunden und den Angeklagten mit Urteil vom 23. Januar 2008 wegen Diebstahls in 20 Fällen (Fälle Nrn. 181-200 der Anklageschrift im Verfahren 4101 Js 2832/06) und wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Im Übrigen hat die Strafkammer das Verfahren hinsichtlich der Fälle Nrn. 1-180 der Anklageschrift im Verfahren 4101 Js 2832/06 wegen eines aus ihrer Sicht bestehenden Verfahrenshindernisses nach § 260 Abs. 3 StPO eingestellt. Dagegen richtet sich die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die mit der Sachrüge beanstandet, das Berufungsgericht habe zu Unrecht ein Verfahrenshindernis angenommen. II. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist zulässig und hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg. (1) Das Rechtsmittel war - wie in der Revisionshauptverhandlung klargestellt worden ist - von Anfang an auf die teilweise Einstellung des Verfahrens durch das Landgericht beschränkt. Darin liegt notwendigerweise zugleich auch eine Anfechtung des Gesamtstrafenausspruchs (BGH bei Holtz, MDR 1978, 282). Denn die Staatsanwaltschaft verfolgt mit ihrer Revision das Ziel, dass ein neues Tatgericht unter Einbeziehung der Fälle Nrn. 1-180 der Anklage im Verfahren 4101 Js 2832/06 eine höhere Gesamtfreiheitsstrafe als zwei Jahre gegen den Angeklagten verhängt.

Die in dieser Weise vorgenommene Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam, weil sich die isolierte Anfechtung der Teileinstellung auf Beschwerdepunkte bezieht, die nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung der Entscheidung im Übrigen nötig zu machen (BGHSt 10, 100; 27, 70; 39, 390).

Innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs ist die Gesamtstrafenbildung als Beschwerdepunkt von der nicht angegriffenen Festsetzung der erkannten Einzelstrafen trennbar und damit gesonderter Prüfung und Beurteilung sowohl durch das Revisionsgericht als auch durch ein neues Tatgericht zugänglich (BGH NStZ-RR 2000, 13; LR-Hanack StPO 25. Aufl. § 344 Rn. 37). (2) Von der Revision unberührt bleiben danach, weil von dem Angeklagten nicht selbst mit einem Rechtsmittel angegriffen, die vom Landgericht verhängten Einzelfreiheitsstrafen in den Fällen Nrn. 181-200 der Anklageschrift im Verfahren 4101 Js 2832/06 sowie die Freiheitsstrafe im Verfahren 4105 Js 3992/07, die jeweils den erstinstanzlich erkannten Strafen entsprechen. Insoweit ist für jene Fälle eine auf den Schuldspruch und die Einzelstrafen beschränkte Rechtskraft eingetreten. (3) Bezüglich der Fälle Nrn. 1-180 der Anklage 4101 Js 2832/06 hat das Landgericht in seinem Urteil zu Unrecht die Teileinstellung des Verfahrens ausgesprochen. Die Strafkammer hat ihre dahingehende Entscheidung wie folgt begründet: "Hinsichtlich der in der Anklageschrift aufgeführten Taten Nr. 1-180 war das Verfahren gemäß § 260 Abs. 3 StPO aufgrund eines Verfahrenshindernisses wegen mangelnder Identifizierung der Taten einzustellen. Denn insoweit konnte nicht festgestellt werden, welche der insgesamt aufgeführten ca. 400 gestohlenen Gegenstände welchen der angenommenen 180 Taten zuzuordnen sind. Mangels Identifizierung der jeweiligen Gegenstände ist die jeweilige Schadenshöhe nicht eingrenzbar, so dass die konkrete Tatschuld im Einzelfall nicht bemessen werden kann. Die Verhängung der Mindeststrafe von 3 Monaten nach § 243 Abs. 1 Nr. 6 StGB für jede der 180 Taten scheidet aus, weil ein Großteil der entwendeten Gegenstände einen Wert von unter 50,-- € aufweist, so dass nach § 243 Abs. 2 StGB kein besonders schwerer Fall vorliegt. " Diese Erwägungen rechtfertigen nicht die Annahme eines Verfahrenshindernisses und die damit begründete Einstellungsentscheidung nach § 260 Abs. 3 StPO. a) Allerdings sind Mängel der Anklageschrift, sofern diese - wie hier - unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen wurde, zugleich Mängel des Eröffnungsbeschlusses. Indes führt nicht jeder Mangel der Anklage oder des Eröffnungsbeschlusses zu der Annahme eines Verfahrenshindernisses (OLG Karlsruhe NStZ 1993, 147). Das ist nur dann der Fall, wenn es sich um einen wesentlichen Mangel handelt, der bei der Eröffnungsentscheidung bzw. in der Hauptverhandlung nicht mehr geheilt werden kann (BGH GA 1973, 111, 112).

