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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 04.05.2001
Aktenzeichen: 1 Ss 80/01
Rechtsgebiete: OWiG


Vorschriften:

OWiG § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Die von der Rechtsprechung für den Fall der computermäßigen Versendung von Anhörbögen entwickelten Grundsätze gelten nicht, wenn die Bußgeldbehörde aufgrund einer Kennzeichenanzeige ein Verfahren gegen Unbekannt führt, dem Halter und (gleichzeitigen) Fahrer zunächst einen Zeugenfragebogen und später einen Anhörungsbogen als Betroffener zuschickt. Eine solche Änderung des Verfahrensganges muss daher aktenkundig gemacht werden.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken

Beschluss

Aktenzeichen: 1 Ss 80/01

In dem Bußgeldverfahren gegen

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit,

hier: Rechtsbeschwerde,

hat der Bußgeldsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten am Oberlandesgericht Dr. Ohler und die Richter am Oberlandesgericht Maurer und Friemel

am 4. Mai 2001

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 24. Januar 2001 aufgehoben.

2. Das Verfahren wird eingestellt.

3. Die Landeskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Betroffenen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat gegen die Betroffene wegen fahrlässigen Überschreitens der erlaubten Höchstgeschwindigkeit außerorts um 41 km/h eine Geldbuße von 200,-- DM und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Mit ihrer Rechtsbeschwerde rügt die Betroffene die Verletzung sachlichen Rechts; sie beruft sich insbesondere auf Verjährung.

Das zulässige Rechtsmittel führt zur Verfahrenseinstellung wegen Verjährung (§§ 31 Abs. 1 Satz 1, 71 Abs. 1, 79 Abs. 3, 5, 6 OWiG, 260 Abs. 3, 467 Abs. 1 StPO). Die Verjährungsfrist für Verkehrsordnungswidrigkeiten beträgt gemäß § 31 Abs. 2 OWiG, § 26 Abs. 3 StVG während des Vorverfahrens drei Monate, hat mit Tatbegehung am 13. Juli 2000 begonnen und war dementsprechend am 12. Oktober 2000 abgelaufen. Der Bußgeldbescheid ist erst am 8. November 2000 ergangen und konnte daher die Verjährung nicht mehr unterbrechen.

Auch vorher war eine Verjährungsunterbrechung nicht eingetreten. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus dem in der Akte enthaltenen Computer-Datensatzauszug mit dem Vermerk: "Anhörung 15.09.2000". Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Übersendung eines Anhörbogens, der mittels einer EDV-Anlage gefertigt worden ist, verjährungsunterbrechende Wirkung zukommt (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG), ohne dass der Sachbearbeiter zuvor in den vorprogrammierten Arbeitsablauf des Computers eingegriffen hat (OLG Köln, DAR 2000, 131 m.w.N.; OLG Frankfurt VRs 50, 220). Eine unmittelbare Verfügung der Versendung des Anhörbogens wird für entbehrlich gehalten, weil der Sachbearbeiter - anders als beim Erlass des Bußgeldbescheides - auch dann keine Individualentscheidung trifft, wenn er aufgrund einer Anzeige die Versendung des Anhörbogens an den Betroffenen manuell verfügt. Seine Tätigkeit kann deshalb auf die EDV-Anlage übertragen werden (OLG Frankfurt, aa0). Voraussetzung dafür aber ist, dass die Verwaltungsbehörde den Betroffenen bereits konkret verdächtigt (BGHSt 24, 320;OLG Frankfurt am Main VRS 60, 213;; OLG Hamburg DAR 1999, 176; NZV 1999, 95; KK-Weidler OWiG, 2. Aufl. § 33 Rdn. 23).

Auf den vorliegenden Fall trifft dies nicht zu. Der Fahrzeugführer war zunächst unbekannt, weshalb das Verfahren als Halteranzeige geführt und der Betroffenen am 16. August 2000 ein Zeugenfragebogen übersandt wurde, was nicht zur Unterbrechung der Verjährung geführt hat (OLG Düsseldorf VRs 87, 60; BayObLG VRs 44, 62).

