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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 10.07.2000
Aktenzeichen: 1 Ss 93/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 244
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 1 Ss 93/00 7004 Js 6140/99 StA Landau in der Pfalz

In dem Strafverfahren

wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.,

hier: Revision

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Ohler und die Richter am Oberlandesgericht Maurer und Friemel am 10. Juli 2000

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - Landau in der Pfalz vom 19. Januar 2000 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Landau in der Pfalz zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Nötigung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 70 DM verurteilt. Hiergegen richtet sich die Sprungrevision des Angeklagten, mit der er die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts rügt. Das zulässige Rechtsmittel hat vorläufigen Erfolg.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts soll der Angeklagte als Fahrer eines PKWs am 5. März 1999 zwischen 14,30 Uhr und gegen 15.00 Uhr (die in den Urteilsgründen zunächst erwähnte zeitliche Eingrenzung bis 15.30 Uhr hat die Amtsrichterin offenbar aufgrund der Zeugenaussage Graf weiter eingeschränkt) auf der A 65 in Richtung Ludwigshafen kurz vor der Abfahrt Edenkoben den Zeugen H, der mit seinem PKW dieselbe Strecke fuhr, bedrängt und gefährdet haben. Der Angeklagte hat sich eingelassen, er könne nicht der Fahrer gewesen sein, da er zur fraglichen Zeit nicht von seinem Wohnort Kandel nach Edenkoben gefahren sei. Er habe gegen 15.00 Uhr bei seiner Freundin in Kandel den Schlüssel zu deren Wohnung geholt, um dort Reparaturarbeiten auszuführen, sei anschließend zu einem Baumarkt in Rohrbach gefahren, wo er um 16.05 Uhr einen Sack Gips gekauft und anschließend in der Wohnung der Freundin bis ca. 19.00 Uhr gearbeitet habe. Zu dieser Einlassung finden sich in den Urteilsgründen folgende Ausführungen:

"Der von dem Angeklagten angegebene Tagesablauf des 05.03.1999 steht nicht im Widerspruch zu seiner Täterschaft. Es ist zeitlich durchaus möglich zwischen 14.30 Uhr und gegen 15.00 Uhr über die A 65 von Kandel bis Edenkoben (Fahrzeit ca. 10 bis 12 Min.) zu fahren, dort etwas abzugeben und gegen 15.00 Uhr wieder in Kandel zu sein."

Unter anderem beanstandet der Angeklagte mit ordnungsgemäß erhobener Formalrüge, dass die Urteilsgründe auf seine beiden Hilfsbeweisanträge (Anlagen Nr. 2 und Nr. 3 des Protokolls) nicht eingingen, nachdem auch in der Hauptverhandlung nicht über sie entschieden worden sei.

Dies ist zutreffend; die beiden Hilsfsbeweisanträge werden im Urteil nicht behandelt, nicht einmal erwähnt. Über hilfsweise gestellte Beweisanträge, denen nicht entsprochen wird, ergeht die Ablehnungsentscheidung mit dem Urteil, was eine Begründung im schriftlichen Urteil erwarten lässt. Die Frage der fehlenden Behandlung des Hilfsbeweisantrages Anlage Nr. 2 (Abholen des Schlüssels gegen 15.00 Uhr bei der Freundin) bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, weil jedenfalls die Rüge der fehlenden Begründung zum zweiten Hilfsbeweisantrag Anlage Nr. 3 (Tabellierbänder des Kraftfahrtbundesamtes über die Zulassung weiterer ähnlicher Kraftfahrzeuge) zum Erfolg des Rechtsmittels führt.

Zwar stellt das bloße Übergehen eines Hilfsbeweisantrages nicht zwingend einen Rechtsfehler dar, auf dem das Urteil beruht; dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn sich aus den Urteilsgründen ergibt, dass das Tatgericht die Beweisbehauptung für unerheblich gehalten hat und auch halten durfte oder dass es sie wie eine erwiesene oder als wahr unterstellte Tatsache behandelt hat (Kleinknecht/ Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 244 Rdn. 86). Die stillschweigende Annahme eines solchen Ablehnungsgrundes kann hier allerdings den Urteilsgründen nicht entnommen werden, auch aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich kein Grund, der die Ablehnung rechtfertigen könnte. Es liegt vielmehr nahe, dass die Amtsrichterin den Antrag entweder übersehen oder übergangen hat. Theoretisch denkbar wäre allenfalls die Wahrunterstellung (Vorhandensein mehrerer gleicher Fahrzeuge mit ähnlichen Kennzeichen). Dies würde allerdings voraussetzen, dass nach dem Beweisergebnis eine Verwechslung des Fahrzeuges bzw. des Kennzeichens sicher ausgeschlossen werden kann. Gerade hierzu geben die Urteilsgründe keinen Aufschluss. Das Zulassungskennzeichen des fraglichen Fahrzeuges wird nur im festgestellten Sachverhalt erwähnt. Die Wiedergabe der Bekundungen der Zeugen H und G teilt keine Einzelheiten zur Fahrzeugbeschreibung mit. Es wird lediglich zusammenfassend von der "höchst präzisen Beschreibung des PKWs des Angeklagten" gesprochen. Gerade aber im Hinblick auf den zu entscheidenden Hilfsbeweisantrag hätte es der Angabe konkreter Umstände dazu bedurft, auf welche Weise die Zeugen das fragliche Fahrzeug beobachten konnten, wie sie es beschrieben und auf welche Merkmale sie ihre Erinnerung gestützt haben, insbesondere worauf die Angabe des Kennzeichen beruht; letzteres wird im Rahmen der Zeugenbekundungen überhaupt nicht erwähnt. Zum sicheren Ausschluss einer Verwechslung bleibt insbesondere offen, ob der Zeuge H während der gesamten Weiterfahrt bis zum Parkplatz der Firma B das Fahrzeug ständig im Blick hatte (ob das dort vorgefundene Fahrzeug auch sicher dasjenige war, das bei der Tat benutzt wurde), ob er das Kennzeichen schon auf der Autobahn oder erst auf dem Parkplatz festgehalten und wie er das getan hat (lediglich Gedächtnis oder Notiz). Ebenso schweigen die Urteilsgründe dazu, ob der Zeuge bereits während des Vorfalles und der Weiterfahrt oder erst auf dem Parkplatz die Person des Fahrers näher erkennen konnte.

Ob die Hauptverhandlung ein tragfähiges Beweisergebnis ergeben hat, das die Wahrunterstellung zugelassen hätte, kann aufgrund der Lückenhaftigkeit der Urteilsgründe nicht beurteilt werden. Bei Wahrunterstellung der unter Beweis gestellten Tatsache ist nach den im Urteil mitgeteilten Umständen eine Verwechslung etwa infolge fehlerhaften Ablesens des Kennzeichens letztlich nicht auszuschließen. Daher begründet die Nichtbehandlung des Hilfsbeweisantrages einen Urteilsmangel, auf dem die Entscheidung auch beruht. Dies führt zur Urteilsaufhebung, ohne dass es auf die weiteren Revisionsrügen ankäme.

Ende der Entscheidung

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