Ein wesentlicher Mangel der Anklage in diesem Sinne liegt nicht schon bei jeder Abweichung von den gesetzlichen Anforderungen des § 200 StPO vor, sondern nur bei gewichtigen formalen oder sachlichen Defiziten. Um ihrer Umgrenzungsfunktion hinsichtlich des Prozessgegenstandes gerecht zu werden, muss die Anklageschrift die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartig gelagerten strafbaren Handlungen desselben Täters unterscheiden lassen. Es muss klar sein, über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urteilen soll. Nur wenn die Bestimmung des Prozessgegenstandes im vorbeschriebenen Sinn anhand der Anklageschrift nicht möglich ist, sind die Anklageschrift und ein auf ihr beruhender Eröffnungsbeschluss unwirksam (BGH NStZ 1995, 245).

Mit welchen näheren Tatsachen ein Anklagevorwurf in ausreichendem Maße gekennzeichnet ist, lässt sich nicht allgemein bestimmen (BGH NStZ 1984, 469). Die Anforderungen an die Konkretisierung des Tatvorwurfs sind umso höher, je größer die Möglichkeit ist, dass der Angeklagte andere verwechselbare weitere Straftaten gleicher Art verübt hat (BGHSt 10, 137, 140). Überspannte Anforderungen dürfen dabei nicht gestellt werden. Deshalb kann auch bei ungenauen Zeitangaben die erforderliche Identität der Tat gegeben sein, wenn diese durch andere Umstände als die genaue Zeitangabe so eindeutig beschrieben wird, dass ihre Individualität und Unterscheidbarkeit von anderen Taten gewahrt ist. Sind aufgrund einer Vielzahl gleichförmiger Taten, eines lange zurückliegenden Tatzeitraums oder beispielsweise wegen des kindlichen Alters des Opfers bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung näher konkretisierte Angaben nicht möglich, reicht es insbesondere bei Serienstraftaten oder bei Taten, die nach früherer Rechtsprechung zu einer fortgesetzten Handlung zusammengefasst worden wären, zur Vermeidung von Lücken in der Strafverfolgung aus, in der Anklageschrift zunächst die Grundzüge der Art und Weise der Tatbegehung und das Tatopfer bzw. die Tatbeteiligten mitzuteilen. Darüber hinaus muss die Anklage die Zahl der dem Angeklagten vorgeworfenen strafbaren Handlungen benennen, da andernfalls nicht erkennbar ist, ob sich das Urteil innerhalb des von der Anklage gegeben tatsächlichen Rahmens hält und ob es ihn ausschöpft (BGHSt 40, 44, 47).

Bei der Prüfung, ob die Anklage die gebotene Umgrenzungsfunktion erfüllt, dürfen auch die Ausführungen in der Anklageschrift zum wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zur Ergänzung herangezogen werden (KK-Tolksdorf StPO 5. Aufl. § 200 Rdnr. 30; BGHSt 5, 225, 227). b) Im vorliegenden Fall genügt der Anklagesatz der Staatsanwaltschaft Zweibrücken im Verfahren 4101 Js 2832/06 in Verbindung mit der Mitteilung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen für die Fälle Nrn. 1-180 zum Nachteil des damaligen Arbeitgebers des Angeklagten (noch) den nach § 200 StPO an eine ordnungsgemäße Anklage zu stellenden Anforderungen. Im Anklagesatz wird hierzu folgendes ausgeführt: "Der Angeschuldigte war im Tatzeitraum zwischen Dezember 2004 und Februar 2006 als Installateur bei der Fa. S............................., ..................................., angestellt und dabei auch im Außendienst tätig. Hierzu nutzte er ein Firmenfahrzeug, welches immer mit einer Vielzahl von Ersatzteilen, Sanitärartikeln und Werkzeugen bestückt war, um auf eilige Aufträge schnell reagieren zu können. Im Dezember 2004 begann der Angeschuldigte, von diesen Materialien vereinzelt Gegenstände an sich zu nehmen und bei sich zu Hause zu lagern. Ab März 2005 entwendete er dann täglich Gegenstände, entweder direkt aus dem Fahrzeug oder dem Lager der Fa. K..... Er lagerte die entwendeten Gegenstände zunächst bei sich zu Hause und versteigerte sie anschließend unter verschiedenen Benutzerkonten über das Internetauktionshaus "ebay".

