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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 14.05.2004
Aktenzeichen: 1 Ss 85/04
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 275 Abs. 1 | |
StPO § 338 Nr. 7 |
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss
In dem Strafverfahren gegen
wegen Betruges
hier: Revision
hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Ohler, den Richter am Oberlandesgericht Maurer und den Richter am Landgericht Stricker
am 14. Mai 2004
einstimmig beschlossen:
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - Pirmasens vom 7. März 2003 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafabteilung des Amtsgerichts Pirmasens zurückverwiesen.
Gründe:
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten mit Strafaussetzung verurteilt. Seine hiergegen fristgerecht eingelegte Berufung möchte er als Revision durchführen. Er rügt die Verletzung des materiellen und formellen Rechts. Das zulässige Rechtsmittel führt zu einem vorläufigen Erfolg, weil bereits die ordnungsgemäß erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des § 275 Abs. 1 StPO durchgreift. Dies zwingt gemäß § 338 Nr. 7 StPO ohne weitere Überprüfungen zur Urteilsaufhebung.
Das in der eintägigen Hauptverhandlung am 7. März 2003 verkündete Urteil ist laut Aktenvermerk der Geschäftsstelle (Bl. 328 Rs. d.A.) in schriftlicher Form mit Gründen und Unterschrift erst am 18. März 2004 zu den Akten gelangt. Die bis zum 11. April 2003 laufende Fünfwochenfrist des § 275 Abs. 1 S. 1 StPO ist damit weit überschritten.
Zwar kann gemäß § 275 Abs. 1 S. 4 StPO eine Fristüberschreitung zulässig sein, wenn sie auf einem nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand beruht. Es kommt etwa die Dienstunfähigkeit des Richters infolge Erkrankung in Betracht, die, wie in der Revisionsbegründung anklingt, auch vorliegend ursächlich gewesen sein kann. Die Voraussetzungen des § 275 Abs. 1 S. 4 StPO sind hier jedoch zu verneinen, ohne dass es der Aufklärung der konkret gegebenen Situation bedarf. Die Vorschrift trägt Ausnahmecharakter. Die Urteilsabsetzungsfristen dürfen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen überschritten werden. Deswegen führt nach der gesetzlichen Regelung die Fristüberschreitung als Verletzung des Unverzüglichkeitsgebotes grundsätzlich zu dem absoluten Revisionsgrund nach § 338 Nr. 7 StPO. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass durch die Verzögerung der Urteilsabsetzung die Zuverlässigkeit, mit der die schriftlichen Urteilsgründe das Beratungsergebnis beurkunden, gefährdet ist. Die Begrenzung der für die schriftliche Urteilsbegründung zur Verfügung stehenden Zeit soll verhüten, dass ein längeres Hinausschieben der Urteilsabfassung die Zuverlässigkeit der Erinnerung des Urteilsverfassers und der mitunterzeichnenden Richter beeinträchtigt und zu einer Darstellung der Sach- und Rechtslage in den Urteilsgründen führt, bei der nicht mehr gesichert ist, dass sie der das Urteil tragenden Ansicht der Mehrzahl der Richter bei der Beratung entspricht; auch bei kleineren Verfahren, die sich gleichen, ist damit zu rechnen, dass das Erinnerungsbild des Richters schnell verblasst (LR-Gollwitzer StPO 25. Aufl. § 275 Rn.2). Daraus folgt, dass, auch wenn in § 275 Abs. 1 S. 4 keine Höchstdauer vorgesehen ist, die Vorschrift lediglich auf Fristüberschreitungen in überschaubarem Ausmaß anwendbar ist, nicht jedoch auf Überschreitungen in der Größenordnung, wie sie hier zugrunde liegt. Der Rechtsprechung zu § 275 Abs. 1 S. 4 StPO liegen demgemäß auch überwiegend Sachverhalte mit Überschreitungen von wenigen Tagen oder Wochen zugrunde. In einem Einzelfall, in dem die Frist um 7 Monate überschritten war, wurde bereits die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt eine Überschreitung überhaupt noch als gerechtfertigt anzusehen ist, angesprochen, letztlich jedoch aus anderen Gründen als nicht entscheidungserheblich offen gelassen (OLG Hamm MDR 1977, 1039). Bei der schriftlichen Absetzung des Urteils erst etwa ein Jahr nach dessen Verkündung ist nach Auffassung des Senats jedenfalls nicht mehr gewährleistet, dass die schriftlichen Urteilsgründe noch auf dem Inbegriff der Hauptverhandlung beruhen und die der Urteilsberatung zugrunde liegenden Erwägungen unverfälscht wiedergeben. Das schriftliche Urteil kann aus diesen Gründen generell nicht mehr die geeignete und sichere Grundlage für die revisionsrechtliche Überprüfung bilden, wobei es auf die konkreten Einzelumstände, die für die Fristüberschreitung ursächlich waren, nicht ankommt. Das Urteil unterliegt gemäß § 338 Nr. 7 StPO der Aufhebung.
Ende der Entscheidung
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