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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 29.06.2006
Aktenzeichen: 1 Ss 88/06
Rechtsgebiete: StVG


Vorschriften:

StVG § 24a
StVG § 24a Abs. 2
StVG § 24a Abs. 2 Satz 1
StVG § 24a Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

1 Ss 88/06

In dem Bußgeldverfahren gegen

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hier: Rechtsbeschwerde

hat der Senat für Bußgeldsachen des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Ohler, den Richter am Oberlandesgericht Maurer und den Richter am Landgericht Jung

am 29. Juni 2006

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Rockenhausen vom 12. April 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an dieses Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung von Cannabis, § 24a Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 StVG, eine Geldbuße von 500 € und ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt. Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts. Insbesondere wendet sich der Betroffene gegen die rechtliche Würdigung zur Fahrlässigkeit. Das zulässige Rechtsmittel hat mit der Sachrüge einen vorläufigen Erfolg.

Das Amtsgericht hat festgestellt dass der Betroffene am 15. August 2005 auf dem Residenzfest in Kirchheimbolanden einen Joint geraucht habe. Drei Tage später, also am 18. August, habe er mit einem PKW des Typs Ford Escort gegen 19.30 Uhr den Weierhofweg in Marnheim befahren. Während der Fahrt habe der Betroffene unter dem Einfluss der drei Tage zuvor konsumierten Cannabisprodukte gestanden. Bei einer Verkehrskontrolle hätten die beiden Beamten bei dem Betroffenen starkes Lidflattern, zittrige Hände sowie einen ausgeprägten Rededrang festgestellt. Außerdem seien die Bindehäute des Betroffenen gerötet gewesen. Die Untersuchung der dem Betroffenen entnommenen Blutprobe habe eine Konzentration von 2,1 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) und 19 ng/ml Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure (THC-COOH) im Blut ergeben.

Zum Fahrlässigkeitsvorwurf enthält das Urteil folgende Ausführungen:

" Dem Betroffenen fällt hinsichtlich der Tatbestandsverwirklichung wenigstens Fahrlässigkeit zur Last. Fahrlässiges Handeln liegt vor, wenn der Täter die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, außer Acht lässt und deshalb entweder die Tatbestandsverwirklichung nicht erkennt bzw. voraussieht- unbewusste Fahrlässigkeit- oder die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung zwar erkennt, aber mit ihr nicht einverstanden ist und ernsthaft darauf vertraut, diese werde nicht eintreten- bewusste Fahrlässigkeit-. Im Rahmen des § 24a StVG muss sich die Fahrlässigkeit auch auf die Wirkung des jeweiligen Rauschmittels beziehen. Es reicht insoweit aus, wenn sich die Fahrlässigkeit auf das bezieht, was die Wirkung ausmacht (PfälzOLG Zweibrücken, NStZ 2002, 95). Nicht erforderlich ist, dass sich der Betroffene einen spürbaren oder messbaren Wirkstoffeffekt oder gar eine Minderung der Fahrtüchtigkeit vorstellt bzw. vorstellen könnte (PfälzOLG a.a.O.). Er muss auch nicht den Vorgang, der die Wirkung ausmacht, physiologisch und biomechanisch exakt einordnen können. Wenn ein Betroffener daher wie hier wissentlich Cannabis zu sich nimmt und danach ein Fahrzeug führt, ist die etwaige Annahme, die Droge sei zwischenzeitlich abgebaut und deshalb nicht mehr nachweisbar, als Fehlvorstellung über die Dauer der Wirkung grundsätzlich unerheblich (PfälzOLG a.a.O.). Denn ein Kraftfahrer muss die Unberechenbarkeit von Rauschdrogen ebenso wie atypische Rauschverläufe in Rechnung stellen. Zwar soll der Fahrlässigkeitsvorwurf in (extremen) Ausnahmefällen entfallen, wenn der Täter nicht mehr damit rechnen muss, unter der Wirkung konsumierter illegaler Drogen zu stehen (OLG Hamm NJW 2005, 3298 ff). In Fällen des bewussten und gewollten Drogenkonsums vor Antritt einer Fahrt liegt ein solcher Ausnahmefall jedoch regelmäßig nicht vor. Demnach ist der Betroffene gehalten, nach einem bewussten und gewollten Drogenkonsum dafür Sorge zu tragen, dass sich bei Antritt der Fahrt keine rechtlich relevante Konzentration einer in der Anlage zu § 24a Abs. 2 StVG genannten Substanzen mehr in seinem Blut befindet. Dieser Sorgfaltspflicht, die aus dem vorangegangenen, gefahrschaffenden Drogenkonsum resultiert, ist der Betroffene vorliegend nicht nachgekommen".

Die Beweiswürdigung der angefochtenen Entscheidung ist insoweit lückenhaft. Die Feststellung, der Betroffene habe drei Tage vor Fahrtantritt einen Joint geraucht, erlaubt auch in Verbindung mit den durch die Blutanalyse ermittelten THC und THC-COOH Werten nicht ohne weiteres den sicheren Rückschluss auf die festgestellte Fahrlässigkeit des Betroffenen. Im Rahmen der Beweiswürdigung hätte es der tatrichterlichen Überzeugung bedurft, dass der Betroffene die Möglichkeit fortdauernder Wirkung auch drei Tage nach dem Konsum entweder erkannte oder zumindest hätte erkennen können und müssen. Die Fahrlässigkeit im Rahmen des § 24a Abs.2 StVG bezieht sich dabei nicht allein auf den Konsumvorgang, sondern auch auf die Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt (OLG Hamm NJW 2005, 3298 ff).

Zwar ist die Annahme, die Droge sei zwischenzeitlich abgebaut, als Fehlvorstellung über die Dauer der Wirkung grundsätzlich unerheblich (Senat NStZ 2002, 95). Allerdings sind Ausnahmefälle denkbar, wonach ein Kraftfahrer nach einem bestimmten Zeitraum nicht mehr damit rechnen muss, noch unter der Wirkung einer konsumierten illegalen Droge zu stehen (Senat a.a.O., OLG Hamm a.a.O.) Für den Fall eines unkontrollierten Drogenkonsums, bei dem der Betroffene weder Dosis noch Qualität des konsumierten Rauschgifts kannte, durfte der Betroffene jedenfalls am Nachmittag des darauf folgenden Tages nicht zweifelsfrei annehmen, wieder ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen (Senat a.a.O.) Die fortbestehende Rauschwirkung zur Tatzeit ist Bestandteil des objektiven Tatbestandes, daher muss sich das Vorstellungsbild des Täters auch auf sie erstrecken. Muss der Täter ausnahmsweise wegen des längeren Zeitablaufes zwischen Konsum eines Haschischjoints und Fahrtantritt, wie er hier mit drei Tagen gegeben ist, nicht ohne weiteres erkennen, dass er noch unter der Wirkung des Betäubungsmittels steht, so bedarf es weiterer Feststellungen zur Fahrlässigkeit (OLG Hamm a.a.O.). Solche Feststellungen sind hier unterblieben.

In Anbetracht der Überschreitung des Grenzwertes von 0,1 ng/ml um das Doppelte, sowie angesichts der von den die Verkehrskontrolle durchführenden Beamten festgestellten weiteren Beweisanzeichen (Lidflattern, zittrige Hände, Rededrang) könnte die Annahme nahe liegen, dass der Betroffene entweder zeitnäher oder in deutlich größerer Menge als angegeben Cannabis konsumiert hat, es sich insoweit um eine Schutzbehauptung handelt. Diese Frage wird nunmehr, gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen, zu beantworten sein.

Ende der Entscheidung

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