Im vorgenannten Tatzeitraum entwendete der Angeschuldigte an mindestens 180 Tagen aufgrund eines jeweils neu gefassten Tatentschlusses im Einzelnen folgende, im Rahmen einer Hausdurchsuchung bei ihm sichergestellten Gegenstände: ..."

Es folgt eine mehrseitige Auflistung von entwendeten Gegenständen mit Wertangaben, endend mit einer Bezifferung des Gesamtschadens auf 59.565, 27 €. Bei der Schilderung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen führt die Anklage ergänzend aus: "Der Angeschuldigte hat die ihm zur Last gelegten Taten in vollem Umfang bereits bei seiner ersten Vernehmung durch die Polizei eingeräumt und zeigte sich auch in der Folgezeit bereit, zur Aufklärung der Sachlage beizutragen. Seine Angaben sind glaubhaft und werden durch die weiteren Ermittlungen gestützt. Die Anzahl der Einzeltaten errechnet sich unter Zugrundelegung der Angaben des Angeschuldigten. Der Angeschuldigte hat angegeben, ab Dezember 2004 vereinzelt und dann ab März 2005 regelmäßig, d. h. arbeitstäglich, Gegenstände entwendet zu haben. Geht man zu Gunsten des Angeschuldigten davon aus, dass er erst ab 31.03.2005 täglich Gegenstände entwendet hat, errechnen sich bis 31.01.2006 insgesamt 209 Arbeitstage; zieht man davon 30 Urlaubstage ab, ergeben sich 179 Tage, an denen Gegenstände entwendet wurden. Unterstellt man mangels anderer Erkenntnisse, dass er im Zeitraum zuvor nur einmal etwas entwendet hat, gelangt man zu den 180 Taten, die der Anklage zugrunde liegen." Dem Anklagesatz sind danach sowohl der Tatvorwurf, die Anzahl der vorgeworfenen Taten, der Gesamtschaden als auch der Tatzeitraum mit hinreichender Bestimmtheit zu entnehmen. Der Tatzeitraum sowie die Anzahl der (nach Art der Begehung und der Person des Geschädigten immer gleich gelagerten) Straftaten werden durch die Mitteilung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen weiter ergänzt. Daraus ergibt sich auch, dass die Anklage auf dem Geständnis des Angeschuldigten beruhte. Damit ist der abzuurteilende Verfahrensgegenstand hinreichend umgrenzt.

c) Dem Umstand, dass die auf dem Geständnis des Angeklagten basierende Anklage keine Zuordnung der im Einzelfall entwendeten Gegenstände zu einzelnen Taten vornimmt und somit den Schadensumfang anlässlich der jeweiligen Einzeltat offen lässt, kann - je nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung - in unterschiedlicher Weise Rechnung getragen werden.

Zwar sind die Staatsanwaltschaft und der Tatrichter gehalten, bei einer Tatserie die Einzelakte so konkret und individualisiert zu ermitteln und festzustellen, dass sich daraus die Verwirklichung des objektiven und subjektiven Deliktstatbestandes für jede Einzeltat ergibt (BGHSt 40, 374, 376).

Gleichwohl führt das Unterlassen der Verteilung des ermittelten Gesamtschadens auf die im Verfahren 4101 Js 2832/06 angeklagten Fälle Nrn. 1-180 hier nicht zu der Annahme der Unwirksamkeit der Anklage bzw. des nachfolgenden Eröffnungsbeschlusses, da ein darin etwa zu sehender Mangel jedenfalls behebbar und somit heilbar ist. Das hat die Strafkammer verkannt. aa) Bei Serienstraftaten im Bereich der Vermögensdelikte kommt die Zuordnung des Gesamtschadens zu den begangenen Einzeltaten nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" in Betracht, wenn, wozu sich das angefochtene Urteil nicht verhält, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung keine näheren Feststellungen möglich sind (zur Hehlerei: BGHSt 40, 374, 377; zur Untreue: BGH NStZ 1994, 586; zum Betrug: BGHR StGB vor § 1/Serienstraftaten Betrug 1). Dabei darf sich der Tatrichter gegebenenfalls auch der Methode einer Schätzung bedienen. Entsprechendes gilt für Steuerstraftaten und Betäubungsmitteldelikte (BGH StV 1992, 66). Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass Serientaten ihren wesentlichen Unrechtsgehalt erst bei einer Würdigung des Gesamtumfangs des strafbaren Tuns offenbaren und dass dafür Schadens- oder Mengenangaben der entscheidende Gesichtspunkt sind. Die notwendige Aufteilung des Gesamtschadens, etwa bei einer Betrugsserie, ist keineswegs das Gebot der Gerechtigkeit, sondern der Konkurrenzregelungen des Strafgesetzbuches (BGH StV 1998, 474).