Zwar befinden sich in den Akten ein (per Computer erstellter) "Datensatzauszug" vom 12. Oktober 2000 und ein am 4. Januar 2001 ebenso gefertigter Ausdruck "Historie", in denen u.a. vermerkt ist "... Anhörung 15.09.2000" ...; des weiteren soll die zuständige Sachbearbeiterin nach einer schriftlichen Auskunft der Verwaltungsbehörde vom 4. April 2001 am 15. September 2000 "in der EDV eine Anhörung" veranlasst haben, welche der Betroffenen "unmittelbar durch das Rechenzentrum" zugeschickt worden sei. Das genügt - unabhängig davon, ob eine solche Anhörung der Betroffenen zugegangen ist - ebenfalls nicht.

Da die Verwaltungsbehörde das Ermittlungsverfahren zunächst als Kennzeichenanzeige gegen einen noch unbekannten Fahrer geführt hat, beinhaltete die Entscheidung der Sachbearbeiterin, gegen eine bestimmte Person als Betroffene zu ermitteln, einen Eingriff in den schematisierten EDV-Arbeitsablauf, der von dem darin manifestierten, ursprünglichen Willen der Behörde abwich. Die von der Rechtsprechung für den Fall der Versendung von Anhörbögen mit Hilfe eines Computerprogrammes entwickelten Grundsätze, die darauf abstellen, dass lediglich die Wiederholung des einmal betätigten Verwaltungswillens entbehrlich ist (vgl. KK-Weller aaO, Rdn. 31), können darauf jedenfalls dann nicht angewendet nicht, wenn die Verwaltungsbehörde zunächst ein Kennzeichenverfahren (gegen Unbekannt) geführt hat, in dem der Halter als Zeuge vernommen oder ihm - wie hier - ein Zeugefragebogen zugesandt worden ist, und ein Ermittlungsverfahren gegen ihn erst mit der Versendung des Anhörbogens beginnt. Die Verwaltungsbehörde muss von einer solchen Individualentscheidung ihres Sachbearbeiters in den Akten Zeugnis ablegen.(vgl. hierzu Senat Beschluss vom 22. März 2001 - 1 Ss 27/01; OLG Köln DAR 2000, 131). Etwas anderes kann nur in Betracht kommen, wenn bei einer Kennzeichenanzeige dem Halter sogleich ein Anhörungsbogen (als Betroffener) zugesandt worden ist (obwohl sich erst später herausstellt, dass er der Fahrer war, vgl. OLG Köln VRS 95, 119 m.w.N., KK-Weller aaO Rdn. 31 m.w.N.). Ansonsten hat die Versendung des Anhörbogens in solchen Fällen nur dann verjährungsunterbrechende Wirkung, wenn aktenkundig gemacht wird, wer die Anordnung vorgenommen hat, und der zuständige Beamte durch Unterschrift oder Handzeichen die Verantwortung für die Richtigkeit der Beurkundung des Datums übernommen hat. Es reicht auch nicht aus, wenn die Versendung durch auf Erinnerung gestützte spätere Auskünfte der Verwaltungsbehörde belegt wird (OLG Köln, VRs 66, 362; DAR 2000, aaO; BayObLG VRs 60, 126; Senat, aaO ; KK-Weller, aaO Rdnr. 31, 32 m.w.N.). Der Senat sah deshalb keinen Anlass, der Auskunft der zuständigen Verwaltungsbehörde über den Hergang der Versendung des Anhörbogens nachzugehen, die im Widerspruch dazu steht, dass die Bußgeldbehörde noch am 31. Oktober 2000 das Passamt in Karlsruhe um Übersendung eines Personalausweises oder Passfotos der Betroffenen gebeten hatte, weil die Identität des Fahrzeugsführers nicht habe ermittelt werden können.

Bei Erlass des Bußgeldbescheids war somit Verfolgungsverjährung eingetreten die dem weiteren Verfahren als Verfahrenshindernis entgegensteht. Es besteht deshalb auch kein Anlass, der Betroffenen gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO den Ersatz ihrer notwendigen Auslagen zu versagen.

Ende der Entscheidung

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