Ansonsten würde trotz eindeutig nachgewiesen strafbaren Gesamtverhaltens eine Verurteilung des Täters aufgrund unzureichender Konkretisierung der jeweiligen Einzelfälle ausscheiden. Die Aufgabe der Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung (BGHSt 40, 138) kann aber nicht zu Strafbarkeitslücken führen, die der materiellen Gerechtigkeit widerstreiten würden (BGHSt 40, 374, 377). bb) Sollte etwa wegen Fehlens einer konkreten Erinnerung des Angeklagten daran, welche der bei ihm vorgefundenen Gegenstände er bei welcher Gelegenheit im angeklagten Tatzeitraum gestohlen hat, eine nähere Aufteilung des sichergestellten Diebesguts auf die verschiedenen Einzeltaten überhaupt nicht möglich gewesen sein, hätte die Berufungskammer folgendes erwägen müssen:

In Fällen, in denen sich trotz sorgfältiger Würdigung aller Beweisanzeichen keine brauchbaren Kriterien für die Aufteilung des festgestellten Mindestschuldumfangs auf die Einzeltaten im Rahmen der Schätzung feststellen lassen, gebietet der Grundsatz "in dubio pro reo" im Extremfall die Annahme lediglich einer Tat (vgl. BGH StV 2000, 600 mit Anm. v. Dr. Zopfs; BGHR StGB vor § 1/Serienstraftaten Betrug 1; BGHSt 40, 374; BGH NStZ 1994, S. 586 und BGH NStZ 1994, 429; BGH StV 1998, 474 m. Anm. Dr. Hefendehl). Ein Freispruch kommt hingegen nicht in Betracht, da die Schuld des Täters als solche feststeht (BGH StV 2000, 600, 601).

Der Tatrichter muss dann die einzelnen Tatbestandsverwirklichungen ohne Einschränkungen feststellen und sich bei der Strafzumessung bewusst sein, dass der Schuldspruch wegen einer einzigen Tat keine Entsprechung in der Wirklichkeit zu haben braucht (BGH StV 1998, 474) d) Nach dem vorstehend Ausgeführten erweist sich die Einstellungsentscheidung des Berufungsgerichts nach § 260 Abs. 3 StPO als rechtsfehlerhaft und ist daher mit dem Gesamtstrafenausspruch und der Kostenentscheidung in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts aufzuheben. (4) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat noch auf Folgendes hin: Das Verbot der reformatio in peius (§ 331 Abs. 1 StPO) steht hinsichtlich der angeklagten 180 Diebstähle zum Nachteil der Fa. K.... einer eventuellen Schuldspruchänderung zu einer einzigen Tat nicht entgegen (Meyer-Goßner StPO 50. Auflage § 331 Rdnr. 8). Sollte das neue Tatgericht diesbezüglich nur eine Tat annehmen, wäre auch kein Teilfreispruch geboten, da durch eine solche Zusammenfassung dann der gesamte Verfahrensgegenstand erschöpfend erledigt würde (BGHR StPO § 260 Abs. 1 Teilfreispruch 14).

Dem neuen Tatrichter wäre es auch nicht verwehrt, eine im Vergleich zu den Einzelstrafen im erstinstanzlichen Urteil höhere Einzelstrafe zu verhängen, sofern durch die Annahme nur einer Tat die Fälle Nrn. 1-180 der Anklage im Verfahren 4101 Js 2832/06 zusammengefasst würden (vgl. KK-Ruß a.a.O.§ 331 Rdnr. 2a; KK-Kuckein a.a.O. § 358 Rdnr. 30; BGHSt 14, 5, 7; BGH NStZ 1986, 209).

Ende der Entscheidung

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